Anhand von Ortsnamen will Kunstmann den Ort des Massakers an den 9.000 bzw 8.300* Bulgaren herauskristallisieren. Er diskutiert erst mal eine Reihe von Ortsnamen, die tatsächlich oder dem Anschein nach Bulgar im Kern haben (wohlwissend, dass es mitunter auch andere Herleitungen gibt) und kommt dann auf Pulgarn bei Linz ("unmittelbar an der bairisch-pannonischen Ennsgrenze" S. 29) als Ort des Massakers. Ich halte die Herangehensweise für falsch. Wenn der 1111 erstmals überlieferte Ortsname tatsächlich auf Bulgaren zurückzuführen ist - laut Wiki sehen das auch Herwig Wolfram (
Baiern und das Frankenreich. In:
Die Bajuwaren - Von Severin bis Tassilo 488 - 788. Katalog zur gemeinsamen Landesausstellung des Freistaates Bayern und des Landes Salzburg in Rosenheim/Bayern und Mattsee/Salzburg, 1988, S. 132) und
Karl Hohensinner/Peter Wiesinger (
Ortsnamenbuch des Landes Oberösterreich 10. Die Ortsnamen des politischen Bezirks Urfahr-Umgebung (Mittleres Mühlviertel). Wien 2006) so - dann sicher nicht als der Ort des Massakers. Man führt nicht einen Haufen Krieger mit ihren Familien an einem Ort zusammen, um sie dann abzuschlachten. Es steht ja auch bei "Fredegar" ausdrücklich, dass man die Bulgaren über das Land verteilt habe und dass die Bulgaren dann von den Bayern an Ort und Stelle und nicht etwa konzentriert getötet werden sollten:
cumque dispersi per domus Baioariorum ad hyemandum fuissent, consilium Francorum Dagobertus Baioariis iobet, ut Bulgarus illus cum uxoris et liberis unusquisque in domum suam una nocte Baiuariae interficerint.
Sogar unusquisque - jeder einzelne - schreibt "Fredegar" ausdrücklich. Man kann Fredgar ja in Abrede stellen, aber aus dieser Stelle einen Einzeltatort zu machen und diesen dann zu suchen, ist imho unsinnig. Ein Ort wie Pulgarn, wenn er denn auf bulgarische Ansiedlung zurückzuführen ist, dürfte eher zuvor noch keinen Namen gehabt haben und eher auf langfristige Siedlung einer Fremdethnie hindeuten, als auf ein Massaker in einer Nacht, dessen man sich (hoffentlich) eher geschämt als gerühmt hat.
*auch so etwas, was mich bei Kunstmann stört, dass er die Zahlen so genau nimmt. Also nicht, dass manmich missversteht, Kunstmann wird auch die Zahlen 9.000 bz. 700 und davon abgeleitet 8.300 nicht bis in die letzte Ziffer genau verstanden wissen wollen. Aber dennoch habe ich den Eindruck, dass er sie schon ziemlich historisch verbürgt annimmt.
**Bei aller Kritik, die ich an Kunstmann übe: den Großteil dessen, was ich gelesen habe, finde ich durchaus gut überlegt und plausibel, ich äußere mich nur zu den Dingen, wo ich Denkfehler oder falsche Schlussfolgerungen ausmache.