Prähistorische Kalender?

silesia

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Wieder einmal Zangger für das Sommerloch:
Spiegel+, Scinexx, Popular Archaeology und andere sind gleich draufgesprungen, zB
Hethiter: Felsentempel als Observatorium?

Das gleiche Muster wie beim letzten Mal: ein unbekanntes und unbedeutendes Magazin - was natürlich auch kein ranking-Problem hat - wird herausgekramt, und dort die Publikation im Open access platziert.

Fertig ist die Sensation. Diesmal kommt es ohne Fälschungen aus, es reicht ein hethitisches Stonehenge oder wahlweise eine "hethitische Sixtinische Kapelle".

Celestial Aspects of Hittite Religion: An Investigation of the Rock Sanctuary Yazılıkaya | Zangger | Journal of Skyscape Archaeology
 
Unabhängig von Zangger - wann erklärt endlich einmal jemand den Geschichtswissenschaftlern, was ein Kalender ist und wozu er dient?
Wenn die Tatsache, dass die Statue des Königs zur Sommersonnenwende von der Sonne beschienen wird ein Anzeichen dafür ist, dass das Ganze ein Kalenderbauwerk ist, dann gilt das auch für unsere heutigen Freibäder. Die haben im Winter zu und im Sommer geöffnet, also eindeutig eine Kalenderfunktion.
 
Unabhängig von Zangger - wann erklärt endlich einmal jemand den Geschichtswissenschaftlern, was ein Kalender ist und wozu er dient?
Wenn die Tatsache, dass die Statue des Königs zur Sommersonnenwende von der Sonne beschienen wird ein Anzeichen dafür ist, dass das Ganze ein Kalenderbauwerk ist, dann gilt das auch für unsere heutigen Freibäder. Die haben im Winter zu und im Sommer geöffnet, also eindeutig eine Kalenderfunktion.
An den Beutzungszeiten des Freibads weiß ich, dass Sommer ist. Eindeutig ein Kalender.

Ernsthaft, schräge Thesen eines Geschichtswissenschaftlers muss man ja nicht der gesamten Zunft vorwerfen.
 
Nun ja, Zangger ist ja hier kein Einzelfall. Ob wir nun über Stonehenge, Glauberg oder fast jedes Bauwerk aus der Megalithkultur reden.
Diskussionen gab es hier genügende dazu.
Im Fall Glauberg stammt die Kalender-These von Bruno Deiss. Der Herr ist, soweit ich gelesen habe, Astrophysiker und kein Historiker.
Bei Stonehenge fehlt mir der Überblick, meine derzeitige Lieblingsthese stammt von Dr. Howard Bannister und besagt, dass es sich um ein riesiges Schlagzeug für Open-Air-Konzerte handelt.
 
Immer langsam. Falls das alles so stimmt, dann haut das schon wie die Faust aufs Auge und beinhaltet alles was man für einen lunisolaren Kalender braucht.
 
Immer langsam. Falls das alles so stimmt, dann haut das schon wie die Faust aufs Auge und beinhaltet alles was man für einen lunisolaren Kalender braucht.

Für einen lunisolaren Kalender braucht man eine Tabelle, aus der hervorgeht, welcher Monat 29 und welcher Monat 30 Tage hat.
Ein Jahr nach dem lunisolaren Kalender hat entweder 12 Monate oder 13 Monate. Der 13. Monat ist ein Schaltmonat. Ein lunisolarer Kalender muss angeben, wann der Schaltmonat eingefügt wird.

Hier ist ein Fragment eines antiken gallischen Kalenders zu sehen:
Die Tage sind mit römischen Ziffern durchnummeriert. Rot markiert habe ich den Schaltmonat.


upload_2019-7-25_21-14-37.png

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/04/Seymour_de_Ricci,_Le_calendrier_celtique_de_Coligny_(1926).jpg

Hier ist ein alter chinesischer Kalender zu sehen:
Die Monate sind durchnummeriert
正月 = 1. Monat
二月 = 2. Monat
三月 = 3 .Monat.
Monate mit 29 Tagen tragen den Zusatz "klein" = 小
Monate mit 30 Tagen tragen den Zusatz "groß" = 大

Auch hier habe ich den Schaltmonat rot markiert. Man sieht hier untereinander die Zeichen
閏 = Schaltmonat
六月 = 6. Monat (der Schaltmonat folgt in diesem Jahr auf den 6. Monat)
小 = "klein", also 29 Tage

upload_2019-7-25_21-26-12.png



Das ist das, was man für einen lunisolaren Kalender braucht!


Das hier ist hingegen kein Kalender:

upload_2019-7-25_21-29-33.png

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3e/Eckartsau_-_Schloss_(1).JPG

Obwohl wir hier 30 Fenster zählen können (30 Tage im Monat?), 12 Voluten (12 Monate?) und die Sonne zur Zeit der Sonnwende bestimmt irgendwohin scheint, ist das kein Kalender.
Weil man nicht herausfinden kann, welcher Monat wie viele Tage hat und wann der Schaltmonat kommt, fehlen die entscheidenden Dinge, die ein lunisolarer Kalender braucht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hat Andreas Zautner in "Der gebundene Mondkalender der Germanen" nicht eine Menge Quellen nachgewiesen?
 
Ach ja, ganz vergessen habe ich dies:

aus dem gerade zitierten Beitrag hat Zangger sein Foto nachgestellt (siehe darunter den Beitrag von Zangger im Vergleich, durch Zitat wird auf das Original verwiesen)
74BE3565-490A-4F53-9B29-F9F5DA95CEEA.jpeg


C130B48E-6F1B-4D3A-880E-3BCCBF43573C.jpeg
 
Also ich gehe bei stabilen Kulturen immer davon aus, dass sie irgendwann ein Kalender entwickeln werden. Die Suche nach solchen Anzeichen halte ich für notwendig und wichtig.
Den Zangger kenn ich jetzt nicht. Ist womöglich schon mal übers Ziel hinausgeschossen ? Erstmal egal, hab auch schon Müll geschrieben. :)

@Sepiola Der Kalender von Coligny orientiert sich stark an den Mondphasen und will möglichst mit den 29,5 Tagen synchron sein. Er schaltet erst nachrangig zur Sonne auf.
An unserem gregorianische Kalender sieht man, dass es ca. 30,5 Tage braucht um aber mit der Sonne synchron zu sein.
Welchen einfachen Wert nimmst du, falls du genau in der Mitte sein willst ? Eben, genau 30 Tage. Ist nun bekannt, dass so nach 19 Jahren (Meton-Zyklus) Sonne und Mond sich wieder automatisch im Gleichklang befinden, kann man vielleicht gut damit Leben und macht ein Fest.

Sehen wir nun in dem Tempel Objekte mit 12, 30 und 19 Symbolen, so wäre es dümmlich nicht nach einer möglichen Kalenderursache zu forschen.
 
Der Kalender von Coligny orientiert sich stark an den Mondphasen und will möglichst mit den 29,5 Tagen synchron sein. Er schaltet erst nachrangig zur Sonne auf.

Und genau das nennt man einen Lunisolarkalender. Von einem solchen reden wir doch hier!

Genauso steht es auch in dem oben verlinkten Artikel:

"Aus Keilschrifttafeln ist bekannt, dass die Hethiter einem lunisolaren Kalender mit zwölf Mondmonaten und ausgleichenden Schaltmonaten folgten."​

Die Monate sind also mit den Mondmonaten synchron, der Anschluss zum Sonnenjahr erfolgt über einen zusätzlichen 13. Schaltmonat.
Das ist das Prinzip des Coligny-Kalenders, das ist das Prinzip des alten chinesischen Kalenders.

An diesen zwei Beispielen habe ich erklärt, wie so ein lunisolarer Kalender funktionieren kann. Ist da noch etwas unklar?

Am Beispiel der Schlossfassade mit ihren 30 Fenstern und 12 Voluten kann man sehen, dass so ein "Kalender" nicht funktionieren kann: Weil man nicht herausfinden kann, welcher Monat wie viele Tage hat und wann der Schaltmonat kommt, fehlen die entscheidenden Dinge, die ein lunisolarer Kalender braucht.

Und auch wenn man an einem Gebäude die Zahlen 7, 13, 19 oder 235 ablesen kann, wird aus dem Gebäude kein Kalender.

upload_2019-7-26_16-0-29.png
 
Also ich gehe bei stabilen Kulturen immer davon aus, dass sie irgendwann ein Kalender entwickeln werden.

Richtig.
Aber am besten so einen, den man an die Wand hängt. Oder in den Garten stellt.
NICHT so sinnvoll erscheint es, wenn das Teil mehrere tausend Tonnen wiegt und man daran über etliche Generationen bauen muss.
 
nun ja streng genommen ist jede Sonnenuhr ein solarer Kalender und da gab es auch relativ grosse staionäre Bauten wie das Horologium Augusti mit dem Obelisco die Montecitorio als Mittelpunkt
davon unterscheiden sollte man allerdings Kultbauten mit einem fixen kalendarischen Bezug, die keine volle Kalenderfunktion haben sondern nur bestimmte kultisch bedeutsame Tage wie Sonnenwenden oder Gedenktage markieren - dazu gehören möglicherweise die Kreisgrabenanlagen, ,Henges, Abu Simbel, oder Kirchen bei denen der Tag des Kirchenpatrons optisch markiert wird-da steht die Kultfunktion im Vordergrund und der kalendarisch basierte optische Effekt wird nur zur Unterstützung,sozusagen als Gimmik fürs Volk genutzt-
Und dann gibt es noch Bauten die traditionell in Ost-West-Richtung ausgerichtet sind ohne dass ihnen eine kalendarische Funktion zukommt wie die meisten Kirchen
 
dass einige Kammern und Sichtachsen des hethitischen Tempels auf die Sonnenwenden ausgerichtet waren list kaum verwunderlich ,bei fast jedem Bauwerk wird man irgendeine ecke ,ein Fenster oder eine Tür finden, die ungefähr in die Richtung zeigt, insbesondere wenn eine Seite ungefähr nach Osten/Sonnenaufgang ausgerichtet ist.
Alles weitere scheint mir hier doch sehr in den Bereich der Zahlenmystik wie wir sie ja zu Genüge aus der Pyramidologie kennen, zu gehen,
 
Richtig.
Aber am besten so einen, den man an die Wand hängt. Oder in den Garten stellt.
NICHT so sinnvoll erscheint es, wenn das Teil mehrere tausend Tonnen wiegt und man daran über etliche Generationen bauen muss.

Diese Anforderungen erfüllen die in Italien gefundenen geritzten Kiesel. S. "Neue archäologische Entdeckungen".
 
nun ja streng genommen ist jede Sonnenuhr ein solarer Kalender und da gab es auch relativ grosse staionäre Bauten wie das Horologium Augusti mit dem Obelisco die Montecitorio als Mittelpunkt

Streng genommen ist nicht jedes Teil, das einen Schatten wirft, deswegen schon eine Sonnenuhr oder ein Kalender.
Dieses Teil z. B. ist eine Sonnenuhr, weil eine Stundenteilung vorhanden ist. Man kann also die Uhrzeit ablesen, aber nicht den Tag oder den Monat. Es ist also keineswegs ein "Kalender".
220px-Gnomon_normalized.jpg


Das "Horologium Augusti" ist streng genommen kein Horologium (also keine Sonnenuhr), weil es keine Stundeneinteilung gibt, sondern einen Meridian mit einer Einteilung in Tierkreiszeichen:

upload_2019-7-29_11-53-58.png
 
Nun ja, im Prinzip zeigt ja die Richtung des Schattens immer die Tageszeit und die Länge des Schattens (abhängig vom Breitengrad) immer den Tag bzw, Monat an- alles weitere ist letztlich eine Frage der Skalierung
Wenn also die Pflasterung wie ich irgendwo mal gelesen habe (mehr oder weniger ) halbkreisförmig um den Gnomon als Mittelpunkt angeordnet war hätten wir ein echtes Horologium
 
Nun ja, im Prinzip zeigt ja die Richtung des Schattens immer die Tageszeit und die Länge des Schattens (abhängig vom Breitengrad) immer den Tag bzw, Monat an- alles weitere ist letztlich eine Frage der Skalierung
Die Skalierung ist entscheidend. Wenn Du in der Sonne stehst, wirfst Du auch einen Schatten. Du bist deswegen aber noch kein Kalender.

Wenn also die Pflasterung wie ich irgendwo mal gelesen habe (mehr oder weniger ) halbkreisförmig um den Gnomon als Mittelpunkt angeordnet war hätten wir ein echtes Horologium
Das war mal eine Hypothese. Aufgrund dieser Hypothese hat man gegraben, aber eben nur den Meridian gefunden.
 
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