Die Räuber vom Liang schan Moor, historischer Zusammenhang

Armer Konrad

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Ich habe vor ein paar Wochen auf einer kommerziellen Seite (die nicht mehr verfügbar ist) endlich eine nahezu vollständige Übersetzung (ins Englische) der "Räuber vom Liang Schan Moor" gefunden, und nehme dies zum Anlass, die Rubrik "China" hier im Forum etwas zu beleben. Falls es keine Einwände gibt, werde ich Morgen (resp. heute Abend) versuchen, das PDF in einem nächsten hoch zu Laden.

Historischer Zusammenhang

Bei den „Räubern vom Liang schan Moor“ handelt es sich um Sagen von aufständischen Banditen und Rebellen, welche in den chinesischen Provinzen Schantung, Henan und Jiangsu, aber auch am Yang tse ihr Unwesen trieben. Die Handlung ist zeitlich im frühen 12. Jahrhundert, in die letzten Regierungsjahre der Sung-Dynastie (Kaiser Hui Tsung, 1101 – 1126), zu verordnen, kurz bevor die Kitan-Dynastie Nordchina eroberte und die Sung ihre Herrschaft als „südliche Sung-Dynastie“ in den Süden verlegen musste. Der im Original nicht mehr vorhandene Roman ist vermutlich im 14. Jahrhundert, in den letzten Regierungsjahren der Yüan-Dynastie, entstanden. Es dürfte sich damit um den ältesten Roman überhaupt, zum Mindesten aber um den ältesten historischen Roman der Weltgeschichte handeln.

Der weitläufige Handlungsstrang umfasst die Geschichte der aus einem Unterschlupf im Sumpfgebiet des Liang-Berges (Schantung) heraus agierenden Räuberbande und deren obersten Anführer Sung Kiang / Sung Kung Ming, dem „Regenspender von Schantung“ und Tschao Kai, dem „Pagodenträger“. Im Verlauf der Erzählung entwickeln sich die Räuber von einer gewöhnlichen Bande von Banditen und Wegelagerern zu Rebellen gegen kaiserliche Korruption und Misswirtschaft, zu erfolgreichen Burgbelagerern und schliesslich zu Eroberern von ganzen Städten. Nach zahlreichen misslungenen Versuchen, die Bande zu zerschlagen werden die Liang schan-Räuber schliesslich begnadigt und in kaiserlichem Auftrag gegen das Volk der Dschurdschen, welches als Liao-Dynastie (historisch) die Region von Peking beherrscht und der die Sung tributpflichtig sind sowie gegen den Rebell und Gegenkaiser Fang La (historisch, Fang La - Wikipedia ) eingesetzt.

Die Protagonisten der Erzählung sind die 108 Anführer oder Häuptlinge der Bande, während die gewöhnliche Banditen nur als namenlose Masse in Erscheinung treten. Von einigen dieser 108 Häuptlingen wird die individuelle Biographie bis zum Eintritt in die Bande thematisiert – ein Hinweis darauf, dass es sich bei dem Roman um gesammelte, ursprünglich voneinander unabhängige mündliche Überlieferungen gehandelt hat. Die Zusammensetzung der 108 ist recht heterogen: sie umfasst neben ehemaligen kaiserlichen Heerführern, Waffenmeistern und Beamten auch Gutsherren, Wissenschaftler, Künstler, Bauern, Handwerker, Mönche, Händler, Fischer und Gastwirte sowie Kriminelle wie Wegelagerer, Diebe, Flusspiraten, Salzschmuggler und Kannibalen. Auch drei Frauen sind darunter, eine virtuose Fechtkünstlerin und Burgherrin, eine rabiate Gastwirtin – genannt „Tigermutter“ – und eine Kannibalin.

Das Faszinierende am Roman ist die Leistung, wie die einzelnen, ursprünglich unabhängigen Themen und Episoden professioneller Geschichtenerzähler in einen logischen Zusammenhang gebracht und zu einem Gesamtwerk zusammengefasst wurden. Dazu mussten u.a. auch historische Vorgänge suggerierende, zusätzliche Ereignisse konstruiert werden, um das Interesse an der Liang schan-Überlieferung hervorzurufen. Um die Popularität der Erzählung zu steigern wurden einzelnen Häuptlingen Merkmale beliebter Helden der mündlichen Erzähltradition aber auch historischer Gestalten untergeschoben. Aufgrund von Vergleichen mit den Kreisannalen lässt sich feststellen, dass die im Roman versammelten 108 Banditenanführer historisch zu unterschiedlichen, über die gesamte Sung-Dynastie verteilte Zeiten gelebt haben. So ist etwa der Burgherr Tschai Tsin, „der kleine Taifun“, ein Abkömmling des Tschai Rong resp. des Kaisers Shih Tsung (954 – 960) aus der späten Chou-Dynastie. Bei dem Häuptling Yang Tschi, der „Wildkatze mit dem blaugrünen Gesicht“ wiederum handelt es sich um einen Nachfahren des Heerführer-Clans der Yang. Historisch unzusammenhängende Ereignisse wurden so miteinander verknüpft.

Bei einem der beiden „Oberhäuptlingen“, Sung Kung Ming oder Sung Kiang (dem „Regenspender von Schantung“, auch „Regen zur rechten Zeit“ genannt) handelt es sich eindeutig um eine historische, wenn auch dürftig dokumentierte Gestalt. Hinweise zum Rebellenanführer Sung Kiang tauchen in den Biographien der beiden kaiserlichen Feldherren der Sung-Dynastie, Hou Mong und Tschang Schu Yiä (beide sind auch Akteure der Erzählung) auf. Gemäss seiner Biographie hatte der Feldherr Hou Mong im „zweiten Jahr der Epoche Hsüan ho“ (1120) der Regierung „Hui Tsung“ (1100 bis 1126) einen alarmierenden Thronbericht erstattet, wonach der Rebell Sung Kiang mit seinen 36 Häuptlingen (die erste Garde der insgesamt 108 Häuptlingen) das Gebiet der ehemaligen Fürstentümer Tsi und Weh (nordwestliches Schantung, südliches Tschi li, südliches Schan hsi, nördliches Honan) unter seine Botmässigkeit gebracht hatte. Die stärksten Regierungstruppen vermöchten nichts gegen ihn auszurichten, seine Fähigkeiten überstiegen alles irdische Mass, das beste sei, ihn zu begnadigen und ihm Gelegenheit zu geben, sich durch die Bekämpfung des Rebellen Fang La wieder ehrlich zu machen. Daraufhin wurde Hou Mong gegen Sung Kiang in Marsch gesetzt, starb aber unterwegs. Sein Nachfolger Tschang Schu Yiä setzte eine Begnadigung für Sung Kiang und seine Leute durch und brachte ihn zur friedlichen Unterwerfung.

Diese Angaben werden bestätigt durch das halboffizielle populäre Geschichtswerk Tung kiän kang mu (unter dem Zyklus-Doppelzeichen hsin tschou, was der europäischen Jahreszahl 1121 entspricht). Der gelehrte Geschichtsglossar billigt darin dem Rebellen Sung Kiang als mildernden Umstand gnädig zu, dass er einer rechten konfuzianischen Erziehung entbehrt habe und die Begnadigung trotz der an sich todeswürdigen Taten daher zu vertreten gewesen sei. Eine weitere kurze Notiz über Sung Kiangs Eroberungen enthält „Die Geschichte der alten Kaiserstadt Loh yang“.

Drei Daten finden sich in der Erzählung selbst. Danach datiere die kaiserliche Begnadigung vom „zweiten Monat des vierten Jahres der Epoche Hsüan ho“ (1122). Der Thronbericht, den Sung Kiang dem Kaiser nach beendetem Feldzug gegen die Liao-Dynastie erstattete, datiert vom „neunten Monat des fünften Jahres Hsüan ho“ (1123). Sung Kiangs Tod fällt in das erste Drittel „des ersten Sommermonats (Mai) des sechsten Jahres Hsüan ho“ (1124).

Trotzt dieser Hinweise scheint der Aufstand von Sung Kiang – im Gegensatz zur Rebellion von Fang La ( ? – 1121) – tatsächlich keinerlei weiteren politischen Folgen nach sich gezogen zu haben.
 
Handlung I

Ein weiteres Merkmal, welches die Erzählung der „Räuber“ zu einer Besonderheit macht, ist die Ambivalenz ihrer Helden: Ambivalenzen welche üblicherweise in sonstigen Sagen, Volkserzählungen und Märchen nicht vorhanden sind und wo Gut und Böse immer strikt verteilt sind, ohne Nuancen. Insbesondere der Hauptanführer Sung Kiang stellt sich nicht ausschliesslich als tadelloser, tapferer und unüberwindlicher Held dar, so als ob der Roman die Heldenproblematik einmal gründlich aufarbeiten und von stereotypen Mustern wegführen wollte.

Dem ersten Kapitel der „Räuber“ kommt eine Sonderrolle zu. Es wird erzählt, wie die 108 Sternengeister, aus denen später die Räuberhäuptlinge hervorgehen, freigelassen werden. Der Inhalt dieses vorangestellten Abschnitts mit z.T. taoistischer Geisteshaltung ist im übrigen Werk kaum nachzuvollziehen. Nach einer langen Epoche, durch Frieden und Wohlstand geprägten Epoche wird China von einer Seuche heimgesucht. Durch die Gewährung von Steuererleichterungen und einer allgemeinen Amnestie versucht der Kaiser, das geplagte Volk zu entlasten, was aber zur keiner Verbesserung der Situation führt. Daraufhin erhält der Zeremonienmeister Hong Xin den Auftrag, den berühmten Taoisten Tschang aus Jiangxi zu suchen und in die Hauptstadt Kaifeng (Hauptstadt der Sung-Dynastie, heute Kai fong fu), um die Seuche zu bekämpfen. Hong mach sich auf Weg nach Jiangxi und begegnet beim Aufstieg auf den Klosterberg des Taoisten den auf einem Ochsen reitenden Meister selbst (auch Lao-tse selbst wird in der Regel auf einem Ochsen reitend dargestellt), welcher bereits aus eigenem Antrieb nach Kaifeng aufgebrochen ist. Hong Xin, offenbar ein richtiges Weichei, erkennt den Taoisten jedoch nicht, da er zu sehr damit beschäftigt ist, über die Zumutung, den Klosterberg erklimmen zu müssen, jammert. Während sich nun Tschang in der Hauptstadt bei der Seuchenbekämpfung in der Hauptstadt nützlich macht, wartet Hong Xin im Kloster auf die Rückkehr des Meisters. Bei der Besichtigung der Klosteranlage stösst Hong auf die versiegelte „Halle der unterjochten Dämonen“, welche er unter dem Protest des Klosterabtes aufbrechen lässt. Eine in der Halle befindliche, auffällige Bodenplatte wird freigelegt, worauf eine schwarze Wolke aus dem Schacht quillt und Strahlen freisetzt, die sich in alle Himmelrichtungen entfernen. Vom Abt erfährt Hong Xin in der Folge, dass in dem Tempel 36 „himmlische“ und 72 „irdische“ Sterne eingekerkert waren. In der Form der 108 Häuptlingen / Anführer der Räuber vom Liang schan Moor bringen sie in der Folge Unglück über das Land. Nach Kaifeng zurückgekehrt, verschweigt Hong Xin – aus Scham, Angst oder aus dramaturgischen Gründen – dem Kaiser seinen Missgriff.

Die Freisetzung der Sternengeister ist eines der wenigen übernatürlichen Ereignisse des Romans, welche im weiteren Verlauf der Erzählung eine eher marginale Rolle spielen. Erst im Kapitel 71 werden die Gestalten und ihre Rolle enthüllt, die hinter den 108 Sternen stecken. Die Hinauszögerung bis zum Schluss macht insofern Sinn, als bis zum Schluss der Erzählung Helden zum Liang schan gelangen und die komplette Anzahl der Anführer der Bande erst spät erreicht wird. Gelegentlich wurde diese Symbolik als Hinweise aus dem buddhistischen Konzept der Leere und der Vergeblichkeit interpretiert – die Räuberhäuptling tauchen aus dem Nichts auf und am Schluss löst sich ihre Bande auf und zerfällt.

Nach dem hier beschriebenen Prolog setzt sich die Erzählung von 70 – in anderen Versionen 120 – Kapitel zusammen, in denen die Helden vorgestellt werden. Ich acht abgeschlossenen Episoden steht zudem jeweils ein Held im Mittelpunkt, in welchen sein Werdegang und seine Motivation, sich der Bande anzuschliessen, thematisiert wird. Während die ständigen Ortswechsel am Beginn der Erzählung die Abgeschiedenheit der Region des Moores am Liang-Berg betonen, rückt diese im Verlauf des Romans immer mehr in den Mittelpunkt. Die weitläufige Festungs- oder Burganalage auf dem Berg im Moor wird zum „Zuhause“, in das die Banditen nach ihren weit ins Reich führenden Raub- und Eroberungszügen zurückkehren und wo auch ihre Familien wohnen.
 
Handlung II

Im ersten Kapitel nach dem Prolog tritt eine Figur auf, die der „Hofkamarilla“ des Kaiserhofes in Kaifeng (heute Kai fong fu) angehört und die Geschicke des Reichs bestimmt. Kao Kiu – Kao der „Ballstosser“ (so sein Name aufgrund seiner Fähigkeiten im Fussball – das gab es im mittelalterlichen China tatsächlich) steigt vom Nichtsnutz und Herumtreiber zum Gefolgsmann des Prinzen Wang Jinqing, dann zum späteren Prinzen Duan, des späteren Kaisers auf, welcher ihn zum Befehlshaber der Palasttruppen macht. Zusammen mit Tsai King (1046 – 1126), dem späteren Kanzler des Reichs, fällt dem Ballstosser die Rolle des korrupten Ministers zu, dessen Machenschaften wesentlich zum Sturz der Sung-Dynastie beiträgt. Das Bild des Kaisers selbst (Hui Tsung) ist wenig ausgeprägt, allerdings vermittelt dieser eher den Eindruck von Schwäche und des Ausgeliefertseins. Gegend das Ende der Erzählung, als er zwei Feldherren mit dem Auftrag gegen den Liang schon Moor beauftragt, heisst es: „Daraufhin verliess er die Audienzhalle der Mandarine – alle lächelten insgeheim.“

In einer der folgenden Episode welche sich um den kaiserlichen Waffenmeister von Kaifeng, Lin Tschung den „Pantherschädel“ dreht, rundet das Bild des Bösewichts Kao Kiu ab. Lin gehört zu jener Sorten von Helden, welche am Anfang der Erzählung durch den Ehrbegriff (yiqi) miteinander verbunden werden und deshalb viel unproblematischer resp. viel weniger ambivalent sind als andere zentrale Figuren des Romans. Auf den Pantherschädel und seine mit ihm verbundenen Freunde trifft am ehesten die Tatsache zu, als „ehrbare Männer“ durch die Nachstellung böser Minister und Beamter zur Flucht zu den Räubern gezwungen worden zu sein. Die Häuptlinge seines Schlages sind es auch, die es zunächst ablehnen, sich den Räubern im Liang schan Moor anzuschliessen.

Mit einem dreckigen Komplott Kao Kuis des Ballstossers, welcher der Frau des Pantherschädels nachsteigt, wird dieser in sein Verderben getrieben. Nachdem Lin Tschung von einem dubiosen Händler ein kostbares Schwert erworben hat, wird er von Kao, der angeblich die Waffe begutachten will, in den Kaiserpalast zitiert. Zu spät bemerkt der Pantherschädel die Falle – führt man ihn doch in die „Halle des Weissen Tigers“, wo gewöhnlich Beschlüsse über kriegerische Unternehmen gefasst werden und der Zutritt mit Waffen verboten ist. In der Folge wird Lin des Mordversuchs bezichtigt, wobei der konstruierte Urteilsspruch mit Bastonade, Brandmarkung und Verbannung vergleichsweise Milde ausfällt. Auf dem Weg in die Verbannung werden die Wächter von Lin Tschung im „Wildschweinforst“ zwar von einem Freund des Verbannten, Lu Ta dem „eiserner Mönch“, auch „Blumenmönch“ genannt (der Name bezieht sich auf dessen Tätowierungen) gestellt, doch Lin Tschung beharrt darauf, seine Strafe in der Verbannung korrekt absitzen zu wollen. Lu Ta selbst, ein Totschläger aus ehrbaren Gründen, der als Mönch in ein Kloster eingetreten war um sich vor der Justiz zu verstecken, wird später ein Räuberhäuptling vom „Zweidrachenberg“ und schliesst sich noch später ebenfalls den Liang schan Rebellen an, wo er der körperlich wohl stärkste Räuber darstellt.

Nachdem am Verbannungsort Lin Tschung einem von Kao in Auftrag gegebenen Mordanschlag entkommt und die Mörder tötet, muss er dennoch zu den Räubern fliehen, wobei er vom bereits erwähnten Tschai Tsin, dem „kleinen Taifun“, ein entsprechendes Empfehlungsschreiben erhält. Tschai Tsin, ein einflussreicher Mann der sich Verfolgten annimmt nimmt eine Sonderstellung unter den Räubern ein. Es ist ein Nachfahre Tschai Rongs, des Kaisers Shih Tsung (954 – 960) aus der späten Chou-Dynastie und der einzige Hochadlige der Bande.

Ausgangspunkt der militärischen Kampagnen gegen die Banditen vom Lian schan Moor ist der Verwaltungsbezirk Qizhou, welcher in den folgenden Episoden Ort der Handlung ist. Dabei ist die zentrale Figur der Geschehnisse Tschao Kai, der „Pagodenträger“, ein wohlhabender Gutsherr und Wohltäter, der für seine Unterstützung Verfolgter und auch dafür bekannt ist, im Stile von Robin Hood den Reichen zu nehmen und den Armen zu geben. Als nur Tschao Kai eines Tages von einer Karawane des Statthalters Liang von Peking erfährt, mit der wertvolle Geschenke an den Kanzler in Kaifeng transportiert werden, beschliesst er, mit einigen Gefährten die Karawane zu überfallen. Der Handstreich, der sogenannte „Überall am Gelbschlammgrat“, gelingt. Der Kanzler Tsai King, dem bereits früher einmal eine Geschenksendung von Banditen gestohlen worden war, ordnet daraufhin ein rigoroses Vorgehen gegen die Räuber in Schantung an. Für Tschao Kai wird die Lage bedrohlich, als Pai Schong, ein Teilnehmer des Überfalls, auffliegt und unter der Folter die Namen seiner Komplizen preis gibt. Tschao Kai wird jedoch von Sung Kiang, dem späteren Oberhäuptling der Bande, der zu jener Zeit als Amtsschreiber in der Region arbeitet, gewarnt, so dass er sich Tschao Kai mit seinen restlichen Gefährten zum Liang schan Moor absetzen kann. Dort sind sie allerdings nicht willkommen und sollen eigentlich, auf Betreiben des Oberhäuptlings der Bande, Wang Lun, abgeschoben werden. In der Folge kommt es jedoch unter den bisherigen Häuptlingen kommt es zum Streit, in dessen Verlauf Lin Tschung der Panterschädel Wang Lung erschlägt und Tschao Kai zum Oberhäuptling der Bande gewählt wird. Die Führungstruppe umfasst zu diesem Zeitpunkt 11 Männer – Tschao Kai der „Pagodenträger“ fugiert als Oberhäuptling; als Häuptlinge stehen ihm zur Seite der ehemalige Waffenmeister Lin Tschung genannt „Pantherschädel“, der Gelehrte, Stratege und ehemalig Dorfschulmeister Wu Yung genannt „Listenstern“, der Taoistenmönch Kung Sun Schong genannt „Wolkendrache“, die drei Brüder und Fischer Yüan, die beiden Räuber und Waldläufer Liu Tang genannt „Rothaarteufel“ und Tschu Kweh genannt „Strandsignalpfeife“ sowie zwei weitere Unterhäuptlinge, Sung Wan der „Wolkenriese“ und Tu Kiän der „Wolkenberührer“.
 
Handlung III

Unter der Leitung von Tschao Kai wächst die Bande und die Zahl der Häuptlinge wächst auf 28. Damit gebührt Tschao Kai nicht nur der Verdingst – anders als Sung Kiang der spätere Oberhäuptling – die längste Zeit als Führer der Räuber vom Liang schan zu fungierten; er gibt der Bande auch ein andere Gepräge und formt aus den gewöhnlichen Banditen, Wegelagerern und Plünderer eine kampfstarke Truppe mit höherern Zielen als der blossen Plünderung der umliegenden Bevölkerung. Dies kommt u.a. auch darin zum Ausdruck, dass er für die 800 Mann starken Räuberbande eine Rangordnung unter dem Führungskader festlegt und dem bisherigen Banditengewimmel eine Struktur gibt. Darüber hinaus setzt er mit seiner Sorge um das Wohl der niederrangigen Gefolgsleute auch neue soziale Massstäbe, ganz abgesehen von den militärischen Neuerungen, die die Schlagkraft und Verteidigungskraft der Truppe verbessern sollen. Hier beginnt sich die spätere „ideale Gemeinschaft“ auf der der Festung des Liang-Berges anzukündigen.

Nach seiner Wahl zum Oberhäuptling verteilt Tschao Kai an die Unterführer und die Räuber der unteren Dienstgrade eine erhebliche Menge von seinem Beuteanteil am Überfall und den Reichtümern, die er aus seinem Dorf mitgebracht hatte. Anschliessend wird mehrere Tage lang geifert und Tschao Kai lässt eine Bestandesaufnahme aller Waffen, Rüstungen, Kleidung und Vorräte durchführen. Nach Beratung mit den 10 anderen Führern beschliesst er, dass die Vorratsspeicher ausgebessert und alle im Laufe der Jahre entstandenen Bauschäden beseitigt, eine grosse Anzahl Dschunken gebaut und Waffen auf Vorrat angefertigt würden. Mit den Räubern werden täglich Übungen im Rudern und Steuern der Dschunken, in der Handhabung der verschiedenen Waffen und im Kampf von der Dschunke aus abgehalten, um auf kommende Schlachten mit den kaiserlichen Truppen vorbereitet zu sein.

Zwischenzeitlich wird die Handlungsebene zu Sung Kiang, dem späteren Oberhäuptling, welcher Tschao Kai vor dem Zugriff der Häscher gewarnt hatte, verlegt. Sung Kiang ist, wie erwähnt, historisch nachgewiesen, wenn auch dürftig. Sein Persönlichkeitsprofil ist im Roman detailliert ausgearbeitet: es dürfte sich bei ihm um eine der fragwürdigsten Helden der älteren chinesischen Literatur handeln. Nachgerade drängt sich der Eindruck auf, dass man an seiner Person einmal die Heldenproblematik gründlich aufarbeiten und von den stereotypen Mustern wegführen wollte.

Sung Kiang, u.a. „Regenspender von Schantung“ genannt, gilt als ein integerer, hilfsbereiter und guter Mann, der niemanden abweist, der sich in Not um Unterstützung an ihn wendet. Seine ausgeprägte Wohltätigkeit wird, im Sinne von „Hilfe in der Not“ durch seinen weiteren Übernahmen als „Regen zur rechten Zeit“ gewürdigt. Gerade diese Bezeichnung jedoch, so der Eindruck, kann gelegentlich auch ironisch verstanden werden und auf Sungs Neigung zu Tränenausbrüchen und zu überstürzten militärischen Unternehmungen hinweisen, die eben gerade nicht „zur rechten Zeit“ erfolgen.

Daneben kommt in den späteren Kapiteln des Romans mit „Hüter der Ehre und Gerechtigkeit“ ein weiterer Zuname Sungs auf, welcher Aufschluss über ein zentrales Merkmal von Sungs Charakter gibt. Sungs ethische und moralische Ansprüche hinsichtlich Treue, Aufrichtigkeit und Loyalität sind in einer Weise überzogen, dass er selbst ständig mit ihnen in Konflikt gerät und nicht immer eine gute Figur abgibt. In den Anfängen der Geschichte über seinen Werdegang spendet Sung einer alten, in finanziell Not geratenen Frau einen Sarg für ihren verstorbenen Mann. Die alte Frau möchte sich erkenntlich zeigen und bringt Sung mit ihrer Tochter Poxi zusammen, welche als Sängerin in Weinschenken und Bordellen arbeitet. Sung lässt sich von der alten Frau bequatschen, geht die Ehe mit Poxi ein, mietet ein Haus für Mutter und Tochter und kommt auch sonst für deren Lebensunterhalt auf. Nachdem er jeden Abend bei Poxi verbringt, werden seine Besuche bei ihr im Verlauf der Monate immer seltener.

Der Grund für Sungs zunehmendes Desinteresse liegt, wie es heisst darin, dass er „es liebte, nach getaner Arbeit als Schreiber in der Amtsstube, sich in der Handhabung verschiedener Waffen zu üben und Bücher über Kriegskunst zu lesen“. Die junge Poxi (18 Jahre) war natürlich nicht erbaut von so einem Langweiler als Ehemann. Es kommt zu einer Affäre mit dem „Dritten Tschang“, einem Hilfsschreiber von Sung. Sung regt sich allerdings, im Gegensatz zu anderen betrogenen Ehemännern des Romans, über das Fremdgehen seiner Frau nicht im Geringsten auf. Seine einzige Reaktion beschränkt sich darauf, sich überhaupt nicht mehr bei ihr blicken zu lassen.

Als Poxis Mutter die Ehe retten will und Sung zu einem Besuch bei der Tochter überreden kann, kommt es zum Eklat. Als Sung nach einer ereignislosen Nacht das Haus verlässt, vergisst er seine Tasche, welche von Poxi untersucht wird. Die Tasche enthält einen Brief des neuen Oberhäuptling Tschao Kai vom Lian schan Moor sowie Geld, welches Sung einem Sympathiesanten der Räuber übergeben soll. Als Sung zurückkehrt und die Herausgabe des kompromittierenden Briefes und des Geldes verlangt, leugnet seine Frau, etwas vom Schreiben zu wissen. Sung lässt sich auf erniedrigende Verhandlungen ein und stimmt allen Forderungen der Frau zu. Er soll sie freigeben, ihr Schmuck und Bekleidung überlassen und sie mit einer grosszügigen Abfindungssumme ausstatten. Als sie jedoch das Geld in der Tasche, welches für den Sympathiesanten bestimmt, als Sicherheit zurückbehalten will, reisst Sung schliesslich der Geduldsfaden. Es kommt zu Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf Sung seine Frau mit einem Dolch tötet.
 
Handlung IV

Die Szene verdeutlicht, dass Sungs Verhalten oft nicht aufrichtig und überhaupt nicht heldenhaft wirkt. Eine weitere Episode aus der Zeit seiner Verbannung (die vergleichsweise milde Strafe für den Mord an seiner Frau verdankt Sung seiner allgemeinen Beliebtheit und seinem guten Ruf – ein Hinweis auf die nepotistische Rechtssprechung) verdeutlicht dies. In einer Weinschenke ausserhalb seines Verbannungsortes an einem lauschigen Flussufer pinselt Sung in angetrunkenem Zustand ein aufrührerisches Gedicht an die Kneipenwand. Sung zeigt sich hier in keiner Weise als der idealistisch Rebell, welcher gegen Korruption, Misswirtschaft und ganz allgemein gegen die herrschenden Verhältnisse vorgeht und mit dem Gedicht Mitstreiter gewinnen will. Vielmehr geht sein Bestreben dahin, sich im Hinblick auf seine eigene künftige Bedeutung (Sung ist überzeugt davon, zu grossen Taten berufen zu sein), für die Nachwelt zu verewigen. Dabei geht es ihm darum, darauf hinzuweisen, wie schlecht es ihm momentan geht – das Gedicht ist mehr oder weniger Ausdruck seiner Wehleidigkeit im Angesicht seines angetrunkenen, heulenden Elends.

Nachdem seine Verse entdeckt werden, bekennt sich Sung keineswegs zum Geschriebenen sondern versucht, um der drohenden Verurteilung durch Hochverrat zu entgehen, Geisteskrankheit vorzutäuschen wobei er sich in Kot und Urin wälzt. Als dies niemanden überzeugt, gesteht er, die Verse besoffen geschrieben zu haben und beteuert, dass er keinerlei rebellische Absichten hege. Seine Beteuerungen nützen allerdings nichts. Seiner Hinrichtung entgeht Sung im letzten Augenblick, weil ein Brief mit der Nachricht seiner bevorstehenden Hinrichtung in die Hände der Räuber vom Liang schan fällt, welche ihn auf dem Richtplatz gerade noch rechtzeitig befreien können und ihn mit auf ihre Festung mitnehmen. Allerdings verlässt Sung die Bande wieder und findet sich erst viel später – und wiederum nicht freiwillig – zu den Banditen zurück. Sung Kiang wird also nicht aus freiem Willen oder aus Überzeugung Rebell, sondern aufgrund ungünstiger Umständen. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass er sich nie eindeutig zur Sache der Räuber bekennt. Es ist, als stehe er unter einem seltsamen Zwang, sich stets mit dem „Wohl des Reiches“ zu rechtfertigen. Sein Motiv als Rebell, das er im Übrigen recht spät zu erkennen gibt, erklärt er immer damit, dass der Kaiser die falschen Leute als Statthalter, Mandarine und Beamte regieren lässt, welche nur ihrem persönlichen Vorteil und der Habgier verpflichtet sind und das Volk ausbeuten würden.

Zehrt Sung anfänglich noch von dem Anspruch ein grosser Mann zu werden, so muss er sich nach Übernahme der Führungsrolle auf dem Liang schan (er teilt sich den Oberbefehl mit Tschao Kai) bewähren. Als Anführer offenbart er dann allerdings eine Reihe von Schwächen. So neigt er dazu, sich bei den Militäraktionen von persönlichen Rachegelüsten leiten zu lassen, welche das Räuberheer oft in schwierige Situationen bringt. Weshalb Sung Kiang, der ausser seinen nicht immer erfolgreichen Versuchen zu einer vom Konfuzianismus diktierten ethnischen Grundhaltung weder über strategisches Geschick noch über sonderliche Waffenkünste oder Körperkräfte und auch nicht über eine ausgeprägte persönliche Tapferkeit verfügt, dennoch mit Tschao Kai die Rolle des Oberhäuptlings teilt, ist nicht unbedingt ersichtlich. Fast alle Häuptlinge sind ihm – auch die Frauen – waffentechnisch überlegen, drei Häuptlinge sind wahre Meister von Strategie und Taktik, andere sind hervorragende Handwerker, Künstler oder Gelehrte, denen er auch intellektuell nicht das Wasser reichen kann. So ist auch der ihm vorauseilende Ruf, der fast jeden waffenstarrenden Krieger und alle einschlägigen Gestalten der Halbwelt mit denen er in Berührung kommt zu Freunden macht, eigentlich nicht gerechtfertigt. Erst im Verlauf der Erzählung erschliesst sich, dass es nicht in erster Linie seine moralischen Bemühungen sind, die ihn zu einer herausragenden Stellung verhelfen, sondern seine Grosszügigkeit und Freigiebigkeit. In dieser Hinsicht gleicht er einem mittelalterlichen Fürsten, der sich das höfische Ideal der Grosszügigkeit bis zur Verschwendung zu eigen gemacht hat und damit eine Gefolgschaft von schlagkräftigen Rittern um sich schart.

Der Aufenthalt Sung Kiangs bei Tschai Tsin, dem „kleinen Taifun“, einem einflussreichen Burgherrn der es mit den Räubern hält (und später ebenfalls zu einem Häuptling auf dem Liang schan wird) ist ein wichtiges Moment der Erzählung. Denn zu gleicher Zeit wie Sung hat auch Wu Sung, der als flüchtiger Schläger in Qinghe mit einem hohen Mandarin aneinandergeraten ist, bei Tschai Tsin Unterschlupf gefunden. Er ist einer der beliebtesten Figuren des Romans. Vom Typus ist Wu Sung irgendwo zwischen dem vorsichtig taktierenden Waffenmeister Lin Tschung (Pantherschädel) und dem starken und grausamen Li Kweh, dem „Eisernen Büffel“ oder „Schwarzen Taifun“ angesiedelt (der wird weiter unten thematisiert). Wu Sung ist mit einem spannenden Kriminalfall verknüpft. Seine Gestalt fand auch Eingang in das „King Ping Meh“, ein etwas späteres Erzählwerk der alten chinesischen Literatur.
 
Handlung V

Das ausgeprägteste Merkmal von Wu Sung ist seine Gewalttätigkeit, welche eine allmähliche Steigerung von den milden Formen bis zum Blutrausch erfährt. Wu Sung ist bereits nach kurzer Zeit im Haus von Tschai Tschin nicht mehr wohlgelitten. Besonders nach dem Genuss von Alkohol gilt er als zänkisch und brutal, so dass er bald mit Sung Kiang Tschais Haus verlässt, darauf aber allein den Weg ins Gebirge einschlägt, um seinen Bruder aufzusuchen. Unterwegs in einer Herberg, wo sich Wu Sung volllaufen lässt, wird er von der Weiterreise über das Gebirge gewarnt, da die Gegend von einem menschenfressenden Tiger unsicher gemacht wird. Wu ignoriert die Warnung, setzt seine Wanderung fort, trifft folgerichtig auf den Tiger und erschlägt diesen nur mit seinem Knüppel und seinen Fäusten. In der Folge wird Wu Sung von der dankbaren Bevölkerung zum Hauptmann der Stadtgarnison Tsing Ho Hsiän gemacht, wo er auch seinen Bruder, Wu Dalang den „Dreizollnagel“ trifft.

Damit ist der Übergang zu einer der berühmtesten Kriminalfällen der alten chin. Literatur geschaffen. Die in den Fall verwickelten Personen sind Pan Jinlian „Goldlotos“, die junge, lebenshungrige Frau des schwächlichen Wu Dalang, deren Verführungsversuchen der unbedarfte Wu Sung eisern widersteht; sodann eine Nachbarin namens „Alte Wang“, die Pan Goldlotos und ihrem Liebhaber Hsi-Men oder Ximen Qing als Kupplerin wertvolle Dienste leistet und ihnen eine Unterkunft für ihr regelmässiges Stelldichein gibt. Ximen Qing hat als Protagonist im „King Ping Meh“ Unsterblichkeit erlangt, findet dort aber aufgrund seiner sexuellen Ausschweifungen ein ganz anderes Ende als in den „Räubern“.

Wu Sung hat zunächst überhaupt keine Ahnung von den Ereignissen um ihn herum, hat auch gar keine Gelegenheit, tiefere Einblicke in das heraufziehende Unglück zu bekommen, da ihn ein amtlicher Auftrag (er soll einen Goldtransport in die Hauptstadt begleiten) zunächst aus der Stadt führt. Kaum ist er fort, schmieden die Alte Wang, die junge Gattin und ihr Liebhaber Pläne, um den lästigen Wu Dalang beiseitezuschaffen. Als dieser von der Affäre seiner Frau mit Ximen Qing erfährt und droht, seinen gewalttätigen Bruder nach seiner Rückkehr einzuweihen, sehen sich die drei zu schnellem Handeln gezwungen: Wu Dalang wird kurzerhand vergiftet, seine Leiche von dem bestochenen Bestatter verbrannt. Wohl erregt der zwanglose Umgang von Pan Jinlian und Ximen Qing Anstoss im Ort, doch aus Furcht vor der machtvollen Stellung des jungen Herrn wagt niemand, Einspruch zu erheben. So tappt auch Wu Song zunächst völlig im dunkeln, als er nach der erfolgreichen Beendigung seiner Mission von dem plötzlichen Tod des Bruders erfährt. Da ihm jedoch bei der Verrichtung der Gebete für den Toten am Altar die geisterhafte Gestalt des Wu Dalang erscheint und klagt, eines schrecklichen Todes gestorben zu sein, ist Wus Verdacht geweckt. Ein Verhör des Leichenbestatters fördert schliesslich die ganze Wahrheit zutage. Nachdem er die Alte Wang und Pan Jinlian zu einer inszenierten Trauerfeier ins Haus geladen hat, verhört Wu Sung zunächst beide Frauen und vollstreckt sodann eigenhändig die Hinrichtung an der Gattenmörderin.

Die Ereignisse um Wu Sung, Pan Jinlian und Ximen Qing bringen den ausgeprägten misogynischen Ton in den „Räubern“ besonders deutlich zum Ausdruck. Die meisten weiblichen Gestalten im Roman wirken – wie schon bei der Affäre um Sung Kiang und Yan Poxi angedeutet – im Vergleich zu den männlichen Helden wenig diszipliniert. Besonders auffällig sind ihre sexuellen Ausschweifungen. Es hat den Anschein, als hegten Figuren wie Wu Sung und Sung Kiang gerade wegen ihres sexuellen Puritanismus einen unbewussten Hass gegen die Frauen als ihre schlimmsten Feinde, das sie eine quälende Erinnerung an die Unnatürlichkeit ihrer heldischen Selbstgenügsamkeit verkörpern. Die Erhabenheit über sexuelle Versuchung stellt dabei den entscheidenden Test für einen Helden dar. Es fällt auf, dass die Mehrzahl der Männer vom Liangshan Junggesellen sind, doch auch bei den verheirateten Bandenmitgliedern spielt die Liebe kaum eine Rolle. Allerdings zeigt sich hier doch auch wieder die Äquivalenz des Romans. Immerhin drei Häuptlinge der Liang-schan Räuber sind Frauen. Die eine ist I Tschang Tsing, genannt „Messlattenviper“ oder auch „Zehnfussblaue“, eine ehemalige Burgherrin und überragen Kämpferin, deren Waffenkunst u.a. auch diejenige ihres Mannes, dem Räuberhäuptling Wang Ying „Kurzbeintiger“, übertrifft. Bei der anderen handelt es sich um eine ehemalige Gastwirtin, die rabiate Ku Dasao genannt „Tigermutter“ während die Dritte, Sung Erniang „Weibliche Yaksha“, ebenfalls eine ehemalige Gastwirtin ist, welche in ihrer Landschenke vorbeikommende Gäste betäubte, schlachtete und deren Fleisch als Spezialität des Hauses servierte.

Gewalt und Blut verfolgen Wu Sung unterdes auf seinem Weg in die Verbannung auch weiterhin. Selbstgerecht, wie er ist, verliert er bald jeden Massstab für sein Handeln. Hat er vorher ein selbst gefälltes Urteil an Tätern und Mittätern vollstreckt, erliegt er im Haus eines Feldherrn, der ihn hintergeht, einem Blutrausch, dem die ganze Familie des Generals zum Opfer fällt. Nebst Generals Zahng und einigen Diener sind auch unschuldige Frauen und Kinder nicht sicher. Wu Sung tötet auch die zwei kleinen Kinder und die Frau des Generals sowie die Sklavin „Jadeorchidee“, welche zuvor als Gemahlin versprochen worden war. Am Ende hinterlässt Wu Sung 15 Tote. So sehr das Vorgehen des Helden in der Ausführung der Rache seiner Tat im Auftrag seins ermordeten Bruders ähnelt, ist doch ein neuer Ton vernehmbar: Gerade die Ermordung Unbeteiligter und der Hinweis auf einen Diebstahl vor dem Verlassen des Hauses (Wu Sung raubt Gold und Silber) sollen an dieser Stelle vermutlich bewusst Abscheu hervorrufen.
 
Handlung VI

Eine Steigerung des selbstgerechten Wu Sung findet sich in einer der negativsten Gestalten unter den Häuptlingen vom Liang Schan Moor. Li Kweh, auch „Eiserner Büffel“ und „Schwarzer Taifun“ genannt, ist eine überaus komplexe Gestalt, welche sich als ebenso pietätvoll und loyal wie sadistisch und grausam zeigt. Voller Hingabe diente er der Sache der Banditen und seinem Herrn, Sun Kiang, dem Regenspender von Schantung. An Li Kweh wird die dem Roman zugrunde liegende Helden-Ideologie („Haohan“) – gekennzeichnet durch Solidarität, Ehre, Rache und sexuelle Enthaltsamkeit – eindrucksvoll problematisiert. Sein Wesen ist von zahlreichen Widersprüchen und Extremen geprägt. Einerseits im Besitz grosser Wildheit und körperlicher Kraft (er kämpft immer mit zwei Streitäxten gleichzeitig) zeigt er gelegentlich auch Schwächen, etwa wenn er im Kampf gegen verschiedene Frauen unterliegt. Seine bodenständige Moral steht oftmals im Gegensatz zur konfuzianischen Ethik seines Herrn.

Im Roman wird die Gestalt des Li Kweh erst recht spät eingeführt. Sung Kiang und Li Kweh lernen sich während Sungs Verbannung in einer Kneipe von Jianghhou kennen. Auch Li befindet sich nicht freiwillig in der Stadt; in seinem Heimatdorf hat er einen Mann erschlagen und nun nach seiner Flucht eine Anstellung als Hilfswächter erhalten. Das Verhältnis von Sung Kiang und Li Kweh beruht von Beginn an auf gegenseitiger Sympathie, wobei Li Kweh Sung sogleich als „Herrn“ anerkennt. Sung wiederum ist beeindruck von der Kraft des urwüchsigen Mannes, in dem nach seinem Dafürhalten kein Falsch ist.

Nachdem Sung Kiang einen Streit zwischen Li Kweh und einer Reihe von Spielern geschlichtet hat, denen Li ihren Einsatz abnahm, speist man gemeinsam. Es kommt zu einer Szene, in der das Rauhbein seine ganze Natürlichkeit und Unverfälschtheit an den Tag legt.

„Song Kiang genoss den guten Trunk mit Behagen; sein Auge verweilte auf den beiden Männern, die mit ihm am Tisch sassen, und ihm wurde warm ums Herz. Plötzlich ging es ihm durch den Sinn, dass er gern eine kräftige Fischsuppe essen würde. …. Er befahl dem Bediensteten, ihnen drei Näpfe stark mit rotem Pfeffer gewürzte weisse Fischsuppe zu bringen. Als sie aufgetragen wurden, betrachte Sung Kiang mit Wohlgefallen den vor ihm stehenden Napf und sagte: ‚Ein Gericht mag noch so schmackhaft sein – dem Vergleich mit seinem schönen Behälter hält es nicht stand.‘ Er und Tai Tsung, genannt Geisterläufer, holten mit den Essstäbchen geschickt die Fischstücken aus der Suppe; aber Li Kweh langte sie mit den Fingern heraus und verspeiste sie mitsamt den Gräten.

Song Kiang trank ein paar Schluck von der Suppe, dann setzte er den Napf ab. ‚Beim Zechen trinke ich gern zwischendurch etwas Fischsuppe, aber diese ist nicht gut‘, meinte er.

Auch Tai Tsung mochte die Suppe nicht, sie wäre versalzen. Li Kweh aber sagte: ‚Wenn ihr beiden Brüder die Suppe verschmäht, will ich sie statt euer geniessen.‘ Und schon streckte er den Arm aus, angelte mit den Fingern die Fischstückchen aus Song Kiangs Napf und ass sie wieder mitsamt allen Gräten, ebenso verfuhr er bei Tai Tsung. Der Tisch war über und über mit Suppe bekleckert.

Sung Kiang rief den Bediensteten. ‚Mein Älterer Bruder scheint noch Hunger zu haben‘, sagte er. ‚Bringt ihm Fleisch ! Nachher bezahle ich für uns zusammen.‘

Der Bedienstete entgegnete: ‚Dieser Demütige hat nur Hammelfleisch anzubieten, kein Kuhfleisch. Wünscht Ihr aber fettes Hammelfleisch – das ist reichlich vorrätig.‘

Li Kweh griff nach den Suppennäpfen und schüttete dem Mann die Reste ins Gesicht, dass er über und über bespritzt war. Tai Tsung rief unwillig: ‚Was soll das nun schon wieder heissen ?‘ Worauf Li Kweh erwiderte: ‚Dieser Bursche hat ein unerträgliches Benehmen ! Tut, als wolle ich nur Kuhfleisch essen, und will mir kein Hammelfleisch verkaufen !“

Sung Kiangs Begeisterung für den Helden Li Kweh muss freilich nach dessen Umzug zum Liang schan Moor angesichts seiner mehr und mehr von Sadismus und Lust am Töten geprägten Züge bald nachlassen. Das anfangs von Respekt und Bewunderung geprägte Verhältnis weich mehr und mehr einer Hassliebe. So wie Sung dem Li seine zunehmende Brutalität vorwirft, erweist sich Li als vehementester Gegner gegen die Bestrebungen von Sung, seine Rolle als Anführer aufzugeben und den Ausgleich mit den Sung-Herrschern zu suchen. Der Bruch im Verhältnis der beiden Männer setzt unmittelbar nach der Übersiedlung auf den Liangshan ein. Zwar erweist sich Li Kweh zunächst als treuer Vollstrecker der von Sung angeordneten Rache an Huang Wen Ping, (genannt gelber Wespenstachel), dem Beamten, der ihn wegen seiner rebellischen Verse hinrichten lassen wollte. Doch die Art und Weise der Ausführung ruft Entsetzen hervor. Huang hat bereits seine Schuld gestanden, bittet lediglich um einen raschen Tod, als Li Kweh auf die Frage, wer Hand an den Mann legen wolle, nach vorne tritt, um genau das Gegenteil der letzten Bitte zu tun.

„Und mit einem spitzen, scharfen Messer schnitt er Huang Wenbin Stückchen um Stückchen das Fleisch von den Knochen und röstete es zum Verzehren mit einem Trunk kräftigen Weines in einem mit glühenden Holzkohlescheiten gefüllten Becken. Zum Schluss öffnete er ihm die Brust, trennte Herz und Leber heraus und kochte daraus eine kräftige Brühe, bestimmt, den Häuptlingen gereicht zu werden, wenn sie sich den nächsten Rausch angetrunken haben würden.

Für diese grausame und unnötige Tat übt das Schicksal auf eigene Weise Rache. Als Li Kweh seine Mutter auf den Liang schan holen möchte, wird die Frau unterwegs von einem Tiger gefressen.

Li Kwehs Problem ist seine unberechenbar, eruptive Gewalt, und so muss er sich immer wieder Vorwürfe von Sung Kiang gefallen lassen, etwa als er bei den Kämpfen gegen den Clan der Hu im Blutrausch eine mit den Räubern befreundete Familie auslöscht. Noch viel stärker als bei den Taten Wu Sungs kommen hier Willkür, Unbedachtheit und Sorglosigkeit bei der Anwendung von Gewalt zum Ausdruck. Doch alle Vorwürfe, die sich Li Kweh gefallen lassen muss, führen zu nichts. Unmittelbar im Anschluss an die harten Worte Sung Kiangs begeht Li Kweh einen abscheulichen Mord an einem kleinen Jungen, um den Polizeisergeanten Tschu Küan, genannt Schönbart, die Verfolgung aufnehmen zu lassen und ihn in das Lager der Liang schan-Banditen zu locken, damit er sich der Bande anschliesst – die sicherlich fragwürdigste Form der Rekrutierung eines neuen Bandenmitglieds und ein Beispiel für die immer absurdere Formen annehmende Verrohung im Roman.

Die kürzere Variante des Romans endet mit dem Gelübde der 108 Häuptlinge des Liang schan in der errichteten „Halle für Loyalität und Gerechtigkeit“, für das Wohl des Reiches zu kämpfen. beschliess sodann den Bund der Männer, die für das Wohl des Reiches kämpfen. In den längeren Fassungen des Roman werden die Bemühungen Sung Kiangs um eine Amnestie und die anschliessende Desintegration der Bande thematisiert, nachdem dieser seine Männer einmal in den Dienst des Kaisers gestellt hat. Die längste Fassung des Romans unterscheidet sich von der populären Hundert-Kapitel-Fassung dadurch, dass sie über die Feldzüge gegen die Kitan und den Rebellen und Gegenkaiser Fang La hinaus die Niederschlagung der von zwei weiteren Rebellen – Tian Hu und Wang Qing – angezettelten Aufstände schildert. Doch trotz aller Verdienste um den Herrscher kann Sung Kiang die Auflösung der Bande und den Tod ihrer Mitglieder nicht verhindern. Sung selbst wird auf kaiserlichen Befehl hin vergiftet. Man beerdigt ihn in der Knöterich-Senke ausserhalb des Südtores von Chuzou. Sung erscheint den beiden letzten noch lebenden Mitgliedern des Führungskaders der Bande im Traum und fordert sie auf, an sein Grab zu eilen. Unabhängig voneinander treffen Wu Yung, genannt Listenstern, und Hua Jung, genannt Geisterschütz, am Ort ein. Der gemeinsame Selbstmord der beiden wird häufig als einer der Höhepunkte des Romans betrachtet. Es ist, als ob Listenstern und Geisterschütz mit ihrem Freitod die vorher zumeist leer und ausdruckslos gebliebenen Begriffe wie „Loyalität“ und „Gerechtigkeit“ noch einmal bekräftigen und von verbliebenen Zweifeln „reinigen“ wollten.

In einer abschliessenden Traumszene erscheinen Sung Kiang und Li Kweh noch einmal dem Kaiser und klären ihn über die Hintergründe des Anschlags auf. Doch die zur Rede gestellten Verschwörer bei Hofe weichen aus und entgehen einer Strafe. Mit dem dramatischen Romanende wird die zerstörerische Beziehung zwischen Sung Kiang und Li Kweh zu einem logischen Schluss geführt. Sinn und Zwecke der Räubergemeinschaft sind damit aber letztlich hinterfragbar.
 
Überlieferungsgeschichte

Obwohl das Original der „Räuber vom Liang schan Moor“ nicht erhalten ist, ist der Verfasser aus einem von ihm stammenden Vorwort – welches ebenfalls überliefert wurde – bekannt. Es handelt sich um einen gewissen „Schi Nai An“, welcher nach eigenen Angaben im 13. Jahrhundert (in den letzten Regierungsjahren der Yüan-Dynastie) lebte und aus Kaiserstadt Loh yang (heute Ho nan fu) in der Provinz Honan stammte. Entsprechend seinem Vorwort scheint es sich bei Schi Nai An um einen vermögenden Privatmann gehandelt zu haben, der am Ufer eines Stroms (Ho nan fu liegt am Südufer des Loh-Flusses) ein Landgut bewohnte, welcher die Geschichten über die Räuber (welche von seinen zahlreichen Freunden, Gästen und professionellen Geschichtenerzähler stammten) sammelte und niederschrieb. Gemäss einer These, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts nach der Entdeckung einer Grabinschrift zu kurieren begann, soll Schi Nai An in der Yüan-Zeit im Jahr 1331 den Doktortitel resp. das chinesische Äquivalent dazu erworben haben. Der Rückzug aus den Amtsgeschäften soll ihm unter der Ming-Dynastie später die Musse verschafft haben, den Roman „Die Räuber vom Liang schan Moor“ resp. die „Wasserufergeschichte“, wie die wörtliche Übersetzung heisst, zu verfassen.

Eine weitere These spekuliert, dass es sich bei Schi Na An um ein Pseudonym des Verfassers der „Geschichte der Drei Reiche“, eines weiteren Standardwerkes der alten chinesischen Literatur, Luo Guanzhong (1330 – 1400), handelt.
Luo Guanzhong – Wikipedia

Neuere Forschungen förderten Hinweise auf eine weitere Variante zu Tage. Danach soll Schi Nai An von 1296 bis 1370 gelebt und zwei Jahre als Magistrat in Hangzhou verbracht haben. Anders als Schis Vorwort glauben macht, soll nach dieser Version durchaus versucht worden sein, den Verfasser ins politische Tagesgeschäft zu involvieren. Dabei soll der durch die Mongolen zum Statthalter von Zhejang gemachte Tschang den Verfasser drangsaliert haben, so dass dieser nach Huaian umzog, wo er sich an die Abfassung des „Liang schan“, der „Drei Reiche“ sowie weiterer Romane wie „Niederschlagung der Dämonen“ gemacht haben soll. Der üblicherweise für diese Romane genannte Autor, Luo Guanzhong, soll dabei nur eine Assistenten-Rolle wahrgenommen haben.

Bis heute liegt keine Urfassung der „Räuber“ vor, so dass der Urheber nicht zweifelsfrei geklärt ist. Erste detaillierte Ausgaben der Geschichten dürften, so wird vermutet, bereits im frühen 16. Jahrhundert im Umlauf gewesen sein. Allerdings war der Roman lange Zeit lediglich in der 70 Kapitel umfassenden, aus dem Jahr 1642 stammenden Ausgabe des King Schon Tan bekannt. Dieser Roman endet mit dem erwähnten Bundes-Schwur der 108 Häuptlinge und enthält die Begnadigung der Bande durch den Kaiser und deren Kämpfe gegen die Liao-Dynastie und den Rebellen Fang La nicht. Bei dieser Roman-Version handelt es sich offensichtlich um eine bewusste Kürzung des Stoffes, welche dem Thema entsprechend der damaligen Zeit angesichts der Unruhen, welche den Zusammenbruch der Ming-Dynastie begleiteten, eine neu Lesart geben sollte. Mit der Streichung von 50 Kapitel fiel die ehrenvolle Kapitulation der Banditen weg, und damit auch die Möglichkeit zur Glorifizierung. Sung Kiang und seine Bande waren damit lediglich gewöhnliche Banditen.

Diese Romanversion blieb für rund 300 Jahre als Standardausgabe bestimmend und diente auch als Vorlage für die meisten Übersetzungen. Erst zwischen 1919 und 1929 gelang es der chin. Literaturforschung, die ältere, 100 und mehr Kapitel umfassende Version ausfindig zu machen. 1933 erschien die 120 Kapitel umfassende Ausgabe des Literaturhistorikers Hu Schi.

Da der Roman auch Kritik gegen Korruption und Misswirtschaft der in China herrschenden Gelehrtenkasten enthält, wurde er im Verlauf der Geschichte wiederholt zensuriert und verboten. Ein scharfer Erlass aus dem Ende des 18. Jahrhunderts ordnete strenge Haussuchungen bei den Verlagen und Buchhandlungen nach etwaigen Beständen an. Dabei sollten, nebst den Romanen, auch noch allfällig vorhandene hölzerne Druckstöcke zerstört werden. Der Roman „King Ping Meh“, welcher die Episode von Wu Sung und den Mord an Goldlotos aus den „Räubern“ aufgreift, abändert und zu einer eigenständigen Geschichte aufbaut war sogar noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein (nicht nur in China) verboten, da dessen Inhalt als pornografisch galt.

Der kompliziert Entstehungsprozess der Räuber vom Liang schan Moor, die Anreicherung des Urstoffs mit immer mehr mündlich überlieferten Anekdoten und Legenden, deren Intentionen in die Romanversion mit einflossen, deutet schon darauf hin, dass verschiedene Rezipienten des Werks mit ihm ganz unterschiedliche Aussagen verbinden konnten. Wo einzelne Episoden sich aus der Überlieferungstradition trennten, gewannen sie plötzlich einen Stellenwert, der ihnen ursprünglich gar nicht zukam. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass für die Räuber von Anfang an verschiedene Lesarten existierten und dass die Einengung auf eine einzige „offizielle“ Version, die dem Roman nicht gut bekam, angesichts des brisanten Inhalts abhängig war von den jeweiligen Zeitumständen.

Im Wandel der Zeiten und der ideologischen Bezüge machte die „Räuber“ als ein Erzählwerk, das in der Interpretation durch die Kommunisten einen äusserst sympathischen „Klassenhintergrund“ bot, eine interessante Rezeptionsgeschichte durch. Während der Roman in der Volksrepublik China bis zum Beginn der Siebziger gerne als ein Epos der Bauernrevolution gepriesen wurde, machte Mao daran seine Kritik an Zeitgenossen wie Tschou en Lai und Deng Xiaoping fest und gab damit ein Beispiel für die Funktion bestimmter historisch-literarischer Stoffe als Mittel politischer Allegorie.

Eine der ersten Übersetzungen (1933) der 120-Kapitel-Version, welche grössere Verbreitung fand, stammt von der Autorin von „die gute Erde“, Pearl S. Buck unter dem Titel „All men are brothers“.
Pearl S. Buck – Wikipedia .

1934 wurde der Roman von Franz Kuhn ins Deutsche übersetzt. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Übersetzung sondern um eine Nacherzählung, welche aber recht gelungen ist. Leider wurden dabei mehr als die Hälfte der Episoden unterschlagen – die Nacherzählung ist nicht vollständig.
Franz Kuhn (Sinologe) – Wikipedia

Eine weitere deutsche Übersetzung stammt von 1968 aus der DDR von Johanna Herzfeldt.
Johanna Herzfeldt – Wikipedia

Eine vollständige Übersetzung ins Französische unter dem Titel „Au bord de l’eau“ (hier wurde auch der Titel wörtlich exakt übersetzt) stammt von 1978 von Jacques Dars.
Jacques Dars — Wikipédia

Die Übersetzung ins Englische, welche ich als PDF gefunden habe und die, auch wenn man wie ich nicht besonders gut englisch kann, recht einfach zu Lesen ist, ist beinahe vollständig und stammt von 1980 von Sidney Shapiro.
Sidney Shapiro – Wikipedia

Örtlichkeit

Das Liang schan Moor war in historischer Zeit tatsächlich ein ausgedehntes Wasser- und Sumpfgebiet beim Liang Berg, auf dem die Räuber ihr befestigtes, burgähnliches Quartier hatten. Heute ist Gegend kein Moor mehr. Das Gebiet lag südöstlich von der Stadt Schou tschang hsiän in Schantung im Vereinigungsgebiet der Flüsse „Wen“, „Tsi“ und „Küe“. Als der Gelbe Fluss (Huang ho) seinen Wasserlauf nach Süden verlegt hatte, wurde das Gebiet im Laufe der Jahre trockengelegt und aufgeschüttet. Die Gegend lässt sich auf Google Maps ohne weiteres finden: Google Maps
 
Es wird am Thread-Anfang eine englischsprachige Übersetzung erwähnt.
Ich habe das als deutschsprachiges (zweibändiges) Buch gelesen.
Ich fand es toll, bis schließlich auf den fast letzten Seiten ein Kleinkind auf brutale Weise getötet wird. Dann fand ich den ganzen Text Sch... Naja, so ging es mir halt.

Über den realen Hintergrund bzw. das entsprechende Zeitalter weiß ich leider auch so gut wie nix. Würde mich schon interessieren.

Grüße
Peter
 
Es wird am Thread-Anfang eine englischsprachige Übersetzung erwähnt.
Ich habe das als deutschsprachiges (zweibändiges) Buch gelesen.
Ich fand es toll, bis schließlich auf den fast letzten Seiten ein Kleinkind auf brutale Weise getötet wird. Dann fand ich den ganzen Text Sch... Naja, so ging es mir halt.

Über den realen Hintergrund bzw. das entsprechende Zeitalter weiß ich leider auch so gut wie nix. Würde mich schon interessieren.

Grüße
Peter
Es ist gerade eben diese Ambivalenz, welche die Sagen resp. den Roman nach meiner Meinung einzigartig machen. Sagen und Märchen (inkl. Tausenduneine Nacht) der meisten Kutlurkreise haben ein strikte Verteilung ihrer Protagonisten in Gut/Böse. Auch die griechischen Sagen, von denen einzelne gelegentlich eine diesbezügliche Ambivalenz durchschimmern lassen, sind dabei weit entfernt von der Radikalität der "Wasserufergeschichten".
Du beziehst Dich möglicherweise auf diese Episode:
Der Polizeimeister "Schönbart" aus Schantung, Freund einiger hochrangigen Häuptlinge der Räuber, hat in der Vergangenheit einen geplanten Zugriff auf einige der Räuber hintertrieben. Er wird, wegen einer anderen Unregelmässigkeit (er hatte seinem Partner im Dienst, welcher eine Kurtisane ermordete, zur Flucht verholfen) strafversetzt und verbannt. Am Verbannungsort erwirbt er sich das Vertrauen des dortigen kaiserlichen Statthalters, der ihn als Lehrer und Beschützer seines kleinen Sohnes engagiert. Ein Angebot der Räuber, ihrem Bund beizutreten, lehnt er strikt ab. Diese wolle ihn aber unbedingt bei sich haben, weshalb der oberste Anführer Sung Kiang dem "Eizernern Büffel" vulgo "Schwarzen Taifun" kurzerhand den Befehl gab, den kleinen Jungen, den Schützling des verbannten Polizeimeister, zu ermorden und so den Polizeimeister zu zwingen, der Bande beizutreten.
 
Wie der Zufall will, habe ich den ersten Band der Herzfeldt-Übersetzung heute als Bahnlektüre in der Tasche... die vierbändige englische Ausgabe erwischte ich vor einiger Zeit mal antiquarisch
 
Es ist gerade eben diese Ambivalenz, welche die Sagen resp. den Roman nach meiner Meinung einzigartig machen. Sagen und Märchen (inkl. Tausenduneine Nacht) der meisten Kutlurkreise haben ein strikte Verteilung ihrer Protagonisten in Gut/Böse.
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Am Verbannungsort erwirbt er sich das Vertrauen des dortigen kaiserlichen Statthalters, der ihn als Lehrer und Beschützer seines kleinen Sohnes engagiert. Ein Angebot der Räuber, ihrem Bund beizutreten, lehnt er strikt ab. Diese wolle ihn aber unbedingt bei sich haben, weshalb der oberste Anführer Sung Kiang dem "Eizernern Büffel" vulgo "Schwarzen Taifun" kurzerhand den Befehl gab, den kleinen Jungen, den Schützling des verbannten Polizeimeister, zu ermorden und so den Polizeimeister zu zwingen, der Bande beizutreten.
Ja, genau die Episode meine ich. Es ist, glaube ich, eine der allerletzten Episoden dieser Geschichten. Bis dahin fand ich die Geschichten, wie gesagt, toll. Aber das war mir dann zuviel des Guten bzw. Schlechten.

Es gab (und gibt immer noch) übrigens eine Verfilmung als Serie, die auch in den 80ern im deutschen Fernsehen zu sehen war. Fing ganz interessant an, aber dann ließ es meiner Meinung etwas nach. Trotzdem nicht uninteressant.

Grüße
Peter
 
Es gibt mehrere Verfilmungen, bei Youtube ist da verschiedenes zu finden
Ich glaube so manche von den Älteren hier im Forum werden sich an eine Verfilmung des japanischen Fernsehens erinnern, die freilich den Stoff sehr frei bearbeitete.

Die Rebellen vom Liang Shan Po

war aber trotzdem Anfang der 1980er Jahre ein Straßenfeger, an den ich mich durchaus gerne erinnere. Die Stimme des Erzählers stammte von Wolfgang Spier, einem bekannten Synchronsprecher, der u. a. Donald Pleasance synchronisierte.

Die Rebellen vom Liang Shan Po – Wikipedia
 
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