Schule in der DDR! Gerecht oder ungerecht? Argumente für beide Standpunkte.

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Waren die Schulen in der DDR ungerecht und gerecht? Gibt es jeweils Argumente für beide Seiten? Ein Beispiel wäre: Man durfte ja nicht studieren, wenn man keiner sozialistischen Jugendorganisation angehört hatte.. gibt es noch weitere Argumente dafür?
 
Die Frage, ob etwas "gerecht" ist, ist schwer zu beantworten.

Die extrem ungleiche Verteilung von "Reichtum" ist auch nicht gerecht. Kann man auch Argumente dafür und dagegen sammeln. So what? (vgl. Oxfam-Report)

Beantworten kann man die Frage ohnehin nur dann, wenn man Bildung in den Kontext der sozialen Mobilität stellt.

Die Prämisse ist dabei, dass eine Gesellschaft mit uneingeschränkter sozialer Mobilität wünschenswert ist.

Dieses war der Ausgangspunkt der Französischen Revolution und das "bürgerliche Credo" war, "Jeder ist seines Glückes Schmied".

In diesem Sinne kann man von einer hohen sozialen Mobilität sprechen, wenn jeder die gleiche Chance hat durch Leistung, entsprechend seinen Fähigkeiten, jede Position in einer Gesellschaft zu erreichen.

Sofern es Gründe gibt, wie die soziale Herkunft der Eltern, die politische Selektion, geschlechtssprezifische, religiöse, ethnische oder sonstige Gründe, die diese soziale Mobilität einschränken, ist das zu kritisieren.

Insofern war jede Form der Behinderung der sozialen Mobilität in der DDR aufgrund einer politischen Begründung zu kritisieren und schränkte die Menschenrechte an diesem Punkt ein.

Um dennoch ein Maß für die Beurteilung der Einschränkung von Menschenrechten durch den Behinderung des Zugangs zu Bildung in den Griff zu bekommen, wäre die allgemeine soziale Mobilität in der DDR im Vergleich zu anderen Staaten zu betrachten.

In diesem Sinne resümiert Burzan, dass es mit zunehmende Läge der Existenz der DDR zu einer zunehmenden Verkrustung der sozialen Mobilität gekommen ist. Die Chance jüngerer im Rahmen einer intergenerationellen Mobilität aufstiegsorientiert Karriere zu machen, nahm ab. (Burzan, S. 740ff)


(vgl. Burzan Soziale Mobilität, in: Mau u.a. Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands)
 
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Alle Inhalte schulischer und außerschulischer Bildung waren in der DDR nach dem marxistischen Verständnis Gegenstände gesellschaftlicher Entscheidung und wurden von der SED festgelegt. Dabei vertrat die SED die Auffassung, dass das Bildungswesen Machtinstrument zur Durchsetzung der herrschenden Klasse sei und folglich deren politisch-moralische Überzeugungen zu vermitteln habe. Der Jugend sollte eine "unverrückbare Klassenposition" vermittelt werden.

Mit diesem Schulsystem und seinen Vorgaben gelang es, die Schüler teilweise zu indoktrinieren und weitgehend zu disziplinieren. Wer sich nicht einordnete, dem drohten empfindliche disziplinarische Maßnahmen, die bis zur Verweigerung des Hochschulbesuchs reichten.

Voraussetzung für den Besuch der Abiturstufe war grundsätzlich eine positive Einstellung zum Arbeiter- und Bauernstaat, die durch Mitgliedschaft in der FDJ sowie durch Teilnahme an der Jugendweihe nachgewiesen werden musste.

Begriffe wie "gerecht" oder "ungerecht" für dieses Bildungssystem würde ich nicht verwenden. Es handelte sich um ein autoritäres System zur politisch-ideologischen Erziehung im Sinne des Marxismus-Leninismus und war aufgrund seiner Indoktrination in hohem Grade fragwürdig. Das schließt nicht aus, dass ein fachlich guter Unterricht geboten wurde, der westlichen Qualitätsstandards in Nichts nachstand.
 
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Außerdem war der Zugang zu einem Gymnasium in der Anzahl begrenzt.
Wer sich z.B. vorab verpflichtete, zehn Jahre oder länger bei der Armee (NVA) zu dienen, wurde bevorzugt an eine weiterführende Schule geschickt, und das lag nicht immer am Notendurchschnitt.
 
Sofern es Gründe gibt, wie die soziale Herkunft der Eltern, die politische Selektion, geschlechtssprezifische, religiöse, ethnische oder sonstige Gründe, die diese soziale Mobilität einschränken, ist das zu kritisieren.

Insofern war jede Form der Behinderung der sozialen Mobilität in der DDR aufgrund einer politischen Begründung zu kritisieren und schränkte die Menschenrechte an diesem Punkt ein.

Auf der anderen Seite sollte bspw die Bevorzugung von "Arbeiterkindern" in der DDR gerade die soziale Mobilität fördern, indem Aufstiegschancen für die bisher benachteiligte Klasse geschaffen werden sollten. Die familiäre Tradierung von Bildung (und daran hängend von Reichtum, Macht, Einfluss) stellt ein Problem dar, das bspw die Bundesrepublik bis heute nicht in den Griff gekriegt hat. Auch ein Vergleich mit der Idee der "affirmative actions" va in den USA, die die Benachteiligung von Frauen oder Minoritäten ausgleichen sollen, könnte hier interessant sein.

Inwieweit dieser Anspruch der DDR an sich selbst erfüllt wurde, und wie sich die Lage während der Existenz der DDR veränderte, steht auf einem anderen Blatt (Verkrustung, gutes Stichwort). Von der Bindung an "Systemtreue" oder "Parteiloyalität" ganz zu schweigen.
 
Letztendlich hat man in der DDR nur die eine durch die andere Elite ausgetauscht. Man hat bildungsbürgerliche Eliten zerschlagen, indem man Jugendlichen bildungsbürgerlicher Herkunft den Abitur- und Hochschulzugang erschwert hat, gleichzeitig hat man aber die Parteielite gefördert, indem man linientreuen Jugendlichen den Zugang erleichterte. Bei uns ist das Problem eher, dass da, wo Geld ist, natürlich auch viel leichter Hilfestellung zu geben ist, also etwa Nachhilfe, Auslandsaufenthalte etc. Auf der anderen Seite gibt es Familien in prekären Situationen, die a) kein Geld haben und b) die Erfahrung gemacht haben, dass Bildung auch nicht aus der Misere hinaushilft, man spricht daher auch von der vererbten Arbeitslosigkeit.
 
Ist "Gerechtigkeit" nicht ein äußerst schwammiger Begriff? Was ist schon "gerecht", was ist "ungerecht"? Was empfindest du als "gerecht", was empfinden andere als "gerecht"?

Um so eine Frage zu beantworten musst du erstmal einen Rahmen definieren und Kritierien, nach denen du die damalige Situation bewerten willst.

Ein Beispiel wäre: Man durfte ja nicht studieren, wenn man keiner sozialistischen Jugendorganisation angehört hatte

Das war wohl ein Fakt, aber siehst du es als gerecht an (was ich zumindest nicht hoffe), und warum, oder siehst du es als ungerecht an, und warum?
 
Die politische Beurteilung von Bewerbern in der DDR hat zu sozialen und politischen Ungerechtigkeiten geführt. Dennoch ist das Urteil ein wenig mehr „grau“ wie der eine oder andere „DDR-Sympathisant“ es vermutet.
Das DDR-Handbuch (S.992ff) stellt zur Entwicklung der Qualifikationsstruktur folgendes fest:

„Die Zahl der Hochschulabschlüsse ist 1977 gegenüber 1974 ebenso gesunken wie die Zahl der Hochschulstudenten. Hier wird die restriktive Zulassungspolitik der SED-Führung ebenso erkennbar wie die Umlenkung der der Studienwilligen in Berufsschulen (Fachschulen) und in die Facharbeiterausbildung. Der Zustrom von Studierenden …zu den Fachschulen im Jahr 1977 …weist darauf hin, dass Studierwillige, die nicht zum Studium zugelassen worden sind, an den Fachschulen unterzukommen versuchen.“

Und fährt fort:

„Die Chance einer der Ausbildung angemessenen beruflichen Tätigkeit ….ist heute für Absolventen von Berufs- und Fachhochschulen wahrscheinlich häufig größer als für Hochschulabsolventen.“ (ebd. S. 992)

Die Nichtzulassung zu einem Studium war somit nicht zwangsläufig verbunden mit einer sozialen oder beruflichen Ausgrenzung. Die Anzahl der Bildungschancen wurden reduziert. Ein Problem, das man in den westlichen Industrienationen nur zu gut kennt. Wenn auch aus anderen Gründen.

Vergleicht man diese Situation der politisch motivierten sozialen Schließung in der DDR mit der Entwicklung in der BRD, dann fällt der Unterschied sehr deutlich auf.

Auf der Welle der gesellschaftlichen Modernisierung des Sozialstaats, angeregt auch durch das Eintreten der Studentenrevolte 1968 für mehr soziale Gerechtigkeit, wurde die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg in der Bundesrepublik in den siebziger Jahren deutlich verbessert. Es erfolgte beispielsweise der deutliche Anstieg der Studentenzahlen von 360 tsd (68) auf 877 Tsd (76). Und verbesserte dadurch kurzfristig die intergenerationale Mobilität in der BRD, die bis dahin insgesamt eher auf die Reproduktion sozialer Strukturen hinauslief (vgl. z.B. Herz, S. 173).

Und es ist für das vereinte Deutschland insgesamt wieder im Rahmen der konservativen Revolution eine soziale Schließung zu erkennen, die die zunehmende Durchlässigkeit der gesellschaftlichen Struktur S. 730ff und Hradil, S. 155ff)

Abschließend noch eine Vermutung, da ich die Zahlen noch nicht nachgesehen habe. Ich glaube nicht, dass nach der Gründung der DDR die intergenerationelle Mobilität im Vergleich zum 3. Reich nicht verbessert wurde. Es gab sicherlich politisch motivierte neue Selektionskriterien, aber für die Masse der Bevölkerung ergaben sich neue Bildungschancen im Vergleich zu den bisherigen Gesellschaftssystemen und ermöglichte sozialen Aufstieg, der so bisher schwerer zu meistern war.

Becker, Rudolf (2013): Bildung. Die wichtigsten Investitionen in die Zukunft. In: Stefan Hradil (Hg.): Deutsche Verhältnisse. Eine Sozialkunde. Frankfurt a. Main: Campus, S. 123–155.
Berger, Peter A. (2013): Soziale Mobilität. In: Steffen Mau und Nadine M. Schöneck (Hg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. Wiesbaden: Springer VS, S. 730–744.
Herz, Thomas A. (1983): Klassen, Schichten, Mobilität. Stuttgart: Teubner (Studienskripten zur Soziologie, 46).
Hradil, Stefan (2013): Soziale Ungleichheit. Eine Gesellschaft rückt auseinander. In: Stefan Hradil (Hg.): Deutsche Verhältnisse. Eine Sozialkunde. Frankfurt a. Main: Campus, S. 155–188.
Ludz, Peter Christian; Kuppe, Johannes (1979): DDR Handbuch. 2., völlig überarb. u. erw. Aufl. Köln: Verlag Wissenschaft u. Politik.
Schäfers, Bernhard (1985): Sozialstruktur und Wandel der Bundesrepublik Deutschland. Ein Studienbuch zu ihrer Soziologie und Sozialgeschichte. Stuttgart: Ferdinand Enke (dtv Wissenschaftliche Reihe).
 
Außerdem war der Zugang zu einem Gymnasium in der Anzahl begrenzt.
Wer sich z.B. vorab verpflichtete, zehn Jahre oder länger bei der Armee (NVA) zu dienen, wurde bevorzugt an eine weiterführende Schule geschickt, und das lag nicht immer am Notendurchschnitt.
Wer sich für 10 Jahre Militärdienst verpflichtete, war in der Regel nicht intelligent genug für ein Studium, wie es für eine Offizierslaufbahn erforderlich war. Deshalb gingen die sogenannten Zehnender (Berufsunteroffiziere, Fähnriche) eher nicht auf die "E.O.S." (Gymnasium) sondern absolvierten eine 10-Klassenschulausbildung. Wer sich aber schon in der Schulzeit für eine längere Militärlaufbahn entschieden hatte, wurde häufig durch die Prüfungen gehievt auch wenn andere Schüler, mit diesen Ergebnissen durchgefallen wären. In der Lehre verhielt es sich ähnlich. Wer 10 Jahre zur Armee ging, bekam seinen Facharbeiter so gut wie geschenkt egal ob er ein guter oder miserabler Lehrling war. Da sie pünktich mit 18 Jahren Lebensalter eingezogen wurden, beendeten sie die Lehre auch früher als die übrigen Auszubildenden.
 
Es haben sich Auslassungen eingeschlichen und 2 Referenzen wurden nicht korrekt zitiert. Deshalb die Ergänzung (vgl. die Unterstreichungen)

Die Literatur bezieht sich auf den vorhergehenden Beitrag.

Es müßte also wie folgt heißen
Auf der Welle der gesellschaftlichen Modernisierung des Sozialstaats, angeregt auch durch das Eintreten der Studentenrevolte 1968 für mehr soziale Gerechtigkeit, wurde die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg in der Bundesrepublik in den siebziger Jahren deutlich verbessert. Es erfolgte beispielsweise der deutliche Anstieg der Studentenzahlen von 360 tsd (68) auf 877 Tsd (76) (vgl. dazu Schäfer, S. 256) . Und verbesserte dadurch kurzfristig die intergenerationale Mobilität in der BRD, die bis dahin insgesamt eher auf die Reproduktion sozialer Strukturen hinauslief (vgl. z.B. Herz, S. 173).

Und es ist für das vereinte Deutschland insgesamt wieder im Rahmen der konservativen Revolution eine soziale Schließung zu erkennen, die die zunehmende Durchlässigkeit der gesellschaftlichen Struktur reduziert und damit die Reproduktion gesellschaftlicher Schichtung begünstigt (vgl, beispielsweie Berger, S. 730ff und Hradil, S. 155ff)
 
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Ich habe schon Probleme mit der Überschrift :grübel:.

Der Begriff Schule ist so was von allgemein, das man da schwerlich die Frage „gerecht oder ungerecht“ beantworten kann.
Wenn das Thema etwas eingegrenzt werden könnte, könnte ich aus meiner Sichtweite, meinen Erlebnisse hier was dazu schreiben.
 
[FONT=&quot]Der Begriff Schule ist so was von allgemein, das man da schwerlich die Frage „gerecht oder ungerecht“ beantworten kann.[/FONT]

Es ist immer wieder interessant zu sehen, dass Hinweise auf eine philosophische Bewertung von "Gerechtigkeit" auf der Basis des Wertehorizonts der "Aufklärung" schlichtweg ignoriert werden, oder nicht verstanden. Wie beispielsweise in #8 ansatzweise vorgenommen.

Und durch die sozialistischen Vertreter der Aufklärung (die Idee ist auch in der katholischen Soziallehre enthalten) ist dieser Aspekt in den letzten 200 Jahren am deutlichsten thematisiert worden. Ob es einem past oder nicht. Und deswegen gehört diese Frage nach der "Gerechtigkeit" systematisch in die Analysen von Sozialstrukturen, der Reproduktion von Gesellschaft und betrifft somit die Schichten- oder Klassenstruktur.

Die Frage der "Gerechtigkeit" ist eine Frage des Erlangens eines sozialen Status und somit die zentrale Stelle, über die soziale Macht reproduziert wird. Wie beispielsweise auch sehr deutlich in Frankreich zuerkennen (vgl. Arbeiten von Bourdieu und Boltanski)

In diesem Sinne formulieren Zingg & Zipp:

"Bildung ist keine Belohnungsform im bisherigen Sinne. Sie hat weitgehend instrumentellen Charakter, d.h. sie ist Mittel zum Zweck des Zugangs zu den in jeder Gesellschaft begehrten Gütern. Die Verbindung zwischen Bildung und sozialem Status ist sehr eng. Mit sinkender Bildung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einen geringen Status erreicht und umgekehrt." (ebd. S. 196)

Vor diesem Hintergrund ist es ein "Verrat" an den Idealen der Französischen Revolution und den auch bei Marx und Engels entwickelten Vorstellungen zur gesellschaftlichen Entwicklung, wenn unter der Prämisse der "Gleichheit" und der "Brüderlichkeit" systematisch Gruppen einer Gesellschaft benachteiligt werden. An diesem Punkt ist die DDR ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden, wenngleich wie Kocka (Chapter 1) in Jarausch argumentiert, dass die reale Leistung der Modernisierung in der DDR aus einer Reihe von Gründen durch die Forschung unterschätzt wurde. In diesem Sinne formuliert er: "Many reasons made the long-term achivements of modernization in the GDR seem less impressive, and the balance sheet between destruction and innovation, modernization and modernizzing blockages less favorable than in the case of its Eastern neighbors."

Unabhängig von der bereits konstatierten zunehmenden sozialen Schließung in der Endphase der DDR.

Bourdieu, Pierre; Boltanski, Luc; Saint Martin, Monique de; Maldidier, Pascale (1981): Titel und Stelle. Über die Reproduktion sozialer Macht. Frankfurt am Main: Europ. Verl.-Anst.
Jarausch, Konrad Hugo; Duffy, Eve (Hg.) (1999): Dictatorship as experience. Towards a socio-cultural history of the GDR. Conference on "The GDR - a Modern Dictatorship?". 1. publ. Oxford: Berghahn Books.
Zingg, Walter; Zipp, Gisela (1983): Basale Soziologie, soziale Ungleichheit. Opladen: Westdt. Verl.
 
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Unabhängig von der bereits konstatierten zunehmenden sozialen Schließung in der Endphase der DDR.

In diesem Kontext bezieht sich der Überblicksbeitrag von Jessen auf die Studien von K.U Mayer (Max Planck Institut für Bildungsforschung) und die Ergebnisse, die von Solga im Rahmen ihrer Arbeiten am WZB vorgelegt worden sind.

Anzumerken wäre zudem, dass die Studien der DDR-Soziologen entsprechende warnende Hinweise geliefert hatten, die aber von der SED unter Verschluss gehalten worden sind. Nicht zuletzt, da die offizielle Linie der SED den Mythus der "klassenlosen Gesellschaft" aufrechterhalten wollte.

Ein Mythos, der in den Anfangstagen der DDR entstanden ist und zum Gründungsmythos gehört. Und zumindest für diese Phase, so Jessen, eine gewisse Berechtigung hatte angesichts der historischen Situation des Zusammenbruch des 3. Reichs und dem Abtreten der NS-Funktionseliten. Mit Chancen für die nachrückenden, jungen Kader.

vgl. Literatur:

Diewald, Martin; Solga, Heike (1995): Soziale Ungleichheiten in der DDR. Die feinen, aber deutlichen Unterschiede am Vorabend der Wende. In: Kollektiv und Eigensinn, S. 261–306.
Jessen, Ralph (1999): Mobility and Blockage during the 1970. In: Konrad Hugo Jarausch und Eve Duffy (Hg.): Dictatorship as experience. Towards a socio-cultural history of the GDR. Oxford: Berghahn Books, S. 7358–8377.
Mayer, Karl Ulrich; Solga, Heike (1994): Mobilität und Legitimität. Zum Vergleich der Chancenstrukturen in der alten DDR und der alten BRD / oder Haben Mobilitätschancen zu Stabilität und Zusammenbruch der DDR beigetragen? In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, S. 193–208.
Solga, Heike (1994): Systemloyalität als Bedingung sozialer Mobilität im Staatssozialismus, am Beispiel der DDR. In: Berliner Journal für Soziologie, S. 523–542.
Solga, Heike (1995): Auf dem Weg in eine klassenlose Gesellschaft? Klassenlagen und Mobilität zwischen Generationen in der DDR. Zugl.: Berlin, Diss., 1995.
Solga, Heike (1996): Klassenlagen und soziale Ungleichheit in der DDR. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, S. 18–27.
 
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Das DDR-Handbuch (S.992ff) stellt zur Entwicklung der Qualifikationsstruktur folgendes fest:

„Die Zahl der Hochschulabschlüsse ist 1977 gegenüber 1974 ebenso gesunken wie die Zahl der Hochschulstudenten. Hier wird die restriktive Zulassungspolitik der SED-Führung ebenso erkennbar wie die Umlenkung der der Studienwilligen in Berufsschulen (Fachschulen) und in die Facharbeiterausbildung. Der Zustrom von Studierenden …zu den Fachschulen im Jahr 1977 …weist darauf hin, dass Studierwillige, die nicht zum Studium zugelassen worden sind, an den Fachschulen unterzukommen versuchen.“

Und fährt fort:

„Die Chance einer der Ausbildung angemessenen beruflichen Tätigkeit ….ist heute für Absolventen von Berufs- und Fachhochschulen wahrscheinlich häufig größer als für Hochschulabsolventen.“ (ebd. S. 992)

Die Nichtzulassung zu einem Studium war somit nicht zwangsläufig verbunden mit einer sozialen oder beruflichen Ausgrenzung.

Das ist gut, oder? In einer Planwirtschaft ist der künftige Bedarf an Facharbeitern und Diplomierten früh feststellbar, in einer Kommandowirtschaft können die Ressourcen dann schnell umgelenkt werden.

Heute würde die Wirtschaft gerne Jugendliche von der Uni in die Duale Ausbildung umsteuern. Da war die DDR-Planwirtschaft der BRD tatsächlich mal überlegen.
 
meine Meinung:

vor dem gerecht fehlt eigentlich noch ein eingrenzendes, bzw. definierendes Wort, wie z.B. leistungs-, persönlich-,o.ä., um dem ganzen eine sinnvolle Bedeutung zu geben.

Auf das "allgemein" gerecht würde ich sagen, das die Schulen dort überwiegend gerecht waren.

Argumentation:

1.Die Schulen erfüllten im allgemeinen die Vorgaben zum "Recht auf Bildung" der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Hinblick auf Verfügbarkeit und Dauer.

2. Über die Lehrplanvorgabe, bzw. die Vorgabe zur Qualifizierung entscheidet der jeweilige Staat bzw. das entsprechende Ministerium und/ oder die entsprechenden involvierten Institutionen. Handeln die Schulen dann nach diesen vorgegebenen Kriterien, dann handeln sie gerecht.

3.Der Einsatz von politischen Kriterien wird eigentlich nirgends in dem Recht auf Bildung verboten ( zumindest ist mir nix bekannt, bitte berichtigt mich, wenn ich falsch liege) . Und da eigentlich der Zugang zu den Jugendorganisationen grundsätzlich jedem offen stand , erfüllten sie auch das Kriterium der Chancengleichheit.

Allgemein würde ich sagen, da das Schulsystem sich stur an die politischen vorgaben hielt, war es per Definition größtenteils für sich selbst gerecht, jedoch politisch und sozial korrumpiert und somit politisch, menschlich und sozial Ungerecht.
 
[FONT=&quot]Sicher kann man allgemein viel über das Schulwesen der DDR schreiben. [/FONT]
[FONT=&quot]Sicher ist aber vielleicht nicht uninteressant mal etwas über erlebtes zu schreiben, ohne damit gleich in den Ruf zu kommen, hier will einer die DDR zurück. [/FONT]
[FONT=&quot]Die will ich sicher nicht, aber Lügen zu meiner Ausbildung möchte ich auch nicht vertreiben.[/FONT]
[FONT=&quot]
Also für mich, und ich schließe mal viele meines Bekanntenkreises ein, hat sich die Frage „Gerecht oder Ungerecht“ bezogen auf das DDR System in der Ausbildung nicht gestellt.[/FONT]
[FONT=&quot]Damit will ich nicht sagen dass es Fälle gab, wo sich schon diese Frage stellte. Z.B. ein späterer Arbeitskollege der in der DDR promovierte, hatte erhebliche Schwierigkeiten (Grund war Religion) nach dem Abi zum Studium zugelassen zu werden. Er wurde zugelassen und hat im Anschluss auch promoviert. Seine Ehrlichkeit kann ich bestätigen, er war nach 1990 in führender Stellung der Thüringer Regierung und da wurde geprüft.

[/FONT] [FONT=&quot]Richtig ist wie > Rhys < hier schreibt, Leistungsorientiert war es bei uns![/FONT]
[FONT=&quot]Hinzukommend der Wille nach der Berufsausbildung – die war damals schon Dual :) – doch noch, zwar etwas später als Abiturienten, eine Ingenieurausbildung im Direktstudium zu absolvieren.[/FONT]
[FONT=&quot]In meinen Fall brauchte ich eine Delegierung vom Betrieb wo ich arbeitete. Ich meine aber, nicht alle brauchten eine solche Delegierung. Es ging wohl auch ohne. [/FONT]
[FONT=&quot]Um immatrikuliert zu werden gab es für mich 2 Möglichkeiten. Entweder ich unterzog mich einer Aufnahmeprüfung oder ich absolvierte einen 1jährigen Abendkurs (3mal in der Woche) als Vorbereitung auf das Ing-Studium. Ich entschied mich für den Abendkurs.[/FONT]
[FONT=&quot]In wie weit ich mit meiner Absicht in das >Mengenschema< der „schlauen Füchse“ in Berlin (Beitrag 15 >steffen04<) in der Leipzigerstraße passte, davon habe ich keine Ahnung.[/FONT]
[FONT=&quot]Ich wurde angenommen.
Wir waren 26 Studenten im Seminar. Davon 4 SED Leute. 2 davon mussten wegen Leistungsproblemen die Ausbildung nach 1 Jahr abbrechen. Und von den 26. im Seminar waren auch nicht alle FDJler, einer sogar war aus der privaten väterlichen Firma (Handwerk). Während des Studiums trat auch keiner der FDJ oder der SED bei und danach auch nicht. Ich weiß dies, wir treffen uns aller 2 Jahre.[/FONT]
[FONT=&quot]
Natürlich hatten wir auch das Fach „Sagen und Legenden“, offiziell hieß dieses Fach damals noch „Gesellschaftswissenschaft“ (später dann wohl M/L) und gehörte zu den 7 sogenannten Fächern die die Kopfnoten bildeten (GEWI, Deutsch/Literatur, Russisch, Körpererziehung, Mathematik, Physik und Chemie). [/FONT]
[FONT=&quot]Neben GEWI hatten wir aber weitere 27 Fächer.[/FONT]
[FONT=&quot]Gerecht – Ungerecht!?[/FONT]
[FONT=&quot]Ob es Fälle gab die dort nicht immatrikuliert worden wegen politischen Dingen, ist mir nicht bekannt. Ich glaube eher nicht.[/FONT]
[FONT=&quot]Ich weiß nur, einer von den 2 SED Leuten dessen Mutter – Vater war im Krieg gefallen – war Angestellte. Nicht nur das ihr monatliches Einkommen nicht gerade umwerfend war (Angestellte hatte auch noch die höchste Lohnsteuer!), nein, das hatte Auswirkung auf sein Stipendium. Es war erheblich niedriger, weil er kein Arbeiterkind war. [/FONT]
[FONT=&quot]
Und das fanden wir ungerecht![/FONT]
[FONT=&quot]
Es gab im Seminar mehrere solche Fälle. Ich erwähne diesen 1 Fall nur deshalb weil er Mitglied der SED war.[/FONT]
[FONT=&quot]Es ging bei dem Stipendium nicht nach Verdienst/Einkommen der Eltern.[/FONT]
[FONT=&quot]Es ging nach der sozialen Herkunft (Arbeiter, Angestellter oder Selbständiger).

[/FONT] [FONT=&quot]In der weiteren Folge habe ich noch ein Hochschulstudium im Fernstudium absolviert. Da kann ich auch nicht anderes schreiben. Im Gegenteil. Beim Fernstudium brauchte man die turnusmäßige Freistellung von der Arbeit. Ich war Abteilungsleiter und diese Freistellung gab es problemlos.[/FONT]
[FONT=&quot]
Und noch eine Abschlussbemerkung sei erlaubt.[/FONT]
[FONT=&quot]Wir verwendeten damals in Physik u.a. die Lehrbücher eines Herrn H. Lindner. Er war zu DDR Zeiten Dozent an der (jetzigen) Hochschule Mittweida/Sachsen. Und es freut mich zu lesen, die Hochschule vergibt seit Jahren an Studenten einen „H. Lindner Preis“.
[/FONT]
[FONT=&quot]HS Mittweida-> W. Bruch (Fernsehröhre), A. Horch (Audi), G. Neumann (Strahlentriebwerke), F. Opel (Opel Werke), H. Bahlsen (Kekse), E. Sachs (E-Branche, Lötkolben), B. Schmidt (Spiegelteleskop), Politiker wie R. Stücklen (Bundestagspräsident) u.v.a. Zur Zeit ca. 6.000 Studenten.
[/FONT]
 
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Sicher kann man allgemein viel über das Schulwesen der DDR schreiben.

Und wenn man viel schreibt und das noch den aktuellen Forschungsstand zum Bildungssystem in der DDR wiedergibt, dann ist das sogar richtig gut. Und ein K.U. Mayer hätte es wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass seine empirischen Studien als Referenz akzeptiert werden.

Diese empirischen Studien ermöglichen eine objektivierte Bewertung des Bildungssystems der DDR. Und nicht individuelle, subjektive Sichten.

Und wer über die DDR diskutieren will, der hat die entsprechenden Studien zur Kenntnis zu nehmen. Vorn mir aus auch gerne kritisch, aber bitte nicht nach der Methode, "meiner Meinung nach"....


meine Meinung:
.......
Allgemein würde ich sagen, da das Schulsystem sich stur an die politischen vorgaben hielt, war es per Definition größtenteils für sich selbst gerecht, jedoch politisch und sozial korrumpiert und somit politisch, menschlich und sozial Ungerecht.

Jo, Deine Meinung, die wenig mit dem aktuellen Forschungsstand zu tun hat.
Wäre schön, wenn ein wenig mehr in die inhaltliche Fundierung der Thesen investiert werden würde. Die Frage nach einem Beleg durch entsprechende Studien erübrigt sich ohnehin.

Ein so konservativer Zeitgenosse wie K.U. Mayer hätte wenig Verständnis für diese problematischen inhaltlichen Thesen, angesichts der vorliegenden empirischen Studien.
 
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