Afrika - In 3000 Jahren keine nennenswerte Zivilisation gebaut?

colazero

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Hallo,

Bevor ich meine Frage Stelle möchte ich klar ausdrücken, dass ich ganz nüchtern interessiert bin auf die ein wenig heiklere Frage und es überhaupt nicht dienen sollte, die schwarzen "herunter zu machen" oder was zu unterstellen, sondern einfach die geschichtlichen Fakten herauszufinden :)

Ich bin auf ein Video gestoßen von einem schwarzen Prediger der die gewagte Aussage machte, dass Afrika und er meinte speziell "der schwarze Mann" (black people) keine nennenswerte größere funktionierende Stadt btw Zivilisationen und das was wir darunter verstehen, gebaut haben. Auch weist er darauf hin das man auch schon bevor die "weißen" überhaupt Fuß gefasst haben auf Afrika, es keine nennenswerte Gebilde gab. Wie zumbei in Indien der Taj Mahal oder in China die Chinesische Mauer, gab es in Afrika nicht wirklich was.

[mod]YT-Link entfernt. http://www.geschichtsforum.de/thema/hinweise-zu-verlinkungen.37262/ [/mod]


Schaut euch das Video an und ich hoffe ein paar Geschichtsjunkies können was dazu sagen :)

Danke!
 
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sondern einfach die geschichtlichen Fakten herauszufinden

Wenn man an der Historie eines Landes herangeht, dann rekonstruiert man. Und vor allem läßt man Werturteile außen vor, ob "Bauwerke" - nicht "Gebilde" !!! - irgendetwas aussagen.

Zunächst rekonsturiert man immanent eine Kultur indem man sie beschreibt. Sollte man dann in einem zweiten Schritt zu einer komparativen Betrachtung kommen wollen, dann wäre deutlich zu machen, an welchen Linien dieser Vergleich orientiert ist. Und sollte wenigstens den Versuch wagen, die Vor- und die Nachteile der zu vergleichenden Kulturen herauszuarbeiten.

Deine Fragestellung ist eurozentriert in einem negativen Sinne, mit einer Tendenz zum Rassimus, und dient nicht dem Verständnis von Kulturen.

Wie man leicht auch an dem Umfeld der Videos erkennen kann.
 
Das beantwortet aber die Frage nicht. Rassismus an den Kopf werfen kann jeder. Warum sollten Bauwerke nichts aussaugen? Hinter einem Bauwerk steckt mehr als nur Steine klopfen.
Wenn Bauwerke nichts aussagen, was ist den der Grund warum es in Europa Bauwerke gab und in Afrika keine? Liegt es an dem Klima oder an der Kultur oder warum?
 
Der pseudohistorische Rundumschlag des in #1 als Quelle erwähnten Predigers erstaunt mich, denn gerade ein professioneller Christenmensch sollte wissen, dass manche afrikanische Kirche älter jede mittel- und nordeuropäische ist...;)
 
Ich bin auf ein Video gestoßen von einem schwarzen Prediger der die gewagte Aussage machte, dass Afrika und er meinte speziell "der schwarze Mann" (black people) keine nennenswerte größere funktionierende Stadt btw Zivilisationen und das was wir darunter verstehen, gebaut haben. Auch weist er darauf hin das man auch schon bevor die "weißen" überhaupt Fuß gefasst haben auf Afrika, es keine nennenswerte Gebilde gab. Wie zumbei in Indien der Taj Mahal oder in China die Chinesische Mauer, gab es in Afrika nicht wirklich was.
Hast Du von Groß-Simbabwe schon mal was gehört?
 
Liegt es an dem Klima oder an der Kultur oder warum?
Das eine Klima und die eine Kultur?
Afrika ist groß, viele Landstriche sind lebensfeindlich.

Der Prediger, James David Manning, ist eine ziemlich radikale Type, die u.a. davon lebt, teilweise geradezu absonderliche Verschwörungstheorien in die Welt zu setzen. Darunter, das Obama ein schwuler Muslim sei oder dass Ebola von Starbucks verbreitet würde. Das besagt nicht automatisch, dass Manning in Allem unrecht hätte, jedoch macht ihn das als Gewährsperson fragwürdig.

Was ist mit Aksum/Dungur? Was mit Lalibela?

Liste archäologischer Fundstätten im südlichen Afrika – Wikipedia
 
Deine Fragestellung ist eurozentriert in einem negativen Sinne, mit einer Tendenz zum Rassimus, und dient nicht dem Verständnis von Kulturen.

Ich sehe in diesem kulturrelativistisch orientierten Kommentar ein paar logische Probleme, wie ich sie schon einmal in einem Beitrag zum Thema "Kulturrelativismus" angesprochen habe. Ich zitiere daraus ("Was lernen wir aus Geschichte", #91):

Das relativistische Dilemma zeigt sich vor allem darin, dass aus Sicht der Relativisten keine Kultur einer anderen als überlegen zu gelten hat, dass dieser Standpunkt von seinen Vertretern aber als eine philosophische Errungenschaft gewertet wird, die anderen Positionen wie z.B. der evolutionären eines Tylor oder Frazer an Wahrheitsgehalt überlegen ist. In Bezug auf die Relativität von Wahrheitsaussagen ist das schon prekär genug, ist innerhalb des gleichen kulturellen Rahmens aber noch kein Widerspruch. Zu einem solchen wird die Selbstbewertung des Relativismus aber, wenn man bedenkt, dass just jene Kulturen, welche die Relativisten vor dem evolutionären Universalismus retten wollen, das kulturelle Relativitätsprinzip überhaupt nicht kennen, sondern ihre jeweiligen Systeme (insbesondere ihre Religionen) als absolut verbindlich ansehen. Aus Sicht der Relativisten müssten diese Kulturen also als philosophisch/moralisch/kognitiv unterlegen einzustufen sein, da ihnen das Prinzip der kulturellen Relativismus unbekannt ist.

Begriffe wie "eurozentriert" und "Rassismus" sind kritische Konzepte, die auf dem Gedankengut der europäischen Aufklärung beruhen, die im 17. und 18. Jahrhundert die Idee eines universellen (und auch für Schwarzafrikaner gültigen) Menschenrechts hervorgebracht hat, was letztlich zur Abschaffung des europäischen und US-amerikanischen Sklavenhandels führte. In anderen, nicht-europäischen Kulturen haben sich solche kritischen Konzepte nicht in einem Maße gebildet, das auch nur im Ansatz mit dem Stellenwert vergleichbar wäre, den sie im europäisch geprägten westlichen Denken haben, was bedeutet: Die kritischen Konzepte "Eurozentrismus" und "Rassismus" sind selbst eurozentrisch! Das ist der typische kulturrelativistische Selbstwiderspruch.

In diesem Zusammenhang wird gerne übersehen oder verdrängt, dass Rassismus auch innerhalb der afrikanischen Kulturen, sofern diese in höchstem Maße ethno-zentrisch sind (also rassistisch), weit verbreitet war und ist und dass der europäische Sklavenhandel durch den innerafrikanischen (lokalen) Sklavenhandel, der schon lange vor der Kolonialisierung bestand, aktive Hilfestellung erhielt, indem europäische Sklavenhändler von afrikanischen Sklavenhändlern mit afrikanischen Sklaven versorgt wurden. Der intensive innerafrikanische und stark tribalistische Ethnozentrismus (Rassismus) dürfte auch der Hauptgrund dafür sein, dass sich keine genuin afrikanischen (also nicht muslimisch oder christlich geprägten) Kulturen entwickelten, die irgendwelche monumentalen Prachtbauten hervorgebracht haben, die den Prachtbauten anderer nicht-tribalistischer Kulturen vergleichbar wären, wobei zu betonen ist, dass solche Prachtbauten letztlich immer durch die Ausbeutung armer Bevölkerungsteile durch eine kleine Oberschicht finanziert wurden.

Meine obige Gleichsetzung von Rassismus und Ethnozentrismus mag Widerspruch provozieren, ich denke aber, dass beide Begriffe zumindest im Kern bedeutungsidentisch sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
(…) Begriffe wie "eurozentriert" und "Rassismus" sind kritische Konzepte, die auf dem Gedankengut der europäischen Aufklärung beruhen, (…) In diesem Zusammenhang wird gerne übersehen oder verdrängt, dass Rassismus auch innerhalb der afrikanischen Kulturen, sofern diese in höchstem Maße ethno-zentrisch sind (also rassistisch), weit verbreitet war und ist (…)
Meine obige Gleichsetzung von Rassismus und Ethnozentrismus mag Widerspruch provozieren, ich denke aber, dass beide Begriffe zumindest im Kern bedeutungsidentisch sind.
wenn es, wie du schreibst, überall Rassismus gab/gibt, dann verstehe ich nicht, wie "Rassismus" ein spezielles kritisches Konzept der europäischen Aufklärung sein kann - und ich verstehe noch nicht, was eine Rassismusdebatte erhellendes über historische kulturelle Leistungen afrikanischer Kulturen mitteilen kann.
 
Zum Video: Der Typ verortet St. Petersburg am Schwarzen Meer* (okay, kann man vielleicht als lässlichen Fehler sehen, kann ja mal passieren, dass man sich mit der Black und der Baltic Sea vertut, ohne dass man gleich annehmen müsste, dass der Typ keine Ahnung hat; ähnliches passiert ihm mit Conventry und da ist klar, dass er sich schlicht vertut). Aber dann redet er über Simbabwe und verwechselt es mit Lesotho.** Das allerdings ist ein Fehler, der nicht mit einem simplen Vertun erklärt werden kann. Da offenbart sich echte Unkenntnis. Ebenso, dass man from North Sahara all the way down to Cape Town gehen können und dort not one city fände, dass dort not one building sei.***
Dass er meint, dass Kolumbus die Welt davon überzeugen musste, dass die Erde keine Scheibe sei, lasse ich durchgehen, ist zwar grundfalsch, aber als Faktoid so verbreitet, dass man ihm das als, wenn auch falsche, opinio communis nachlassen kann.
Eine weitere Behauptung in seiner Rede ist, dass "Churchill" den Plan der Luftwaffe Coventry anzugreifen kannte und dies zuließ, damit die Deutschen ihm nicht auf die Schliche kämen, dass er "den Code" geknackt habe. Tatsächlich wurde Coventry 1940 zerstört, wohingegen Enigma erst 1941/42 geknackt wurde. Dat is schon ganz harter Tobak, den der Typ da vertählt.


*But Peter the Great wanted to build another city because he believed that Russia should be a seagoing nation he wanted the build ships. So he took a bunch of people down to the edge of the Black Sea and built St. Petersburg.
**And Rhodesia, I mean Zimbabwe is encircled by South Africa. Is a nation, it’s just a small nation within the nation.
***there’s not one city you can go from – from North Sahara all the way down to Cape Town and there’s not one city, there’s not one building, there’s ain’t nothing, there ain’t nothing.
****There’s a city in Germany called Coventry where Hitler had broken the code of – I mean Churchill had broken the code of German – of Hitler’s military plans. And he – and Churchill knew that the Luftwaffe, the German air force was coming tonight to burn, to bomb Coventry. And because he didn’t want Hitler to know that he had broken the code, he allowed that city to be bomb and they bombed it back to the Stone Age. But it was a – it was a good decision on behalf of Churchill because – because they broke the code they were able to then break the German Army.
 
Ich sehe in diesem kulturrelativistisch orientierten Kommentar ein paar logische Probleme, wie ich sie schon einmal in einem Beitrag zum Thema "Kulturrelativismus" angesprochen habe. Ich zitiere daraus ("Was lernen wir aus Geschichte", #91):
Meinst du Thanepowers Beitrag mit „kulturrelativistisch“ oder den, den Thanepower zitiert? Denn an TPs Beitrag ist eigentlich nichts „kulturrelativistisches“.

Das allerdings klingt mir latent* sozialdarwinistisch:
Zu einem solchen wird die Selbstbewertung des Relativismus aber, wenn man bedenkt, dass just jene Kulturen, welche die Relativisten vor dem evolutionären Universalismus retten wollen, das kulturelle Relativitätsprinzip überhaupt nicht kennen, sondern ihre jeweiligen Systeme (insbesondere ihre Religionen) als absolut verbindlich ansehen. Aus Sicht der Relativisten müssten diese Kulturen also als philosophisch/moralisch/kognitiv unterlegen einzustufen sein, da ihnen das Prinzip der kulturellen Relativismus unbekannt ist.

Im Übrigen schließe ich mich der Irritation von Dekumatland an.

*d.h. ohne das exterminatorische Element
 
Zuerst müsste man ja wissen was der schwarze Mann ist. Man kann bei den Äthiopiern streiten ob diese dazu gehören, gehört Mali dazu. Great Simbabwe wäre auch eine Erklärung wert. In vielen Teilan Afrikas gab es übrigens so wenige Menschen, dass diese keinen Staat brauchten wie in Ägypten um Flüsse wie den Nil zu bändigen.

Ganz Ketzerisch würde ich sagen braucht auch niemand die Pyramiden oder die Chinesische Große. Das erste ist zum protzen da und das Zweite hat keine Invasoren jemals aufgehalten.
 
Als Antwort auf diesen „Rundumschlag“ von Chan eine literaturorientiert Erwiderung, die den Aspekt der Aufklärung, der antikoloniale Kritik und den perspektivische Erweiterung in Bezug auf die Frage der Eurozentrierung in der Geschichtsschreibung sortiert

Generell: Dass der Westen ab ca. dem 18. Jahrhundert in eine zunehmend dominante und hegemoniale Rolle kommen konnte, das lag an vielen Faktoren und drückt sich in der „Great Divergence“ aus (vgl. Pomeranz) . Dass Europa mit Hilfe einer staatlich finanzierten (Steuern) Administration in Kombination mit einem kapitalistischen Wirtschaftssystem und einem zentralistischen Militärsystem viele Länder dieser Welt ausbeuten konnte, ist völlig unstrittig (vgl. z.B. Mann)

Abwegig ist die Vorstellung, die angebliche Überlegenheit der Kultur eines Landes an seinen Bauwerken ablesen zu wollen. Zumal die Art der Architektur einen Teil der Drohkulisse bildet, die hegemoniale Ansprüche im Rahmen des Imperiums helfen sollten, diese gegen die sogenannten Kolonialvölker und Rivalen durchzusetzen, wie Parker konstatiert.

Zudem stellt sich die Frage, warum eigentlich nicht an der Höhe der Menschenverluste in Kriegen, die parallel die Entwicklung der „Hochkultur“ begleitet haben, die Überlegenheit einer „Hochkultur“ abgelesen werden kann. Es wird wenige Regionen geben, die es geschafft haben, sinnlos in den letzten 200 Jahren um die 100 Millionen in „Totalen-Kriegen“ und in begleitenden Katastrophen zu töten. (vgl z.B. Black). Das sind dann vermutlich die „notwendigen Kollateralschäden“ von „Hochkultur“, die man gerne im Schatten der monumentalen Gebäude beläßt.

Black, Jeremy (2010): The age of total war, 1860-1945. Lanham, Maryland: Rowman & Littlefield Publishers
Mann, Michael (2012): The sources of social power. Global empires and revolution, 1890-1945. Cambridge: Cambridge University Press.
Parker, Geoffrey (2014): Power in stone. Cities as symbols of empire. London: Reaktion Books.
Pomeranz, Kenneth (2012): The great divergence. China, Europe and the making of the modern world economy. Princeton (N.J.): Princeton University Press

Im einzelnen:
1.Der Vorwurf des angeblichen „Werterelativismus“ von Chan durch eine angebliche Anlehnung an die Werte der Aufklärung, sind ein Widerspruch in sich. Die Aufklärung zeichnet sich gerade dadurch aus, einen neuen Kanon von vernunftbasierten Wertvorstellungen zu präferieren, deren „Wahrheitsgehalt“ sich im Zuge der Prüfung durch die Vernunft bewähren muss und jederzeit kritisch hinterfragt werden kann (vgl. beispielsweise Israel oder Jacob)

Diese Prämisse von Gesellschaft und Wissenschaft kann man sicherlich im Geiste der Aufklärung mit Steven Pinker auf den Punkt bringen.

„Das Prinzip der Aufklärung, das wir mit Vernunft und Mitgefühl das Wohlergehen der Menschheit befördern können, mag offenkundig abgedroschen, altmodisch erscheinen. Dieses Buch ist entstanden, weil ich begriffen habe, das es nicht so ist. Mehr denn je gilt es, die Ideale der Wissenschaft, der Vernunft, des Humanismus und des Fortschritts von ganzem Herzen zu verteidigen.

Aus dieser Sicht ergeben sich Wertvorstellungen, die am „Vernunftrecht“ angelehnt sind undin der Tat u.a eine zentrale Fundierung der Codifizierung der Menschenrechte bilden. Und zusätzlich das Rechtsverständnis in Bezug auf Genozide stark beeinflußt haben, wie man am Beispiel von Lemkin zeigen könnte.

Wiki:
„Die wichtigsten, heute noch geltenden vernunftrechtlich geprägten Zivilrechtskodifikationen sind der französische Code civil (1804) und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (ABGB). § 16 ABGB fasst die Basis des Vernunftrechts prägnant zusammen:
„Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sklaverei oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet.“


https://de.wikipedia.org/wiki/Vernunftrecht

Vor dem Hintergrund dieser wertebasierten Traditionsline sind rassistische oder andere Formen von extremer Exklusion sehr deutlich als menschenverachtend zurück zu weisen.

Israel, Jonathan I. (2003): Radical enlightenment. Philosophy and the making of modernity 1650-1750. Reprint. Oxford: Oxford University Press.
Israel, Jonathan I. (2011): A revolution of the mind. Radical Enlightenment and the intellectual origins of modern democracy. Princeton, N.J., Woodstock: Princeton University Press.
Israel, Jonathan I. (2013): Democratic enlightenment. Philosophy, revolution, and human rights, 1750 - 1790. 1 publ. in paperback. Oxford: University Press.
Israel, Jonathan I.; Mulsow, Martin (Hg.) (2014): Radikalaufklärung. Originalausgabe. Berlin: Suhrkamp
Jacob, Margaret C. (1981): The radical enlightenment. Pantheists freemasons and republicans. London: Allen Unwin
Pinker, Steven (2018): Aufklärung jetzt. Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt : eine Verteidigung. Frankfurt am Main: S. Fischer.

2. Diese Unterstellung ist jedoch ohnehin falsch, da es vor allem die moderne Ethnologie bzw. Soziologie ist, die die vorurteilslose Betrachtung von Kulturen als methodische Prämisse annnimt. Insofern basieren meine Ausführungen auf den methodischen Prämissen von Ethnologen und Soziologen(Radcliffe-Brown, Maus, Levi-Straus, Geertz u.a.) . I Kern gehen sie von dem methodischen Anspruch einer neutralen Beobachtung aus und können so per methodischem Anspruch keine Aussagen über die „Überlegenheit“ machen, sondern bestenfalls über die „Andersartigkeit“. Davon berührt ist ebenfalls die Art der Theorienildung, die induktiv vorgeht. Und bei A. Strauss noch im Rahmen der „Grounded Theory“ die Vorstellung beinhaltet durch ein „Theoretical Sampling“ eine generalisierungsfähige Theorieformulierung vorzunehmen. Eine Vorstellung, die beispielsweise Geertz kritisch sieht und die Ethnologen davor warnt, den falschen Weg einer generalisierungsfähigen Theorieformulierung zu beschreiten, die ihrerseits deduktiv auf die Art der Feldarbeit sich auswirken müßte. Und damit die unbefangene Neutralität der Beobachtung gefährden würde.

Geertz, Clifford (2017): The interpretation of cultures. New York: Basic Books.
 
Fortsetzung:
3. Das „Philosophieren“ von Chan über „Eurozentrismus“ ist eine Mischung aus Ignoranz gegenüber der Kritik zentraler antikolonialer bzw postkolonialer Theoretiker am Imperialismus des „Westens“ und der zwischenzeitlich eingesetzten Neubewertung einer „Globalen Geschichtsschreibung“.

Zum einen nimmt Chan die Kritik aus den ehemaligen Kolonien nicht ernst, wie sie beispielsweise besonders prominent Said oder Fanon formuliert haben. Es wird dabei vor allem die hegemoniale Position - auch - der westlichen Art der Wissenschaft und im besonderen der Geschichtsschreibung kritisiert. Im Focus steht dabei die Übertragung westlicher Kategorien von „Zivilisation“ und „Kultur“, die der Andersartigkeit anderer Kulturen nicht gerecht wird und so lange Zeit die expliziten und impliziten Vorstellungen von „Überlegenheit“ des Westens dominiert haben. Mit teilweise extrem negativen Auswirkungen auf die Entwicklung der jeweiligen nationalen Identitäten.

Fanon, Frantz (2016): Schwarze Haut, weiße Masken. Wien, Berlin: Verlag Turia + Kant.
Fanon, Frantz (2018): Die Verdammten dieser Erde.. Frankfurt am Main: Suhrkamp
Mishra, Pankaj (2018): Aus den Ruinen des Empires. Die Revolte gegen den Westen und der Wiederaufstieg Asiens.. Frankfurt am Main: S. Fischer
Said, Edward W. (1994): Kultur und Imperialismus. Einbildungskraft und Politik im Zeitalter der Macht. Frankfurt am Main: S. Fischer.
Said, Edward W. (2017): Orientalismus. 5. Auflage. Frankfurt am Main: S. Fischer

Und im Ergebnis zu einer Geschichtsschreibung geführt haben, die in vielen Spielarten die Überlegenheit des Westens – nicht zutreffend – beschrieben hat, wie beispielsweise Blaut (1993) kritisiert. Und so im Westen zu einem vorturteilsgeprägten Verständnis der globalen Entwicklung der Menschheit maßgeblich beigetragen haben.

Konnte noch McNeill mit „The Rise of the West“ relativ unwidersprochen einen Klassiker der globalen Geschichtsschreibung publizieren, dem sich eine Reihe von eurozentrierten, aber nicht rassismusorientierten Autoren, wie M. Mann, Landes, Hall oder Wallerstein aus unterschiedlichen theoretischen Blickwinkeln angeschlossen haben (vgl. Blaut, 2016)

Diese Sichtweise einer angeblichen Überlegenheit des Westens – und Blaut listet über 30 Gründe auf, die in der Literatur angeführt werden - ist vor allem durch die Diskussion über die Entwicklung des Westens und China ins Rollen gekommen und drehte sich um die Frage, „Warum nicht China?“ und hat zu einer Neuausrichtung der Bewertung der zeitlichen Perioden der Entwicklung geführt.

Dass ausgerechnet dabei ein konfuzianistisch geprägtes China dem durch die Weber`sche „Protestantische Ethik“ geprägten Kapitalismus den Rang streitig macht, ist ein zentrales Argument gegen die Theoretiker – und es sind nicht wenige – die sich auf Weber in ihren theoretischen Fundierungen des Aufstiegs des Westens berufen, so ein Strang der Kritik.

Dieser kurze Aufriss sollte illustrieren, dass Chan offensichtlich die Diskussion über die Eurozentrierung nicht zur Kenntnis genommen hat und seine "philosophischen Überlegungen" wenig mit dieser Diskussion zu tun haben. Dabei hätte er über die Beiträge in Rublack den kritischen Wechsel in der globalen Geschichtsschreibung leicht nachvollziehen können

Blaut, James M. (1993): The colonizer's model of the world. Geographical diffusionism and Eurocentric history.
Blaut, J. M. (2016): Eight Eurocentric Historians. New York: Guilford Publications.
McNeill, William H. (1963): The Rise of the West. A history of the human community. Chicago Univ. of Chicago Press.
Rublack, Ulinka (Hg.) (2013): Die neue Geschichte. Eine Einführung in 16 Kapiteln. Frankfurt am Main: Fischer
 
Zudem stellt sich die Frage, warum eigentlich nicht an der Höhe der Menschenverluste in Kriegen, die parallel die Entwicklung der „Hochkultur“ begleitet haben, die Überlegenheit einer „Hochkultur“ abgelesen werden kann. Es wird wenige Regionen geben, die es geschafft haben, sinnlos in den letzten 200 Jahren um die 100 Millionen in „Totalen-Kriegen“ und in begleitenden Katastrophen zu töten. (vgl z.B. Black). Das sind dann vermutlich die „notwendigen Kollateralschäden“ von „Hochkultur“, die man gerne im Schatten der monumentalen Gebäude beläßt.
@thanepower mir fallen keine Einwände zu deiner Darstellung ein (überall d'accord), bis auf das Zitat oben... dieser krasse Gedanke provoziert mich zu einem kuriosen Widerspruch: das römische Imperium hat u.v.a. ein sehenswertes Pantheon hervorgebracht. Sicherlich sind auf dem historischen Weg von 753 kroch Rom aus dem Ei bis zum Pantheon viele Kriegsopfer zu beklagen - wäre der ästhetische, kunsthistorische, architektonische, kulturelle Wert des Pantheons größer, wenn es weniger Kriegsopfer gegeben hätte?
 
Mir geht es nicht darum, die kulturelle und zivilisatorische Leistung des Westens in Frage zu stellen. Lediglich das selektive Verweisen auf die Monumentalität von Bauwerken, als Ausweis der Überlegenheit des Westens, wurde hinterfragt. Eher im Sinne, wo Licht ist, da ist auch Schatten. Und man sollte immer beides sehen, um die Gesamtheit der Leistungen einer Gesellschaft zu erkennen.

Es war ein Plädoyer, die Geschichte von Regionen immanent aus sich selber zu verstehen, ihre Andersartigkeit zu verstehen und ihr Recht zu akzeptieren, anders sein zu wollen und zu können.
 
"die Gesamtheit der Leistungen einer Gesellschaft zu erkennen" klingt zunächst plausibel, aber: was dann? Bringt jede Gesellschaft jede Leistung? Wer formuliert die Kriterien, was Leistungen sind und welchen Stellenwert sie in einer Gesamtheit haben?
 
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