Khomeini und die Islamische Revolution 1979

Stilicho

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Signalwirkung hatten die Ereignisse im Iran durchaus. Und seinerzeit gab es - zwar vorwiegend -- unter iranischen StudentInnen hier in Deutschland eine Stimmung wie Jahre später beim Arabischen Frühling -- im Land selbst natürlich auch.

Wir hatten das glaube ich bereits in einem anderen Thread. Die Aufstandsbewegung im Iran wurde doch zunächst entscheidend von den linken Volksmujaheddin getragen.
Im Westen begann daraufhin Panik auszubrechen wegen einer möglichen Annäherung des Iran an die SU.
Man beeilte sich, Khomeni schnellstens aus dem französischen Exil nach Teheran zu schaffen, um dort die Sache zu übernehmen. Dabei war man davon ausgegangen, so ein paar alternde islamische Kleriker leicht kontrollieren zu können und in etwa so weiterzumachen wie unter dem Schah-Regime. Das war eine kapitale Fehleinschätzung und zeigte einmal mehr das Unverständnis für die dortigen Kulturen.
Die islamische Revolution im Iran ist aber ursprünglich eine Kreation des Westens während des kalten Krieges, sie hätte sich sonst kaum durchgesetzt.
 
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Es gibt zur Iranischen Revolution sehr viele unterschiedliche Erklärungsansätze zu Strategien, Intelligence-Horizonten, Plänen, Kausalitäten in der Literatur.
 
Da schließe ich mich AndreasSolar an, auch wenn ich wenig Ahnung von dem Thema habe. Aber es war doch so, dass der Westen den Schah, trotz aller Probleme (Militärregierung, brutale Unterdrückung der Opposition) unterstützte und hofierte, allenfalls die Franzosen, die Khomeini Asyl gewährten mögen da ausgenommen sein. Dass der Kurs der Ayatollahs so scharf antiwestlich war und (zumindest teilweise) bis heute ist, ist doch auch ein Resultat der schahfreundlichen Politik der westlichen Welt.

(Irgendwie reden wir gerade mehr über den Iran als über Saudi-Arabien.)
 
Die Revolution hätte sich nicht durchgesetzt ohne die kommunistische Tudeh-Partei, die Volksmujahedin und andere linke Gruppen. Zu den islamistischen Kundgebungen kamen anfangs nur wenige 100 Teilnehmer.
Es bestand die reale Gefahr einer linksfundamentalistischen Revolution. Eilig trafen sich deshalb Giscard d’Estaing, Schmidt, Callaghan und Carter. Interessant dazu die Stellungnahme von US-Botschafter Sullivan zur Gouadeloupe-Konferenz (zitiert aus Wiki):

Geistlichkeit und Militär waren beide antikommunistisch eingestellt. Wenn es gelänge, das Militär und die Geistlichkeit zur Zusammenarbeit zu bewegen, könnte Chomeini in den Iran zurückkehren und eine ähnliche Rolle wie seinerzeit Mahatma Gandhi in Indien spielen. Chomeini würde einen Politiker der bürgerlichen Opposition als Premierminister vorschlagen, der auch vom Militär akzeptiert werden könnte. Moderate politische Kräfte würden dann die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung organisieren und eine neue Verfassung für den Iran ausarbeiten, die die nichtkommunistischen, nicht-fundamental-islamistischen und pro-westlichen Kräfte stärken würde.

Khomeini als Ghandi - so kann man sich täuschen.
 
Khomeini als Ghandi - so kann man sich täuschen.

Khomeini (....) ist kein "verrückter Mudschahedin", sondern ein Mann von "makelloser Integrität und Ehrlichkeit". James Bill (Berater von Carter, Newsweek, 12. Februar 1979)

Khomeinis politischer Stil besteht darin, seinen wahren Standpunkt auf provokative und kompromisslose Weise auszudrücken. Egal was die Folgen sind. Er hat wenig Anreize, plötzlich heimtückisch zu werden, um der amerikanischen Öffentlichkeit zu schmeicheln. So erscheint die Darstellung als Fanatiker, Reaktionär und Träger von rohen Vorurteilen glücklicherweise und sicherlich falsch. Erfreulich ist auch, dass sein Umfeld aus engen Beratern einheitlich aus moderaten und fortschrittlichen Personen besteht. (....) Trotz dieser Turbulenzen sprechen viele nicht-religiöse Iraner von dieser Zeit als der Zeit der Herrlichkeit des Islam. Nachdem der Iran ein neues Modell der Volksrevolution geschaffen hat, das größtenteils auf gewaltfreien Taktiken basiert, kann er uns vielleicht endlich das Modell der menschlichen Regierungsführung liefern, das die Länder der Dritten Welt dringend brauchen. Richard Falk (Princeton University und Berater von Carter, NYT, 16. Februar 1979)


War Khomeini wirklich so integer? Oder ein absoluter Meister der Täuschung?
 
Ich würde eher sagen, dass Khomeini sich nicht verstellt hat, aber die Urheber dieser Zitate die Radikalität seiner Äußerungen zwar wahr-, aber nicht für voll nahmen.
 
Obige Zitate könnte man bereits in die Kategorie "Einschmeicheln" einordnen. Man hegte immer noch die Hoffnung, ihn für den Westen vereinahmen zu können.
Zum Zeitpunkt des zweiten Zitates hatte es unter Khomeinis Führung schon die ersten Hinrichtungen in Teheran gegeben.
 
Khomeini (....) ist kein "verrückter Mudschahedin", sondern ein Mann von "makelloser Integrität und Ehrlichkeit". James Bill (Berater von Carter, Newsweek, 12. Februar 1979)

Khomeinis politischer Stil besteht darin, seinen wahren Standpunkt auf provokative und kompromisslose Weise auszudrücken. Egal was die Folgen sind. Er hat wenig Anreize, plötzlich heimtückisch zu werden, um der amerikanischen Öffentlichkeit zu schmeicheln. So erscheint die Darstellung als Fanatiker, Reaktionär und Träger von rohen Vorurteilen glücklicherweise und sicherlich falsch. Erfreulich ist auch, dass sein Umfeld aus engen Beratern einheitlich aus moderaten und fortschrittlichen Personen besteht. (....) Trotz dieser Turbulenzen sprechen viele nicht-religiöse Iraner von dieser Zeit als der Zeit der Herrlichkeit des Islam. Nachdem der Iran ein neues Modell der Volksrevolution geschaffen hat, das größtenteils auf gewaltfreien Taktiken basiert, kann er uns vielleicht endlich das Modell der menschlichen Regierungsführung liefern, das die Länder der Dritten Welt dringend brauchen. Richard Falk (Princeton University und Berater von Carter, NYT, 16. Februar 1979)

..

Das würde zu der Einschätzung passen:
" U.S. officials tended to believe that either Washington could come to terms with the new regime or that it would soon collapse and business could return to “normal."
Iran’s 1979 Revolution Revisited: Failures (and a Few Successes) of U.S. Intelligence and Diplomatic Reporting | National Security Archive
Man also von offizieller US-Seite tendenziell davon ausging, das geostrategische Problem, und dieses ist wohl Kern der Betrachtung, würde sich entweder beherrschen, oder auflösen lassen.
Ich würde vermuten man erkannte nicht, dass diese Revolution hervorgehoben antiwestlich war und aus dieser Haltung einen Teil ihrer Bindekraft bezog.

Sag mal Bantelli,
hast Du Archivzugriff bei der NYT?

Grüße hatl
 
Die Revolution hätte sich nicht durchgesetzt ohne die kommunistische Tudeh-Partei, die Volksmujahedin und andere linke Gruppen. Zu den islamistischen Kundgebungen kamen anfangs nur wenige 100 Teilnehmer.
Es bestand die reale Gefahr einer linksfundamentalistischen Revolution.

Bemerkenswert, wie selektiv und 'verdreht' Du Tante Wiki rezipierst...So schreibt die Tante, wenn Du schon meist, sie bemühen zu müssen:

In den beiden letzten Monaten des Jahres 1977 war es den Anhängern Chomeinis gelungen, die politische Initiative an sich zu reißen. Chomeini, der zu Beginn des Jahres 1977 in seinem Exil im Irak zunehmend in Vergessenheit geraten war, war wieder Tagesgespräch. Die Zahl der Demonstranten, die seine Anhänger mobilisieren konnten, betrug zum Ende des Jahres 1977 bereits einige Tausend.

Tatsächlich war die Rückkehr Chomeinis die zentrale, einigende Forderung, Chomeini die unbestritten überragende Persönlichkeit, welche eine einigende Führungsrolle übernehmen konnte. Chomeinis überragendes Talent, seine Absichten zu verschleiern und liberale, linksliberale und progressive Strömungen im Westen, in der Presse zu bedienen, sah man in seinem französischen Exilort Neauphle-le-Château. Ich kann mich noch gut an die vielen Presseartikel & Filmberichte erinnern.

Hier fütterte/bediente Chomeini mit zahllosen Interviews die Vorstellung vom antikolonialistischen Befreiungskampf, das Bild eines islamisch-iranischen Ghandi. DAS war die überragende Kunst Chomeinis. Auf dieser Fehleinschätzung beruhte der abrupte Schwenk auf den letzten Metern einiger westlicher Regierungen weg vom Schah, hin zur überragenden Einigungsfigur Chomeini Anfang Januar 1979, ein opportunistischer Schwenk, um vom schon fallenden Schah-Regime auf den Zug der kommenden Einigungsfigur aufzuspringen.

Dass der Kurs der Ayatollahs so scharf antiwestlich war und (zumindest teilweise) bis heute ist, ist doch auch ein Resultat der schahfreundlichen Politik der westlichen Welt.

Zeitweise scharf anti-amerikanisch, nicht anti-westlich, der 'große Satan' eben, aber klar von Chomeini von Anfang an wirkmächtig instrumentalisiert/geschaffen für innenpolitische Auseinandersetzungen, wie das praktisch immer ist bei dämonisierenden Außenprojektionen. Verblüffend sind die immer wieder stillen, pragmatischen Phasen ohne die Satan-Rhetorik gewesen, aber auch die plötzlichen Massen-Aktivierungen unter dem Zeichen der Satan-Rhetorik, die einen durchaus verbindenden 'antikolonialistischen' Reflex (gegen die Schah-'Schutzmacht' USA) im Iran aufgriff.
 
Bemerkenswert, wie selektiv und 'verdreht' Du Tante Wiki rezipierst...

Was soll der Quatsch? Ich habe Wiki bemüht, weil ich kein besseres Zitat von Sullivan gefunden habe.
Dafür reicht es aber völlig aus.

Tatsächlich war die Rückkehr Chomeinis die zentrale, einigende Forderung, Chomeini die unbestritten überragende Persönlichkeit, welche eine einigende Führungsrolle übernehmen konnte. Chomeinis überragendes Talent, seine Absichten zu verschleiern und liberale, linksliberale und progressive Strömungen im Westen, in der Presse zu bedienen, sah man in seinem französischen Exilort Neauphle-le-Château. Ich kann mich noch gut an die vielen Presseartikel & Filmberichte erinnern.

Scheint mir ein etwas verklärtes Bild zu sein.
Ich kann mich dagegen noch gut an eine linke Revolution im Iran erinnern, an Volksmujahedin, an tausende von Frauen auf den Straßen, die die Revolution anfangs mittragen durften. Und an die Angst des Westens.
 
Ich kann mich dagegen noch gut an eine linke Revolution im Iran erinnern, an Volksmujahedin, an tausende von Frauen auf den Straßen, die die Revolution anfangs mittragen durften. Und an die Angst des Westens.

Das ist nun vierzig Jahre her und unsere Erinnerung ist ein manipulatives Ding, es gibt immer Gründe, der eigenen Erinnerung zu misstrauen. Damit will ich nicht in Abrede stellen, dass etwa die Frauen in den ersten Tagen der Revolution noch kopftuchfrei demonstrierten.

Eigentlich ist es ganz interessant, dass die Moǧāhedīn diesen Begriff für sich wählten, denn der Muǧāhid ist derjenige, der den Ǧihād betreibt (sei es nun bewaffnet, oder nicht), das ist ein klar religiös determiniertes Wort.
 
Das ist nun vierzig Jahre her und unsere Erinnerung ist ein manipulatives Ding, es gibt immer Gründe, der eigenen Erinnerung zu misstrauen.

Selbstverständlich, zumal die Informationen, welche man bekam, stark gefiltert waren.
Dieses gilt allerdings in gleichem Maße für meinen Vorredner, der außer seinem Loblied auf Khomeini wenig an Substanz beiträgt.

Allerdings sprechen die weiter oben zitierten amerikanischen Quellen eine deutliche Sprache.
Woher kam die Angst der westlichen Regierungschefs vor einem kommunistischen Iran, wenn doch der alles überragende Khomeini die iranische Revolution dermaßen dominiert haben sollte?
 
Irrationalität, Panik.
Versagen, Unvermögen, Opportunismus oder vielleicht alles zusammen wie im Fall des zitierten Sullivan, mit dessen Äußerungen man höchst vorsichtig umgehen sollte.

Vielleicht lässt sich die Diskussion noch etwas tiefer führen. An der (wiederum vorsichtigen!) Verwendung von Literatur abseits von Scholli kommt man da nicht vorbei.
 
Allerdings sprechen die weiter oben zitierten amerikanischen Quellen eine deutliche Sprache.
Woher kam die Angst der westlichen Regierungschefs vor einem kommunistischen Iran, wenn doch der alles überragende Khomeini die iranische Revolution dermaßen dominiert haben sollte?

Nun, da könnte man genau so gut fragen, woher denn die Domino-Theorie kam, sprich auf welcher fundierten Grundlage diese ihrerzeit stand, denn letztenendes erwies sie sich ja als weitgehend unbegründet.
Von dem her, auch vor dem Hintergrund der Mc Carthy-Ära, würde ich mich mal dreist zu der Behauptung versteigen wollen, dass vor allem von amerikanischer Seite im Hinblick auf die Werbekraft des Kommunismus mitunter ja doch eher hysterische, als tatsächlich realistische prognosen zusammengeschustert wurden.
Hinsichtlich betreffender Regierungschefs wäre dann auch zu fragen, wie viel Ahnung diese von der tatsächlichen Lage in Persien und den dortigen lokalen Traditionen und Problemen vor Ort hatten. Wenn die Hauptprobleme der eigenen Politik zu Hause die Kommunisten sind und darüber hinaus der Kommunismus als der weltweite Feind überhaupt gilt, liegt es für jemanden, der die Lage vor Ort nicht im Detail überblicken kann, nahe anzunehmen, die Probleme seien die gleichen oder zumindest sehr ähnliche, wie in Europa auch? Ich frage das jetzt explizit im Hinblick auf die Regierungchefs. Der Umstand, dass diesen auch Arbeitsstäbe mit etwas mehr fachlicher Kompetenz zur Seite standen muss man natürlich berücksichtigen, aber wenn wir unterstellen, dass der durchschnittliche westliche Regierungschef von seiner Laufbahn her nicht unbedingt Orientalist war, möglicherweise auch nicht so gut verstand, was ihm seine Berater da erzählten, dafür aber innerhalb des ideologischen und machtpolitischen Paradigmas des kalten Krieges dachte, ist es dann so unwahrscheinlich, dass diese mit ihrem Urteil möglicherweise auch reichlich daneben lagen?

Käme hinzu, stand Ende der 1970er Jahre, dass wer immer nach dem anstehenden Machtwechsel in Persien die Macht übernehmen würde, zum einen massiv von der Sowjetunion umworben werden musste, einfach weil es für die Sowjets eine strategische Gelegenheit darstellte das westliche Lager zu schwächen. Außerdem musste sich aus der Unterstützung des Westens für den Schah, wohl auch innerhalb des werdenden Irans zwangsläufig eine gewisse Grundtendenz ergeben, die zunächst einmal das östliche Lager bevorzugte, wenn es zu einem politischen Umsturz kam.

An der Stelle sehe ich etwas die Gefahr, zumal unter den verengten Perspektiven des kalten Krieges, die zwei verschiedenen Kategorien "Kommunisten" und "Sympathisanten des Warschauer Paktes" tendenziell zu verwischen.
Auch mag, was westliche Beobachter angeht, die Fixierung auf die weltanschauliche und machtpolitische Rivalität mit dem Osten möglicherweise dazu beigetragen haben den Einfluss des letztern insgesamt zu überschätzen und für andere Phänomene zunächst einmal tendenziell eher wenig Aufmerksamkeit übrig zu haben.

Um damit nicht falsch verstanden zu werden, möchte ich damit keinesfalls den Wert entsprechender Quellen vollkommen negieren, das wäre sicher unangemessen und auch einer überstilisierung Khomeinis zum alles überragenden, charismatischen Strippenzieher nicht das Wort reden. Dennoch bin ich der Meinung, dass Äußerungen von westlicher Seite da mit Vorsicht zu genießen sind und im Hinblick auf ihre Genese deutlich auf den Prüfstand gehörten, bevor man sie allzusehr als Beweis bemüht.
 
Mit Sullivan und dem Umfeld von Botschaft* und Intelligence*** sollte man anfangen.

Für eine breite Darstellung (ua anderem auch die Iran-Experten aus der damaligen Universitätsszene*, WP/NYT und sonstigen Medien) wäre das hier der Start:

Simpson, Seeking Gandhi, finding Khomeini: How America failed to understand the nature of the religious opposition of Ayatollah Ruhollah Khomeini in the Iranian Revolution, in: The Journal of the Middle East and Africa 2017, S. 233ff.

* Kernthese DoS in Foreign Affairs durchziehend während weiter Teile des Kalten Krieges: Islam habe ein Höchstmaß an "Immunität", Stabilität bzw. Widerstandskraft gegenüber weltlichen, insbesondere kommunistischen Ideologien.
** bei denen ebenfalls überwiegend massive Fehleinschätzungen vorlagen.
*** Moskau positionierte sich auch erst Anfang November 1978 neu.
 
Am 11. Dezember 1978 wurde auf der bisher größten Anti-Schah-Demonstration in Teheran mit rund eine Million Teilnehmern von den Sprechern der Protestbewegung offiziell Chomeini die Führung des Landes angetragen.

DANACH haben einige 'westliche' Regierungen in Guadelupe knapp einen Monat später Chomeini als künftige zentrale Führungsfigur akzeptiert.

Am 16. Januar, wenige Tage nach Guadelupe, floh der Schah.

Am 1. Februar landete Chomeini in Teheran.

Die nach der Flucht des Schah, nach der 'Revolution' entstandene provisorische Regierung unter dem schon von Chomeini eingesetzen Bazargan wurde nachträglich im Februar von diversen westlichen Regierungen anerkannt, u.a. auch mit antikommunistischen Argumenten.

Chomeini und seine Anhänger haben in wenigen Wochen seit seiner Ankunft das Land unter ihre Kontrolle gebracht.

Zu keinem Zeitpunkt hat der 'Westen' die 'Islamische Revolution' initiiert, zu keinem Zeitpunkt hat der 'Westen' Chomeini 'installiert'. Völlig irrelevant war die nachträgliche Anerkennung der provisorischen Regierung unter Bazargan durch 'westliche' Regierungen für den weiteren Verlauf der Geschehnisse im Iran.



Dass der Westen Khomeini akzeptierte, wurde sicher auch durch seine geschickte Medienpolitik gefördert, die der Weltöffentlichkeit zugleich drohte und Kompromissbereitschaft signalisierte. Khomeini betrat die weltpolitische Bühne erst wenige Monate vor seiner Machtübernahme im Herbst 1978 in seinem Pariser Exil, indem er in kurzer Zeit rund 130 Interviews gab. Mitunter warteten hunderte Journalisten vor seinem Haus, um ihn bei seinen Spaziergängen abzufangen. Als er am 1. Februar 1979 in Teheran landete, waren rund 150 Journalisten aus aller Welt an Bord seines Flugzeugs, darunter etwa der ZDF-Reporter Peter Scholl-Latour und der Spiegel-Korrespondent Volkhard Windfuhr. Zu einigen, wie zu Peter Scholl-Latour, hatte sein Beraterkreis sogar ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut, so dass sie nun ebenfalls die Rolle des Mittlers einnahmen.

Die Weltpresse baute Khomeini auf diese Weise nicht nur gegenüber dem Iran, sondern auch in der internationalen Politik zu einer Führungsfigur auf. Gegenüber den Medien drohte Khomeini bereits vor seiner Machtübernahme, die unter dem Schah eingeleiteten Wirtschaftsverträge neu zu verhandeln – etwa die iranische Beteiligung bei Krupp oder die deutschen U-Boot- oder Kernkraftwerkslieferungen, was der Bild-Journalist sogleich dem Auswärtigem Amt meldete. Ebenso betonte er immer wieder, iranisches Öl als politische Waffe einzusetzen: Israel und Ägypten würden kein Öl mehr bekommen, ansonsten würde der Iran einen „fairen Preis“ verlangen, was auf Preiserhöhungen hindeutete.

In den meisten Interviews versprach Khomeini, das Land gleichermaßen gegen die Amerikaner und Sowjets zu positionieren: Die USA würde er respektieren, wenn Amerikaner das Land verließen und sich nicht einmischten, ebenso die UdSSR, aber keine Regierung mit Marxisten bilden. Andererseits trat Khomeini in den Interviews aber auch überraschend gemäßigt und kompromissbereit auf. Vielfach benutzte er die Sprache der Demokratie, der Menschrechte und des sozialen Ausgleichs, indem er sich vom undemokratischen Handeln des Schahs abgrenzte. So versprachen er und seine Berater noch kurz vor seiner Reise nach Teheran freie Wahlen, Pressefreiheit und eine Verfassung, aber islamische Bedingungen für die Kandidatenauswahl. So würden Frauen künftig nicht aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Diese Kompromisssignale ermöglichten ihm, nach seiner Ankunft im Iran sehr unterschiedliche Protestgruppen unter seiner Führung zu vereinen. Derartige Kompromisse erklären auch die westliche Fehleinschätzung des Machtwechsels. So setzte Khomeini mit Bazargan einen Premierminister ein, der sowohl im islamischen als auch im säkularen Widerstand gegen den Schah verankert war und eher der liberalen islamischen Richtung angehörte. Der Teheraner Professor, der in Frankreich Ingenieurswissenschaften studiert und in der französischen Armee gekämpft hatte, galt auch den westlichen Diplomaten als respektabel.

Quelle: Frank Bösch, Zwischen Schah und Khomeini. Die Bundesrepublik Deutschland und die islamische Revolution im Iran, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Band 63, Heft 3 (2015), Seiten 319–350, 325-328; 329-330.
 
Am 11. Dezember 1978 wurde auf der bisher größten Anti-Schah-Demonstration in Teheran mit rund eine Million Teilnehmern von den Sprechern der Protestbewegung offiziell Chomeini die Führung des Landes angetragen.
Eben, und was sich noch auf mehrere Millionen täglich steigerte.

Zu den Wurzeln dieses Einflusses gehören weitere endogene Entwicklungen, die Wichtigsten:

- religiös in Bezug auf Opposition: Khomeinis dekadenlange Vorgeschichte mit dem Einfluss auf von ihm ausgebildete (und "geformte") rd. 500 islamische Spitzen-Theologen (noch ohne eine Kaskadenwirkung zu berücksichtigen) und rd. 12.000 theologischen Studenten, so dass hier ein riesiges Netzwerk mit fester Verortung entstanden ist, das als Resonanzboden (und Treiber) bei der politischen Eskalation verfügbar war. Dieses Netzwerk stellte jede andere Oppositionsorganisation weit in den Schatten (wenngleich es im Westen erst spät wahrgenommen wurde*).

- ökonomisch-sozial als Hebelwirkung für die theologisch-politische Opposition einerseits und für die Attraktivität in breiten Teilen der iranischen Gesellschaft andererseits: Massenzuwanderung in die Städte über die letzte Dekade, riesige Spreizung von Einkommensunterschieden mit einer Zuspitzung sozialer Fragen, dazu verschärfend dann der ökonomische exogene Schock Mitte der 70er, der zur Krise zuspitzte und den Reflexrahmen des Regimes schwächte

Beides, als jeweilige Wirkmacht kumuliert, bedurfte keiner weiteren westlichen "Installation", um durchschlagende Kraft in den kritischen Monaten zu entfalten. (natürlich alles ex-post-betrachtet)


* diese Wahrnehmung ist in einem weiteren Kontext interessant: iranische Studenten in den USA etc., Expatriots ..., die man ebenfalls gruppieren könnte und die westliche Wahrnehmung beeinflussten (und in gewisser Weise verengten).
 
Der SPIEGEL hat seine immer noch lesenswerte, gut recherchierte Titelstory der Ausgabe 50 vom 11.12.1978 den Anti-Schah-Protesten, ihrer Gründe und Geschichte - sowie Chomeini gewidmet...abrufbar im SPIEGEL-Archiv.

In der SPIEGEL-Ausgabe 51 vom 18.12.1978, Iran. Ungeheurer Durst (S. 113-114), S. 113:
Für den Schmuck- und Teppichhändler Ismail Sergham ist die Lage klar. "Nur er kann helfen", sagt er und deutet auf die Photos des Schiitenführers Ajatollah Chomeini, die er im Schaufenster seines Ladens in einer der schmalen Gäßchen des Teheraner Basars angebracht hat.

Auch dieser Artikel über die Hintergründe und Ursachen der Anti-Schah-Proteste sowie der Rolle der schiitischen Geistlichkeit und Chomeinis am Beispiel der Basare/Basar-Händler kann immer noch bestehen.
 
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