Christopher Clarks Buch: Preußen Aufstieg und Niedergang: 1600 bis 1948

HisFajo

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

ich lese gerade das Preußen-Buch von Christopher Clark im Rahmen des Lektüremoduls; am 28. Januar steht bei mir die mündliche Prüfung an. Das Buch konnte ich mir selbst auswählen, und da mich die preußische Geschichte sehr interessiert - im Studium bisweilen aber eher weniger darüber angeboten wurde -, schlug ich dem Professor dieses Buch vor.
Bislang, mein Prüfer eingeschlossen, habe ich nur positive Resonanzen über das Buch gehört und gelesen; freilich, eine negative Gesamtbewertung wäre auch nicht nachvollziehbar, da es wirklich eine sehr ausgewogene Darstellung der preußischen Geschichte ist.
Dennoch muss es doch vereinzelt Punkte geben, die man durchaus kritisch/negativ bewerten kann. Gibt es hier Personen, die einzelne Kapitel, Passagen oder gar das ganze Buch negativ bewerten?

Über eine konstruktive Diskussion würde ich mich sehr freuen :)

LG
 
Sein Buch gehört zu den "Must-Reads" zu dem Thema, der ein ausgewiesener Kenner ist. Und letztlich kann man es nur "pluralisieren", indem man weitere Bücher zu dem Thema liest.

Ansonsten kann man nur an einzelnen Perioden erkennen, welche Priorisierung er vorgenommen hat und welche Themen er vernachlässigt. DAs könnte ein Ansatzpunkt für eine Kritik sein.

Erst dann wird Dein persönliches Urteil zum Narrativ von Clark über "preußische Geschichte" substantiviert.

Ebenso wären z.B. Büsch & Neugebauer "Moderne Preußische Geschichte", nur als beispielhafte Alternative, zu nennen oder "Preußen: Versuch einer Bilanz". Und es gibt noch zahllose weitere Bücher zu preußischer Geschichte, die relevant wären.

Interessant wäre, sin Buch vor dem Hintergrund von "Von Zeit und Macht" zu lesen und zu fragen, in welchem Maße er Kriterien liefert, seine eigenen Bücher hinsichtlich der eingenommenen Position zu analysieren.

Insgesamt ist Clark sicherlich bei dem Thema eine "sichere Bank" für eine Prüfung.
 
Dennoch muss es doch vereinzelt Punkte geben, die man durchaus kritisch/negativ bewerten kann. Gibt es hier Personen, die einzelne Kapitel, Passagen oder gar das ganze Buch negativ bewerten?

Der beste Weg, herauszufinden, ob etwas, und wenn ja, was in einem Buch von irgendwelchen Lesern beanstandet wird, ist eine Recherche bei Amazon. Clarkes Buch wird von offiziellen Reviewern einschränkungslos über den grünen Klee gelobt, in den Amazon-Reviews sieht das ein bisschen anders aus. Einige Dutzend Leser (1-3 von 5 Sternen) haben an dem Werk etwas zu bemängeln, wobei der Vorwurf der Langweiligkeit, Redundanz und Schwerverständlichkeit für vorausssetzunglose Laien, soweit ich das überflogen habe, der häufigste zu sein scheint. Ein Leser (3 Sterne) lobt die historische Darstellung, vermisst aber eine ausreichende soziologische Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse, was eine interessante Kritik ist; ob sie zutrifft, kann ich jetzt nicht beurteilen. Ein anderer Leser (3 Sterne) findet, dass die napoleonischen Kriege und ihr Einfluss auf die preußische Politik nicht ausreichend gewürdigt werden.

Amazon.com: "Iron Kingdom: The Rise and Downfall of Prussia, 1600-1947" - Customer Reviews
 
Ich würde @thanepower unbedingt darin zustimmen, dass man das, wenn man sich für die Geschichte Preußens interessiert unbedingt mal gelesen haben sollte.

Was ich persönlich an an Clarks Darstellung recht positiv herausheben würde, ist dass er sich in dem Buch wirklich auch daran gemacht hat die Geschichte Preußens abzuarbeiten ohne sich übermäßig auf die "Highlits" (Alter Fritz/Siebenjähriger Krieg, Stein/Hardenberg/Reformära, Bismarck/Reichsgründung, Wilhelm der Letzte/WK I, Reichsansitskartenmaler/Nationalsozialismus, WK II, Vertreibungen) einzuschießen.

Stattdessen wird dann auch die Entstehung vernünftig gewürdigt, neben der kontinuierlichen Entwicklung, ihrer Schwierigkeiten und vor allem ist Clarks Darstellung (mindestens habe ich das so empfunden) auch kein Werk, dass allzu einseitig auf die Gegebenheiten der preußischen Ostprovinzen abstellt, sondern diesen Staat schon im etwas größeren Maßstab beleuchtet.

Positiv ist insofern anzumerken, dass er damit ein sehr solides Überblickswerk liefert, was obendrein mehr oder minder gemeinverständlich dargestellt ist.
Besondere Schwachstellen kann ich bei dem Werk, im Rahmen einer allgemeinen Betrachtung preußischer Geschichte eigentlich nicht ausmachen, jedenfalls dann nicht, wenn man es richtig verwendet, nämlich als eine Art Reiseführer, der einem Zusammenhänge Aufzeigt und Stichworte liefert, die für die Konzeption einer darüber hinausgehenden Detailrecherche jedenfalls ganz gut brauchbar sind.

Man sollte sich allerdings von der umfangreichen Darstellung eben nicht dazu hinreißen lassen Einschätzungen des Autors außerhalb ereignisgeschichtlicher Tatsachen ohne weiteres hinzunehmen und sich darüber hinaus eben auch nicht einbilden alles über Preußen zu wissen, was es zu wissen gibt.

Wenn ich dem Buch Schwächen attestieren müsste, dann wären das aus meiner Sicht das Fehlen einer präziseren sich durch das Werk ziehenden Diskussion über Preußens außenpolitische Situation und ein Vergleich mit anderen umliegenden Territorien (und da ziele ich jetzt vor allem für das 17. und frühe 18. Jahrhundert aus Sachsen ab), um die spezifischen Entwicklungen Preußens noch einmal etwas schärfer heraus zu arbeiten. Ferner wäre sicherlich auch eine detaillierte Beleuchtung der einzelnen Provinzen (mindestens nach 1815) wünschenswert um auch dem zunehmenden inneren Spannungsverhältnis etwas mehr gerecht zu werden.
Insgesamt ist das, wie ich finde allerdings Jammern auf sehr hohem Niveau.


Im Rahmen einer mündlichen Prüfung würde ich dir im Übrigen auch dazu raten die spezifischen Probleme der Geschichtsschreibung in Hinsicht auf Preußen, vor allem auch im Hinblick auf das populäre Preußenbild auf's Tableau zu bringen.
Das Thema Preußen polarisiert ja sowohl im Bezug auf das populäre Geschichtsbild, als auch in der fachwissenschaftlichen Welt nach wie vor wie kaum ein Anderes in der deutschen Geschichte.

Im Bezug auf die öffentliche Erinnerungskultur schwankt es nach wie vor zwischen Verehrung (Alter Fritz, Bismarck, Reichseinigung) und Verdammung (Wilhelm II, Weltkrieg, Militarismus) und im Bezug auf die fachorientierte Historiographie hatten und haben die "Sonderweg-Debatte" und die Konstruktion von determinierten Kontinuitätslinien hin zum Nationalsozialismus, sicher auch ihre Wirkmächtigkeit (gehabt).
Dann ist ferner im Hinblick auf eine wirklich solide Geschichtsschreibung auch eine gewisse Distanz zum Thema zwingend notwendig. Gerade auch vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass die Geschichte Preußens in weiten Teilen auch noch einmal neu wird geschrieben werden müssen, einfach weil die bisherigen Darstellungen häufig von Betrachtern mit einem persönlichen Bezug zur Materie verfasst wurden, von dem sie sich nicht wirklich lösen konnten, das gilt im positiven, wie im Negativen.
Sowohl von Seiten (ich nenne es mal flapsig) der Preußen-Fans, als auch von Seiten der Gegner ist sehr sehr viel auch an sehr detaillierter Erkenntnis zum Thema geliefert worden. Was für meine Begriffe aber immernoch fehlt ist ein Gesamtbild, dass wirklich in der Lage ist beide Strömungen auch öffentlichkeitswirksam zu integrieren.
Was das angeht, halte ich Clarks Werke, sowohl zu Preußen allgemein, als auch zu Wilhelm II. für einen durchaus wichtigen Beitrag (seine Perspektive im Hinblick auf die "Schlafwandler" ist mir etwas zu preußisch um sie vollends übernehmen oder als weitgehend integrierte Sicht betrachten zu können).
 
Der beste Weg, herauszufinden, ob etwas, und wenn ja, was in einem Buch von irgendwelchen Lesern beanstandet wird, ist eine Recherche bei Amazon. Clarkes Buch wird von offiziellen Reviewern einschränkungslos über den grünen Klee gelobt, in den Amazon-Reviews sieht das ein bisschen anders aus. Einige Dutzend Leser (1-3 von 5 Sternen) haben an dem Werk etwas zu bemängeln, wobei der Vorwurf der Langweiligkeit, Redundanz und Schwerverständlichkeit für vorausssetzunglose Laien, soweit ich das überflogen habe, der häufigste zu sein scheint. Ein Leser (3 Sterne) lobt die historische Darstellung, vermisst aber eine ausreichende soziologische Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse, was eine interessante Kritik ist; ob sie zutrifft, kann ich jetzt nicht beurteilen. Ein anderer Leser (3 Sterne) findet, dass die napoleonischen Kriege und ihr Einfluss auf die preußische Politik nicht ausreichend gewürdigt werden.

Amazon.com: "Iron Kingdom: The Rise and Downfall of Prussia, 1600-1947" - Customer Reviews
Sicherlich grundsätzlich ein guter Ansatz, wobei ich mich was Rezensionen angeht, grundsätzlich immer an die schlechteren halten würde. Ganz einfach deswegen, weil im Hinblick auf die Positiven allzu häufig einseitig hochgelobt wird, was die persönlichen Sentiments und politischen Hintergründe des Rezensierenden bedient

In der Hinsicht bin ich bei "Die Schlafwandler", Roses "Zwischen Empire und Kontinent" Leonhards "Büchse der Pandora" oder sein aktuelles "Der überforderte Frieden" schon über Einschätzungen gestolpert, bei denen sich mir offen gesagt der Magen umdreht und ich mich Frage ob wir uns in 2019 oder doch 1919 befinden, weil dort mitunter der Bruch mit der fischerianischen Deutungstradition absolut unkritisch gepriesen und teilweise auch in entstellender Weise überstilisiert wird.
 
Sicherlich grundsätzlich ein guter Ansatz, wobei ich mich was Rezensionen angeht, grundsätzlich immer an die schlechteren halten würde. Ganz einfach deswegen, weil im Hinblick auf die Positiven allzu häufig einseitig hochgelobt wird, was die persönlichen Sentiments und politischen Hintergründe des Rezensierenden bedient

Allerdings kann die subjektive Perspektive des Rezensierenden auch zu einer negativen Haltung führen. Ich verstehe aber, was du meinst.

Du beziehst dich wahrscheinlich exklusiv auf Rezensionen historischer Werke. Generell würde ich zum Thema Rezension/Review/Kritik, egal für welches Genre, aber sagen, dass man sich weder an positive noch an negative Urteile "halten" sollte, weil die positiven, wie du zu Recht meinst, den Gegenstand gerne narzisstisch verklären, während die negativen oft - aber längst nicht immer! - auf einem Mangel an Verständnis und Blindheit für die Qualität des Gegenstandes beruhen. Letztlich wird man sich selbst ein Urteil bilden müssen, wobei es dessen Objektivität sehr fördert, wenn man sich nicht vorher durch positive oder negative Reviews beeinflussen lässt, diese also erst zu Kenntnis nimmt, nachdem man den Gegenstand selbst geprüft hat.

PS. Im übrigen lese ich deine gut geschriebenen und gedankenreichen Beiträge gerne, auch wenn ich von den Themen kaum was verstehe. Eine echte Bereicherung für dieses Forum.
 
Sorry, aber ich kann mich für beide Beiträge nicht sehr erwärmen. Die "Rezensionen" bei dem genannten Online-Großhändler sind meist unterirdisch; bei politischen und historischen Sachbüchern häufig von politischen Radikalinskis oder missionarisch aufgestellten Rezensenten verfasst. Schließlich kann dort ja auch jeder ein Buch rezensieren. Ob er's gelesen und verstanden hat, oder eben nicht, wird nicht geprüft.

Wer vernünftige Rezensionen lesen will, der sollte sich an die großen Zeitungen mit Feuilleton halten oder kann sich eben bei kulturwissenschaftlicher Literatur an Portale wie H|Soz|Kult halten.
Auch da gibt es sicher mal Vollverisse oder auch das gegenteilige Extrem, die Gefälligkeitsrezension (beides beim Online-Händler Alltag) aber im Großen und Ganzen hat man hier den fairen Peer Review. Und selbst, wenn es mal einen Vollveriss oder eine Gefälligkeitsrezension geben sollte, dann gibt es dennoch eine gewisse Qualitätskontrolle durch die Redaktion.
 
Nicht erwärmen ist harmlos ausgedrückt für die Frage der "Wertigkeit" von derartigen anonymen online-votes bzw. reviews auf den üblichen Handelsplattformen.

Natürlich orientiert sich niemand im Fachbetrieb an solchen "Rezensionen", das ist trivial und vermutlich auch gar nicht die Frage.

Die Wirkung zielt vielmehr auf Adressaten, die Inhalte und Standpunkte (überhaupt) nicht einschätzen können. Bei einer Diskussion über Christopher Clark ist das an sich auch egal.

Kritisch wird es, wenn Interessenten über Bücher zum Beispiel von Scheil, Uhle-Wettler oder Schulze-Rhonhof nachlesen ...
Eure Meinungen zu einen Buch
Neues Buch zum "Präventivkrieg Barbarossa" (Stefan Scheil)

Hier finden (nicht nur in "Rezensionen") regelrechte Propagandaschlachten und Meinungsbeeinflussungen über Publikationen statt, die der vom Thema her unbedarfte (um nicht zu sagen: naive) Leser nicht einsortieren und auseinander halten kann.
 
Ich würde jetzt doch darum bitten mit dem Zerreißen mal auf die Bremse zu treten.

Es ist ja nicht so, dass jemand behauptet hätte, anonym verfasste Rezensionen via Amazon oder vergleichbarer Portale seien in irgendeiner Weise ein adäquater Ersatz entsprechende Fachzeitschriften, Rezensionen bei H|Soz|Kult oder die Inhalte sonstiger Fachspezifischer Medien und Datenbanken.
Trotzdem möchte ich sie für eine ganz sinnvolle Eränzung halten, eben weil sie uns sehr viel darüber verraten, wie fachlich unbedarfte Konsumenten, nach Zurkenntnisnhme entsprechender Machwerke darauf reagieren.

Vom rein fachlichen Standpunkt her mag das in der Tat recht nutzlos sein, im Bezug auf den didaktischen Standpunkt halte ich es eigentlich für sehr wichtig und der ist je nach dem Charakter einer Ausarbeitung, einmal nicht verzichtbar.


Im Bezug auf Clark (im Besonderen "Schlafwandler") halte ich dass durchaus nicht für egal, einfach weil die Rezensionen mitunter Aufschluss darüber geben können, an welchen Stellen Erklärungsansätze beim fachfremden Publikum versagen und dieses nicht erreichen und darüber welche historischen Mythen ihre gesellschaftliche Wirkmächtigkeit so weit eingebüßt haben, dass man sie offensichtlich überwinden kann und welche nicht.
Ist man darauf aus einen Beitrag zur Forschungsdiskussion jenseits jeder Form von Öffentlichkeit zu liefern ist das sicherlich nicht wichtig.


Im Betreff auf Scheil, Uhle-Wettler, Schulze-Rhonhof und Komplizen sehe ich es als um so dringender an, dass man sich damit befasst.
Das Problem ist hier ja nicht, dass jemand der sich im Rahmen von Studium, wisschaftlicher Arbeit oder sinnvoll ausgeübten persönlichen historischen Interesse damit befasst, sondern der Umstand, dass diese Art zu "rezensieren" und die Möglichkeit damit ein gewisses Maß an Breitenwirkung zu erzielen eine gesellschaftliche Tatsache ist.
Darüber kann man sich vollkommen zurecht echauffieren, aber es ändert an diesem Umstand eben nichts.
Davon einmal abgesehen kann auch die Art und Weise in der die bezeichneten Propagandaschlachten im Netz ablaufen ein ganz gutes Lehrstück dahingehend sein, wie extremistische Bauernfängerei auch in einer demokratisch verfassten und im Hinblick auf bestimmte historische Sachverhalte eigentlich hinreichend aufgeklärt sein sollte funktioniert.
Die Zeiten wo solche Pamphlete in Antiquariaten halb versteckt im Lagerraum vor sich hin schimmelten oder die einzigen, die das bewarben stadtbekannte Ewiggestrige waren sind einmal abgelaufen.

Ich entschuldige mich für das of-topic, möchte aber das Entstehen falscher Eindrücke in dieser Richtung gerne vermeiden.
 
Wer vernünftige Rezensionen lesen will, der sollte sich an die großen Zeitungen mit Feuilleton halten oder kann sich eben bei kulturwissenschaftlicher Literatur an Portale wie H|Soz|Kult halten.

Es ging mir lediglich um die Frage des UP, ob das Werk von Clark inhaltliche Mängel aufweist. Also habe ich auf zwei Reviews verwiesen, die aus der Sicht des jeweiligen Lesers solchen vermeintlichen Mängel benennen (mangelnde soziologische Darstellung, mangelnde Berücksichtigung der Nap. Kriege). Ob dieses Mängel tatsächlich bestehen, kann ich nicht beurteilen und habe ich auch nicht behauptet. Dass Negativreviews auch auf einem falschen Verständnis beruhen können, habe ich in meinem Folgebeitrag ausdrücklich betont.

Es bleibt also jedem Kenner des Buches unbenommen, diese Mängelvorwürfe zu überprüfen und ggf. zu bestätigen oder zu widerlegen. Letzteres ist, soweit ich sehe, bisher nicht geschehen.

Die Frage bleibt also: Treffen diese Vorwürfe zu - oder nicht? Bloß weil in den Rezensionen "großer Zeitungen" kein Mangel an soziologischer Analyse beklagt wird, heißt das nicht automatisch, dass keiner besteht.

Im übrigen stimme ich Shinigamis vorausgehendem Beitrag zu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage bleibt also: Treffen diese Vorwürfe zu - oder nicht? Bloß weil in den Rezensionen "großer Zeitungen" kein Mangel an soziologischer Analyse beklagt wird, heißt das nicht automatisch, dass keiner besteht.
Es geht nicht um die "großen Zeitungen", wie du dir sicher denken kannst, von mir aus kann es auch in einer kleinen Zeitung geschehen, nur i.d.R. finden sich in kleinen Zeitungen seltener Feuilletons und daher auch seltener Rezensionen - und wenn, dann eher selten solche, wo es um Bücher kulturwissenschaftlichen Inhalts geht - sondern um das Medium und um redaktionelle Mindeststandards. Die sind einfach bei deinem Online-Händler nicht gegeben. Ich wiederhole mich: Da kann jeder eine Rezension einstellen, ob er das Buch gelesen/verstanden hat oder auch nicht. Auch da mag es die eine oder andere Rezension geben, die positiv (im Sinne von sachlicher Angemessenheit, nicht im Sinne einer positiven Bewertung des rezensierten Buches) heraussticht. Aber gerade im historisch-politischen Bereich spricht die Erfahrung doch eher gegen deine Empfehlung. Da werden eher unter dem Deckmantel der Rezension weltanschauliche Kämpfe ausgefochten anstatt tatsächlich Bücher rezensiert.

Es bleibt also jedem Kenner des Buches unbenommen, diese Mängelvorwürfe zu überprüfen und ggf. zu bestätigen oder zu widerlegen. Letzteres ist, soweit ich sehe, bisher nicht geschehen.
Nun, da könnte man drüber diskutieren, ob es nicht eher die Pflicht des Verweisenden wäre, nur auf etwas zu verweisen, was er auch selbst beurteilen kann, googeln ist schließlich nicht die Kunst, sondern die Spreu vom Weizen zu trennen.

Aber gut dann setzen wir uns doch mal mit den Rezensionen auseinander.

Vorwurf 1: die napoleonischen Kriege kommen zu kurz

Der Zeit zwischen 1789 und 1806 - nicht 1814/15, 1806! - werden in dem Buch auf 31 Seiten abgehandelt. Die Zeit zwischen 1809 und 1815 wird in 48 Seiten abgehandelt. Das Buch umfasst einen Zeitraum von 347 Jahren. 115 Seiten befassen sich - nicht ausschließlich, aber vorwiegend - mit den frz.-deutschen Beziehungen zwischen der Frz. Revolution und Waterloo. Das sind für 26 von 347 Jahren also 12 % des gesamten Buches. Also 6 % der behandelten Zeit werden in 12 % des Buches behandelt. Kommt diese Zeit zu kurz? Oder ist dem Rezensenten das vielleicht zu stark weltpolitisch eingebettet und zu wenig militärisch?

Vorwurf 2: mangelnde soziologische Darstellung

Der Mangel liegt im Auge des Betrachters. Ich persönlich bin ein großer Freund von Sozialgeschichte. Jedoch wäre das ein ganz anderes Buch. Zur Erinnerung: Es geht um Aufstieg und Niedergang Preußens, nicht um eine Sozialgeschichte. Natürlich muss ein Buch, welches eine Gesamtschau des politischen Werdegangs Preußens in Angriff nimmt, auch die Preußischen Reformen thematisieren, der Gründe und Folgen; die Widerstände gegen sie und ob sie eine "Revolution von oben" waren, thematisiert Clark. Auch der Fortgang der Sozialen Frage blitzt in dem Buch immer wieder auf. Sie ist aber ausweislich des Titels ausdrücklich nicht Kern des Buches. Also insofern ist das keine Kritik am Buch, sondern eine Kritik daran, dass Clark dieses und kein anderes Buch (nämlich über preußische Sozialgeschichte) geschrieben hat.
 
Die Forderung, dass Buchbesprechungen grundsätzlich nur dann relevant sind, wenn sie in Buchbesprechungen in großen Zeitungsfeuilletons oder auf professionell wissenschaftlichen Plattformen erscheinen, verneint in der Tat nicht nur die Relevanz von Reviews bei Amazon, sondern - sicher unbeabsichtigt, aber logischerweise - auch von Reviews in Foren wie dem Geschichtsforum. Wer sich in diesem Forum also schon einmal kritisch zu einem wissenschaftlichen Werk geäußert hat, wird sich fragen müssen, ob ihn dieses Verdikt ebenfalls trifft. Es müsste, von seiner Logik her, auch das positive Statement über Clarks Buch treffen, das zu Beginn des Threads von einem User abgegeben wurde. Es müsste ebenso jeden User treffen, der Clarks Buch selbst gelesen hat und in der Absicht, dem UP eine Antwort auf dessen Frage nach Schwachstellen von Clarkes Buch zu geben, diesbezügliche Hinweise gibt, falls er aus persönlicher Sicht solche Schwächen wahrgenommen zu haben vermeint.

Einer der User, welche die eingangs genannte Forderung geliked haben, müsste sich von dieser übrigens selbst negativ betroffen fühlen, da er im Forum doch selbst zahlreiche Reviews postet, wenn auch in einem anderen Genre.

Mit anderen Worten: Die Fragestellung des UP wird durch eingangs genannte Forderung implizit dahingehend korrigiert, ob jemand hier im Forum Buchbesprechungen in großen Zeitungsfeuilletons oder auf professionell wissenschaftlichen Plattformen kennt, in denen auf Schwachstellen in Clarks Buch hingewiesen wird.

Das hat der UP aber mit Sicherheit nicht intendiert.
 
Die Forderung, dass Buchbesprechungen grundsätzlich nur dann relevant sind, wenn sie in Buchbesprechungen in großen Zeitungsfeuilletons oder auf professionell wissenschaftlichen Plattformen erscheinen, verneint in der Tat nicht nur die Relevanz von Reviews bei Amazon, sondern - sicher unbeabsichtigt, aber logischerweise - auch von Reviews in Foren wie dem Geschichtsforum.
Sorry, aber dann liest du mich falsch oder betreibst Relativismus. Es geht um Peer Review. Hier bekommt jeder, der aus einer Buchrezension einen ideologischen Schaukampf macht, entsprechend kontra. Auf anderen Plattformen gibt es eine Redaktion. All das gibt es bei es bei dem Online-Händler nicht. Ich habe dagegen nicht behauptet, dass alle Rezensionen dort schlecht seien. Lediglich halte ich es aufgrund verschiedener Dinge für unangebracht, auf den Online-Händler zu verweisen. Einen Grund hatte ich genannt, nämlich, dass es dort weder einen Peer Review gäbe noch eine Redaktion sondern stattdessen ideologische Grabenkämpfe.
Ein anderer Grund liegt darin, dass natürlich alles Werbung für diesen Online-Händler ist (wo wir jede Werbung für jede kleine Buchklitsche stringent löschen).
Ein dritter, dass ich mich persönlich frage, warum der Marktführer, der sowieso bei Google immer als erstes gelistet wird, mit seinem Geschäftsgebaren welches sowohl gegenüber dem Kunden, als auch den Mitarbeitern sowie der Gesellschaft insgesamt eher abzulehnen ist (Ausspähung, Unterbezahlung, Hegemonisierung (Kleinhändler müssen über den Online-Händler verkaufen) und Monopolisierung und einer Form der Produktpiraterie (Produkte von Kleinhändlern, die gut laufen werden kopiert und vom Großhändler auch angeboten, bei der Suche geraten die Kleinhändler, die das Original anbieten gegenüber dem kopierten Produkt vom Großhändler ins Hintertreffen) sowie die Nutzung von Steuerschlupflöchern), auch noch unterstützt werden muss.

Mit anderen Worten: Die Fragestellung des UP wird durch eingangs genannte Forderung implizit dahingehend korrigiert, ob jemand hier im Forum Buchbesprechungen in großen Zeitungsfeuilletons oder auf professionell wissenschaftlichen Plattformen kennt, in denen auf Schwachstellen in Clarks Buch hingewiesen wird.

Das hat der UP aber mit Sicherheit nicht intendiert.
Ach so, dann hat deiner Logik zufolge der Threadersteller also nach dem Link gefragt, den die Suchmaschine ihm sowieso als erstes ausspuckt, wenn er das Buch in die Suchmaschine eingibt? Nein, er hat gefragt, was die Leute im GESCHICHTSforum von dem Buch halten.
 
@El Quijote

Wäre es möglich, dass man sich darauf einigt, dass die Einlassungen von @Chan und auch von meiner Seite her in ihrer Formulierung ziemlich unglücklich waren und demnach so nicht stehen bleiben können, weil sie geeignet sind in dieser Form nicht intendierte Missverständinsse zu verursachen?

Der Einwand, dass bei betreffendem Online-Händler kein Peer-Review und keine redaktionelle Betreuung der Kommentare stattfindet und die betreffenden Kommentare demnach deutlich eher mit Vorsicht zu genießen sind, als diejenigen in einschlägigen Fachportalen ist ja nicht von der Hand zu weisen. Ich habe von meiner Seite her nichts gegenteiliges zu behaupten beabsichtigt und habe auch Chan nicht dahingehend verstanden. Demnach ist das Konsumieren dortiger Meinungen sicherlich ein Schritt auf eigene Gefahr und bei weitem weniger abgesichert. Kann allerdings auch dazu führen spezifisches zu erfahren, was in einer Veröffentlichung etwa in Form des Feuilletons möglicherweise zu kurz kommt und kann Aufschluss darüber bieten, in welcher Weise das Werk bei nicht unbedingt fachkundigem Publikum ankommt, auch dass kann Hinweise auf die Eigenschaften des Werkes selbst geben.
Insofern ist das sicherlich nicht die erste Adresse, wenn man auf der Höhe des Forschungsdiskurses bleiben möchte, jedoch, verantwortungsvollen Umgang (und den sollte man von einem Studierenden vorraussetzen können) vorrausgesetzt, eine interessante Ergänzungsmöglichkeit.



Die Einlassung zum Thema Werbung halte ich persönlich für überzogen. Es wurde nichts konkretes verlinkt und der Bekanntheitsgrad betreffender Plattform für sich genommen rechfertigt meinem Empfinden nach schwerlich einen bloßen Verweis darauf als dezidierte Werbeaktion zu betrachten.

Was diese Einlassung hier angeht:
Ein dritter, dass ich mich persönlich frage, warum der Marktführer, der sowieso bei Google immer als erstes gelistet wird, mit seinem Geschäftsgebaren welches sowohl gegenüber dem Kunden, als auch den Mitarbeitern sowie der Gesellschaft insgesamt eher abzulehnen ist (Ausspähung, Unterbezahlung, Hegemonisierung (Kleinhändler müssen über den Online-Händler verkaufen) und Monopolisierung und einer Form der Produktpiraterie (Produkte von Kleinhändlern, die gut laufen werden kopiert und vom Großhändler auch angeboten, bei der Suche geraten die Kleinhändler, die das Original anbieten gegenüber dem kopierten Produkt vom Großhändler ins Hintertreffen) sowie die Nutzung von Steuerschlupflöchern), auch noch unterstützt werden muss.

Auch wenn ich mich mit dieser Einschätzung jetzt vermutlich nicht sonderlich beliebt mache und so sehr ich inhaltlich auch mit ihr konform gehe, aber das trägt den Charakter einer gesellschaftskritischen und tagesaktuell politischen Einschätzung.
Ich meine mich daran erinnern zu können, dass gemäß Forenregeln das Anstoßen derlei Diskussionen den Gepflogenheiten des Forums ebenso wenig entspricht, wie das Einstellen von Werbung.


Ach so, dann hat deiner Logik zufolge der Threadersteller also nach dem Link gefragt, den die Suchmaschine ihm sowieso als erstes ausspuckt, wenn er das Buch in die Suchmaschine eingibt? Nein, er hat gefragt, was die Leute im GESCHICHTSforum von dem Buch halten.
Was dies betrifft, das Anlegen einer solchen Logik wäre gewiss falsch. Man könnte das aber auch dahingehend umdrehen, dass sich die Frage an User des Geschichtsforums und somit an vielfach interessierte Laien (denn die wenigsten hier werden promovierte Historiker sein) richtet.
Die Ansicht interessierter Laien zum Thema wird womöglich in einem solchen Forum oder auch in entsprechenden Kommentaren (ob ihr Gehalt immer gut ist, ist eine gänzlich andere und eindeutig zu verneinende Frage) akkurater wiedergegeben als in der sehr fachspezifischen Diskussion entsprechender Portale und Datenbanken, als auch in der veröffentlichten, deswegen aber nicht unbedingt öffentlichen Sichtweise des Feuilletons.


Abschließend:

Ich denke die Einlassung von Chans und meiner Seite haben hier mittlerweile hinreichend berechtigtes Kontra bekommen um klar zu machen, dass das in seiner ursprünglichen Ausführung so nicht stehen bleiben kann. Ich denke auch, dass damit alle Beteiligten einverstanden sind. Dementsprechend wäre es vielleicht angezeigt es jetzt dabei bewenden zu lassen, denn sonst zeichnen sich demnächst nicht nur Rezensionen bei Online-Großhändlern, sondern auch dieser Faden durch Grabenkämpfe aus und ich denke dass das weder im Sinne des Forums ist, noch die Intention von @HisFajo bedient.

Was mich betrifft, darf dieser Beitrag hier gerne als Kapitulation in der Sache aufgefasst werden;)
 
Ich habe von meiner Seite her nichts gegenteiliges zu behaupten beabsichtigt
Du hattest den Großhändler doch gar nicht erwähnt, daher verstehe ich nicht, warum du dich da so angesprochen fühlst. Wo ich dich ansprach, war, dass du dich eher an die schlechteren Rezensionen halten würdest. Dagegen ging die Bemerkung, dass es neben dem Vollveriss die Gefälligkeitsrezension gibt und das beides Extreme sind.

Insofern ist das sicherlich nicht die erste Adresse, wenn man auf der Höhe des Forschungsdiskurses bleiben möchte, jedoch, verantwortungsvollen Umgang (und den sollte man von einem Studierenden vorraussetzen können) vorrausgesetzt, eine interessante Ergänzungsmöglichkeit.
Mir geht es nicht um die Empfehlung einer einzelnen Rezension. Die will ich hier nicht verlinkt haben (schon wegen Werbung) sondern um das Ausblenden der Probleme die mit Rezensionen beim Online-Großhändler mit sich führen.

Auch wenn ich mich mit dieser Einschätzung jetzt vermutlich nicht sonderlich beliebt mache...
Wir sind ein Geschichtsforum, kein Beliebtheitswettbewerb und deine Kritik ist sachlich begründet.
 
Du hattest den Großhändler doch gar nicht erwähnt, daher verstehe ich nicht, warum du dich da so angesprochen fühlst. Wo ich dich ansprach, war, dass du dich eher an die schlechteren Rezensionen halten würdest. Dagegen ging die Bemerkung, dass es neben dem Vollveriss die Gefälligkeitsrezension gibt und das beides Extreme sind.
Ich hatte ihn nicht explizit erwähnt, aber mein darauf folgender Beitrag im Hinblick auf die Orientierung an negativen Rezensionen hst dem ja auch nicht explizit widersprochen und kann demnach aus ausnahmslose Zustimmung verstanden werden. Somit würde ich schon sagen, sitze ich da mit im Boot, man soll sich bei persönlichen Fehlern nicht ausnehmen und ich habe mich in einer Weise, die die Kommentare bei betreffendem Händler als beste Anlaufstelle für die öffentliche Betrachtung auswies, wenn auch nicht in der Form beasichtigt in einer Weise geäußert, die man als Zustimmend betrachten kann.
Das war ein persönlicher Fehler von meiner Seite, den ich demnach auch richtig gestellt haben möchte und auf meine Kappe nehme.

Mir geht es nicht um die Empfehlung einer einzelnen Rezension. Die will ich hier nicht verlinkt haben (schon wegen Werbung) sondern um das Ausblenden der Probleme die mit Rezensionen beim Online-Großhändler mit sich führen
Ich denke über diese ist man sich weitgehend einig.
 
Erst mal vielen Dank für die lebhafte Diskussion, hat mir sehr weitergeholfen :)
Ich sitze gerade an der Rezension. Eine Frage: Wie lange sollte die Inhaltsangabe maximal sein? Ich finde es nämlich nicht so einfach, ein Buch mit 750 Seiten, das sich zudem in 17 Kapitel und (geschätzt) knapp hundert Unterkapitel aufteilt, zusammenzufassen. Soll ich über jedes Kapitel eine Zusammenfassung schreiben oder eine allgemeine Inhaltsangabe - wie würdet ihr das konzipieren? Und kann ich in der Inhaltsangabe auch schon Dinge einordnen, kritisieren - oder soll das erst in der Argumentation folgen? Die Rezension soll zwischen dreieinhalb und fünf Seiten liegen.

LG an euch Historiker und Geschichtsinteressierten,

HisFajo :)
 
Eine Inhaltsangabe kennzeichnet sich gerade dadurch, dass es keine Nacherzählung ist. Es ist ihr Zweck, kurz zu sein. Im Prinzip wäre schon folgendes eine Inhaltsangabe:

Christopher Clarks Buch Preußen. Aufstieg und Niedergang. 1600-1947 behandelt die Geschichte Preußens von seinem Beginn um 1600 bis zu seiner Auflösung durch die Alliierten 1947.​

Das wäre zwar etwas dürftig, aber das wäre eine Inhaltsangabe. Idealerweise geht eine Inhaltsangabe natürlich darüber hinaus, den Titel des Buches wiederzugeben und ist in etwa eine Seite lang. Du könntest z.B. die spezielle Sichtweise, die Clark an den Tag legt, wie er sich Preußen nähert mit aufnehmen, oder ob er versöhnlich oder negativ zu Preußen steht.
 
Das wäre zwar etwas dürftig, aber das wäre eine Inhaltsangabe. Idealerweise geht eine Inhaltsangabe natürlich darüber hinaus, den Titel des Buches wiederzugeben und ist in etwa eine Seite lang. Du könntest z.B. die spezielle Sichtweise, die Clark an den Tag legt, wie er sich Preußen nähert mit aufnehmen, oder ob er versöhnlich oder negativ zu Preußen steht.

Wäre das nicht schon eine Bewertung, die in der reinen Inhaltsangabe eher nichts zu suchen hat?
 
Guter Punkt. Ich denke, das ist grenzwertig. Solange man nicht selber wertet, sondern sich auf die reine Wiedergabe von Clarks Herangehensweise bzw. Sicht beschränkt ist das aber imho zulässig und legitimer Teil der Inhaltsangabe.
 
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