Die Kommode

Mashenka

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Ein trotz mehrfacher Straffung etwas ausführlich geratener Entwurf für einen Wikipedia-Artikel, nachdem ich dort dummerweise über den bestehenden Artikel gelästert habe. Die Lehre daraus: besser die Klappe halten… (obwohl die kleine Recherche schließlich doch Spaß gemacht hat)

Für Meinungen, Ergänzungen und Korrekturen, sei es auch sprachlicher Art, wäre ich dankbar, nicht zuletzt, da mir bewusst ist, dass das Thema nicht gerade vom Hocker haut. Paar der Erkenntisse zur Entstehung der Kommode stammen aber immerhin von mir und sind nicht uninteressant, da diesbezgl. einige falsche Annahmen kursieren. (Meine Vermutung, dass die Schublade im Fernen Osten von den Europäern eingeführt worden sei, und dass die Regierungsmarke aus dem 15. Jh. jenes chinesischen Schubladentisches im Victoria and Albert Museum eine spätere Fälschung sei, hab ich natürlich ausgelassen, obwohl mein Verdacht seit dem betr. Thread hier im Forum stärker geworden ist.)




Kommode

Eine Kommode ist ein zumeist tischhohes Kastenmöbel, das mit Schubladen übereinander ausgestattet ist und vorwiegend an der Wand aufgestellt wird.
Das deutsche Wort war um die Mitte des 18. Jhs. bereits aus dem Französischen entlehnt, wo es um 1700/1705 als Substantivierung des Adjektivs „commode“ (für ‚bequem‘) entstanden war.(1) Friedrich Wilhelm Zachariä (1726–1777) erwähnt das Möbelstück samt dem typischen Inhalt in der ersten Fassung seines 1754 erschienenen scherzhaften Gedichts Der Phaeton: „[…], und hohl mir aus meiner Commode, | Wo Cornetten und Hemder und Schürzen bey Dutzenden liegen, | Eine leinwandne Schürze, […]“(2)


Die Entstehung des Möbeltyps

Die frühesten bekannten Möbel, die dem später „Kommode“ genannten Möbeltyp ähneln, waren spezielle Sakristeischränke, die zur Aufbewahrung der Paramente dienten. Manche zweigeschoßigen Schränke der Gotik, die sonst oben und unten Schranktüren haben, wurden in Sakristeien im unteren Bereich ausschließlich mit breiten Schubfächern versehen. Die einzelnen Schübe ermöglichten die Trennung der Ornate nach Amt und Anlass. Ein solcher zweigeschoßiger Sakristeischrank aus Feldkirchen (Kärnten), mit Flachschnitten und Maßwerkschnitzereien verziert und mit „1521“ datiert, steht heute in Wien, im Österreichischen Museum für angewandte Kunst.(3)
Für den gleichen Zweck wurden im Spätmittelalter auch reine Schubladenmöbel hergestellt, zumeist aus mehreren aneinandergebauten Schubreihen bestehend, deren Blatt als große Ablagefläche diente. Das weiträumige Mobiliar wurde manchmal, im Gegensatz zur späteren Kommode, inmitten im Raum aufgestellt. Eine Wandmalerei in der bei Črna pri Kamniku (Slowenien) stehenden Kirche St. Primus und Felizian ist ein solches Möbelstück abgebildet. Die mit „1504“ datierten Fresken zeigen an der Südwand Szenen aus dem Leben Mariä,(4) darunter eine Darstellung webender und nähender Frauen, unter ihnen die Jungfrau Maria am Webstuhl vor einem niedrigen Kastenmöbel dargestellt, der unter dem Blatt nur Schubladen aufweist.(5)
Solch tischhohes Mobilar für die sakralen Textilien waren insbesondere in Spanien verbreitet. Ein repräsentatives Beispiel einer cajonera de la sacristía befindet sich seit dem 16. Jh. in der Vorsakristei der Kathedrale von Ávila. Der massive Schubladenschrank ist rundum mit Füllungen versehen, umgeben von passendem Gestühl, dessen Faltwerke noch deutlich in der Gotik behaftet sind. Das hölzerne Mobiliar wird dem Holzschnitzer flämischer Herkunft, Cornelius de Hollanda (aktiv im 16 Jh. in Spanien) zugewiesen.(6) Etwas jünger, aber mehr bekannt dürften die langen Reihen von cajoneras an der Wand der Sakristei des El Escorial sein, deren Stil bereits gänzlich der Renaissance folgt.(7)

Ein anderer Möbeltyp, der ebenfalls zur Entstehung kommodenartiger Schubladenschränke beitrug, ist der Archiv-, bzw. Kabinettschrank. Oben offene Behälter, die in Regale eingeschoben standen, dürften zumindest die Initiative für eins der ältesten erhaltenen Beispiele, einen Archivschrank aus Breslau (Schlesien) gewesen sein, der im Inneren mit zahlreichen kleinen Schubladen ausgerüstet ist und sich heute im Erzdiözesanmuseum Breslau befindet. Dieser Archivschrank ist nachweislich der Umbau eines Regals, das damals unterteilt, mit kleinen Schubladen gefüllt, beschriftet und mit „MCCCCLV“ (1455) datiert wurde.(8) Die einfache Vorgehensweise demonstriert die Idee, die möglicherweise auch dem Kabinettschrank und dem Sakristeischrank mit Schubladen zugrundeliegt, nachdem beim letzteren mit den niedrigen Fächern zumindest ein einschiebbares Brett zur planen Lage der Textilien notwendig war.

Der Zweck der Kabinett- und Archivschränke ähnelte dem der Truhen: bei der zunächst noch geringen Größe konnte der Standort mit dem wertvollen Inhalt gegebenenfalls schnell verlegt werden. Zur Sicherung der vielen Schubladen erhielten diese Schränke anfangs Türen, oder eine Klappe, die geöffnet als Auflage-, bzw. Schreibfläche fungierten. Um bei Kabinettschränken den Wert des Inhalts hervorzuheben, wurden sie reich verziert und auf Gestelle, oder Tische aufgestellt. Nebst Gestellen und Tischen baute man ihnen auch Untersätze, die ebenfalls mit Schränkchen und Schubladen bestückt waren, allerdings gröber aufgeteilt als der Kabinettschrank. Ein Beispiel dafür ist der spanische taquillón, der manchmal anstatt eines Gestells unter dem vargueño stand, einem hauptsächlich in Kastilien gebauten Kabinettschrank mit Schreibklappe, möglicherweise maurischen Ursprungs.(9) Der taquillón war vertikal und horizontal in zwei Hälften aufgeteilt und erinnert rein äußerlich an eine Kommode. Von den vier gleichförmigen Kompartimenten waren aber höchstens die oberen zwei als Schubladen ausgeführt.(10)
Die Untersätze der Kabinettschränke wurden auch alleinstehend genutzt und schließlich als eigenständige Kastenmöbel gebaut, bis manche Modelle ab dem 17. Jh. nur mit Schubfächern bestückt wurden. Solche Möbel gelangten über die Niederlande auch nach England und zeichnen sich durch schmale, hohe Schubladen aus, die höchstens die Hälfte der Gesamtbreite einnehmen, wobei nicht nur die Aufteilung, sondern auch die Formensprache der frühen chests of drawers auf das spanische Vorbild weist.

Bekannt waren aber auch die deutschen Gebiete für kunstvolle Kabinettschränke, die mit zahlreichen Schubladen ausgerüstet waren; allen voran gilt Augsburg als herausragender Entstehungsort, wo beispielsweise der im 2. Weltkrieg zerstörte Pommersche Kunstschrank im frühen 17. Jh. entstanden war.

Außer der Entwicklung kommodenartiger Möbel aus dem Regal, führten auch die Sockelschubladen der Truhe zu ähnlichem Mobiliar. Als im 15. Jh. immer größere Truhen bevorzugt wurden, erhielten sie zunächst im Inneren kleine Fächer, Einlegekästen und schmale Tablare. Mit der Verbreitung der Schublade wurden die Truhen zunehmend mit Sockelschubladen, d.h. unten mit Außenschubladen ergänzt. Solche kombinierte Truhen waren in der Renaissance in ganz Europa verbreitet. Mancherorts wurden sie unten mit zusätzlichen Schubladengeschoßen weiter erhöht, was insbesondere in England beliebt war. Diese Kombination von Kommode und Truhe wird heute auf englisch „mule chest“ genannt,(11) während dafür weder im Deutschen, noch in den romanischen Sprachen eine spezielle Bezeichnung existiert, obwohl solche Möbel vereinzelt auch in Kontinentaleuropa gebaut wurden.(Abb. 1)
Ab Mitte des 17. Jhs. waren in England und Nordamerika, nebst dem frühen, noch spanisch anmutenden chest of drawers, auch aus dem mule chest reine Schubladenversionen entstanden, indem die obere Truhe weggelassen wurde. Einfach gestaltete transportable Modelle, die auch gestapelt werden konnten, fanden auch auf Schiffen Verwendung.

Das Verdrängen der Truhe von unten durch Schubladen ist selbst an der Entwicklung des japanischen tansu abzulesen. Ab dem 17. Jh. erhielt auch in Japan die transportable Truhe unten eine von außen zu öffnende Schublade (hikidashi), die ursprünglich für das Brennholz bestimmt war, während die Truhe den Esswaren vorbehalten blieb.(12) Später wurden auch die japanischen Reisemöbel unten mit weiteren Schubladen erweitert, bis sie schließlich ihre Eignung zur Reise einbüßten und bei manchen Typen so viele Schubladen übereinander lagen, dass auf die obere Truhe verzichtet wurde.

Die ersten gänzlich der Kommode entspechenden Kastenmöbel erschienen in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. in Norditalien.(13) Wie der stipo a bambocci, ein dem spanischen vargueño ähnlicher Kabinettschrank, wurde auch der cassettone häufig mit Figuren verziert. Seine Einteilung mit durchgehenden Schüben über die Gesamtbreite entspricht jedoch dem Sakristeischrank für die Ornate. Die cassettoni wurden in verschiedenen Ausführungen gebaut: außer Konsolenschränken und Betpulten mit Schubfächern entstanden auch Sekretäre (canterani), die wie Kommoden aussahen, zuoberst jedoch anstatt der Schublade eine Schreibklappe mit kleinen Behältnissen dahinter aufwiesen, und somit den englischen butler's desk des 18. Jhs. vorwegnahmen.

Obwohl im 17. Jh. in Westeuropa private Schubladenmöbel nichts Ungewöhnliches mehr waren, begann der Siegeszug der Kommode erst um 1700 in Frankreich, wonach sie sich schnell zum beliebtesten Kastenmöbel des 18. Jhs. mauserte, was auf den enormen Einfluss Frankreichs in Sachen Mode hinweist.


Die Glanzzeit der Kommode im 18. Jahrhundert

Einer der frühen Hersteller von französischen Kommoden war André-Charles Boulle (1642–1732), dessen 1708 ins Grand Trianon gelieferte Modell(14) (von der Werkstatt allerdings noch als „bureau“ bezeichnet) die Tendenz des Barocks verdeutlicht, die Funktionalität hinter komplexen Formen zu verbergen. Boulles mehrmals ausgeführtes Schubladenmöbel erinnert auf den ersten Blick an eine hängende Truhe, womöglich inspiriert von den hängenden Kästen damaliger Kutschen.(15)

Generell unterschieden die Franzosen zwischen zwei Haupttypen, den schwereren grandes commodes, die an der Wand standen, und den petites commodes, den kleinen Tischmöbeln mit mehreren Schüben untereinander, die auch inmitten im Raum aufgestellt wurden.(16)

Abgesehen von Boulles eigenwilliger Kreation, war im frühen 18. Jh. die Gesamtform der grandes commodes noch mehr oder weniger kastenförmig. Variationen betrafen vor allem die Ecken, die entweder prismiert, oder als Fortsetzung der Füße im unteren Bereich nach außen gebogen waren, manchmal auch – im Manier von A.-Ch. Boulle – spangenartig abstehend. Das Schmücken konzentrierte sich auf die Beschläge und insbesondere auf die Marketerie, die um 1700 bei prunkvollem Mobiliar nicht nur Edelhölzer, sondern auch andere Materialien, hauptsächlich Bronze beinhaltete.

Die Form der Kommode begann während der Régence deutlich komplexer zu werden. Eine stilistische Variante war die commode en tombeau, die in ihrer ausgeprägtesten Form, mit den nach oben vorwölbenden Seiten an die Cassoni, an italienische Renaissancetruhen erinnert.(Abb. 2)
Das Verdrängen des funktionalen Erscheinungsbildes wurde im 18. Jh. zunehmend durch die Vorspiegelung falscher Funktionen ergänzt; Schlüsselschilder ohne Schlüsselloch, oder mit Türen vorgeblendete Schubladen, bzw. wie Schubladen gestaltete Türen gehörten zur Rafinesse. Die horizontalen Traversen, welche die Schubfächer visuell trennen, wurden entweder eliminiert, bzw. hinter Schubladenblenden versteckt, oder auch durch Applikationen dort vorgetäuscht, wo sie nicht vorhanden waren. Die Vorgehensweise mit Traversen wurde zum individuellen Stil einzelner Möbelmacher, wie beispielsweise des Berners Mathäus Funk (1697–1783), der sie vorzugsweise mit Metallschienen betonte, resp. vortäuschte.(Abb. 3)

Eine weitere Besonderheit des Rokoko war die Bombierung der Kommoden: eine sich sanft herauswölbende Wiederholung der Eckform in der Mitte der Front, manchmal auch der Seiten. Sie gehörte zu den vielen rhythmischen Elementen der Formensprache des Rokoko, als man das Melodiöse ins Visuelle zu übertragen suchte, sodass die Beschreibung „bombée“ nur einem Teilaspekt der Gestaltung gerecht wird.
Bei der Wölbung der Front der spätbarocken Kommode haben sich diverse Standards etabliert. Beliebt war, oft auch zusätzlich zur Bombierung, die in der Draufsicht jochartige Vorwölbung der gesamten Front, oder in der Form einer Armbrust, auf französisch „en arbalète“ genannt, wodurch die polierte Oberfläche noch mehr Glanzlichter aufwies. Eine stilistische Eigenart, die vermutlich in Frankfurt entstanden war, repräsentiert die sog. „Wellenkommode“, die zwar kaum mit Beschlägen verziert, dafür aber mit umso ausgeprägteren Wellenformen gestaltet war. Der Stil, der um 1740 seinen Höhepunkt erreichte, war auch in Zürich weit verbreitet.(17)
 
Na gut, das Ding ist vielleicht doch etwas zu lang… :S Hier die Fortsetzung:


In der zweiten Hälfte des 18. Jhs., als der in England vorherrschende Klassizismus den französischen Gout in ganz Westeuropa zunehmend zu dominieren begann, wurde die Gestaltung der Kommode wieder auf streng geometrische Formen reduziert. Die wieder einfache Frontpartie war höchstens mit einem Mittelrisalit bereichert, einer kleinen eckigen Vorkragung in der Mitte. Solche Kommoden heißen in Frankreich „commodes à ressaut“. Eine andere, vom Klassizismus bevorzugte Bauart war die in der Draufsicht halbrunde Gesamtform, dem Französischen entsprechend „demi-lune“ (laut Duden „demilune“) genannt.
Um die Frontpartien gesamthaft zu gestalten, wurden die Schubfächer klassizistischer Kommoden häufiger als zuvor mit Schwing-, oder Schiebetüren verdeckt. Verbreitet war auch die commode à vantaux, die ‚Flügelkommode‘, bei der entweder die Kommode von Schränkchen flankiert war, oder auch umgekehrt, wobei die Türen auch hier, häufig nur als ‚Kulisse‘ für die Schubfächer dienten.(18)

Zu den petites commodes des 18. Jhs. zählte allen voran der schmälere Chiffonier (fr. chiffonnier), anfangs ein Tischchen mit längeren Beinen und paar Schüben zur Aufbewahrung leichter Tücher (Chiffons) unter dem Blatt. Im späteren 18. Jh. entstanden in Frankreich vermehrt auch höhere, mit mehr Schubladen ausgestattete chiffonniers, nachdem in England die schmale Ausführung des chest of drawers bereits verbreitet war.
Eine besondere Form ist der semainier, der aus sieben Schubladen besteht und über die Tischhöhe hinaufragt, erschienen in Frankreich in der Stilepoche der Transition und in weiteren Ländern während des Empire. Im Deutschen ist dafür häufig das Wort „Pfeilerkommode“ anzutreffen, begründet mit der Behauptung, das Möbel sei in den kurzen Wandabschnitten zwischen Fenstern aufgestellt worden. Davon abgesehen, ob die Übersetzung des Fremdwortes „Trumeau“ mit ‚Pfeiler‘ Sinn macht, war der Platz für niedrige Möbel reserviert, in erster Linie für Konsolen, um den Raum nicht mit hohen Kastenmöbeln zu verdunkeln.

Kommoden wurden im 18. Jh. häufig mit anderen Möbeltypen kombiniert. Die Aufsätze waren Regale, Vitrinen und Schränke, letztere vielfach mit einer Tür in der Mitte, flankiert von zahlreichen Schubladen, heute im Jargon des Antiquitätenmarktes oft als ‚Tabernakelaufsatz‘ bezeichnet. Verantwortlich für die Assoziation mit dem Tabernakel dürfte die erhöhte zentrale Position sein, während das Schränkchen keineswegs als Hausaltar diente, auch wenn eine solche Zweckentfremdung bei italienischen Kabinettschränken der Renaissance, den stipi di bambocci, vereinzelt vorkam.(19)

Die Kommode wurde auch als Schreibmöbel genutzt, hierfür im 18. Jh. häufig mit einem Sekretäraufsatz bestückt, der mit seiner schrägen Deckklappe dem oberen Teil des Pultschreibtisches, dem französischen bureau en pente entspricht. Solche Schreibkommoden waren insbesondere im deutschsprachigen Gebieten sehr beliebt und wurden vielfach mit einem zweiten Aufsatz, häufig mit jenem kabinettartigen Schrankaufsatz bestückt, der ein Schränkchen in der Mitte aufweist. Diese dreiteiligen Schreibmöbel des 18. Jhs. werden heute von deutschsprachigen Händlern hin und wieder ‚A-trois-corps‘ genannt, wobei der Genus der französisierenden (und in Frankreich unbekannten) Wortschöpfung gemieden wird.
Die andere Art der Schreibkommode, die anstatt der obersten Schublade einen Sekretär verbirgt, war im 18. Jh. vor allem in England verbreitet; der Typus ist jedoch (wie oben erwähnt) viel älter und stammt aus Norditalien.

Eine englische Entwicklung ist hingegen der Davenport desk, bei dem sich der schmale Pultaufsatz auf einer um 90° gedrehten, ebenfalls schmalen Kommode befindet. Der Name geht auf einen gewissen Captain Davenport zurück, der sich im späten 18. Jh. eine Schreibkommode wünschte, deren Schubladen sich im Sitzen öffnen lassen. Im Gegensatz zum Pultschreibtisch dient hier das Pult tatsächlich als Schreibfläche, unter dessen Klappe sich ein niedriges Behältnis befindet. Bei den frühen Davenport desks liegt das Pult bündig auf der kleinen Kommode und kann bei der Benutzung zum Schreibenden verschoben werden, um eine Kniefreiheit zu erhalten. Diese Version repräsentiert eine Art der Feldmöbel, die um 1800 in Mode kamen und nicht nur bei Feldzügen im Einsatz waren. Bei späteren Modellen ist der niedrige Pultkasten fest angebaut, ragt aber leicht nach vorn, wobei die beiden Ecken häufig von reich verzierten Beinen gestützt werden.


Die Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert

Ehemalige Typen von Schubladenmöbeln, wie der vargueño, der stipo di bambocci, sowie alle Varianten der cassettoni und der commodes wurden in der Epoche des Historismus vielfach nachgebaut. Als die fortschreitende Industrialisierung Möbel billiger machte und Wohnungen immer mehr mit Mobiliar, Teppichen und Schauobjekten vollgestopft wurden, verlor die Kommode ihre Vorrangstellung unter den vielen Arten von Kastenmöbeln. Die Schreibkommode und insbesondere ihre erweiterte Ausführung mit dem zusätzlichen hohen Aufsatz wurde in Wohnungen bereits im frühen 19. Jh. zunehmend vom Schranksekretär verdrängt.

Reine Schubladenmöbel blieben jedoch in Amts- und Geschäftsräumen verbreitet. Die Nachteile der Schublade, wie das ruckelige Auf- und Zuschieben ab einer gewissen Breite und die schlechte Einsehbarkeit des hinteren Inhalts, wurden im 20. Jh. durch metallene Teleskopschienen beseitigt. Hinzukam die Vereinfachung der Handhabung durch aufwendigere Mechanik: die Büroschublade musste nur noch leicht zugeschubst werden, worauf sie selbständig und sanft geschlossen wurde.

Da seit dem späten 20. Jh. dem Leerraum in der Wohnung wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, werden niedrigere Kastenmöbel, wie das Sideboard, in Stuben und Esszimmern bevorzugt. Häufig sind diese Konsolenmöbel mit Schubladen versehen.



1. Commode, subst. fém., Centre National de Ressources Textuelles et Lexicales.
2. Justus Friedrich Wilhelm Zachariä, „Der Phaeton“, Scherzhafte epische Poesien nebst einigen Oden und Liedern, Ludolf Schröders Erben, Braunschweig und Hildesheim, 1754, S. 295 (digitalisiert: Münchener Digitalisierungszentrum, Bayerische Nationalbibliothek).
3. Franz Windisch-Graetz, Möbel Europas, 2 Bd., Klinkhardt & Biermann, München, 1982, Bd. 1, S. 289.
4. Zur Baugeschichte der Kirche: Črna pri Kamniku, Wallfahrtsort mit der Kirche St. Primus und Felizian (Sv. Primož in Felicijan) und der Kirche St. Pete, Slowenische Tourismuszentrale, o.D. [2016].
5. Das Gemälde reproduziert v. Institut für Realienkunde, Universität Salzburg.
6. Sacristía y Sala Capitular, Catedral de Ávila, o.D. [2016].
7. “File:El Escorial-E 0056.jpg”, Wikimedia Commons.
8. F. Windisch-Graetz, op. cit. S. 278f.
9. Robert Rattray Tatlock, Spanish Art – An Introductory Review of Architecture, Painting, Sculpture, Textiles, Ceramics, Woodwork, Metalwork, Read Books Ltd, Redditch, S. 56.
10. Bsp.: Inv.-Nr. 60.52a/60.52b, Drop-front desk on chest (Vargueño), The Metropolitan Museum ofArt, New York, o.D. [2016].
11. Jess Stein (Hsg.), Random House Dictionary, Random House, New York, 1966 (online: Dictionary.com).
12. Ty Heineken u. Kiyoko Heineken, Tansu : Tradiditional Japanese Cabinetry, Weatherhill, NewYork, 1981, S. 9.
13. Giuseppe Morazzoni, Il mobile genovese, Alfieri, Mailand, 1949, Taf. 25, 30–32.
14. « Quelques chefs-d'œuvre », zur Ausstellung 18e, aux sources du design, chefs-d’œuvre du mobilier 1650 à 1790 vom 28. Okt. 2014 bis 22. Feb. 2015, château de Versailles, 2014.
15. Wolfram Koeppe, Inv.-Nr. 1982.60.82, Commode, The Metropolitan Museum of Art, New York, 2006.
16. André Jacob Roubo, L'art du menuisier en meubles. Seconde section de la troisième partie de « L'Art du menuisier », Saillant et Nyon, Paris, 1772, S. 753ff, Taf. 274, 275. (digitalisiert: Gallica, BnF).
17. Thomas Boller u. Werner Dubno, Zürcher Möbel – Das 18. Jahrhundert, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 2004, S. 28ff.
18. Bsp.: Cabinet (commode à vantaux) c. 1778–88, Royal Collection Trust, London, o.D. [2016].
19. Bsp.: Katalog zur Auktion L09638 am 8. Juli 2009, Sotheby’s, London, Los 49.



Abb. 1: Die Kombination des Schubladenschrankes mit der Truhe, was vor allem in England und in Nordamerika verbreitet war.
Frankreich, 17. Jh.
Musée des Hospices civils de Lyon. (Foto: Anissa Mansouri)

Abb. 2: Commode en tombeau.
Nadel- und Nussbaumholz, Beschläge entfernt.
Frankreich, erste Hälfte 18. Jh.
Musée des Hospices civils de Lyon. (Foto: Aurélie Troccon u. Manon Mauguin)

Abb. 3: Kommode mit falschen Traversen aus Bronze.
Nadelholz mit Bussbaumholz furniert, Marmor und Bronze.
Der Werkstätte von Mathäus Funk in Bern zugeschrieben, um 1760.
 
Der Text ist nun mit kleinen Änderungen und Kürzungen in der dt. Wikipedia implementiert, was wegen der Länge nicht ganz so einfach war…
 
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Kommode 18tes.jpg
 
zwei Kommoden des Klassizismus als Beispiel, letztes 3tel 18tes Jht
Danke für die schönen Beispiele des goût grec, der v.a. die erste Phase des Frühklassizismus prägte. Sind die beiden Kommoden aus Österreich?

Der Wikipedia-Text könnte übrigens durchaus noch verbessert werden, v.a. was die Frühgeschichte des Möbeltyps angeht; die frühe Anwendung der Konstruktion in Druckereien und Apotheken hab ich bspw. nicht erwähnt, obwohl beide Bereiche sicherlich mit ein Antrieb zur Entstehung waren. Irgendwie haben die Drohungen, Wikipedia bei ausbleibenden Spenden nicht mehr gratis anzubieten, meinem Elan ein abruptes Ende gesetzt.
 
Danke dir liebe Mashenka , die obere Kommode habe ich mal vor 30 Jahren im Kunsthandel erworben, unrestauriert versteht sich, die Kommode ist ein schönes Beispiel für das deutsche Möbel im Louis Seize Stil, die untere Kommode würde ich gerne kaufen, ist aber unverkäuflich und stammt aus einer lombardischen Werkstatt, ist signiert und datiert. Entstehungszeit 1769
 
[…] die Kommode ist ein schönes Beispiel für das deutsche Möbel im Louis Seize Stil […]
Vielen Dank für die Infos.

Nur als spitzfindige Anmerkung: Würde die Stilbezeichnungen »Louis Seize« und »goût grec«, dem deine Kommode offensichtlich entspricht, nicht unbedingt gleichsetzen, da man von »Louis seize« in Frankreich für die Zeit von 1774 bis etwa 1785 spricht, während dort der goût grec bereits um 1755 einsetzte und um 1780 schon der goût étrusque Mode war. In deutschen Gebieten kamen die Stile mit leichter Verzögerung an. So kann natürlich sein, dass deine Kommode etwa zur Regierungszeit Ludwigs XVI. gebaut wurde, der Stil jedoch, zumindest nach französischem Gusto, dennoch der transition entspricht (als der goût grec Mode war). Typisch für den Stil übrigens ist die hellenisierende Ornamentik und die medaillonartigen Beschläge. Bei Kommoden war zudem der Mittelrisalit besonders beliebt, populär gemacht vom Hofebenisten Jean-François Oeben mit seinen Stücken für die Marquise de Pompadour. Im Deutschen gilt der Stil als die Frühphase des Klassizismus, manchmal etwas dilettantisch auch »Zopfstil« genannt, der im deutschsprachigen Raum mit regionalen Ausläufern bis etwa 1800 vorherrschend war.

Zur Periodisierung des Klassizismus vgl.:
Hans Ottomeyer, Farben des Klassizismus – Entwicklungen und Gegensätze eines europäischen Stils 1756–1814, in: Andreas Büttner u. Ursula Weber-Woelk (Hrg.), David Roentgen – Möbelkunst und Marketing im 18. Jahrhundert (Vortragssammlung aus dem Begleitprogramm zu Ausstellungen in 2006/2007 in Berlin und Neuwied, anl. des 200. Todestages v. D. Roentgen), Schnell & Steiner, Regensburg, 2009, S. 85–93.
 
Hier noch ein wichtiger Kommodentyp des 18ten Jhts
Sehr schöner Zustand! Besonders gefällt, dass die Authentizität nicht ›in Lack ertränkt‹ wurde.

Kommoden mit wellenförmiger Front waren im 18. Jh. in vielen Regionen Mode, zumal die Form wesentlich einfacher herzustellen war, als die bombierte Variante, wo die Furniere nicht nur zylindrisch, sondern in alle Richtungen gebogen werden mussten. Die Gestaltung hier mit zwei seitlich hervorstehenden Wellen war um 1740/1780 v.a. der süddeutschen Formensprache eigen. Ähnliche Stücke wurden auch in eidgenössischen Orten hergestellt, bspw. in den Kantonen Luzern und Zürich. Eine nähere Zuschreibung bei der relativ einfachen Ornamentik würde ich mir nicht zutrauen, aber auch nicht für bare Münze nehmen, sofern dies eine Beschriftung oder die Provenienz nicht nahelegen. Nehme aber an, dass du mehr über das gute Stück weißt…
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe Mashenka, diese doppelt geschweifte Barockkommode habe ich in Biedenkopf-Eckelshausen erstanden. Sie stammte ursprünglich aus dem Jagdschlösschen in Katzenbach, welches 1850 abgerissen wurde. Ein Teil der Möbel kam in die Hirschaphoteke nach Biedenkopf und der andere in die Pfarrei nach Eckelshausen.
Es handelt sich hier um eine sog. doppelt geschweifte Barockkommode, hoch,- und querfuniert in Nussbaum, mit Bandelwerk in Esche und Medaillon in der Platte ca 1740/50, die Beschläge sind spätere Ergänzungen.
Die Fotos sind mittelprächtig, das Medaillon und das Bandelwerk kaum sichtbar.
 
Die Fotos sind mittelprächtig, das Medaillon und das Bandelwerk kaum sichtbar.
Wenn du ins Menü deiner Kamera gehst (so du eine digitale Spiegelreflex jüngeren Baudatums hast), kannst du normalerwiese einstellen, dass die Kamera Spiegelungen etc. von alleine rausrechnet. Musste ein bisschen suchen.
 
Danke für die Infos zur hübschen Kommode. Hier ein ähnliches Beispiel aus dem Kanton Zürich.

Wenn du ins Menü deiner Kamera gehst (so du eine digitale Spiegelreflex jüngeren Baudatums hast), kannst du normalerwiese einstellen, dass die Kamera Spiegelungen etc. von alleine rausrechnet. Musste ein bisschen suchen.
Beim obigen Foto könnte das Gegenlicht der Grund gewesen sein, dass das Bild durch Streulicht leicht verschleiert ist. In solchen Lichtsituationen helfen höchstens nur sehr gute Objektive mit Gegenlichtblende, und Punktmessung auf das eigentliche Sujet.
 
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