Für die komparative Betrachtung sollten zwei Prämissen zentral sein, die die Hypothesenbildung stark beeinflussen.
- soziale Marktwirtschaft (BRD): Der Markt in begrenzter Kooperation mit dem Staat strukturiert die Stadt- bzw. Raumentswicklung
- real existierender Sozialismus (DDR): Die staatliche Planung strukturiert die Stadtentwicklung
Die Systemrivalität an der Schnittstelle zwischen Ost und West, extrem in Berlin, ist in Deutschland besonders ausgeprägt. Das bedeutet für den Westen "Schaufenster des Westens" zu sein und für den Osten, eine "gleichwertige", wenn auch andere, Alternative zum Westen zu sein. (vgl. dazu Kaelble).
Sieht man von der "Ausnahmesituation" nach dem Krieg ab, die auch im Westen durch den Zwang zur schnellen Schaffung von möglichst viel Wohnungsraum gekennzeichnet war, bis Anfang der 50er Jahre, dann ist die folgende Periode in den 60er und 70er Jahren die "Hochphase" des symbolischen Auseinandersetzung der Systemrivalität.
Auch deswegen, weil in dieser Phase eine relative "Angleichung" der Systeme erfolgte.
Die Art der Systemrivalität läßt sich historisch an Fakten verdeutlichen:
- programmatische Aussagen der Akteure: Welche Positionen wird in den Regierungsprogrammen zur Stadtentwicklung (BRD-Regierungen vs SED-Programmatik) vertreten
- Struktur des Wohnungsbaus: Wie ist die Stadtentwicklung institutionalisiert bzw. organisiert? Welche Budgets hat sie? Wie ist ihre reale planerische / rechtliche Gestaltungsfähigkeit einzuschätzen?
- indirekt Mechanismen durch Marktstruktur: Wie wirken die Mechanismen des Marktes bzw. der staatlichen Planung auf die reale Stadtentwicklung (vgl. dazu die unterschiedlichen Theorien zur Stadtentwicklung!)
Für die Beantwortung ist es zusätzlich notwendig, den sozialen Kontext zu verstehen, welche Bedeutung "urbane Gebiete" für kapitalistische bzw. sozialistische Systeme haben. Somit: Was bedeutet "Stadt" im Kontext der jeweilige Vorstellung von Gesellschaft? Zu erinnern wäre an städtebauliche Vorstellungen, die Städte "autogerecht" zu gestalten, um auf einen Gedankengang hinzuweisen, der auch nicht "ideologiefrei" ist.
An diesem Punkt ist es hifreich/ notwendig, sich mit unterschiedlichen Modelle der Erklärung von Stadtentwicklung zu beschäftigen. Warum ist ein Stadtteil extrem "teuer" und ein anderer "billig". Ein "Ausflug" in die Dynamik der "Gentrifizierung" von Städten kann dabei hilfreich für das Verständnis sein. Dazu würde ich als Grundlage beispielsweise Friedrichs empfehlen, weil er im Kontext des "Kalten Krieges" geschrieben hatte (obwohl es mittlerweile natürlich neuere Darstellung zu dem Thema gib)
Vor diesem Hintergrund ist dann in der Tat gut zu begründen warum die Städte ausgewählt worden sind. Sie müssen begründbar - im Sinne von Weber - Idealtypen sein, um an ihnen die "typische" Entwicklung zu verdeutlichen.
Möglicherweise wäre "Wolfsburg" bzw. "Chemnitz" eine begründbare Erweiterung. Und ich würde auch nicht auf den Vergleich von Ost- und West-Berlin ganz verzichten.
Nowa Huta aufgreifend, würde ich auf Schlögel: Das sowjetische Jahrhundert, verweisen, in dem er - sehr eindrucksvoll - die Entwicklung von Magnitogorsk schildert. Ein Beispiel für die radikale Unterordnung der Stadtentwicklung unter die ökonomischen Erfordernisse. Auch, um eine weitere Facette zu bekommen, dass es weder den "kapitalistischen" noch den "sozialistischen" Weg der Stadtentwicklung gab. Sondern viele Formen. Und das schwierige der Arbeit wäre - m.E. - zu zeigen, dass es Gemeinsamkeiten und Unterschiede gab.
https://uol.de/fileadmin/user_upload/sowi/ag/stadt/download/FFM_09-11-21_stadttheorie.pdf
U.a. zu Chemnitz:
http://ul.qucosa.de/api/qucosa:13119/attachment/ATT-0/
Friedrichs, Jürgen (1977): Stadtanalyse. Soziale und räumliche Organisation der Gesellschaft (Rororo-Studium).
Friedrichs, Jürgen; Brenner, Michael (Hg.) (1978): Stadtentwicklungen in kapitalistischen und sozialistischen Ländern. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verl.
Kaelble, Hartmut (2011): Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat. Europa 1945-1989. München: C.H. Beck