Metellus und der "Mechanismus von Corduba"

El Quijote

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Analog zum Mechanismus von Antikythera will ich das, was Sabine Panzram in ihrer Dissertation Stadtbild und Elite kurz anreißt, mal als "Mechanismus von Corduba" bezeichnen.

Sie schreibt:

Als dann Q. Caecilius Metellus Pius vermutlich den Winter des Jahres 77/76. v. Chr. in Corduba verbringt, schmeicheln die örtlichen Dichter diesem Statthalter, der vergeblich versucht, Sertorius zu schlagen. Diese Tatsache hinderte ihn nicht daran, sich bei einem Bankett in seiner Villa von einer mechanischen Victoria bekränzen zu lassen.

In der zughörigen Fußnote wird verwiesen auf: Cic. Arch. 26, Sall. hist. frg. 2, 28; Val. Max. 9,1,5 und Plu. Sert. 22,2 f.

Plutarch (a.a.O.) gibt folgendes

ἔτι δὲ νικήσας ποτὲ μάχῃ τὸν Σερτώριον οὕτως ἐπήρθη καὶ τὴν εὐτυχίαν ἠγάπησεν ὥστε αὐτοκράτωρ ἀναγορευθῆναι, θυσίαις δ᾽ αὐτὸν αἱ πόλεις ἐπιφοιτῶντα καὶ βωμοῖς ἐδέχοντο. λέγεται δὲ καὶ στεφάνων ἀναδέσεις προσίεσθαι καὶ δείπνων σοβαρωτέρων ὑποδοχάς, ἐν οἷς ἐσθῆτα θριαμβικὴν ἔχων ἔπινε, καὶ Νῖκαι πεποιημέναι δι᾽ ὀργάνων ἐπιδρόμων χρύσεα τρόπαια καὶ στεφάνους διαφέρουσαι κατήγοντο, καὶ χοροὶ παίδων καὶ γυναικῶν ἐπινικίους ὕμνους ᾖδον εἰς αὐτόν.
Und Cicero:

Quid? a Q. Metello Pio, familiarissimo suo, qui civitate multos donavit, neque per se neque per Lucullos impetravisset? qui praesertim usque eo de suis rebus scribi cuperet, ut etiam Cordubae natis poetis, pingue quiddam sonantibus atque peregrinum, tamen auris suas dederet. Neque enim est hoc dissimulandum (quod obscurari non potest) sed prae nobis ferendum: trahimur omnes studio laudis, et optimus quisque maxime gloria ducitur. Ipsi illi philosophi, etiam in eis libellis quos de contemnenda gloria scribunt, nomen suum inscribunt: in eo ipso, in quo praedicationem nobilitatemque despiciunt, praedicari de se ac nominari volunt.
Cicero schreibt also nichts zu einer mechanischen Victoria, bei Plutarch kann man sogar den Plural Νῖκαι lesen.
Wie hat man sich demnach dieses Mechanismus vorzustellen?
 
Plutarch Englisch maschinell ins Deutsche:
"während Victories, der sich maschinell fortbewegte, goldene Trophäen verteilte und herabstieg"
Es geht also anscheinend um zwei Dinge: das Fortbewegen und das Herabsteigen. Das Fortbewegen eines wie auch immer gestalteten Objekts durch eine Mechanik wäre denkbar. Herabsteigen konnte aber wohl nur ein Schauspieler. Aber ich fürchte, die Tücke liegt in einer unzureichenden Übersetzung.
 
Da steht (in der engl. ÜS):
...es wird gesagt, dass er erlaubte, dass Kränze um seinen Kopf gebunden wurden und er Einladungen zu Staatsbanketten annahm, bei denen er ein Triumphgewand trug, während Victorien, welche durch Maschinen beweglich gemacht waren, goldene Trophäen und Kränze herunterreichten und verteilten, während Jungen und Frauenchöre Siegeshymnen zu seinem Lob sangen.
 
Von diesem erwähnten Mechanismus aus Corduba habe ich noch gehört oder gelesen. Aber ich erinnere mich dunkel an eine Dokumentation über antike Technik auf ZDF (NEO oder Kultur). Dort wurde vom Einsatz solcher bewerglicher Maschinen berichtet. Das bezog sich aber meiner Erinnerung nach auf das antike Griechenland. Aber warum sollte im 1. Jhdt. nicht auch ein Techniktransfer von Griechenland nach Spanien möglich gewesen sein.

Dazu haben wir auch schon hier einen Thread:

https://www.geschichtsforum.de/thema/roboter-bei-den-griechen.18528/

In der Wiki gibt es einen kurzen Artikel zu dem Thema: https://de.wikipedia.org/wiki/Technik_in_der_Antike#Technische_Mechanik
 
Da steht (in der engl. ÜS):
...es wird gesagt, dass er erlaubte, dass Kränze um seinen Kopf gebunden wurden und er Einladungen zu Staatsbanketten annahm, bei denen er ein Triumphgewand trug, während Victorien, welche durch Maschinen beweglich gemacht waren, goldene Trophäen und Kränze herunterreichten und verteilten, während Jungen und Frauenchöre Siegeshymnen zu seinem Lob sangen.
Wenn die beweglichen Maschinen nur etwas herabreichten, dann war das mit den damaligen Mitteln durchaus zu realisieren.
 
Von diesem erwähnten Mechanismus aus Corduba habe ich noch gehört oder gelesen. Aber ich erinnere mich dunkel an eine Dokumentation über antike Technik auf ZDF (NEO oder Kultur). Dort wurde vom Einsatz solcher beweglicher Maschinen berichtet. Das bezog sich aber meiner Erinnerung nach auf das antike Griechenland. Aber warum sollte im 1. Jhdt. nicht auch ein Techniktransfer von Griechenland nach Spanien möglich gewesen sein.

Dazu haben wir auch schon hier einen Thread:

https://www.geschichtsforum.de/thema/roboter-bei-den-griechen.18528/
Mir war so gewesen, aber mit dem Suchwort Antikythera habe ich diesen Thread nicht gefunden.

Wenn die beweglichen Maschinen nur etwas herabreichten, dann war das mit den damaligen Mitteln durchaus zu realisieren.
Wobei ich mich frage, ob wirklich von selbstbeweglichen mechanischen Figuren die Rede ist, wie in der Darstellung von Panzram oder auch in der ÜS von Bernadotte Perrin von 1919 oder nicht eher von einer Art lebensgroßer Marionetten.
 
Mir war so gewesen, aber mit dem Suchwort Antikythera habe ich diesen Thread nicht gefunden.


Wobei ich mich frage, ob wirklich von selbstbeweglichen mechanischen Figuren die Rede ist, wie in der Darstellung von Panzram oder auch in der ÜS von Bernadotte Perrin von 1919 oder nicht eher von einer Art lebensgroßer Marionetten.
Von außen, also oben oder unten, gesteuerte Marionetten dürften auch zur damaligen Zeit nichts besonderes gewesen sein, was eine solche Hervorhebung gerechtfertigt hätte. Das Besondere dürfte tatsächlich in der "inneren Steuerung" gelegen haben.
 
In der Antike gibt es etliche Berichte von "großer Magie", z.B. sprechenden Statuen, sich selbstständig öffnenden Tempeltoren usw. Dabei wurden größere Mengen sich erwärmender Luft, Kapillarkräfte in Steinen mit der Folge von Gewichtsverlagerungen, Bimetalle u.ä. verwendet. Alles eigentlich keine unbekannten Mechanismen, aber für den Zuschauer dennoch überraschend, in Verbindung mit den Göttern und begleitet von ablenkenden Darbietungen eben für das Volk unerklärlich und damit magisch.

Die Feinmechanik von Antikythera zeigt, dass einiges denkbar ist, der Aufwand wird irgendwann halt sehr groß und warum hat keiner davon berichtet (wenn es doch häufiger als bisher gedacht umgesetzt wurde)? Die Beschreibung der Victorien ist leider nicht konkret genug um daraus etwas abzuleiten. So könnte ich mir einen Mechanismus denken, bei dem mehrere Figuren beweglich gemacht wurden und dann sich einmal vorbeugen und einem wartenden Priester (?) Gegenstände aus Gold und Kränze anreichen, die dieser dann Pius übergibt bzw. ihn damit krönt. Wenn die Figuren bei diesem Anreichen anschließend eine andere Position einnehmen, dann kann das als hinabsteigen gedeutet werden.

Die Siegesgesänge könnten dann neben der FEierlichkeit auch die Mechanik übertönt haben...
 
Das wirklich Erstaunliche an den antiken Maschinen ist für mich, daß sie ohne Schrauben gefertigt werden konnten. Jedenfalls wurden in dem Antikythera-Mechanismus keine gefunden. Dabei gab es sogar Schrauben oder schraubenähnliche Verbindungselemente (vielleicht etwas später), die aber äußerst aufwendig in der Herstellung waren und meiner Erinnerung nach mehr für Schmuckgegenstände verwendet wurden (aus dem Gedächtnis zitiert aus dem Wikipedia-Artikel über Schrauben).
 
Vielleicht sollte man einmal die Stelle beim zeitnahen Sallust beachten, die meiner Meinung nach die Sache klarer erscheinen lässt. Sie lautet:
"At Metellus in ulteriorem Hispaniam post annum regressus magna gloria concurrentium undique virile et muliebre secus omnium visebatur. Eum quaestor C. Urbinus aliique, cognita voluntate, cum ad cenam invitavissent, ultra Romanorum ac mortalium etiam morem curabant, exornatis aedibus per aulaea et insignia, scenisque ad ostentationem histrionum fabricatis; simul croco sparsa humus, et alia, in modum templi celeberrimi. Praeterea tum sedenti transenna demissum Victoriae simulacrum cum machinato strepitu tonitruum coronam capiti imponebat, tum venienti ture quasi deo supplicabatur. Toga picta plerumque amiculo erat ei accumbenti; epulae quaesitissimae, neque per omnem modo provinciam, sed trans maria ex Mauritania volucrum et ferarum incognita antea plura genera. Quibus rebus aliquantam partem gloriae dempserat, maxime apud veteres et sanctos viros, superba illa, gravia, indigna Romano imperio aestimantis."
Der relevante Satz also: "Außerdem setzte dem dann Sitzenden ein mit einem Netz herabgelassenes Bildnis der Victoria mit (künstlich) geschaffenem Geräusch von Donnern einen Kranz auf den Kopf."

Das liest sich für mich so, als wäre eine Statue der Victoria herabgelassen worden, die einen Kranz hielt, wobei sie so präzise gesteuert wurde, dass der Kranz letztlich auf Metellus' Kopf landete. Dazu wurde noch irgendwie Donnergeräusch erzeugt. Die Statue selbst verfügte also demzufolge wohl nicht über irgendeinen Mechanismus, der sie beweglich machte. Das Donnergeräusch wird auch nicht in der Statue erzeugt worden sein, denn wozu?, sondern irgendwo hinter der Kulisse.

Weniger aussagekräftig ist Valerius Maximus: "Cum palmata veste convivia celebrabat demissasque lacunaribus aureas coronas velut caelesti capite recipiebat?" Zu deutsch: "Als er im Triumphgewand Gastmähler feierte und von der Decke heruntergelassene goldene Kränze auf dem gleichsam himmlischen Haupt empfing?"
Da steht also nichts Näheres darüber, wie die Kränze heruntergelassen wurden.

Die Stelle bei Plutarch ist, abgesehen davon, dass er von mehreren Niken spricht und Sallust nur von einer Victoria, durchaus mit Sallust vereinbar: Auch Plutarch muss man nicht so verstehen, dass die Niken selbst beweglich waren, sondern dass sie bewegt werden konnten. Beweglich gemacht wurden die Niken, indem sie an Seilen hingen, die durch Maschinen gesteuert wurden. Mittels dieser Maschinen wurden die Seile, an denen die Niken hingen, gesteuert. Die Niken hielten Kränze und wurden so herabgelassen, dass sie die Kränze auf Metellus' Kopf platzierten.
 
Also wenn ich als Herrscher einen derartigen Hokuspokus mit Stangen und Seilen direkt über meinem Haupt erleben müsste, so würde ich eher an einen Anschlag als an eine Ehrung denken.
 
Youtube-Verlinkungen hier im Forum sind, wenn ich mich recht entsinne, problematisch, aber ein jeder kann sich auf dem dortigen Kanal der UNESCO das Video "The Mystery Play of Elche" ansehen. Das gibt eine Ahnung davon, wie man sich solche antike Hebemechanismen – denn darum dürfte es sich in diesem Fall auch m.E. sicherlich gehandelt haben – und entsprechende Inszenierungen vorstellen kann. Bei den Victorien dürfte es sich um menschliche Schauspieler gehandelt haben, die Paraphrasierung von Panzram finde ich nicht überzeugend.
 
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