Alteuropäische (?) Vokabeln in europ. IE-Sprachen

Zu "Tochter" und "Sohn":

Es gibt scheinbar sehr viele Begriffe, die die Verwandtschaft anzeigen.

Keltisch *eni-genâ Tochter soll verwandt sein mit lat. indigena eingeboren.

Dann gibt es schottisch-gälisch smarach , a lad, a growing youth (Badenoch); root smar, from mar, mer, Greek @Gmei@nraz, boy, Sanskrit maryakás, a mannie, máryas, young man, Lithuanian marti, bride; also Welsh morwyn, girl, merch, daughter, Breton merc'h. Cf. Aran Irish marlach, child of two to five years, either sex.

Oder keltisch *makko-s, *makvo-s Sohn
Kluge compares Gothic magaths, maid, Anglo-Saxon magþ, English maid, further Gothic magus, boy ...

http://www.ceantar.org/Dicts/search.html

Die Wörter für Sohn und Tochter in den IE-Sprachen gehen wohl auf verschiedenste Begriffe für Kind, Junge, Mädchen, Säugling, Zögling, Jüngling, abstämmig, großziehen, sein, usw. usw. zurück. In diesem Wust wird sich kaum ein nicht-IE-stämmiges Wort finden ...
 
Was mir bei Gaul aufgefallen ist, ist die Verwendung des Wortes in verschiedenen grammatikalischen Geschlechtern.

Das in den germanischen Sprachen auftauchende gûl, gîl, gaul, gäul, usw. für Pferd gibt es in allen drei Geschlechtern.

Das erinnert mich an Anglizismen im Deutschen.

Der Laptop, das Laptop? Die Spaceshuttle, der Shuttle, das Shuttle? Der Aktienfonds, die Fonds, das Fonds? Vgl. auch Gummi oder Kondom.

Ist diese Eigenheit ein Indikator für Fremdwörter??
 
Was mir bei Gaul aufgefallen ist, ist die Verwendung des Wortes in verschiedenen grammatikalischen Geschlechtern.

Das in den germanischen Sprachen auftauchende gûl, gîl, gaul, gäul, usw. für Pferd gibt es in allen drei Geschlechtern.

Das erinnert mich an Anglizismen im Deutschen.

Der Laptop, das Laptop? Die Spaceshuttle, der Shuttle, das Shuttle? Der Aktienfonds, die Fonds, das Fonds? Vgl. auch Gummi oder Kondom.

Ist diese Eigenheit ein Indikator für Fremdwörter??


Ein Indikator vielleicht, aber jedenfalls kein besonders beweiskräftiger. Das Wort "Mensch", das seit dem Mittelhochdeutschen sowohl im Maskulin wie auch im Neutrum auftritt (der Bedeutungswechsel des Neutrum setzt erst im Neuhochdeutschen ein), ist mit Sicherheit kein Fremdwort.

Der "Gaul" tritt übrigens m. W. nicht in den germanischen Sprachen auf, sondern nur im Deutschen (und Niederländischen), da könnte es etwas schwierig werden, einen "alteuropäischen" Zusammenhang herzustellen.
 
Der "Gaul" tritt übrigens m. W. nicht in den germanischen Sprachen auf, sondern nur im Deutschen (und Niederländischen), da könnte es etwas schwierig werden, einen "alteuropäischen" Zusammenhang herzustellen.

Ja. Andererseits erwarte ich ja nicht, dass ganz Europa die selbe Sprache sprach, als die IEs es überformten.

Gehen wir von >2 Sprachfamilien in "Alteuropa" aus, was sich durch die erhalten geblieben Sprachen des Baskischen und des Finno-Ugrischen* ja vermuten lässt. (Dazu die schlecht ergründbaren Sprachen Rätisch und Etruskisch, Tartessisch und Iberisch, usw. ... )

Regionale Einflüsse zu verschiedenen Zeiten sind möglich. Zumal es im Deutschen eine Fülle an "Pferde-Wörtern" gibt, wie mir aufgefallen ist.

Pferd, Ross, Stute, Märe, Gaul.

Das ist spannend, weil wir ja im Englischen ein ähnliches Phänomen beobachten konnten - dass man für viele altenglischen Wörter Synonyme im Normannischen und Lateinischen hat - manchmal sogar noch im "Keltischen", wie bei valley, dale, glen.

Ich verlasse mich da mal auf meinen Instinkt, heisse aber Deine, wie jede andere Kritik willkommen. ;)

(* Hier zur finno-ugrischen Gruppe noch ein "netter" Text)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja. Andererseits erwarte ich ja nicht, dass ganz Europa die selbe Sprache sprach, als die IEs es überformten.


Mein Einwand läuft eher darauf hinaus, daß das Wort "Gaul" möglicherweise gar nicht so alt ist. Die Angelsachsen scheinen es nicht mehr mitbekommen zu haben...


Gehen wir von >2 Sprachfamilien in "Alteuropa" aus, was sich durch die erhalten geblieben Sprachen des Baskischen und des Finno-Ugrischen* ja vermuten lässt. (Dazu die schlecht ergründbaren Sprachen Rätisch und Etruskisch, Tartessisch und Iberisch, usw. ... )


Zuzüglich einiger Sub-(Super/Ad)-stratsprachen, die sich natürlich auch nicht wirklich ergründen lassen. Zumindest beim Keltischen, beim Germanischen und beim Griechischen ist mit jeweils mindestens einer "Substratsprache" zu rechnen, wobei nirgends ein Zusammenhang zu einer der belegten Sprachen bzw. Sprachfamilien nachweisbar ist.
(An eine "vaskonische" Überformung des Germanischen vermag ich nicht so recht zu glauben, auch die "semitidische" Komponente des Keltischen scheint mir bei weitem nicht ausreichend fundiert zu sein.)


Regionale Einflüsse zu verschiedenen Zeiten sind möglich. Zumal es im Deutschen eine Fülle an "Pferde-Wörtern" gibt, wie mir aufgefallen ist.

Pferd, Ross, Stute, Märe, Gaul.

Das Pferd kommt vom aus dem gallisch-lateinischen paraveredus.

Das Ross ist germanisch (aus einer "Substratsprache?")

Die Stute war ursprünglich kein Ausdruck für ein Individuum, sondern bedeutete "Herde" (die ursprüngliche Bedeutung findet sich noch im englischen "stud" - "Gestüt")

Die Mähre hat Verwandte im Keltischen "mark-", anscheinend ein altes Wanderwort, das sehr weit herumgekommen ist, vgl. mongolisch morin, altkoreanisch *mor, dazu wohl auch chinesisch ma, japanisch uma.
 
Mähre, ja. Danke.

Vielleicht hast Du ja dazu eine Idee:

Ich möchte gerne wissen, ob eine gemeinsame Wortwurzel z.B. im Lateinischen, Keltischen und Germanischen gleich als indoeuropäisches Wort definiert wird.

Ich habe in Köblers PIE-Wörterbuch gesehen, dass er scheinbar die nur in europäischen Sprachen bezeugten Wörter mit einem Fragezeichen markiert.

Reiten: *reidho-?, idg., Sb.: nhd. Reiten
Pferd: *ekuos, idg., M.: nhd. Pferd; *markos?, idg., M.: nhd. Pferd

(bei *ekuos fehlern kopierbedingt die Sonderzeichen)

Zu den Wörtern ride, ready / reiten, (be-)reiten habe ich hier mal zur Konfusion die Angaben kopiert. Mal werden die Wörter als verwandt gesehen und sogar ein PIE-Stamm suggeriert, dann wiederum taucht im OED unter ready der Zusammenhang nicht auf.

English ride; O.E. ridan "ride" (as on horseback), "move forward, rock" (class I strong verb; past tense rad, pp. riden), from P.Gmc. *ridanan (cf. O.N. riða, O.Fris. rida, M.Du. riden, Ger. reiten), from PIE *reidh- "to ride" (cf. O.Ir. riadaim "I travel," O.Gaul. reda "chariot").

Keltisch *reidi-; English ready, German bereit, Gothic garaids, ordered. Also Old Irish riadaim, I drive, Gaulish rêda, waggon, allied to English ride, German reiten, etc.

English ready; O.E. ræde, geræde, from P.Gmc. *garaidijaz "arranged" (cf. O.Fris. rede, M.Du. gereit, O.H.G. reiti, M.H.G. bereite, Ger. bereit, O.N. greiðr "ready, plain," Goth. garaiþs "ordered, arranged").


Komplizierte Angelegenheit. Während man wohl bislang "optimistisch" (im Zweifel ist es Indoeuropäisch!) an die Wörter herangegangen ist, würde ich gerne den Spieß umdrehen und den Pessimisten spielen.

Thesen
1. Es gibt in den frühmittelalterlichen germanischen und keltischen Sprachen Wörter, die auf eine gemeinsame Wurzel schließen lassen, welche NICHT aus dem Vokabular des PIE stammen.
2. Es gibt eine Vielzahl Wörter im Früh-Germanischen, die nicht oder nur umständlich aus dem Pool des PIE erklärt werden können.
3. Es gibt eine Vielzahl Wörter im Früh-Keltischen, die nicht oder nur umständlich aus dem Pool des PIE erklärt werden können.
4. Es gibt in den nord-, ost- und westgermanischen Sprachen Wörter, die nicht auf eine gemeinsame Wurzel zurück gehen.
5. Es gibt in den keltischen Tochtersprachen Wörter, die nicht auf eine gemeinsame Wurzel zurück gehen.

Wenn sich das so behaupten lässt, kann man also davon ausgehen, dass bis ins frühe Mittelalter hinein Zellen "alteuropäischer Restsprachen" über Mitteleuropa verteilt waren, die zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich starke Impulse an die beiden IE-Sprachgruppen des Germanisch und des Keltischen abgaben.

Insbesondere die germanische Sprache hat - so wie ich das sehe - etwas von einer "Patchwork"-Struktur. Ich weiss nicht ob "kreolisch" da das richtige Wort ist. Aber zwei ihrer Töchter, das Englische und das Niederländische/Afrikaans haben es geschafft, sich auf simpelste Grammatik zu reduzieren. Verlust der Geschlechter, reduzierte Verbformen, usw.. Das bezeugt - wenn mich nicht alles täuscht - dass das Germanische in historischer wie auch in prähistorischer Zeit phasenweise mehr als Verkehrssprache und weniger als Muttersprache erlernt wurde. Die 16 Nomenklassen des Xhosa oder die 15 Fälle des Finnischen haben sich wohl dadurch erhalten, dass diese Sprachen stets mit der Muttermilch aufgesogen wurden. Das Ungarische scheint demnach ebenso muttersprachlich weitergegeben worden zu sein, was einem angesichts der Wanderung der Sprache ins bewegte Herz Europas sehr merkwürdig vorkommt.

Andererseits hat gerade das Germanische von allen Gruppen des PIE das Ablautsystem nicht nur erhalten, sondern zur totalen Vollendung gebracht.

-> (c) heinz :grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
Gehen wir von >2 Sprachfamilien in "Alteuropa" aus, was sich durch die erhalten geblieben Sprachen des Baskischen und des Finno-Ugrischen* ja vermuten lässt. (Dazu die schlecht ergründbaren Sprachen Rätisch und Etruskisch, Tartessisch und Iberisch, usw. ... )


Zu den versunkenen alteuropäischen Sprachen sollte man noch das "Ligurische" hinzunehmen, das ebenfalls zu den vorindoeuropäischen Sprachen zählt. Außer wenigen Wörtern haben sich nur noch Orts- und Personennamen erhalten, sowie Reliktwörter in den modernen romanischen Dialekten des Gebietes zwischen Marseille und Arezzo, einst eines des Kerngebiete der Ligurer. Es wird allerdings auch vermutet, dass das Ligurische als indogermanische Superstratsprache die nichtindogermanische Substratsprache des Hinterlandes ("Proto-Ligurisch") überlagert habe.


Man muss ohnehin im gesamten Mittelmeerraum eine vorindoeuropäische mediterrane Sprachfamilie annehmen, zu der man dann wohl auch das "Pelasgische" zählen müsste (sofern man keinen indoeuropäischen Ursprung postuliert).
 
Laut Antonio Tovar stammen Bergbauworte (z.B. Mine) aus dem Iberischen. Allerdings ist der Mann seit 35 Jahren tot.
 
Da müsste ich tiefer graben. Tovar behauptet das in seinem Buch Einführung in die Sprachgeschichte der Iberischen Halbinsel. Das heutige Spanisch und seine historischen Grundlagen. Tübingen 1984 (Übersetzung basierend auf einem Original von 1977), ist gut (und vor allem schnell) zu lesen, aber nicht mehr in allen Punkten dem heutigen Forschungsstand entsprechend. Ich kann nicht beurteilen, ob er in diesem Punkt dem Forschungsstand entsprich, die Real Academia Española bezeichnet das Wort mina als aus dem frz. abgeleitet. Nun ist das DRAE kein etymologisches WB, aber man kann davon ausgehen, dass die i.d.R. das korrekte Etymon angeben. (Obwohl ich Wort weiß, die Gartenkralle, almocafre, die gibt das DRAE sicher falsch wieder, das dürfte von حفر (ḥafara 'graben' - al-muḥafar 'der Ausgräber') kommen, aber die DRAE gibt als Etymon abū kaff an 'Besitzer der Hand'. Auch das lässt sich irgendwo nachvollziehen, aber nach der Rasiermessermethode würde ich al-muḥafar für die wahrscheinlichere Variante halten.

Tovar war Linguist und Historiker und hat unter anderem Lehrstühle für Latein und Griechisch besetzt, Bücher zu antiken Geschichte Spaniens veröffentlicht und sowohl zu nahöstlichen, als auch indianischen Sprachen in Argentinien geforscht, vor allem aber als Baskologe und Iberologe zur Indoeuropäisierung Westeuropas gearbeitet. Angeblich konnte er schon als Kind Baskisch, Katalanisch und Spanisch.

Mit dem Franco-Regime hat er sich irgendwann überworfen, ich nehme an, dass das an seinem liberalen Verhältnis zu den spanischen Sprachen lag, wo der Franquismus alle nichtkastilischen Sprachen ja am liebsten ausgemerzt hätte. Sein Verhältnis zum Faschismus war davor aber durchweg positiv (zumindest von denr 30er Jahren bis in die 60er Jahre). Er war z.B. in einem Feldlager der HJ, als der spanische Bürgerkrieg ausbrach und begab sich sofort ins Franco-Lager, um dort in der Propaganda-Abteilung zu wirken. Ob er in den 1960er Jahren mit dem Faschismus brach, weiß ich nicht. Jedenfalls ging er wegen politischen Differenzen zum Franco-Regime ins Exil.
 
Tovar war Linguist und Historiker und hat unter anderem Lehrstühle für Latein und Griechisch besetzt, Bücher zu antiken Geschichte Spaniens veröffentlicht und sowohl zu nahöstlichen, als auch indianischen Sprachen in Argentinien geforscht, vor allem aber als Baskologe und Iberologe zur Indoeuropäisierung Westeuropas gearbeitet. Angeblich konnte er schon als Kind Baskisch, Katalanisch und Spanisch.

Mit dem Franco-Regime hat er sich irgendwann überworfen, ich nehme an, dass das an seinem liberalen Verhältnis zu den spanischen Sprachen lag, wo der Franquismus alle nichtkastilischen Sprachen ja am liebsten ausgemerzt hätte. Sein Verhältnis zum Faschismus war davor aber durchweg positiv (zumindest von den 30er Jahren bis in die 60er Jahre). Er war z.B. in einem Feldlager der HJ, als der spanische Bürgerkrieg ausbrach und begab sich sofort ins Franco-Lager, um dort in der Propaganda-Abteilung zu wirken. Ob er in den 1960er Jahren mit dem Faschismus brach, weiß ich nicht. Jedenfalls ging er wegen politischen Differenzen zum Franco-Regime ins Exil.
Wolf Dietrich schreibt in seinen "Memoiren" über Tovar:

"Zunächst wollte ich ... gerne promovieren.... Coseriu ... eröffnete mir Ende 1967 [...] er sehe eine Möglichkeit auf eine Assistentenstelle am eben neu besetzten Lehrstuhl für Vergl. Sprachwissenschaft. Auf diesen war Antonio Tovar, einst Rektor der Universität Salamanca, dann ins Exil nach Argentinien und von da weit nach ... Illionois gegangen, frisch berufen worden. [...] Meine Hauptaufgabe war es, Tovar, der gute Schulkenntnisse des Deutschen besaß, besonders in seiner administrativen Korrespondenz mit dem Dekanat der Fakultät und dem Rektorat der Universität Tübungen zu unterstützen. Er skizzierte seine Gedanken Spanisch und ich formulierte daraus einen deutschen Amstbrief. Das ging nicht ohne tiefes interkulturell bestimmtes Missbehagen des Spaniers ... vonstatten. Ich fand seine Briefe zu blumig und wenig aussagekräftig, er fand meine deutschen Umarbeitungen kalt und oft für sein Gefühl verletzend. Man dürfe einem Dekan nicht gleich im ersten Satz schreiben, was man von ihm wolle. [..] Bald kam 1968 mit seinen die universitäre Welt nachhaltig verändernden Ereignissen. Unser Problem am Seminar für Vergl. Sprachwissenschaft war, das uns die Studenten ausblieben, die interessiert gewesen wären, altslawische Texte oder altgriechische Dialektinschriften zu lesen. Auf drohende Briefe aus dem Dekanat [...] wir müssten unsere "Systemrelevanz" in geeigneter Wese nachweisen, reagierte Tovar mit dem Angebot von Baskischkursen, in welchen er die ersten drei Sitzungen dem Drängen der Studenten nach Politik nachgab, dann jedoch in die Syntax der Sprache eindrang und erklärte, was ein Ergativ sei. Ähnlich machte er es mit Quechua- und Guaraní-Kursen."​
 
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