Frage zum Altnordischen

Kochant

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Leider kann ich kein Altnordisch oder Altisländisch . . .

Mir ist aber aufgefallen, dass manchmal ein Akzent gesetzt wird, aber manchmal auch nicht, z. B. findet man sowohl Tyr als auch Týr in einigen Texten.

Auch bei der Verwendung der alten Buchstaben gibt es beide Versionen, z. B.
Thrudr und Þrúðr

Hat das eine spezielle Bedeutung oder ist das nur die Laune des jeweilig die alten Texte Übertragenden?

Gruß
Kochant

 
Die Originaltexte liegen größtenteils nicht in den heute gebräuchlichen lateinischen Buchstaben vor, sondern in Runen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten Runen zu transkribieren. Die im Deutschen unüblichen Akzente und Sonderzeichen sollen eine Hilfe bei der Aussprache bieten.

Wie viele Sonderzeichen und Akzente der Übersetzer oder Editor verwendet, liegt nicht nur an der Laune moderner Autoren, sondern auch an den Möglichkeiten. An der Schreibmaschine ist die Zahl der Sonderzeichen eng begrenzt und nicht jeder Autor wird technisch in der Lage gewesen sein Þrúðr zu schreiben.

Eine Rolle spielt es sicherlich auch, dass es in anderen modernen Sprache mitunter ein paar mehr Buchstaben gibt als im Deutschen. Im modernen Isländisch sind die Akzente und die von dir gezeugten Sonderzeichen auch heute übliche Buchstaben. (vgl. Wikipedia, Isländisches Alphabet)
 
Danke für die Erklärung. Aber wie soll man sich dann in rein deutschen Texten verhalten, in den die von mir als Beispiele genannten Namen vorkommen?
 
Die Akzente sind nicht nur eine Aussprachehilfe, sondern mitunter sinnentscheidend: fyrr bedeutet 'früher', fýrr dagegen 'Feuer'.
Ich würde bei selbstformulierten Texten zu einer konsequenten und eindeutigen Transkription raten. Wenn ich Texte zitiere, kann ich sie natürlich nur so zitieren, wie sie vorliegen.
 
Die Akzente sind nicht nur eine Aussprachehilfe, sondern mitunter sinnentscheidend: fyrr bedeutet 'früher', fýrr dagegen 'Feuer'.
Das wusste ich nicht.
Ich würde bei selbstformulierten Texten zu einer konsequenten und eindeutigen Transkription raten. Wenn ich Texte zitiere, kann ich sie natürlich nur so zitieren, wie sie vorliegen.
Heißt das, alle Akzente und Sonderzeichen belassen oder alle weglassen? Oder nur dort weglassen, wo sich die einfache Schreibweise sowieso schon durchgesetzt hat, z. B. bei Thor ?

Wahrscheinlich ist, wie man es auch macht, es wird immer Kritiker geben . . .
 
Die Akzente und Sonderzeichen sind eine isländische Sonderentwicklung, basierend auf einem besonderen Sprachpurismus der Isländer.
Gerade bei Thor wäre eine Schreibweise mit Þ sehr bildsam, da die etablierte eingededeutsche Ausprache des Namens mit [t] so verneint wird.

Bei aller Liebe zum radikalen isländischen Sprachpurismus, sollte man sich fragen, was eine Übernahme ins Deutsche eigentlich soll. Wenn der Leser kein Kenner der isländischen Sprache ist, bringt es ihm gar nichts die isländische Schreibweise von Eigennamen im deutschen Text einzuführen.

Die Unterscheidung zwischen Thrudr und Þrúðr ist letztlich genauso wichtig und unwichtig wie die Unterscheidung zwischen Apoll, Apollo, Apollon oder gleich Ἀπόλλων, damit es möglichst niemand versteht und alle glauben, ich könne griechisch.;)
 
altnordisch Hǫðr = isl. Höður
Und doch schrieb der alte Däne Saxo Grammaticus schlicht Hotherus, ganz ohne isländische Sonderzeichen und Akzente.
Während Saxo in Dänemark durch korrektes Latein brillierte, entstand in Island ein Gegenentwurf zur lateinischen Gelehrsamt. Ein unbekannter Autor hiterließ auf Island ein Traktat, indem er neue Buchstaben und Akzente zur Schreibung der isländischen Volkssprache vorschlug. Grundidee ist, dass jedem Laut ein spezifischer Buchstabe zugeordnet werden muss. Radikal umgesetzt wurden diese Forderungen in Island erst im 18. Jahrhundert. So erlebten auch ein paar längst bereits außer Gebrauch geratene Runen eine späte Renaissance als isländische Buchstaben.

Die mittelalterlichen Zeitgenossen auf Island hatten keine einheitliche Orthografie. Akzente wurde gelegentlich verwendet, jedoch ohne einheitliche Regeln.
So waren natürlich die neuzeitlichen Skandinavisten gefordert, eine normalisierte Orthografie zu konstruieren und die überlieferten Manuskripte in eine normalisierte Orthografie zu übertragen.
Tatsächlich gibt es zwei normalisierte Orthografien des Altnordischen. Eine orientiert sich an den Ausspracheregeln des modernem Isländisch und die andere an denen des modernem Englisch, vgl. Wikipedia. Daraus ergibt sich natürlich auch die unterschiedliche Zahl von Sonderzeichen und Akzenten.
Beide Schreibweisen haben ihre Berechtigung und beide sind neuzeitliche Konstruktionen.
Und in Deuschland scheitern beide Formen, sodass der Gott Thor wird hier meist [tor] ausgesprochen.
 
Tatsächlich gibt es zwei normalisierte Orthografien des Altnordischen. Eine orientiert sich an den Ausspracheregeln des modernem Isländisch und die andere an denen des modernem Englisch, vgl. Wikipedia. Daraus ergibt sich natürlich auch die unterschiedliche Zahl von Sonderzeichen und Akzenten.
Beide Schreibweisen haben ihre Berechtigung und beide sind neuzeitliche Konstruktionen.
Und in Deuschland scheitern beide Formen, sodass der Gott Thor wird hier meist [tor] ausgesprochen.
Da hast du mein Problem: Zur Zeit übersetze ich ein Kompendium germanischer Gottheiten, das ein Niederländer auf Amerikanisch erstellt hat ins Deutsche. Er besteht darauf, dass es kein britisches Englisch ist! Und es ist voll von Zitaten englischer Altphilologen aus dem 19. Jahrhundert.

Nach den Ausführungen von Sepiola und dir werde ich es wahrscheinlich so halten, dass beim Namen der jeweiligen Gottheit erst einmal alle (von mir ermittelbaren) Schreibweisen aufführe und dann in der folgenden Beschreibung die im Deutschen geläufigste verwenden.

Gruß
Kochant
 
Und doch schrieb der alte Däne Saxo Grammaticus schlicht Hotherus, ganz ohne isländische Sonderzeichen und Akzente.
... aber eben in latinisierter Form.

Zur Zeit übersetze ich ein Kompendium germanischer Gottheiten, das ein Niederländer auf Amerikanisch erstellt hat ins Deutsche. Er besteht darauf, dass es kein britisches Englisch ist! Und es ist voll von Zitaten englischer Altphilologen aus dem 19. Jahrhundert.
Dann ist meine erste Empfehlung natürlich nutzlos. Die war ja ausdrücklich für selbstformulierte Texte gedacht.

Bei einer Übersetzung würde ich mich an die Textvorlage anpassen. Wenn der Autor gängige anglisierte Formen verwendet, würde ich sie bei der Übersetzung durch die entsprechenden gängigen deutschen Formen ersetzen. Wenn die zitierten Philologen allerdings die altnordischen Formen verwenden, würde ich bei der Übersetzung dann auch die altnordischen Formen beibehalten.
 
Ich weiß natürlich nicht, wie Weit Du Dich einarbeiten möchtest.

Schon etwas bejahrt, aber solide:
Friedrich Ranke und Dietrich Hofmann, Altnordisches Elementarbuch - Einführung, Grammatik, Texte (zum Teil mit Übersetzung) und Wörterbuch, Berlin 1988

Oder:
Katharina Baier/Werner Schäfke. Altnordisch. Eine Einführung. narr - PDF Kostenfreier Download (Inhaltsverzeichnis)
https://edoc.hu-berlin.de/bitstream/handle/18452/8791/bailleu.pdf?sequence=1
Das Buch von Ranke/Hofmann habe ich mir jetzt besorgt, und wie ich sehe, hilft das zumindest fürs Erste weiter. Danke also für deinen Hinweis.
 
Der, die oder das Lokasenna?

Bei meiner Übersetzung aus dem Englischen müssen natürlich alle Substantive/Namen einen Artikel bekommen. Bei "Lokasenna" habe ich ein Problem: Nach Köbler ist senna ein Neutrum, also müsste es "das Lokasenna" heißen. Eingebürgert hat sich jedoch "die Lokasenna", auch in Büchern.

Wobei ich den Eindruck habe, dass sich viele Autoren (auch Simrock) um die Artikelfrage drücken, indem sie zuerst den altnordischen Namen ohne Artikel nennen und in der Folge nur noch die deutsche Übersetzung, in diesem Fall also z. B. "Lokis Zankrede".

Da es für die verschiedenen Benennungen der Edda-Teile aber je nach Autor ganz unterschiedliche Übersetzungen gibt, sollen in dem Buch, das ich gerade übersetze, immer die altnordischen Titel genannt werden, ergänzt durch eine Übersicht mit mehreren Übersetzungen im Anhang. Und dadurch muss ich Artikel setzen . . .

Heißt es jetzt "In dem Lokasenna findet man . . ." oder "In der Lokasenna findet man . . ." ?

Gruß
Kochant
 
Ist das große F der genus? Ich dachte das (n).

Inzwischen habe ich eine Legende gefunden. Das F. bedeutet tatsächlich Femininum. Danke für den Hinweis.
 
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