Aegetes: Trotz punischer Niederlage mehr römische Rammsporne?

silesia

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Unterwasser-Archäologie zur Seeschlacht bei den Ägadischen Inseln, 241 v.Chr., nach einem Bericht aus der LiveScience

Did Carthage Fight With Captured Roman Warships? - Archaeology Magazine
Underwater Archaeologists Find Surprising Artifacts from Major Roman Naval Battle

Der Gebrauch der Statistik erscheint mir (mal wieder) befremdlich. "Erwartet" werden "überwiegend" punische Funde, man stößt vorwiegend auf römische Funde, und ist mit der Hypothese bei der Hand, die Karthager müssten mit römischen Beuteschiffen gekämpft haben. Normalverteilungsarchäologie.
 
Immerhin wird damit argumentiert, dass die Karthager Jahre zuvor 93 römische Schiffe erbeutet hatten, die These wird also zumindest an historische Quellen angeknüpft.
 
Unterwasser-Archäologie zur Seeschlacht bei den Ägadischen Inseln, 241 v.Chr., nach einem Bericht aus der LiveScience

Did Carthage Fight With Captured Roman Warships? - Archaeology Magazine
Underwater Archaeologists Find Surprising Artifacts from Major Roman Naval Battle

Der Gebrauch der Statistik erscheint mir (mal wieder) befremdlich. "Erwartet" werden "überwiegend" punische Funde, man stößt vorwiegend auf römische Funde, und ist mit der Hypothese bei der Hand, die Karthager müssten mit römischen Beuteschiffen gekämpft haben. Normalverteilungsarchäologie.

Interessanter Artikel!

Eine Frage: auf diesem Bild aus dem zweiten Artikel (aus Live Science) ist eine Inschrift zu sehen. Der zweite und vierte Buchstabe in der ersten und ebenso in der zweiten Zeile, der wie ein Galgen aussieht, erstaunt mich. Welcher Buchstabe soll das denn sein?

MTU0OTgzOTQxNw==
 
Du musst bedenken, dass die Inschriften aus einer Zeit stammen, als das lateinische als Schriftsprache noch eine untergeordnete Bedeutung hatte, du siehst hier das -P- in einem Zwischenstand zwischen Π und P. Also C. Paperio und M. Populicio. Wenn man da ein wenig recherchiert, findet man, dass mehrer Rammsporne mit denselben beiden Namen, teilweise auch in umgekehrter Reihenfolge existieren. Sie sind als quaestores (quasi das römische Finanzministerkollegium) bezeichnet. Marcus Populicius/Publicius war 232 Konsul, dann wird er um 250 Quästor gewesen sein. Bei der Schlacht von Drepana 249 sollen den Römern 93 Schiffe verloren gegangen sein. Die Schlacht von den ägatischen Inseln 241 fand allerdings in demselben Gebiet statt, die ägatischen Inseln liegen gewissermaßen direkt vor Drepana.
Insofern ist es schwierig zu entscheiden, ob die Sporne wirklich in der Schlacht von den ägatischen Inseln 241 oder nicht doch bereits acht Jahre zuvor 249 versenkt wurden. Vielleicht haben die Karthager einen Gutteil der 93 Schiffe Ba'al geopfert, indem sie diese versenkt haben. Das würde auch erklären, warum in einem Gebiet, wo die Römer eine Seeschlacht gewannen, mehr römische als punische Rammsporne liegen.
 
Zudem hatten trotz des Sieges 241 auch die Römer erhebliche Verluste, es werden 30 gesunkene und 50 beschädigte Schiffe genannt. Somit ist tatsächlich, wie Silesia zurecht anmerkt, ein Fundverhältnis von 19:10 nichts so besonderes, dass es irgendwelche Rückschlüsse zuließe.
 
Abgesehen von der angeführten Skepsis (@silesia, @Stilicho) die Wahrscheinlichkeits-Archäologie betreffend, wirft die im Artikel der Live Science präsentierte Interpretation bei mir folgende Frage auf:

Es würde zwar von einer schwarzhumorigen Seite der Karthager zeugen, wenn mit dem Segen der römischen Göttin Victoria und in Konsuls-Namen römische Kriegschiffe auf Grund gebohrt werden sollten. Doch man wäre dann allerdings im Zeichen fremder Götter und glückloser feindlicher Heerführer unterwegs gewesen, vielleicht nicht die beste Motivation für (abergläubische) Mannschaften. Ein umgestaltendes Hämmern sollte karthagischen Handwerkern doch möglich gewesen sein.
Haltet Ihr es für wahrscheinlich dass 8 Jahre zuvor erbeutete Schiffe seitens der Karthager mit unveränderten Rammspornen unter Flagge gehalten wurden?
 
Es würde zwar von einer schwarzhumorigen Seite der Karthager zeugen, wenn mit dem Segen der römischen Göttin Victoria und in Konsuls-Namen römische Kriegschiffe auf Grund gebohrt werden sollten.
Quästoren, nicht Konsuln. Der eine Quaestor ist nur mit hoher Wahrscheinlichkeit identisch mit einem späteren Konsul (Stichwort cursus honorum).
Was spricht gegen eine interpretatio punica der Victoria?

Haltet Ihr es für wahrscheinlich dass 8 Jahre zuvor erbeutete Schiffe seitens der Karthager mit unveränderten Rammspornen unter Flagge gehalten wurden?
Deshalb wies ich darauf hin, dass die aegetischen Inseln in unmittelbarer Nähe von Trapani/Drepana liegen. Man kann sie vor dort aus sehen, am deutlichsten Levanzo, wo die meisten Schiffssporne gefunden wurden.
Das Problem ist, dass der Schilderung der Quellen zufolge die Römer bei der Schlacht von Drepana die Küste hochsegelten und von den Karthagern, welche den römischen Angriff rechtzeitig bemerkten zwischen Meer und Küste eingeklemmmt wurden. Daher ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass die Schiffe während der Schlacht vor Levanzo sanken. Daher mein Vorschlag, dass die Punier zumindest einen Teil der 93 Schiffe z.B. Ba'al opferten.
 
Quästoren, nicht Konsuln. Der eine Quaestor ist nur mit hoher Wahrscheinlichkeit identisch mit einem späteren Konsul (Stichwort cursus honorum).
Uhps - Treffer versenkt - danke! ;)

Was spricht gegen eine interpretatio punica der Victoria?
Gute Frage! Auf die Schnelle ließ sich jedoch nichts im karthagischen Pantheon finden was auf eine interpretatio punica der Victoria hindeuten könnte. Der greifbare punische Götterhimmel erscheint mir auf den ersten Eindruck recht masculin dominiert, wie bspw. auch in diesem älteren Thread Phönikische Götter
Eventuell wäre an eine Gleichsetzung der römischen Victoria mit der griechischen Nike zu denken, wofür karthagische Münzen sprechen könnten, die in den Kontext punisch-griechischer Auseinandersetzungen auf Sizilien eingeordnet werden. Antikes Militärgeld erzählt von Karthagos kriegerischer Vergangenheit - wissenschaft.de

Deshalb wies ich darauf hin, dass die aegetischen Inseln in unmittelbarer Nähe von Trapani/Drepana liegen. Man kann sie vor dort aus sehen, am deutlichsten Levanzo, wo die meisten Schiffssporne gefunden wurden.
Das Problem ist, dass der Schilderung der Quellen zufolge die Römer bei der Schlacht von Drepana die Küste hochsegelten und von den Karthagern, welche den römischen Angriff rechtzeitig bemerkten zwischen Meer und Küste eingeklemmmt wurden. Daher ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass die Schiffe während der Schlacht vor Levanzo sanken. Daher mein Vorschlag, dass die Punier zumindest einen Teil der 93 Schiffe z.B. Ba'al opferten.
Das erscheint mir definitiv als mögliche Option. Wie auch die Möglichkeit, dass im Verlauf eines derart großen Seegefechts der spätere Gesamtverlierer durchaus lokal und temporär mal Oberwasser genießen durfte, bevor es im Gesamtresultat desaströs auf Grund ging.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was die im LiveScience-Artikel neben umfangreichen Amphorenfunden ebenfalls angesprochenen Montefortino-Helme betrifft, die nach Aussage des zitierten Archäologen als solche keltischer (iberischer und/oder gallischer) Söldner in Diensten Karthagos interpretiert werden könnten, müsste sich dem Wiki-Artikel Montefortino (Helm) – Wikipedia zufolge aufgrund des verwendeten Materials ziemlich eindeutig feststellen lassen können, ob es sich bei den Trägern dieses Helmtyps um karthagische und/oder römische Kämpfer gehandelt hat. Solche aus Eisen wären demnach keltischer Fertigung während jene aus Bronze römischen Schmieden entstammen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich schrieb ja auch nur “recht masculin dominiert“ - Astarte dürfte eher mit Hera/Juno in Verbindung zu bringen sein denn mit Victoria. Die während des 5. Jh. im punischen Kontext als Hauptgöttin an deren Stelle tretende Tanit wird mit griechisch Artemis bzw. mit römisch Ops, Nutrix oder Venus lugens in Verbindung gebracht. Für Ašera, ursprünglich wohl eine syrisch-kanaanäische Meeresgöttin, wird im punischen ein Gleichsetzung/Verschmelzung mit Tanit vermutet.
 
Hier eine zeitlich noch nicht allzu “abgesoffene“ Publikation (Erscheinungsjahr 2011) u.a. zur Seeschlacht bei den Aegatischen Inseln (S. 219-228), die neben rekonstruiertem Gefechtsverlauf, anschaulichem Bildmaterial, etc. auch den Hinweis beinhaltet, dass etliches von dem was bislang am Meeresgrund gefunden wurde in jüngerer Vergangenheit durch Schleppnetze gehörig verlagert worden sein kann.
Da ich mich für eine Verlinkung just als zu dämlich entdecken muss, rudere ich halt so in den Hafen:

Versunkene Antike - Faszination Unterwasserarchäologie. 1. Auflage 2011. Buch. 298 S. Hardcover. ISBN 978 3 8053 4317 6
 
Daher mein Vorschlag, dass die Punier zumindest einen Teil der 93 Schiffe z.B. Ba'al opferten.

Holzschiffe brauchen ja ständig Wartung, wenn die Punier das im Moment nicht leisten konnten, hätten die Schiffe schon Opferstücke werden können.
Aber auf der anderen Seite waren sie auch Kaufleute, und denen war auch schon vor 2400 Jahren Verschwendung zuwider.
Was ist höher zu bewerten. Die Götter oder der Profit?
 
Das ist sehr modern-säkular gedacht und differenziert auch nicht hinreichend zwischen der politischen Macht Karthago und deren Händlern.

Was die Idee angeht, dass man nur Schrott oder das, was man eh nicht hätte erhalten können, opferte:
Die Römer warfen den Puniern immer vor, dass diese sogar ihre eigenen Kinder opferten, was ein wenig heuchlerisch war, da Menschenopfer weder in Karthago die Regel noch in Rom völlig unbekannt waren (das ist in etwa so, wie die DDR, die Braunbücher über Alt-Nazis in politischen oder wirtschaftlichen Funktionen in der Bundesrepublik führte (und publizierte), aber Alt-Nazis als Funktionsträger im eigenen Staat tunlichst ignorierte, selbst dann noch wenn frz. Genossen sie darauf hinwiesen, dass diese in Oradour gemordet hatten).

Opfern in der Antike folgte häufig dem do ut des-Prinzip: Ich gebe, dass du gibst. Nach den antiken Vorstellungen musste man den Göttern schon etwas geben, damit man auch etwas bekam. Und je mehr man wollte, desto mehr musste man geben. Modern betriebswirtschaftlich gesprochen war das Opfer eine Investition. Aus säkularer Sicht zwar eine unsinnige Investition, aber dennoch eine ebensolche.
 
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