Kriegerdenkmal Emsdetten: Jahreszahlen

M

Münsterländer

Gast
Hallo,

warum stehen auf dem Kriegerdenkmal in Emsdetten die Zahlen 1914 - 1920? Der Erste Weltkrieg dauerte doch nur bis 1918?

danke

Münsterländer

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Es liegt nahe, dass hier auch nach Kriegsende verstorbene Kriegsgefangene berücksichtigt worden sind.
 
Je nachdem [...] wer für die Aufstellung verantwortlich ist?
Hier müsste man wohl genauer den Einzelfall betrachten.
Unter der Voraussetzung, dass die Angaben bei Wikipedia korrekt sind:

In der Weimarer Republik war im ganz überwiegend katholischen Emsdetten das Zentrum stabil die stärkste politische Kraft, noch bei der Reichstagswahl 1933 erhielt es hier 69,8 Prozent der Stimmen. Die NSDAP spielte bis zur Machtergreifung Adolf Hitlers keine wesentliche Rolle und etablierte sich auch danach nur langsam. Nach 1945 konnte der politische Katholizismus an seine Vorkriegserfolge anknüpfen. Bei der ersten Kommunalwahl 1946 erhielt die CDU 19 von 21 Mandaten.
Emsdetten – Wikipedia
 
Hallo an alle,

Danke für eure bisherigen Antworten. Aber schlauer bin ich noch nicht geworden. Vielleicht kommt da ja noch was.

Gruß aus dem Münsterland
 
Die Erklärung, das es z.b. Soldaten waren die 1920 in französischer Gefangenschaft umkamen oder evtl in den innerdeutschen Konflikten der Zwischenkriegszeit getötete Freikorpsler (was ich weniger an einem Kriegerdenkmal vermuten würde) hilft dir nicht weiter ?

Evtl einfach mal hier ne Email hin schreiben:
Stadt Emsdetten - Denkmalschutz und Denkmalpflege
 
Ggf. auch Emsdettener beim Ruhraufstand 1920, vor allem bei dessen Niederschlagung? Am nächsten dürfte der Ruhraufstand Emsdetten bei der Auseinandersetzung bei Hiltrup (damals noch bei Münster, heute zu Münster zugehörig) Ende März 1920 gekommen sein (ca. 30 km).
 
Ja, in Sprenger: Landsknechte auf dem Weg ins Dritte Reich, (S. 133ff) die Rolle der "Freikorps" beleuchtet und die romantisiernde Sicht ihrer Erfahrung. Gerade auch an diesem Punkt der Überhöhung der eigenen Motivation und der Entmenschlichung der Gegner, nicht selten Bolschewiken, entstand ein Narrativ in der Zwischenkriegszeit, an das die NS-Ideologie im Vorfeld des Angriffs auf die UdSSR wieder anknüpfen sollte.
 
Ich habe auf der Suche nach einem Bild von dem Denkmal bisher noch nichts gefunden, wo etwas von 1914 - 1920 draufsteht.
Aber dafür jede Menge anderer Kriegerehrenmäler, bei manchen muss ich wegen der geschichtsvergessenen Dreistigkeit der Texte echt speihen!

Z.B. aus Hohensyburg, betreffend die WK II:

In gutem Glauben an die Gerechtigkeit
ihres Kampfes starben sie für unser
- Vaterland.-
Ihr Leben war Pflicht - Ihr Sterben uns Mahnung.
Ein anderes, das Löwendenkmal in Bochum (1928):

Der Überzahl erlegen, im Geiste unbesiegt.
Eines aus Drensteinfurt beklagt

Opfer des Ostens
der Namen zuviel
die ihr für Heimat und Vaterland gefallen
durch Vertreibung, Terror und Elend getötet.
Ehrfurcht und Verpflichtung
 
Also das aus Bochum kann man noch durchgehen lassen finde ich.

Der erste Weltkrieg war für den einfachen Soldaten auf allen Seiten der selbe Schlamassel.
Oder meinst du wegen des narrativs des "im felde unbesiegt" und so ?
Und den (unpassenden) Pathos findet man auch nahezu überall zu dieser Zeit.

Drensteinfurt und Hohensyburg ist halt schon heftig, ich vermute mal es geht bei Densteinfurt auch um WK2 ?
 
Zuletzt bearbeitet:
Also das aus Bochum kann man noch durchgehen lassen finde ich.

Der erste Weltkrieg war für den einfachen Soldaten auf allen Seiten der selbe Schlamassel.
Oder meinst du wegen des narrativs des "im felde unbesiegt" und so ?
Und den (unpassenden) Pathos findet man auch nahezu überall zu dieser Zeit.

Drensteinfurt und Hohensyburg ist halt schon heftig, ich vermute mal es geht bei Densteinfurt auch um WK2 ?
Es geht mir nicht um Opfergedenken, das ist okay. Sogar mit Pathos kann ich leben. Es geht mir wirklich um die Narrative, die Naivität und Geschichtsvergessenheit. Und letztlich auch darum, dass so getan wird, als wären die alle freiwillig in den Krieg gezogen. So manch einer ist es eben gerade nicht und hätte gerne weitergelebt, wird "jetzt" aber für einen Krieg als Held vereinnahmt, der vielleicht gar nicht der seine war.
 
Da hast du sowas von Recht.

"In der dankbaren Erinnerung an ihre in den Kriegsjahren auf dem Felde der Ehre verblieben Söhne."

steht in meinem Heimatort auf dem Kriegerdenkmal 14-18
 
Es scheint auch vereinzelt Denkmäler für die Teilnehmer bzw Gegner des Kapp-Putsches zu geben, also namentlich sowohl Freikorps als auch SiPo und bewaffnete und unbewaffnete Arbeiter...

ich bin wirklich gespannt ob wir da noch eine Antwort zu erhalten.
 
Es scheint auch vereinzelt Denkmäler für die Teilnehmer bzw Gegner des Kapp-Putsches zu geben, also namentlich sowohl Freikorps als auch SiPo und bewaffnete und unbewaffnete Arbeiter...

ich bin wirklich gespannt ob wir da noch eine Antwort zu erhalten.

Deswegen eben meine Frage dazu, ob bekannt ist, von wem exakt das Denkmal errichtet wurde, ob rein auf Betreiben der Kommune oder unter Mitwirkung anderer Interessengruppen.
Ein von der Zentrumspartei dominierter Stadtrat (dank an ElQ), ist ja zunächst mal in beide Richtungen nicht wirklich besonders verdächtig, würde ich meinen.

Das ist erstmal weder nen Hinweis auf dezidierte Republikgegner, noch wäre es da besonders naheliegend Teilnehmern der "Roten Ruhrarmee" unbedingt ein Denkmal zu setzen, denn mindestens die Aufständischen aus den Bereichen Essen und Duisburg, verfolgten da ja im Gegensatz zur Hagener Sektion durchaus keine bedingungslos regierungstreue Linie.
 
Danke für die Erklärung, das hab ich tatsächlich nicht erfasst bzw nicht aufmerksam genug gelesen.
Zentrumspartei kann eigentlich wirklich nur auf gestorbene Kriegsgefangene oder Soldaten hindeuten, die lange nach den Kampfhandlungen ihren dort erlittenen Verletzungen erlegen sind.
 
Zentrumspartei kann eigentlich wirklich nur auf gestorbene Kriegsgefangene oder Soldaten hindeuten, die lange nach den Kampfhandlungen ihren dort erlittenen Verletzungen erlegen sind.

Das ist nicht zwangsläufig, meiner Erinnerung nach war da Zentrum in Münster relativ rechts, könnte also auch im Nahen Emsdetten eine ähnliche Position vertreten haben. Da ich leider gerade keinen Beleg zu Hand habe habe ich gegooglt, und folgendes Zum münsterander Zentrum auf einer Seite gefunden, zu deren Qualität ich leider nichts weiß, die aber bei flüchtiger Ansicht ok wirkt:

https://hiltrup.eu/geschichte/weimarer-republik schrieb:
Die Kirche unterstützte dieses auf vielfache Weise. Noch 1921 erklärte sie im Amtsblatt der Diözese die Mitgliedschaft in sozialistischen Parteien für unvereinbar mit dem katholischen Glauben. Das münstersche Zentrum war innerhalb der reichsweiten Zentrumspartei auf dem äußersten rechten Flügel angesiedelt. Während im Reich das Zentrum auch in der Koalition mit der SPD die Weimarer Republik zumindest lange Jahre stützte, steuerte die Münsteraner Organisation einen harten Kurs gegen die „linke Gefahr“ und mochte sich mit dem republikanischen Staat nicht sehr identifizieren.

Insofern könnte ein Gedenken an die Freikorps und Reichswehrtruppen im regionalen Einsatz schon plausibel sein.
 
Ein paar Anmerkungen.
Nipperdey sieht in den Denkmälern die Möglichkeit, quasi als Quelle, einen Zugang zur damaligen Denkmalsbewegung, auch Nationaldenkmäler zu gewinnen und dadurch zentrale Ideologieinhalte der Nationalbewegung und des nationalistischen Patriotismus zu entschlüsseln. (vgl. Kap 5, Nationalidee und Nationaldenkmal ..)

In diesem Sinne sind Denkmäler zum WW1 der immanente und teilwese retrospektive Ausdruck des Versuchs einer Deutungshoheit über den Sinn der Opfer zu erhalten. Und natürlich auch Ausdruck eines spezifischen deutsch-preußischen Militarismus.

In diesem Sinne formuliert Tucholsky: "Das Kriegerdenkmal. die französischen Kriegerdenkmäler sind nicht weniger schauerlich als die unseren - aber nicht so aggressiv. Oft tragen sie einfach auf einem schlichten Obelisk nur die Namen der Gefallenen..." (vgl. dazu z.B. Sarow

https://www.tagesspiegel.de/kultur/gedenken-an-den-ersten-weltkrieg-helden-und-opfer/10157164.html

Das generelle Problem, das Leid der Opfer von Krieg und Gewalt angemessen darzustellen und in einer alle Parteien einbeziehenden Erinnerungskultur einzuschließen, hat Koselleck recht zutreffend beschrieben: " Das absurde Massenschlachten von Hunderttausenden auf wenigen Quadratkilometern und in wenigen Wochen auf diese Weise in Sinnhaftigkeit zu überführen hieße wahrlich, das Absurde selbst als sinnvoll zu deklarieren. Dasfreilich übersteigt die Erfahrungsfähigkeit unserer Generation. Nachdem die Absurdität zum Ereignis geworden war, sollte sie nicht auch noch mit Sinnzumutungen Absolution erhalten. Die Beschwörung, die sich auf Kriegerdenkmälern wiederholt, dass die Gefallenen nicht umsonst gefallen sein mögen, meinte noch einen anderen Tod als den, den wir heute betrauern müssen."

Das problematische an der Erinnerungskultur um die Toten des WW1 war, dass sie nach 1918 in den Kontext des Selbstbetrugs "Im Felde unbesiegt" und hinterrücks "erdolcht" durch die "Novemberverbrecher" stand. Und damit primär einer Instrumentalisierung durch die politischen "Zerfallsprodukte" der Alldeutschen, DNVP, NSDAP etc., unterlag.

Die Distanz und die Kritik an diesen Kriegerdenkmälern nach 1945, vor allem auch durch die "Friedensbewegung" oder die 68er-Bewegung, stellt nicht primär auf die Erinnerung ab, sondern auf die "Sinngebung" , die als Legitimation für einen Neuen Krieg, den WW2, herangezogen worden ist. In diesem Sinne war die Erinnerungskultur an den WW1 in den zwanziger Jahren kein "stilles Gedenken" an die Toten, sondern die "moralische Rechtfertigung" bzw. "moralische Ertüchtigung" für einen Revanchekrieg, den WW2.

Letztlich stellt Kselleck diese Betrachtungen zur Erinnerungskultur in das Resümee bzw. die Aufforderung: "Die Geschichte ist weder ein Gericht noch ein Alibi." (Koselleck, Kap III) Eine Erinnerung, die man vielen "Revisionisten" immer und immerwieder vorhalten muss.

Koselleck, Reinhart (2014): Vom Sinn und Unsinn der Geschichte. Aufsätze und Vorträge aus vier Jahrzehnten. Berlin: Suhrkamp
Nipperdey, Thomas (2013): Kann Geschichte objektiv sein? Historische Essays. München: Beck
Tucholsky, Kurt (2018): Gesammelte Werke. Köln: Anaconda.

Vgl. z.B. Denkmal in Neydens / Fr.
 

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