Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Ich muß doch noch mal kurz auf die Warnung des Segestes zurückkommen. Du stellst es hier so dar, daß es wahrscheinlich gar keine Warnung gab bzw. Segestes dies im Nachhinein erfunden hat und Velleius Paterculus ihm sozusagen auf den Leim ging.

Es gibt aber auch bei Cassius Dio eine entsprechende Stelle, ich zitiere hier mal die mir vorliegende Übersetzung:

"Als er [Varus] nun voll Selbstvertrauen war, nichts Böses erwartete und allen, die die Vorgänge mit Mißtrauen betrachteten und ihn zur Vorsicht mahnten, nicht nur keinen Glauben schenkte, sondern sie zurechtwies, weil sie sich grundlos beunruhigten und jene Männer verleumdeten [gemeint sind wohl Arminius und Segimer], da erhoben sich als erste einige entfernt von ihm wohnende ..."

Cassius Dio spricht hier sogar von mehreren warnenden Stimmen.

Ist er auch derselben (möglichen) Fälschung aufgesessen wie Velleius und hat sie sogar übertreibend noch von einem Warnenden auf mehrere Warnende erweitert, oder ist die Schilderung nicht vielleicht doch ernstzunehmen?
Du wirst das auch bei Tacitus, Florus und Sueton wiederfinden. Nicht nur bei Velleius Paterculus und Cassius Dio. Gerade letzterer bleibt hier ja nur im Ungefähren. Er sagt nicht, dass die Verschwörung verraten wurde, sondern dass es Leute gab, die misstrauisch waren und zur Vorsicht mahnten. Würden wir die Segestesgeschichte aus den anderen Quellen nicht kennen, würden wir diese Einlassung bei Cassius Dio ganz anders lesen, als du es jetzt tust. Und wer war Zeuge von Segestes' Anzeige? Tacitus sagt deutlich, wen Segestes als Zeugen aufruft: illa nox - "jene Nacht". Varus' Entourage konnte keiner mehr anrufen, die war tot.
 
Wo schreibt Velleius etwas von einem Wall mitten im Lager? Deine Version ähnelt überhaupt eher der Lagerschlachtversion von Florus. Velleius hingegen schreibt auch von Wäldern, Sümpfen und Hinterhalten.
Sorry, mein Fehler. Da ich die Schriften von Paterculus selbst nicht habe , muss ich mich auf einer Internetseite wohl verlesen haben. Aber, im Zuge der Germanicusfeldzüge und seines Besuches auf dem Varusschlachtfeld, habe ich irgendwo etwas von einem Wall in einem Varuslager gelesen zu haben. Ich muss nochmal gucken :)
 
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Sorry, mein Fehler. Da ich die Schriften von Paterculus selbst nicht habe , muss ich mich auf einer Internetseite wohl verlesen haben. Aber, im Zuge der Germanicusfeldzüge und seines Besuches auf dem Varusschlachtfeld, habe ich irgendwo etwas von einem Wall in einem Varuslager gelesen zu haben. Ich muss nochmal gucken :)

Das steht so in keiner Quelle. Das ist eine Interpretation der Tacitusstelle gelesen durch die Brille Lagerschlachttheorie, die uns Florus liefert. Tacitus spricht von einem ersten Dreilegionenlager und einen Halbsatz weiter vom letzten Lager des Varus:

Prima Vari castra lato ambitu et dimensis principiis trium legionum manus ostentabant; deinde semiruto vallo, humili fossa accisae iam reliquiae consedisse intellegebantur;​

Wenn man der Lagerschlachtdarstellung von Florus folgt, passierte das alles ja nicht auf dem Marsch, sondern im Lager. Deshalb haben einige Tacitus und Florus zusammen geworfen und harmonisiert, also ein Behelfslager im eigentlich bereits von den Germanen überrannten Dreilegionenlager angenommen. Das hast du wahrscheinlich irgendwo aufgegriffen. Aber in den Quellen steht das so nirgends. Das ist hergeleitet, so ähnlich wie die Geschichte, dass Arminius in Rom erzogen worden sei. Das hat mal irgendein Historiker als Möglichkeit aufgebracht, in einer Terra X-Doku wurde das als Tatsachenbehauptung wiedergegeben und heute ist diese Geschichte nicht mehr aus der Welt zu kriegen, obwohl sie in den Quellen so nicht steht.
 
(...) Aber in den Quellen steht das so nirgends. Das ist hergeleitet, so ähnlich wie die Geschichte, dass Arminius in Rom erzogen worden sei. Das hat mal irgendein Historiker als Möglichkeit aufgebracht, in einer Terra X-Doku wurde das als Tatsachenbehauptung wiedergegeben und heute ist diese Geschichte nicht mehr aus der Welt zu kriegen, obwohl sie in den Quellen so nicht steht.

Absolut richtig. Hierin sehe ich ein grundlegendes Problem.

Dass P.Q.Varus zum Winterlager zog und quasi nebenbei einen Aufstand niederschlagen wollte, ist nirgends erwähnt. Es wird lediglich hergeleitet, da von dem Heerzug mitziehenden Frauen und Kindern berichtet wird. Dennoch wird es heute als gesichert betrachtet.
In Wahrheit wird der Begriff "Winterlager" in Bezug auf Varus nirgendwo erwähnt. Es ist überliefert, dass Varus einen Kriegszug gegen aufständische, entfernt wohnende Stämme unternahm.
 
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Ebenso steht bei Velleius Paterculus, Arminius habe den Feldherrn (Tiberius) bei seinem letzten Feldzug begleitet.
Daraus wurde hergeleitet, dass Arminius am Feldzug zur Niederschlagung des Pannonischen Aufstands beteiligt war. Denn dieses war zeitlich betrachtet tatsächlich der "letzte Feldzug".
Daraus wiederum stellt sich die Frage, warum Arminius, ohne dass dieser Krieg beendet war, in seine Heimat zurückkehren durfte und warum er dort plötzlich, trotz langer Abwesenheit, so einflussreich war?

Aber ist das alles richtig?

Könnte Velleius Paterculus nicht auch den letzten Feldzug des Tiberius in Germanien gemeint haben? Dann wäre der immensum bellum gemeint, der im Jahr 5 n.Chr. sein Ende fand. Die Cherusker und wahrscheinlich auch Arminius standen in diesem Feldzug auf römischer Seite.
Arminius hätte demnach zwischen 5 und 9 n.Chr. die weitere Entwicklung in Germanien hautnah miterlebt und seine weiteren Entscheidungen dementsprechend getroffen.
 
Ebenso steht bei Velleius Paterculus, Arminius habe den Feldherrn (Tiberius) bei seinem letzten Feldzug begleitet.
Dass Arminius Tiberius begleitet habe, steht bei Velleius weder direkt noch indirekt, sondern er schreibt nur ganz allgemein von "unser": adsiduus militiae nostrae prioris comes. Das muss man nicht unbedingt auf Velleius und Tiberius beziehen, sondern es könnte auch nur ganz allgemein "uns Römern" gemeint sein. Velleius bezeichnet die Römer öfters als "wir/uns", z. B. nennt er in II, 105 auch die Varusschlacht "unsere Niederlage", obwohl er selbst nicht an der Schlacht teilnahm.
Wo und unter wem Arminius diente, ist Spekulation.

Könnte Velleius Paterculus nicht auch den letzten Feldzug des Tiberius in Germanien gemeint haben? Dann wäre der immensum bellum gemeint, der im Jahr 5 n.Chr. sein Ende fand. Die Cherusker und wahrscheinlich auch Arminius standen in diesem Feldzug auf römischer Seite.
Zumindest zunächst beteiligten sich die Cherusker wohl am Aufstand, da Velleius in II, 105 erwähnt, dass sie von Tiberius "recepti", also wohl "wiederunterworfen", wurden.
 
Dass Arminius Tiberius begleitet habe, steht bei Velleius weder direkt noch indirekt, sondern er schreibt nur ganz allgemein von "unser": adsiduus militiae nostrae prioris comes.
Frei übersetzt: "Im letzten Feldzug hatte er beständig auf unserer Seite gekämpft (...)". Es dürfte Konsens darüber bestehen, dass mit "er" Arminius gemeint ist und mit "unserer Seite" die römische.
Im betreffenden Zeitraum kommen nur der immensum bellum in Gemanien und der Pannonische Krieg in Frage. Beide von Tiberius geleitet. Zeitlich betrachtet wäre der Pannonische Krieg naheliegend. Im gesamten Kontext betrachtet könnte auch der immensum bellum gemeint sein. Zu beachten ist, dass zur Zeit der Varusschlacht der Pannonische Krieg noch andauerte, die Bemerkung "hatte beständig gekämpft" dahingehend nicht zu erklären ist. Im Gegensatz zum imensum bellum, der vollständig abgeschlossen war.

Zumindest zunächst beteiligten sich die Cherusker wohl am Aufstand, da Velleius in II, 105 erwähnt, dass sie von Tiberius "recepti", also wohl "wiederunterworfen", wurden.
Die archäologische Forschung ist diesbezüglich einen Schritt weiter. Das 2015 bei Hannover entdeckte römische Marschlager, das in den immensum bellum datiert wird, befindet sich mitten im ehemaligen Cheruskerland. Von Kampfhandlungen fehlt jede Spur. Offensichtlich hatten sich die Cherusker, deren Haltung zu Rom innerhalb des Stammes stets ambivalent war, im immensum bellum neutral verhalten und wurden nicht zum Ziel der römischen Vergeltungsmaßnahmen.
Die dort lagernden Römer, wahrscheinlich unter der Führung des Tiberius, waren dort, um alte Verträge zu erneuern und sich der Treue der Cherusker zu versichern.
Zur Absicherung dieses Bündnisses und zur Unterstützung wurden sicher auch cheruskische Krieger als Hilfstruppen im römischen Heer aufgenommen und es ist nicht auszuschließen, dass auch der damals etwa 22 jährige Arminius darunter war.
 
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Der metallurgische „Fingerabdruck“ dürfte interessant sein.

Der Numismatiker und Archäometallurge Dr.Robert Lehmann von der Universität Hannover arbeitet zurzeit daran. In dem Buch „Von Drusus bis Maximinus Thrax“ von 2018 schreibt er im Beitrag „Von Mundblech, VAR-Gegenstempeln bis zu Waffenanalysen vom Harzhorn“:

„Die römischen Militärfunde von Kalkriese gehören möglicherweise zu Teilen der Varusschlacht, oder auch nicht.“

Klingt spannend.
 
Natürlich schießt der Artikel (wir diskutierten bereits darüber) übers Ziel hinaus, weil er einiges unterstellt, was de facto nicht gegeben ist. Zunächst einmal war Schlüter der Vorgesetzte von Wilbers-Rost/Rost bis beschlossen wurde, dass in Kalkriese ein Museum errichtet würde und aus der Archäologie des Osnabrücker Landes ausgegliedert. Also quasi etwa von 1987 - 2001. Dann wird so getan, als würden alle in Kalkriese über jeden Einzelsachverhalt dieselbe Meinung haben. Das ist ja Quatsch. Dann bräuchte man dort kein Team von mehreren Archäologen sondern es würde reichen, einen Archäologen einzustellen, der die Grabungshelfer anleitet und fertig. In der Wissenschaft - das immerhin schreibt Schönherr richtig - werden häufig alte Gewissheiten korrigiert und ad acta gelegt. Es war ja explizit das Grabungsziel von Ortisi/Rappe in den Jahren 2016/17 und soll es wohl, was ich den Mitteilungen entnehme, auch in diesem Jahr sein, die 2011 von Schlüter veröffentlichte These, dass es sich um ein römisches Lager und keinen germanischen Wall/Hinterhalt handelt, zu untersuchen und archäologisch zu be- oder widerlegen. Zur Zeit sieht es tatsächlich so aus, als habe Schlüter recht gehabt. Aber das ist doch nicht - wie der Artikel schreibt - peinlich für Kalkriese. Diese Grabungen fanden und finden im Auftrag von Kalkriese statt, die Kalkrieser haben dafür Forschungsgelder beantragt, um genau das zu untersuchen. Ja, die alte Erklärung vom Hinterhalt/Defileegefecht scheint nach heutigem Erkenntnisstand falsch zu sein. Die Indizien für ein Lager haben sich v.a. im vergangenen Jahr verdichtet. Man kann nun Wilbers-Rost, die sich in den letzten Jahren in der Tat vermehrt der Umgebung von Kalkriese und nicht so intensiv dem Oberesch gewidmet hat, vorwerfen, sie habe gemeinsam mit ihrem Mann die Lagertheorie zu schnell verworfen. Dabei sollte aber berücksichtigt werden, dass es ja Suchschnitte (7, 19, 6, 8, 37, 39, besonders auch die Schnitte an den Wallenden 43 und 45) nach Norden gab, eben weil natürlich die erste These die war, dass es sich um einen römischen Lagerwall handele. Die Suchschnitte aber waren nach Norden hin weitestgehend fund- und befundleer. Die Fundkonzentration lag am vermeintlichen Germanenwall/vermeintlichen Südwall des Lagers. Das bedurfte einer Erklärung und da schien die Lagerwalltheorie immer unplausibler zu werden.
Und man darf folgendes nicht vergessen: Schlüters Lagertheorie geht von Wällen an der Nord- und Südflanke, aber von archäologisch kaum nachzuweisenden Verhauen an der Ost- und Westseite aus, wie es Tacitus für das Lager des Germanicus im Caesischen Wald seiner Auffassung nach beschreibt.
Ein weiteres Problem für die Lagertheorie bleibt die Lage der Spitzgräben, vor allem am Ostende des Südwalls: Der läge nämlich im Lagerinneren. Wenn sich also die Lagertheorie bei den diesjährigen Grabungen endgültig bestätigen sollte, würde es einer guten Erklärung für die Innenlage des Grabens bedürfen.

Warum hat man nun also, nachdem die Lagertheorie doch aufgrund der Fundleere nach Norden hin ad acta gelegt schien, diese wieder ernster genommen?

Ich bin mir nicht sicher, denke aber [Vorsicht Spekulation meinerseits], dass das mit dem letzten Kalkrieseband in den Römisch-Germanischen Forschungen zu tun hat. Da hat das Archäologieteam von Kalkriese nämlich Fundgruppen kartiert und dabei festgestellt, dass der vermeintliche Germanenwall/Südwall offenbar als Sammelstelle von Plünderungsgut gedient hatte und damit die Fundverteilung in Kalkriese zu erkären sei. Die Germanen scheinen nämlich Haufen mit verschiedenen Gütergruppen gebildet zu haben, womöglich um sie aufzuteilen. Eine solche Haufenbildung führt natürlich zu einer Verlagerung des Fundgutes unmittelbar nach der Schlacht und damit zu einer Verzerrung, wo die Archäologie die Funde 2000 Jahre später macht, sie findet also nicht mehr in erster Linie die Ergebnisse der Schlacht sondern die der anschließenden Plünderung. Die vielen Funde am Südwall wären also nicht das Ergebnis davon, dass hier besonders heftig gekämpft wurde und die Römer gezwungen waren, besonders nah am Wall entlang zu marschieren. Wobei dann natürlich wieder die anderthalb Maultiere, die während der Kampfhandlungen am Wall verstarben und verschüttet wurden zum Problem würden. Mit dem Defileegefecht waren sie dagegen gut vereinbar.
 
Die Konstruktion um den Kölner Münzfund löst leider keines der in der wissenschaftlichen Diskussion aufgeworfenen Fragen. Wer, meiner Meinung nach zu Recht, einen signifikanten Germanicus-Horizont im gesamten rechtsrheinischen Fundgut vermisst, der wird sich nicht mit ein paar Münzen aus einer innerstädtischen Grabung überzeugen lassen, die mit den selben Mitteln datiert wurden, welche möglicherweise den Germanicus-Horizont in der Germania Magna haben verschwinden lassen.
Die detaillierten Berichte von den Ereignissen in den Jahren 14-16 bei Tacitus lassen es einfach nicht zu, diese Zeit nur anhand weniger Münzen aus damals römisch behaupteten Gebiet zu erklären. Während man für die unter Varus in Germanien stehenden fünf Legionen vielleicht noch eine einheitliche Zusammensetzung von Münzen/Gegenstempel annehmen darf, trifft dies für die nach 9 n.Chr am Rhein stehenden jetzt 8! Legionen keinesfalls mehr zu. Diese kamen aus entfernteren Regionen des Reiches mit höchstwahrscheinlich abweichenden Münzprofilen. Zusätzlich kam weiteres Geld bei der Niederschlagung der Meutereien zu den Legionen. Zu glauben, das Profil dieser Gelder würde sich trotz mittlerweile einiger augusteischer Fundplätze in der Germania und Berichten über äußerst verlustreichen Kämpfen immernoch in der Erde befinden ist wenig glaubwürdig.

Zum aktuellen Befund.
Ein Wall, der im Laufe seiner Entdeckung zuerst römisch, dann germanisch und nun wieder zu einem römischen erklärt wurde, hat offensichtlich keine EINDEUTIGEN Merkmale die zu einer sicheren Ansprache führen könnten. Das ist der deprimierende Stand nach 30 Jahren intensiv durchgeführter und hervorragend dokumentierter Grabung. Zusammen mit der sehr phantasiereichen Geschichte über die Siegesfeier am Wall, die die asynchrone Fundverteilung erklären soll, drängt sich der Verdacht auf, dass der eigentliche Charkter des Fundes immernoch nicht korrekt erfasst wurde. Statt dessen wird darüber diskutiert ob die "Brustwehr" nun auf germanischer oder römischer Seite konstruiert war, obwohl die Ausgräberin selber einräumt, das dass was man für eine Brustwehr hält, möglicherweise auch nur zur Stützung des Walles gedacht war.
Gleichzeitig verfügt dieser für zumindest römische Verhältnisse lausig ausgeführte Wall aber über eine luxuriös anmutende Drainagerinne. Auf die Idee, dass die Drainage, also das Umleiten von Wasser auf einem römischen Schlachtfeld eine nicht unbedeutende Relevanz hat, kommt in dieser Lagerwall-fixierten Diskussion offenbar niemand mehr. Dabei wäre eine effiziente Verbringung römischer Artefakte zur Konstruktion einer Drainagerinne innerhalb des Schlachtgeschehens durchaus denkbar. Die Konstruktion einer Wasserleitung im Schlachtgeschehen wird von Tacitus bei den Ereignissen an den Pontes-Longi als germanische Aktion sogar explizit erwähnt. Ein Blick in die Funddokumentation bestätigt dann auch, dass hauptsächlich für den "Staudammbau" geeignete römische Funde direkt am Wall lagen (Lanzen, Lituii, Maultiere). Die Schildrandbeschläge könnten demnach auch dadurch an den Wall bzw. in die Drainagerinne gekommen sein, weil die Erbauer römische Schilde zum Graben benutzten. Dass zum Zeitpunkt des Kalkriese-Ereignisses tatsächlich Wasser in erheblicher Menge durch diese Rinne floss belegt für mich eindrucksvoll der Fund von drei römischen Sandalen in der Rinne direkt vor der als Brustwehr bekannten Verstärkung. Offenbar haben die Erbauer/Zerstörer des Werkes an dieser Stelle Ihre Gummistiefel im Sog des Wassers verloren ;-)

Gruß
jchatt
 
Wer [...] einen signifikanten Germanicus-Horizont im gesamten rechtsrheinischen Fundgut vermisst, der wird sich nicht mit ein paar Münzen aus einer innerstädtischen Grabung überzeugen lassen, die mit den selben Mitteln datiert wurden, welche möglicherweise den Germanicus-Horizont in der Germania Magna haben verschwinden lassen.
Den fette Markierung ist leider kryptisch.
Es gibt nun mal Münzen, deren Prägezeitraum man datieren kann. Schlussmünze in Kalkriese und Haltern ist 2. Schlussmünze im Kölner Branareal ist nach 10. Der Brand ist auf Winter 13/14 datiert, unabhängig von irgendwelchen Varus- oder Aliso-Diskussionen. Die Münzen aus dem Brand hat sich überhaupt erst Heinrichs erstmals in Hinblick auf die Fragestellung angeschaut, ob sich Varus- und Germanicus-Horizont unterscheiden. Es wurde nämlich immer von Kalkriesegegnern behauptet, dass es keine Unterscheidung der Horizonte gäbe. Das hat Heinrichs anhand des Kölner Brandhorizontes widerlegt. Köln war neben Neuss und Xanten einer der Standorte der Legionen, mit denen Germanicus im rechtsrheinischen Germanien operierte. Also in Köln liefen neuere Münzen um und ausgerechnet die Legionen, welche direkt vom Staat versorgt wurden, sollen keine der neueren Münzen besessen haben?

Gleichzeitig verfügt dieser für zumindest römische Verhältnisse lausig ausgeführte Wall aber über eine luxuriös anmutende Drainagerinne.
Wie kommst du drauf? Hast du dir den Befund jemals angeschaut? Die Drainage dort ist keine durchdachte Ingenieurleistung sondern eine ad hoc-Maßnahme, die absolut uneinheitlich ausgeführt ist.
 
Der Brand ist auf Winter 13/14 datiert, (...).

Auch hier liegt ein Problem. Der Brand von Köln wird über die Münzen datiert, mit einem t.p.q. von 10 n.Chr. Wann war der Brand genau? 20 n.Chr? 25 n.Chr.? Es lässt sich nur schätzen. Scherbenfunde lassen keine jahresweise Feindatierung zu.
In Haltern dagegen hat man einen terminus post quem von 2 n.Chr. bzw. 7 n.Chr. (VAR-Gegenstempel) und ergänzend dazu einen terminus ante quem von 16 n.Chr.
Und das aus einem militärischen, rechtsrheinischen Kontext.
Mit anderen Worten: das ist der Germanicus-Horizont.

Diese Erkenntnis wäre eigentlich erfreulich, wenn nicht in Kalkriese ein sehr, sehr ähnliches Münzspektrum vorliegen würde. Das bereitet auch mir Bauchschmerzen.
 
Auch hier liegt ein Problem. Der Brand von Köln wird über die Münzen datiert, mit einem t.p.q. von 10 n.Chr. Wann war der Brand genau? 20 n.Chr? 25 n.Chr.? Es lässt sich nur schätzen. Scherbenfunde lassen keine jahresweise Feindatierung zu.
Der Kölner Brand ist datiert und zwar NICHT über die Münzen! Die Datierung über Sigillaten gilt als ziemlich genau und Keramik ist, da sie nicht recycelt werden kann (höchstens als Magerung für zu fetten Ton bei neuer Keramik), das Leitfossil schlechthin. Münzen gehen nicht kaputt, Metalle können repariert oder eingeschmolzen werden. Keramik kann man nur in Ausnahmefällen klammern (und sie ist dann natürlich nicht mehr für Flüssigkeiten geeignet). Man hat anhand von Stempeln und Verzierungen recht genaue Vorstellungen von der Datierung, weiß teilweise recht viel darüber, welcher Hersteller wann welche Keramik herstellte und kann sogar anhand der Herstellerstempel die Geschichten der Töpfereien nachvollziehen.

In Haltern dagegen hat man einen terminus post quem von 2 n.Chr. bzw. 7 n.Chr. (VAR-Gegenstempel) und ergänzend dazu einen terminus ante quem von 16 n.Chr.
Und das aus einem militärischen, rechtsrheinischen Kontext.
Mit anderen Worten: das ist der Germanicus-Horizont.
Welches wäre denn in Haltern der tap 16?
 
Hallo zusammen,
genau genommen, ist doch die Datierung von Keramik ähnlich der von gefundenen Münzen oder von Holz. Man kann hier lediglich feststellen, wann diese frühestens in den Boden gekommen sein kann. Wie geschrieben, halten sich diese Fundarten recht lange, hieraus ein Enddatum abzuleiten, oder wann genau dieser Brand stattfand, ist schon gewagt.
Grüße
Ostfale
 
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