Warum haben Bauern die Feudalherrschaft mitgemacht?

ansonsten bist du enorm pessimistisch, du scheinst zu vergessen, das leibeigen jeder ist, der einen arbeitgeber hat und dieser dann weisungsbefugnis ausübt. das gewirr aufzuarbeiten was du da stehen hast wäre eine morgenfüllende aufgabe ^^

Arbeitnehmer sind keine Leibeigenen. Am fundamentalsten zeigt sich das daran, dass der Arbeitnehmer seine Stelle kündigen kann. Ein Leibeigener war oft seit Geburt Leibeigener und war quasi mit seiner Familie einschließlich Erben "Zubehör" des Hofes, den er in der Regel bewirtschaftete.
 
Arbeitnehmer sind keine Leibeigenen. Am fundamentalsten zeigt sich das daran, dass der Arbeitnehmer seine Stelle kündigen kann. Ein Leibeigener war oft seit Geburt Leibeigener und war quasi mit seiner Familie einschließlich Erben "Zubehör" des Hofes, den er in der Regel bewirtschaftete.

... und wenn der Hof verkauft oder verschenkt (an ein Kloster) wurde, wurden die dazugehörigen Leibeigenen mit verkauft resp. mit-verschenkt.
 
Genau das, so ist es auch in zahlreichen Urkunden vielfach belegt.

Und weiter: aus dieser Rechtslage erklärt sich auch, weshalb vielerorts Heiraten zwischen Leibeigenen vom Herrn bewilligt werden mussten. Es musste schliesslich geklärt werden, wem die Kinder gehörten, wenn Leibeigene unberschiedlicher Herren heiraten wollten.

Man muss vielleicht einem amerikanischen Präsidenten die vereinfachte Version der Menschenrechte als Unterschied zwischen Leibeigenschaft und Arbeitnehmerschaft erklären, aber in einem Forum für Geschichtsinteressierte dürfte man ein solches Verständnis als Minimalanforderung voraussetzen.
 
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Der Vergleich hinkt, wie fas jeder Vergleich. Gegenüber den mittelalterlichen, unfreien Bauern sind wir reich. Wenn man von relativ viel Einkommen 55% nimmt, bleibt noch immer genügend übrig, um ein recht komfortables Leben zu führen. Nimmt man von relativ wenig Einkommen 55 % bleibt ganz wenig übrig. Hinzu kommt, dass wir heute, durchaus auch einige Leistungen von den Steuern erwarten können und falls wir in Not geraten, von Steuergeldern am Leben gehalten werden, manche über Jahre. Ob ein mittelalterlicher Bauer, der in Not geriet eine Sozialhilfe bekam ist dagegen fraglich.

Ja das stimmt. Hildegard von Bingen ist deswegen so berühmt eben weil sie "Samariterin" war und lebte. Zu ihr kamen die Leute die anderen Orts keine Hilfe bekamen. Sozialhilfe gab es allenfalls in Klosternähe oder ähnlichen kirchlichen Einrichtungen. Der Allerweltsmann war auf sich allein gestellt, zusehen an den vielen "Hausmitteln". Auch Bader übernahmen die Arbeit von Stadtärzten.

Das Sozialsystem des Mittelalters war die Familie und zuletzt das Dorf, dann war Schluß.
 
Ja das stimmt. Hildegard von Bingen ist deswegen so berühmt eben weil sie "Samariterin" war und lebte. Zu ihr kamen die Leute die anderen Orts keine Hilfe bekamen. Sozialhilfe gab es allenfalls in Klosternähe oder ähnlichen kirchlichen Einrichtungen. Der Allerweltsmann war auf sich allein gestellt, zusehen an den vielen "Hausmitteln". Auch Bader übernahmen die Arbeit von Stadtärzten.

Das Sozialsystem des Mittelalters war die Familie und zuletzt das Dorf, dann war Schluß.

Das kann man so nicht stehen lassen, denn Armenstiftungen, Armenspeisungen, Spitäler, Siechenhäuser und Einrichtungen, die sich der Armenfürsorge widmeten gab es durchaus viele, und zwar vor allem in mittelalterlichen Städten. (Freiwillige) Armut galt in zahlreichen mittelalterlichen Orden als ein Ideal, und Menschen wie Elisabeth von Thüringen oder Franz von Assisi eiferten diesem Beispiel nach. Mildtätigkeit war eine christliche Tugend, und Spitzenreiter der Gesellschaft wurden durchaus auch danach beurteilt, ob sie Almosen gaben und diesem Ideal gerecht wurden. In fast allen mittelalterlichen Städten gab es Spitäler, Siechenhäuser und andere Einrichtungen, die sich der Armenfürsorge widmeten. Da Mildtätigkeit als christliche Tugend angesehen wurde und Almosen zu geben erwartet wurde, erfüllten Menschen, die auf Mildtätigkeit angewiesen waren in der mittelalterlichen Gesellschaft durchaus eine wichtige Rolle. Jedenfalls galten sie (noch) nicht unbedingt als Parasiten. Eine solche Einstellung entwickelte sich erst in der frühen Neuzeit, in der es zwar weiterhin Fürsorgeeinrichtungen gab, die sich im Laufe des 17. Jahrhunderts allerdings immer mehr zu Korrektionsinstitutionen entwickelten nach dem Vorbild der zuerst zu Beginn des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden gegründeten Arbeitshäuser. Frühneuzeitliche Bettelordnungen waren weitaus restriktiver, als mittelalterliche bis zu lokalen Verboten, überhaupt Almosen zu geben, die allerdings nicht durchsetzbar waren.

Das ist zwar schon etwas älter, aber immer noch gut lesbar und sehr informativ:

Franz Irrsiegler/Arnold Lasotta Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker-Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt.
 
Es wird ja immer gerne erklärt, dass alles Land irgendeinem Herrscher oder der Kirche gehört hat und die Bauern, um dort leben und anbauen zu dürfen, einen Zehnt und so weiter abgeben mussten. Aber das war ursprünglich doch sicher nicht der Fall. So dicht besiedelt Europa doch nicht, dass es nirgends freies Land gab oder? War Deutschland nicht hauptsächlich Wald? Warum haben die Bauern also mitgemacht?

Sind da Krieger gekommen und haben ihnen gedroht? So nach Mafia Art? Haben sie von sich aus unter Kriegern und Herrschern Schutz gesucht? Vor Räubern und Plünderern? Oder weil diese Krieger Gesetz und Frieden gewährt haben wie Staat und Polizei heute? Oder warum?

Das System des Feudalismus hat sich natürlich nicht über Nacht entwickelt, sondern es entwickelte sich langsam in der Zeit nach dem Untergang des Imperium Romanums und im Frühmittelalter. Leider existieren in den sogenannten dunklen Jahrhunderten des Frühmittelalters wenige Quellen. Irgendwann tauchen Urkunden auf, die Abgaben und Verpflichtungen regelten. Das System des Feudalismus war lange Zeit durchaus basiert auf gegenseitigen Rechten und Pflichten. Der niedere Adel, die Ritterschaft entwickelte sich aus ursprünglich einmal unfreien Dienstleuten, die für einen größeren Herrn oder auch ein Kloster Kriegsdienste leisteten. Aus diesen Ministerialen wurden mit der Zeit adelige Berufskrieger. Diese gewährten gegen gestaffelte Abgaben Schutz. Im Laufe des Hohen Mittelalters stiegen allerdings die Kosten für einen standesgemäßen Lebensstil. Manche Ritter waren diesen Kosten nicht gewachsen und stiegen wieder ab. Rechtsstreitigkeiten und Zwistigkeiten wurden im Mittelalter durch Fehden ausgetragen. Die Kirche und die Fürsten versuchten, das fehdewesen zu beschränken und zu humanisieren durch die sogenannten Gottes- und Landesfrieden. Darin wurden Kirchen oder Mühlen von Kriegshandlungen ausgenommen und die Fehden auf bestimmte Wochentage beschränkt, und Fehden mussten vorher angesagt werden. Leidtragende waren oft die Bauern, deren rechtlicher Status in unterschiedlichen Regionen sehr unterschiedlich ausfiel. Es gab durchaus auch Bauern, die sich freiwillig in den Schutz eines adeligen oder Klosters begaben. Im Hohen und Späten Mittelalter spielten mittelalterliche Städte eine immer bedeutendere Rolle. Wirtschaftlich überflügelten sie den grundherrschaftlichen Adel. es gab das Sprichwort "Stadtluft macht frei"-kleingedruckt müsste hinzugefügt werden nach Jahr und Tag. Ein Leibeigener, der seine Grundherrschaft verließ, konnte nach 1 Jahr und 1 Tag das Bürgerrecht in einer Stadt erlangen. Der Weber Hans Fugger verließ Graben am Lech und siedelte sich 1367 in Augsburg an. Seine beiden Söhne Jakob der Alte und Andreas gründeten sei Linien. Die Nachkommen von Andreas hießen die Fugger vom Reh, die Nachkommen Jakobs die Fugger von der Lilie. Der Enkel von Hans Fugger, Jakob der Reiche baute den eererbten Tuchhandel in ein multinationales Unternehmen aus, das vor allem im Bergbau und im Bankwesen tätig war. bei den Fuggern standen Kaiser, Könige und Päpste in der Kreide. Jakob der Reiche sicherte Karl V. die Kaiserwürde, finanzierte die Schweizer Garde und stieß indirekt die Reformation an. Einer seiner Gläubiger war Albrecht von Brandenburg. Durch Fuggers Fürsprache wurde er mit 27 Jahren Erzbischof von Mainz, Magdeburg und dazu noch Administrator von Halberstadt, obwohl eine solche Ämterhäufung verboten war nach Kirchenrecht. Damit Albrecht seine Schulden bezahlen konnte ließ er Ablassbriefe verkaufen. Das war der Tropfen der das Fass zum überlaufen brachte und die Reformation initiierte.

Da die Lasten vor allem in Oberdeutschland immer drückender wurden, kam es seit dem 14. Jahrhundert immer wieder zu Bauernaufständen.
Der Aufstieg der Städte ging auch am platten Land nicht ganz spurlos vorüber: Diese Abbildung zeigt die ständische Ordnung. An den wurzeln des Baumes steht sinnbildlich ein Bauer, der mit seiner Arbeit Fürsten, Herren, Doktoren und geistliche ernährt. Aber auch in die Wipfel haben sich Bauern aufgeschwungen hoch über geistliche und weltliche Fürsten und Herren, selbst über den Papst. Einer spielt lässig Dudelsack, ein zweiter hält eine Mistgabel. Diese Darstellung eines Petrarcameisters aus dem frühen 17. Jahrhundert war nach dem Großen Bauernkrieg der 1520er Jahre nicht mehr möglich, der frühmoderne Staat zementierte die Ständeordnung, auch wenn es regional, etwa in Ostfriesland weiterhin freie und sogar wohlhabende Bauern gab.

Dazu sehr gute Überblicksdarstellungen: Heinz Schilling Aufbruch und Krise Deutschland 1517-1648 S. 140-188
Ernst Schubert Alltag im Mittelalter.
Für Alltag, Sozialgeschichte Bettler, Gaukler etc. Irrsiegler/Lasotta bettler und Gaukler, Dirnen und Henker. Das Buch bezieht sich auf das mittelalterliche und frühneuzeitliche Köln, vieles ist aber auch für andere Städte gültig.
Für Lehenswesen, Rittertum, etc. ganz ausgezeichnet:
Joseph Fleckenstein (Hrsg.) Das ritterliche Turnier im Mittelalter
 

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