Dass man Begriffe nicht unreflektiert übernehmen darf, ist klar:
Es sei nur kurz in Erinnerung gerufen, dass burg/burc noch um 1200 auch Stadt heißen kann. Mit dem Wort slôz ist hingegen das gemeint, was heute als Burg bezeichnet wird. Burgen und Schlösser sind die Machtbasis eines Herrschers. Oft erscheint auch der Terminus hûs, der heute fast immer mit Burg übersetzt wird, obwohl er meist doch etwas graduell anderes meint, nämlich nicht den Wehrbau, sondern den Sitz des Burgherrn, und sei es auch nur der aktuelle Aufenthaltsort. Hinzu kommt das Wort veste oder vestigunge. Soll der Begriff der Burg auf den des Wehrbaus beschränkt werden, fällt das hûs heraus, burg, slôz und veste bleiben. [1]
Was nun den Artikel 66 im Sachsenspiegel betrifft, so versuche ich mal eine eigene Analyse [2]:
a) Die eigentliche Befestigungs-Regelung steht in § 2:
"Man mag, ohne Urlaub [= Erlaubnis, Genehmigung] des Richters des Landes keine Burg bauen, noch Stadt befestigen mit Mauern, noch mit Planken; noch Wall noch Schanze noch Turm binnen einem Dorfe bauen."
Die Burg und die anderen erwähnten Bauwerke unterliegen dem erwähnten Festungsregal des Königs bzw. der Instanz, an die er es übertragen hat. Hierzu gehört auch die Sondervorschrift in § 4 ("Man mag ohne des Richters Urlaub keine Burg wieder aufbauen ...").
b) Alle vier Sätze des § 3 haben hingegen mit Burgenbau nichts zu tun, sondern richten sich an Grundstückseigentümer allgemein in der Stadt oder im Dorf:
Satz 1: "Ohne seinen Urlaub mag man wohl so tief graben, als einer mit einem Spaten hinauswerfen kann, so dass er keinen Fußtritt mache."
Satz 2: "Man mag wohl, ohne seinen Urlaub, mit Holz oder mit Steinen drei Gestock über einander bauen [...]; wenn man nur in dem niedern Gemach, ein Knie hoch über der Erde, eine Thür hat."
Satz 3: "Man mag auch wohl einen Hof mit Zäunen, oder mit Stacketen, oder so hohen Mauern verfestigen, als man, auf einem Rosse sitzend, reichen kann."
Satz 4: "Zinnen und Brustwehr sollen daran nicht sein."
§ 3 bezeichnet mithin drei bauliche Elemente, durch welche sich ein 'normales Haus' von einer Burg unterscheidet: (1) Die Haus-Tür liegt höchstens kniehoch. (2) Die Einfriedung des Hausgrundstücks ("Hof") darf eine bestimmte Höhe (Rosshöhe + Armlänge) nicht überschreiten. (3) An der Einfriedung gibt es keine besondere Bewehrung (Zinnen, Brustwehr).
Hieraus hat Peter Aufgebauer [3] eine positive Burg-Definition entwickelt:
Daraus ergibt sich, daß ein fester Bau dann eine Burg ist, wenn er eine Mauer besitzt, die höher ist als ein zu Pferde sitzender Mann reichen kann, wenn er einen hochgelegenen Eingang in den Bergfried und eine mit Zinnen und Brustwehr bekrönte Umfassungsmauer aufweist.
c) Der Eingangssatz "Im Sachsenspiegel ist der Bau einer Burg auf maximal 3 Stockwerke begrenzt" ist mithin falsch.
Richtig ist: Wer das Befestigungsrecht besaß, konnte den Bau einer Burg untersagen; er konnte auch eine Genehmigung mit Auflagen erteilen, z.B. zur Zahl der Stockwerke. Dabei wird sicherlich die Stellung des Bau-Trägers in der Hierarchie mitentscheidend gewesen sein, vielleicht auch die eine oder andere Zuwendung...
d) "Baupolizei" ist ein Begriff, der einer späteren Zeit entstammt. Wissenschaftler, welche ihn gleichwohl aufs Hochmittelalter anwenden, wollen damit sagen, das seinerzeit, speziell in den Städten, das 'wilde Bauen' durchaus als Problem erkannt wurde und dass - im Interesse der Gefahrenabwehr - Regulierungsversuche gemacht wurden. Die 3-Stock-Schranke im Sachsenspiegel ist noch Jahrhunderte später als Regulierungsinstrument genutzt worden, in Preußen noch – mit der einen oder anderen Ergänzung – bis zum Erlass des Allgemeinen Landrechts (1794). Im Übrigen schloss diese Schranke ja 4- und mehrstöckige Gebäude nicht grundsätzlich aus; zur Frage, welche und wieviele 'Ausnahmegenehmigungen' erteilt wurden, kenne ich freilich keine Daten.
[1] Heiko Laß in: Wagener u.a. (Hg.), Die imaginäre Burg (2009), S. 13
[2] Ich benutze hier die Übersetzung von Carl Robert Sachße, Sächsisches Landrecht (1848), S. 283 f., wobei ich davon ausgehe, dass Art. 66 § 1 ("Man mag keinen Markt, dem andern eine Meile nahe, bauen.") hier nicht weiter interessiert.
[3]
https://cma.gbv.de/dr,cma,001,1998,a,07.pdf, Zitat S. 129