Britisch-indische Vergangenheit und Gegenwart

Rawsche

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

ich hänge derzeit leider an einem Problem. Ich muss mich leider mit der britisch-indischen Beziehung befassen. (Nicht gerade mein Lieblingsthema der Geschichte)

Mir wurde die inhaltliche Aufteilung in Vergangenheit und Gegenwart vorgegeben.
Dabei geht es mehr um einen groben, vielseitigen Abriss, der inhaltlich auch für Nichtinterssierte spannend sein könnte. Vor Allem sollte aber die Wechselwirkung thematisiert werden, also wer wen in welchen Bereichen beeinflusst hat, in der Vergangenheit und wie "wir das heute spüren".

Zur Vergangenheit hätte ich deshalb Folgendes thematisiert:
East India Company, Sepoy Aufstand und Kaiserreich Indien --> mit ein bisschen grafischer Untermauerung sicher interessant

Die Gegenwart bereitet mir eher Sorgen. Dort habe ich nur Folgendes:
politische Beziehungen, Einwanderung aus Indien in das UK

Habt ihr noch gute Ideen, welche Punkte der Beziehung vielleicht noch wichtig und interessant sind?
Wie wirkt sich die damalige Beziehung auf die Realität in beiden Ländern aus (auch im alltäglichen Leben und nicht nur auf wirtschaftlich-politischer Ebene)?
Welche Themen lassen sich gut visualisieren und haben aktuellen Bezug?

Vielen Dank für eure Hilfe
LG
 
Eigentlich schließen wir hier aktuelle Politik aus. Aber angesichts des Brexits kam jetzt raus, dass viele Brexiteers eigentlich von einer Wiederherstellung britischer Glorie wie zu Zeiten des britischen Kolonialreichs träumen, also die EU durch den Commonwealth ersetzen wollen. Das ist also aktuelle Politik mit - wie man will entweder Geschichtsbezug oder außerordentlicher Geschichtsvergessenheit. Nur... die Ex-Kolonien hat keiner der Brexiteers gefragt, wie sie dazu stehen. Gibt es dazu in den Commonwealth-Ländern - mit Fokussierung Indien/Pakistan/Bangladesh - eine Diskussion zu dieser Thematik?
 
@Rawsche ,

1881 wird die erste Volkszählung in Indien durchgeführt mit dem Ergebnis, dass auf 1720 Inder nur ein Brite kam. (250 Mio zu 145.000) (MacMillan - Women of the Raj - Taschenbuch S. 32)
Das finde ich schon erstaunlich. Wie gelang es so wenigen Briten über so viele Inder zu herrschen?
Und Seite 38: "The British community was not quite Britain in miniature; nor was it a colonial society."
Denn weder die East India Company noch die Regierung wollten britische Siedler dort, weil sie die Regierbarkeit Indiens beeinträchtigen würden (complicate the task of ruling India).
Also da hat man eine Kaste, eine britische Herrscherkaste, die nur das ist. Pure Aristokratie.
Jedenfalls hat man den Eindruck wenn man das Buch von MacMillan liest, das sich mit dem Leben der britischen Frauen im "Raj" beschäftigt.
Was mir auch ungewöhnlich erscheint ist die Tatsache, dass hier ein sehr hochentwickeltes Land beherrscht wurde.
Im Gegensatz etwa zur Kolonisierung Nordamerikas.

Nur so ein paar Gedanken, andere werden sich damit mehr beschäftigt haben.
 
Hallo

@hatl
Wie gelang es so wenigen Briten über so viele Inder zu herrschen?
Und Seite 38: "The British community was not quite Britain in miniature; nor was it a colonial society."

Man darf sich die Fürstentümer des damaligen Indiens nicht als einen de facto "Bundestaat Indien" vorstellen. D a gab es Feindschaften, Anymositäten, was einem politischen und militärischen Gegner das Ausspielen der Fürstentümer gegeneinander sehr leicht machte.

mfg
schwedenmnann
 
@Rawsche ,


Und Seite 38: "The British community was not quite Britain in miniature; nor was it a colonial society."
Denn weder die East India Company noch die Regierung wollten britische Siedler dort, weil sie die Regierbarkeit Indiens beeinträchtigen würden (complicate the task of ruling India).

Inwiefern würden sie die Regierbarkeit einschränken?
 
Ich muss mich leider mit der britisch-indischen Beziehung befassen.

Das ist natürlich schon fast eine "Höchststrafe". Aber ein wenig Lesen wirst Du schon selber müssen.

Ansonsten:
Als Einstieg sehr hilfreich:
Mishra, Pankaj (2018): Aus den Ruinen des Empires. Die Revolte gegen den Westen und der Wiederaufstieg Asiens. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch.

Vielleicht hilft der Hinweise auf die Struktur der politischen Herrschaft für das politische Verständnis
https://en.wikipedia.org/wiki/Princely_state

Und noch ein open acces Hinweis zur ökonomischen Geschichte:
https://archive.org/details/economichistoryo00/page/n27
die thesenartig im folgenden Link zusammen gefaßt ist und das Wesen der kolonialen/imperialistischen Herrschaft von GB in Indien beschriebt.
http://www.yourarticlelibrary.com/history/economic-impact-of-british-rule-in-india/23716

Wer es kritisch möchte:
Tharoor, Shashi (2018): Inglorious empire. What the British did to India. London: Penguin Books.

Unabhängig davon, dass es mehr als genug Bücher zur Geschichte Indiens, zum britischen Kolonialsystem und zur East India Company gibt.
 
Folgende verlinkte Studie untersucht den britischen Einfluss auf die rechtliche Lage indischer Frauen im 19. und 20. Jahrhundert, u.a. im Hinblick auf das "Age of Consent", das zulässige Mindestheiratsalter und zulässige Mindestalter von Mädchen für sexuellen Verkehr mit Männern. In diesem Zusammenhang sollte man im Auge behalten, dass in den USA noch im Jahr 1880 in den meisten Bundesstaaten das Age of Consent für Mädchen bei 10 Jahren lag (ich wiederhole: zehn) und im Bundesstaat Delaware sogar bei 7 Jahren (ich wiederhole: sieben), nachdem das dort gültige AoC von 10 Jahren im Jahr 1871 auf Initiative einer "Lobby" von 10 auf 7 Jahre gesenkt worden war...

https://scholarship.law.ufl.edu/cgi...&httpsredir=1&article=1148&context=facultypub

(...)
This Article looks at three areas of law reform in India affecting women's rights that were closely modeled on reforms in English law: changes in age of consent laws, changes in widow inheritance laws, and changes in abortion laws. The first two occurred in the nineteenth century and the last in the twentieth century, post-independence, yet the changes in abortion law still bore indelible traces of colonial authority.
(...)
Nineteenth century age of consent laws in England and India arose in the context of prostitution and child marriage, respectively, which were social issues directly linked to Victorian notions of domesticity and sexual restraint. The different cultural contexts, however, show how a concept as simple as age of consent takes on multiple meanings when different groups are vying for control over sexuality and for the power to define the appropriate contours of the family. In England, prostitution threatened the sanctity of the middle-class home and the Victorian wife's hold on reproduction. In India, the child-bride, an upper-caste phenomenon, brought colonial norms of sexual restraint and family structure into conflict with native claims over the right to define the private realm of the family. In the end, however, British women cared most about age of consent, because both prostitution and the child-bride threatened their power to define the parameters of sexual access.
(...)
There can be no doubt that the uproar over The Maiden Tribute played arole in the reform movement in India to change the age of consent there as well. In 1891, an Age of Consent Bill was introduced to raise the age of consent from ten to twelve.

(...)
 
Zuletzt bearbeitet:
Inwiefern würden sie die Regierbarkeit einschränken?
Das ist eine interessante Frage und ich müsste darüber spekulieren.
MacMillan stellt, soweit ich es überblicke, lediglich diese Einschätzung der beiden (East Indian Company und Regierung) fest.
Man kann davon ausgehen, dass die Briten sich als "ruling race" verstanden, die möglicherweise von indischer Seite auf die Vorstellung des Kastenwesens übertragen wurden.
Wenn dem so war, dann müsste dieser Nimbus der Herrschaftsbegründung beschädigt werden
durch solche Mitglieder der "Herrscherrasse" die, ebenso wie native "Krattler" niedriger Kasten auch, um das eigene Überleben kämpfen.
Wie gesagt, das ist spekulativ, denn ich weiß es nicht.
Eine Antwort auf Deine Frage würde mich auch interessieren.
 
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Moin
Ich lese gerade die Geo-Epoche Ausgabe "Das britische Empire". Dort sind natürlich auch Beträge zu Indien dabei. Z.B. über das Leben von Fanny Parkes, einer Gattin eines Angestellten der East India Company (gibt gute Einblicke in das Leben der Kolonialisten).
Vielleicht bringt dir das was!?
 
@Xander: Das Leben der Fanny Parkes in den Vordergrund zu stellen, geht an den gravierenden Einwirkungen, die GB auf Indien ausübte, m.E., vorbei (auch wenn es für sich genommen durchaus interessant ist und für eine eigenständige Betrachtung sicherlich spannend).

Ein Rothermund beschreibt das Verhältnis der EIC in Bezug auf Indien als parasitären Kapitalismus, der schrittweise den Wirt "Indien" - als agrarisch geprägtes Land - aussaugte und auf einem niedrigen Niveau der Subsistenzwirtschaft stabilisiert hatte. Mit verheerenden Folgen für die Versorgung des Landes und extremen Dürren und Millionen von Toten.

Gleichzeitig wurde die Nationalwirtschaft in ihrer strukturellen Entwicklung behindert, indem die Industrialisierung nicht zugelassen wurde. Das Nichtvorhandsein, so Rothermund, machte Indien zudem besonders und extrem anfällig für die Wirtschaftskrisen in der ersten Häfte des 20zigsten Jahrhundert.

Wenn "Rawsche" nicht weiss, über was er schreiben soll und wo die Klammer zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart ist, dann hat er nicht die strukturellen Probleme verstanden - oder auch nicht verstehen wollen, weil es ohnehin nicht sein Thema ist - die Indien als Volkswirtschaft hat. Und wie diese Probleme durch ethnische, religiöse und soziale Probleme zusätzlich aufgeladen werden.

Und dass in dieser Situation ein Gandhi und ein Neru es schafften einen Nationalstaat zu schaffen, der trotz einer vielfältigen multikulturellen Geschichte es dennoch geschafft hat, als Demokratie zu überleben (vgl. z.B. Sen zur multikulturellen "Identität" von Indien)

Vor diesem "grandiosen historischen Panorama" wirkt die Frau eine Angestellten der EIC als kein wirklich "brauchbarer Bezugspunkt", um die verheerenden Auswirkungen des Kolonialismus/Imperialismus auf die Kolonien darzustellen.

Denn genau dafür taugt das Beispiel Indien in einem besonderen Maße. Und vor diesem Hintergrund wirkt die "Erfolgsgeschichte" von "Asien" besonders eindringlich, weil sie trotz des Imperialismus stattgefunden hat. Und zeigt, dass Länder diese historische Phase erfolgreich überwinden konnten.

Rothermund, Dietmar (1993): An economic history of India. 2. ed. London: Routledge.
Sen, Amartya (2006): The Argumentative Indian: Writings on Indian History, Cultur. London: Penguin Books.
 
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@Xander: Das Leben der Fanny Parkes in den Vordergrund zu stellen, geht an den gravierenden Einwirkungen, die GB auf Indien ausübte, m.E., vorbei (auch wenn es für sich genommen durchaus interessant ist und für eine eigenständige Betrachtung sicherlich spannend).

...

Dieser Artikel in der Geo-Epoche habe ich nicht in den Vordergrund gestellt, sondern nur als Bsp. angeführt!
Davon abgesehen wird in den Erlebnisberichten der Fanny Parkes sehr wohl auf die Einflüsse der EIC auf das indische Leben aufgezeigt.
 
Ein Rothermund beschreibt das Verhältnis der EIC in Bezug auf Indien als parasitären Kapitalismus, ...
Das war wohl insgesamt für die europäische Expansion zutreffend.
Es bildeten sich Kapitalgesellschaften um Raubzüge zu finanzieren.
Z.B. die VOC, und wenn ich es recht erinnere waren auch die früher beginnenden spanischen Raubzüge durch ähnliche "Investmentfonds":D kapitalisiert.

Ein Sprung:
Nov. 1914 schlägt der Viceroy von Indien Harding vor, Mesopotamien zur indischen Kolonie zu machen. Also eine "Kolonie" die eine Subkolonie hat.*
Das hat mich erstaunt.
Gab es solche Bestrebungen anderswo auch? Oder ist das eine britisch-indische Besonderheit?

* Charles Townshend, When God Made Hell, TB S.74
 
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