Nürnberger Prozesse- Siegerjustiz oder Sieg der Gerechtigkeit?

Nr. 114:
"Da Du, miame, Dich auch mit Albert Speer in Deiner Arbeit beschäftigen willst, noch ein kleiner Hinweis, falls Du es noch nicht weißt: Speer war in dem am 20.11.1945 begonnen Prozeß noch nicht angeklagt, sondern später."

Speer war doch der Verschwörung angeklagt, wurde aber freigesprochen. Mein Versehen birtte ich zu entschuldigen.

Keine Ahnung woher du die Informationen zu Speer hast. Aber auch dein Versehen ist nicht richtig. Albert Speer wurde für alle vier Punkte angeklagt und am 1. Oktober 1946 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Punkt 3 und 4) zu 20 Jahren Haft verurteilt. Er sass bis 1966 in Spandau im Gefängnis.
 
Zuletzt bearbeitet:
Stimmt, Ursi, danke für den Hinweis. Ich sollte es nach den Anstrengungen der heutigen Beiträge sein Bewenden sein lassen und morgen weitermachen.

Ich wollte aussagen, daß Speer mitangeklagt war, aber hinsichtlich der Verschwörung und des Verbrechens gegen den Frieden freigesprochen wurde. Hoffentlich liege ich jetzt richtig:

"Göring, Ribbentrop, Keitel, Kaltenbrunner, Rosenberg, Frank, Frick, Streicher, Sauckel, Jodl, Seyß-Inquart und Bormann (damals noch nicht tot aufgefunden, Adolina) wurden zum Tode durch den Strang verurteilt, Heß, Funk und Raeder zu lebenslänglichem Gefängnis, Schirach und Speer zu 20 Jahren, Neurath zu 15 Jahren und Dönitz zu 10 Jahren Gefängnis. Schacht, Papen und Fritzsche wurden (komplett, Adolina) freigesprochen." (v.d.Lippe, S. 522)
 
Zuletzt bearbeitet:
Und schnell noch zu thanepower Nr.118: Wiki......na,ja. Ich empfehle ein Völkerrechtslehrbuch, zumindest einen Grundriss wie Dr. Hermann Meyer Lindenberg, Völkerrecht, Kohlhammer, S. 209: "Im Gegensatz zu einer debellatio(völlige Unterwerfung) hebt die sog. bedingungslose Kapitulation ( schon garnicht die bloß militärische, Adolina) den Kriegszustand nicht auf, sondern erzeugt lediglich eine militärische Unterwerfungspflicht(vgl. die bedingungslose Kapitulation der der deutschen Streitkräfte in Reims v. 5. u.7.5.1945, die einzelnen alliierten Siegermächte erklärten die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland erst mehrere Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation durch gesonderte Proklamationen)"

Und in der Berliner Erklärung ging die Regierungsgewalt auf die Allierten über. Und das ist nach wie vor der entscheidende Punkt bei der Frage der Souveränität und der damit zusammenhängenden Möglichkeit, als Souverän die Jurisdiktion in Deutschland einzusetzen, sie zu legalisieren und zu legitimieren.

Und genau das konnten nach der bedingungslosen Kapitulation des entscheidenden Instruments zur Wahrung der Souveränität, das 3. Reich bzw. sein juristischer Nachfolger nicht leisten.

Und deswegen ist es ein von jeglicher Realität abgelöstes Verständnis der damaligen Situation, die Jurisdiktion durch deutsche Gerichte ins Gespräch zu bringen.

Und formulieren am 5. Juni 1945:
Die Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die Provisorische Regierung der Französischen Republik übernehmen hiermit die oberste Regierungsgewalt in Deutschland, einschließlich aller Befugnisse der deutschen Regierung, des Oberkommandos der Wehrmacht und der Regierungen, Verwaltungen oder Behörden der Länder, Städte und Gemeinden. Die Übernahme zu den vorstehend genannten Zwecken der besagten Regierungsgewalt und Befugnisse bewirkt nicht die Annektierung Deutschlands.

Und deswegen ist folgende Formulierung nach wie vor völlig korrekt und thematisiert noch nicht mal ansatzweise irgendeine Rechtsnachfolge. War nie das Thema!

1. Das 3. Reich hatte mit der Kapitulation aufgehört zu existieren und seine Souveränitätsrechte sind auf die Besatzungsmächte übergegangen. Insofern waren sie als staatliche Ersatzorganisation für die Funktionen des Staates, wie Legislative, Exekutive und Judikative zuständig.

Und da wirkt eine Formulierung wie diese:

Das Dritte Reich hat nicht kapituliert, sondern seine Streitkräfte, sonst niemand.

völlig an den historischen Fakten vorbei und der damit verbundenen Übergabe der Souveränitätsrechte an die Alliierten.

vgl. "Berliner Erklärung"
https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Erkl%C3%A4rung_(Alliierte)

Und noch die Erklärung zur Regierungsübernahme dazu:
http://www.verfassungen.de/de/de45-49/regierungsuebernahme45.htm
 
Zuletzt bearbeitet:
... Das Dritte Reich hat nicht kapituliert, sondern seine Streitkräfte, sonst niemand. Das Deutsche Reich besteht bis heute, ist aber handlungsunfähig, obwohl sein Staatsoberhaupt - Dönitz - unter entwürdigenden Umständen verhaftet wurde. .....

Jetzt erst mal eine Kräftigung zu Mittag...

Das mir das nicht gleich aufgefallen ist... :pfeif:
Mit Pilzgerichten wäre ich übrigens vorsichtig.
 
"in der Berliner Erklärung ging die Regierungsgewalt auf die Allierten über.

Ich schlage vor, thanepower, daß wir uns nicht weiterhin vom Thema hinwegbewegen. Zugleich sehe ich keinen Sinn darin, mit ihnen im Diskurs über völkerrechtliche und staatsrechtliche Fragen zu bleiben. Soll ich mit Ihnen diskutieren, ob es ein "Übergehen der Regierungsgewalt" gibt? Oder wo der Unterschied zwischen Staatsgewalt und Regierungsgewalt liegt? Oder worin der Unterschied zur Hoheitsgewalt liegt?

Ich beende für mich den Diskurs unter Hinweis auf O. Kimminich, Die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland, 1970, S. 36, der richtigerweise von "treuhänderischem Ausüben der Staatsgewalt" spricht, während ich formuliere: "angesichts des Weiterbestehens des Kriegszustandes angemaßtes Ausüben der Staatsgewalt ohne rechtlich gegründete Treuhänderschaft"", wobei Staatsgewalt den Oberbegriff zu Regierungsgewalt darstellt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich beende für mich den Diskurs unter Hinweis auf O. Kimminich, Die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland, 1970, S. 36, der richtigerweise von "treuhänderischem Ausüben der Staatsgewalt" spricht, während ich formuliere: "angesichts des Weiterbestehens des Kriegszustandes angemaßtes Ausüben der Staatsgewalt", wobei Staatsgewalt den Oberbegriff zu Regierungsgewalt darstellt.

Das sagt ja alles aus. :nono:
 
Das sagt ja alles aus. :nono:

Mit Allgemeingültigkeit oder nur für Sie, ursi?

Für mich jedenfalls sagt es aus, daß thanepower ein mit meinem Problem vergleichbares Problem hat: er sollte stets seine Diskursfähigkeit in juristischen Fragen prüfen, ich die meinige in Historia.

Ihnen und allen anderen Diskutanten noch einen wunderschönen Sonntagabend!
 
"in der Berliner Erklärung ging die Regierungsgewalt auf die Allierten über.

Ich schlage vor, thanepower, daß wir uns nicht weiterhin vom Thema hinwegbewegen. Zugleich sehe ich keinen Sinn darin, mit ihnen im Diskurs über völkerrechtliche und staatsrechtliche Fragen zu bleiben. Soll ich mit Ihnen diskutieren, ob es ein "Übergehen der Regierungsgewalt" gibt? Oder wo der Unterschied zwischen Staatsgewalt und Regierungsgewalt liegt? Oder worin der Unterschied zur Hoheitsgewalt liegt?

Vorher habe Deine Posts so verstanden das die Nürnberger Prozesse nicht legitimiert waren. Warum willst Du das nicht ausdiskutieren, zumal nach Deiner Auffassung ja die heutige Justiz auch nicht legitim ist. Zumindest habe ich dies so verstanden, in # 114.
 
Vorher habe Deine Posts so verstanden das die Nürnberger Prozesse nicht legitimiert waren. Warum willst Du das nicht ausdiskutieren, zumal nach Deiner Auffassung ja die heutige Justiz auch nicht legitim ist. Zumindest habe ich dies so verstanden, in # 114.

Na, dann, Apvar, als letztes Aufzucken für heute - bin eine ältere, aber nicht unattraktive Frau, die den Weihnachtsbaumschmuck noch in Kartons verstauen muß -: miame will Hilfe bei ihrer Arbeit zu den Nürnberger Prozessen. Momentan allerdings sind wir bei Souveränitätsfragen der Bundesrepublik Deutschland angelangt. Die mod. hat schon einmal eingegriffen. Dem sollten wir vorbeugen.

Im übrigen sind die IMT - Prozesse ein fait accompli. Es wäre weltfremd, davon auszugehen, daß damals Prozesse vor deutschen Gerichten ermöglicht worden wären. Vielleicht war es sogar ein gewisser Vorteil, daß angelsächsisches Recht angewendet wurde, da bei dem Verbot mündlicher Anträge ohne zugleich bestehendem Recht auf Kreuzverhör einigermaßen faire Beweisaufnahmen garnicht hätten stattfinden können.

Ihnen noch einen schönen Sonntagabend!
 
Die Zeit war dafür noch nicht reif. Mittlerweile gibt es in Den Haag den Internationalen Gerichtshof.

Und wann wurde nach 1945 jemals ein US-Präsident in Den Haag vor Gericht gestellt?

Wer hätte auch nach dem 2. Weltkrieg Verfahren gegen die Siegermächte einleiten können? Wer hätte die Autorität gehabt, die Sowjetunion wegen Kriegsverbrechen anzuklagen?

Niemand. Deswegen ist es für mich auch Siegerjustiz. Die Sieger hatten halt die Macht die Verlierer vor ein Gericht zu stellen, wo sie selbst Ankläger und Richter zugleich waren. Umgekehrt hatte aber niemand die Macht die Verbrecher der Siegermächte anzuklagen und vor ein Gericht zu stellen.

Es gab halt kein neutrales Gericht zur juristischen Aufarbeitung des Krieges, sondern es gab das Tribunal, wo halt die Sieger über die Besiegten urteilten und ihre eigenen Verbrecher schützten.

Die Angeklagten im Hauptkriegsverbrecherprozess wurden ja auch für bestimmte Verbrechen nicht angeklagt, weil die Alliierten dieselben Verbrechen auch begangen haben und man nicht wollte, dass das zur Sprache kommt, z.B. die Luftkriegsverbrechen. Dönitz wurde teilweise für Verbrechen freigesprochen, weil die Alliierten dieselben Verbrechen auch begangen haben.
 
Ad fontes! ("Zu den Quellen!" im Sinne von "Blickt auf die Quellen!")
Die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht stellt ausdrücklich fest, dass durch ihre Bestimmungen keine Vorfestlegung für die Reichsregierung stattfand. Im Wikipedia-Artikel zur Kapitulation ist der Text wiedergegeben. Damit kann die Kapitulation nicht als Kapitulation des Reiches verstanden werden. Dazu war die Wehrmacht auch nicht berechtigt oder befugt.

Und die Regierung arbeitete weiter, bis sie abgesetzt wurde.

Ein Staat benötigte damals im Gegensatz zur Napoleonischen Zeit, in der sich diese Sichtweise zu ändern begann, keine Souveränität, um zu bestehen. ("..., aber es gibt noch einen König in Graudenz!") Man denke an die Palästinensergebiete, die Bundesländer und die EU.

Die Frage, ob ein Staat ohne Souverän weiterbestehen, wurde schon im Mittelalter bejaht. Nur im Krieg handelte man anders. Diese Diskussion um einen abstrakten Staat stand übrigens mit am Anfang einer neuen Entwicklung des Staatsbegriffs.

Ich schrieb, dass das Gericht heute vielleicht anders entscheiden oder formulieren würde, aber ich würde dem Verfassungsgericht nicht unterstellen etwas Offensichtliches übersehen zu haben. Ich wollte vielmehr ausdrücken, dass es da mehrere legitime Sichtweisen gibt.

Vergleiche die Wikipedia-Artikel 'Viermächte-Status', 'Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht' und bevor jemand auf falsche Gedanken kommt 'Reichsbürgerbewegung'. Den ein oder anderen mag auch 'Trizone' interessieren. Aber vor allem der Artikel 'Rechtslage Deutschlands nach 1945' stellt die hauptsächlichen Ansichten dar.

Und dann spielt noch hinein, dass selbst, wenn das Reich aufgehört haben sollte, als Staat zu existieren, es als Völkerrechtssubjekt weiter bestehen könnte. Mit Malteser-Orden, Heiligem Stuhl und Internationalem Komitee vom Roten Kreuz gibt es sogar 3 originäre nichtstaatliche Völkerrechtssubjekte.

Ich habe eben versucht, einen Thread zu diesen Fragen zu eröffnen, bin aber herausgeworfen worden. Das dürfte aber am Wetter und meinem Zugang liegen. Ich erwähne es, weil ein Moderator auf die Idee kommen könnte, einen Thread unter Fragen und Antworten zu eröffnen, da es von Bedeutung für Miames Thema ist, der Thread damit aber wohl ausufert? Eine Verschiebung in den beschränkten Bereich wäre in diesem Fall wohl kontraproduktiv.

Aber egal wie die obigen Fragen entschieden werden: Mit sämtlicher Gewalt hatten die Vier Mächte auch Pflichten übernommen. Sie waren verpflichtet für Sicherheit, Exekutive und auch Rechtsprechung zu sorgen. Und sie waren die einzigen, die es tun konnten. Da hat thanepower Recht. Die Frage ist, wie sie es wieso taten und ob dies den damaligen Grundsätzen von Rechtsprechung entspricht. Dies hat auch, aber nicht nur für das IMT Bedeutung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Anschluß an Nr. 61,100,114,117,119:

"Im allgemeinen sprach Jackson(der amerik. Hauptankläger, Adolina) gut und eindringlich; es überraschte, daß er persönliche Angriffe nicht vermied- er nannte die Angeklagten z.B. "armselige Gestalten" - und daß er Fehler beging, wie quasi zu erklären, die Angeklagten hätten keinen Anspruch auf Recht, denn sie selbst hätten kein Recht gekannt." (v.d.Lippe, Anklagevorbringen, S. 32)

"An den vier Ecken des Gerichtsgebäudes wird tagsüber je ein amerikanischer Panzer postiert."

"23.11.1945. Eingangs verfügt das Gericht, daß Einwände und Anträge der Ankläger und der Verteidiger, soweit als möglich, schriftlich zu überreichen sind." (ebenda) Das widerspricht dem auch damals elementaren Grundsatz der Mündlichkeit im Strafprozeß, Adolina)

"Bei den Verteidigern große Aufregung wegen des allgemeinen Urkundendurcheinanders. Das Verfahren droht schriftlich (s.vor, Adolina) zu werden, da die Anklagebehörde Trial Brief auf Trial Brief produziert, die nur zum Teil in der Verhandlung verlesen werden und Zitate aus Hunderten von Urkunden enthalten, deren Gesamttext man eigentlich nachlesen müßte. Neben Urkundenabschriften werden in den Trial Briefs auch eidesstattliche Versicherungen einzelner Personen, sogenannte Affidavits, als Beweisunterlagen geführt. Dies mag in vielen Fällen ein praktisches und kurzes Verfahren sein. Werden aber damit nicht Zeugenverhöre ersetzt, die sonst, bei entsprechenden Fragen der Verteiger, auch manches Positive für einen Angeklagten bringen könnte? Konsequent durchgeführt, müßte durch die Affidavits der Zeugenbeweis überhaupt verdrängt werden.

95 Prozent der Urkundenabschriften liegen nur in englischer Übersetzung (aus dem Deutschen, Adolina) vor. Kein Mensch versteht, warum man sogar Hitlerreden, Zitate aus "Mein Kampf" und ähnliches englisch vorgesetzt bekommt. Ferner legt die Anklagebehörde (70 Personen, Adolina) eine Unmenge Urkunden vor, von denen den Verteidigern bisher weder Originale noch Photokopien zur Verfügung stehen...Es laufen diverse Einwendungen und Anträge gegen diese unübersehbare Papierflut, in der die Verteidiger nachgerade zu ertrinken drohen" (S. 35)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Angeklagten im Hauptkriegsverbrecherprozess wurden ja auch für bestimmte Verbrechen nicht angeklagt, weil die Alliierten dieselben Verbrechen auch begangen haben

Schön, das jemand ein so grundsätzliches und engagiertes Plädoyer gegen den Krieg schreibt.

Krieg ist in jeder Form ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und gehört grundsätzlich geächtet. Und damit gehören auch alle Formen von radikalem Nationalismus, Rassismus oder andere Spielarten der Diskriminierung als ideologische Vorbereitung von Nationen auf Kriege, an den Pranger.

Die Schuld, als politischer Verantwortlicher, an einem Krieg beteiligt zu sein, wird nur dadurch gemildert, dass die eine Seite als Aggressor den Krieg durch einen Angriff einleitet und die andere Seite sich verteidigt.

Deswegen sind die angeklagten Vertreter des 3. Reichs im Sinne des Völkerrechts schuldig gewesen, weil sie den Krieg begonnen haben (vgl. Briand Kellog Pakt)

Die Vertreter der Alliierten sich dagegen verteidigt haben, auch wenn bestimmte militärische Maßnahmen isoliert vermutlich als Kriegsverbrechen gewertet werden können, wie beispielsweise die Angriffe auf Städte bzw. gegen die Zivilbevölkerung oder auch der Einsatz der A-Waffen. Aber es war ein "Totaler Krieg" in seiner Eskalation und auch die Wahl der Mittel unterlag dieser Eskalation. Und dieser Aspekt ist auch zu berücksichtigen.

Dennoch bleibt der Unterschied im Völkerrecht bestehen, dass Angreifer und Verteidiger unterschiedlich beurteilt werden. Das damalige Völkerrecht (vor 39) gestand den Staaten zu, Krieg als Form der Verteidigung zu führen.

Dieses auch auf der Grundlage staatsphilosophischer Überlegungen von Bodin über Hobbes bis in die Zeit der Völkerbunds als die zentrale Funktion von Staaten, ihre Bevölkerung gegen Krieg von Außen zu schützen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gute Idee. Und damit bin ich raus aus diesem Thread.

Viel Glück und Segen auf all Ihren Wegen, thanepower!

Und für miame noch einmal die Angabe der alliierten Abreden, auf die sich die Anklage stützt:

Die Moskauer Dreimächte - Erklärung v. 1.11.(sic!) 1943- Beschluß, die von deutschen Offizieren, Soldaten und Parteimitgliedern, Hitleristen und Hunnen begangenen atrocities, massacres and coldblooded mass executions" zu bestrafen) und das Londoner Vier- Mächte - Abkommen v. 8.8.1945 (Schaffung des "Internationalen Militärgerichtshofs" und des Statuts dieses Tribunals zur Aburteilung der "Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achse" (Beitrag Nr. 78)

Des weiteren die Anklagepunkte:

1. Verschwörung
2. Verbrechen gegen den Frieden
3. Verbrechen gegen Kriegsrecht und Kriegsbrauch
4. Verbrechen gegen die Menschlichkeit

"Der Anklageschrift sind drei Anhänge angeschlossen:

Anhang A über die Verantwortlichkeit der Einzelangeklagten,
Anhang B über die Verantwortlichkeit der "Organisationen" ( z.B. NSDAP und SA, Adolina)
Anhang C, in welchem "die von Deutschland gebrochenen Internationalen Verträge", 26 an der Zahl, in einer Liste zusammengefaßt wurden.

Jeder Verteidiger hat ein Exemplar der Anklageschrifterhalten, ferner je ein Stück des Statuts ( "Charter") des Gerichts und der Verfahrensregeln ("Rules")"" (v.d.Lippe, S 26)

Daß der Anklageschrift eine einzige Urkunde beigefügt war, hatte ich schon mitgeteilt.

Um miame noch einmal den Rechtsgrundsatz "nulla poena sine lege praevia" eingängiger vorzustellen, zitiere ich aus der Reichsverfassung vom 11.8.1919, die im Dritten Reich grundsätzlich weitergalt und - wie ich schon ausführte, auch am 20.11.1945, der Eröffnung der IMT - Verfahren, Geltung beanspruchen konnte: Art. 116 WRV( Weimarer Reichsverfassung): Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden (d.h.zwingend auch nur angeklagt werden, Adolina) wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da die Artikeländerungszeit abgelaufen ist, hier noch der Hinweis, daß zumindest eine juristische Sekunde vor dem Tathandeln ein formell gültiges Strafgesetz als Gesetzesgrundlage für den Strafvorwurf bestanden haben muß, zumindest hinsichtlich der Anklagepunkte 1+2 somit der Grundsatz "nulla poena sine lege praevia" auf jeden Fall verletzt war, hinsichtlich 3+4 lassen sich beide Alternativen begründen, das führt hier aber wohl zu weit.

Nachtrag: Im Statut (Charter) des Prozesses sind nur 3 Anklagepunkte enthalten:

1. Verbrechen gegen den Frieden samt der "Verschwörung" zu solchen Verbrechen
2. Verbrechen gegen Kriegsrecht und Kriegsbrauch
3. Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Die Verschwörung wird also im Statut, anders als in der Anklageschrift, nicht als eigener Straftatbestand geführt. Vermutlich ist diese Differenz auf eine nach Abfassung des Statuts eingetretene Verschärfung der Anklage im Sinne der amerikanischen Verschwörungstheorien zurückzuführen. ( vgl v.d.Lippe S. 26,27)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hinweis der Moderation

Das Thema hat sich zu einer regen Diskussion entwickelt, deshalb wird es vorübergehend geschlossen und dann in das zugehörige Unterforum verschoben.

Für dieses Forum benötigt man erweiternde Schreibrechte. Wie man diese bekommt steht hier: Schreibrechte Neuzeit
 
Da hier argumentiert wurde, die Prozessregeln seien unter anderem nicht fair gewesen und dieses Argument zur Begründung des Vorwurfs der - angeblichen - "Siegerjustiz" herangezogen wurde, ein Hinweis auf eine aktuelle Sicht.

Im Beitrag von Oberndörfer, im umfassenden Reader von Priemel und Stiller zu den NMT, wird die Prozessführung im IMT/NMT in seinen einzelnen Aspekten beleuchtet.

Und kommt nach der Darstellung des Aufwands, den die Anklage und die Verteidigung zur Darstellung ihrer Positionen geleistet hat, zu folgender Schlußfolgerung:

"Wenn man diese Dimension [Anzahl der angeführten und vorgelegten Dokumente] und den organisatorischen Aufwand betrachtet, erscheint der Vorwurf der Siegerjustiz als Verhandlungsnarrativ der Verteidigung nicht mehr nachvollziehbar." (Oberndörfer, S. 536)

Und formuliert für die amerikansichen Richter im Rahmen der NMT: " Damit verhalfen sie [die amerikanischen Richter] jenem fundamentalen Grundsatz zur Geltung [das Führen von Prozessen nach den Regeln des "fair trial], der ihren deutschen Kollegen im Dritten Reich lange zuvor abhanden gekommen war. Verfahrensrecht ist die conditio sine qua non für Rechtsstaatlichkeit." (ebd. S. 546)

Soweit eine relativ aktuelle Sicht auf die Prozessführung.


Oberndörfer, Ralf (2013): Recht und Richter:*Verfahrensrechtliche Aspekte der Nürnberger Prozesse. In: Kim Christian Priemel und Alexa Stiller (Hg.): NMT. Die Nürnberger Militärtribunale zwischen Geschichte, Gerechtigkeit und Rechtschöpfung. 1. Auflage. Hamburg: Hamburger Edition, S. 525–546.
Priemel, Kim Christian; Stiller, Alexa (Hg.) (2013): NMT. Die Nürnberger Militärtribunale zwischen Geschichte, Gerechtigkeit und Rechtschöpfung. 1. Auflage. Hamburg: Hamburger Edition.
 
Und wann wurde nach 1945 jemals ein US-Präsident in Den Haag vor Gericht gestellt?



Niemand. Deswegen ist es für mich auch Siegerjustiz. Die Sieger hatten halt die Macht die Verlierer vor ein Gericht zu stellen, wo sie selbst Ankläger und Richter zugleich waren. Umgekehrt hatte aber niemand die Macht die Verbrecher der Siegermächte anzuklagen und vor ein Gericht zu stellen.

Es gab halt kein neutrales Gericht zur juristischen Aufarbeitung des Krieges, sondern es gab das Tribunal, wo halt die Sieger über die Besiegten urteilten und ihre eigenen Verbrecher schützten.

Die Angeklagten im Hauptkriegsverbrecherprozess wurden ja auch für bestimmte Verbrechen nicht angeklagt, weil die Alliierten dieselben Verbrechen auch begangen haben und man nicht wollte, dass das zur Sprache kommt, z.B. die Luftkriegsverbrechen. Dönitz wurde teilweise für Verbrechen freigesprochen, weil die Alliierten dieselben Verbrechen auch begangen haben.

Bei allen berechtigten Kritikpunkten an den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg stellt sich doch letztlich die Frage nach einer Alternative.
Wer die Prozesse generell als "Siegerjustiz" ablehnt, wer den Siegermächten das Recht abspricht, Kriegsverbrechen der Besiegten zu verfolgen, wird sich fragen lassen müssen, ob man nach der Ermordung von 6 Millionen Juden, ca. 10 Millionen Slawen, mehr als 0,5 Millionen Roma und unzähligen Oppositionellen einfach hätte zur Tagesordnung übergehen und die massiven Verbrechen ungesühnt lassen sollte, da ja schließlich alle Beteiligten Kriegsverbrechen begangen haben.

Wenn Deutschland den Krieg gewonnen hätte, wären Göring, Ribbentrop, Kaltenbrunner, Frick und andere natürlich nicht angeklagt worden. Raub, Mord, Völkermord, Erpressung und Brandstiftung waren natürlich auch nach deutschem Recht prinzipiell strafbar, das Recht hatten sich aber Nazijuristen so zurecht gebeugt und gebogen, dass die Ausplünderung und Ermordung von Millionen Juden, Kranken, "Untermenschen" "Volksschädlingen" u. a. völlig gesetzeskonform waren.

Dass sie die Macht dazu hatten, dass gab ihnen aber nicht das Recht, so etwas zu tun. Hitler und seine Paladine sind nicht nur Akteure der Politik-, sondern auch der Kriminalgeschichte, etwa so wie der Frauenmörder Jack the Ripper, der seine Opfer ausweidete und Scotland Yard die Niere eines seiner Opfer zuschickte oder der Serienmörder und Kannibale Fritz Haarmann, der seine Opfer, junge Männer, buchstäblich verwurstete.

Göring, Kaltenbrunner, Ribbentrop, Frank, Rosenberg und Streicher wurden nicht angeklagt, weil Deutschland den Krieg verloren, sondern weil sie aktiv an Verbrechen beteiligt waren, die man bisher für undenkbar gehalten hatte.
 
Zurück
Oben