Jean-Louis Jeanmaire, Fichenskandel, Neutralitätspolitik

ursi

Moderatorin
Teammitglied
Danke!
Ziegler ist ein interessanter Mann.
Jeanmaries Wikipdiaseite und der Fichenskandal geben Einblicke in die Neutralitätspolitik.
Der Fichenskandal ist ein Hammer!

Grüße
Peter

Ich habe mal diese Anmerkungen als neues Thema genommen. Zuerst eine Frage an PeterWestfale zu diesem Satz: "Jeanmaries Wikipdiaseite und der Fichenskandal geben Einblicke in die Neutralitätspolitik."

Was genau lies du aus der Wikipediaseite zur Neutralitätspolitik der Schweiz heraus? Vielleicht ergibt sich ja daraus eine Diskussion.
 
Z.B.

bezgl. Jeanmarie:
- "Ausserdem wurde eine Einschränkung der Schweizer Importe von Hochtechnologie aus Amerika befürchtet"

bezgl. Fichenskandal:
- "Offizielles Ziel der Fichierung war es, das Land vor aus dem Ausland gesteuerten subversiven Aktivitäten zur Destabilisierung des Systems und nachfolgender Errichtung einer totalitären (kommunistischen) Diktatur zu schützen."
- "Bekämpfung der Subversion war während des Kalten Krieges ein weitverbreitetes Schlagwort."
- "...als potentiell gefährlich, denn sie könnten unterwandert, feindgesteuert oder manipuliert sein"

Also eine gewisse Furcht vor Unterwanderung bzw. Umsturz durch den Ostblock und dessen Helfershelfern. Sowie eine gewisse Nähe zu den USA wegen Hightech-Handel (aber nicht zu nah, nehme ich an).
Klingt nach einer Art Drahtseilakt: Nicht zu nah, nicht zu weit weg (zu beiden Blöcken).

Am Rande angemerkt: Hey, ihr Schweizer habt in wenigen Tagen Nationalfeiertag oder genauer Bundesfeiertag! Viel Spaß :)

Grüße
Peter
 
Darf ich fragen was du unter Neutralitätspolitik verstehst?

Zum 1. August - Danke ;-) Findet dieses Jahr ein wenig anders statt als sonst. In den einen Gemeinden/Kantonen finden Feier statt, in andren nicht - man sieht nicht mehr so ganz durch im Moment - dies dafür ganz föderalistisch :D
 
Naja, Neutralitätspolitik in dem Sinne, dass man weder zum West- noch zum Ostblock gehörte und gehören wollte. Da musste man bestimmt diplomatische und wirtschaftliche Feinheiten beachten.
 
Unter Neutralitätspolitik versteht man die Massnahmen, welche ein Staat ausserhalb der neutalitätsrechtliche Verpflichtungen ergreift, um seine Neutralität zu sichern. Dies mal als allgemeine Definition. In der Praxis sah und sieht das anders aus. Wie du vielleicht in dem Beitrag zur Neutralität gelesen hast, gibt es verschiedene Arten der Neutralität

Die Zeit wo wir uns jetzt befinden ist der Kalte Krieg und da muss ich nun ein wenig ausholen.

Ab Juli 1951 musste die Schweiz dem amerikanischen Druck eines Handelsboykotts gegenüber den kommunistischen Ostblockstaaten nachgeben. Dies sog. Hotz-Linder-Agreement war eine informelle und nicht schriftlich festgehaltene Absprache zwischen den beiden Delegationschefs Harold Linder (USA) und Jean Hotz (Minister im Eidg. Volksdepartement, Schweiz). In dieser Absprache ging es um die Einschränkung des schweizerischen Osthandels für kriegswichtige Waren. Die Schweiz musste dem Druck, der bereits Ende 1948 eingesetzt hatte, nachgeben. Sie mussten die Coordinating Committe for Multiateral Export Controls die für alle Nato-Staaten galten mittragen.

In den Augen der Amerikaner war die Schweiz im Kalten Krieg ein Bollwerk gegen den Kommunismus. Weiter unterstütze sie im Rahmen der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (seit 1960/61 OEDC) den Marshallplan für Westeuropa. So beteiligte sich die Schweiz aktiv am Waffenstillstandsabkommen in Korea 1953 und stellt bis heute eine Beobachtertruppe.

Bis in die 1970er Jahre war die Schweizer Regierung davon überzeugt, dass die Grossmächte die Weltpolitik bestimmten und die Einflussmöglichkeiten eines Kleinstaates gering seien. Deshalb wurde die Neutralitätspolitik und die daraus resultierenden Pflichten möglichst nicht definiert, man wollte keine Angriffsflächen bieten. Ideologisch, wirtschaftlich, geographisch und staatspolitisch zählte sich die Schweiz aber eindeutig zum Westen. Völkerrechtlich hingegen für die Universalität der diplomatischen Beziehungen.



Die Beziehungen zur Sowjetunion ist ein eigenes Thema- denn dies war nicht immer sehr einfach. Werde dazu dann ein Thema eröffnen.

Zu Jeanmarie komme ich dann auch noch später.
 
In den Augen der Amerikaner war die Schweiz im Kalten Krieg ein Bollwerk gegen den Kommunismus.
Nur die Massnahmen, die die Schweiz zum Schutz dieses Bollwerks gegen Infiltration aus dem Osten durchführte, waren teilweise etwas unbeholfen.
Einerseits überschätzten Politiker und Behörden die "innere Gefahr", die von sogenannten Subversiven, also links gerichteten Parteien und Organisationen in der Schweiz ausging, massiv. Andererseits unterschätzten sie Gefahren, wie die Aktivitäten der Stasi in der Schweiz oder ignorierten diese bewusst, wie zum Beispiel die Geld- und Technologietransfer Machenschaften der Koko (Abteilung Komerzielle Koordinierung unter Alexander Schalck-Golodkowski), wo die genaue Rolle der Schweiz noch ungeklärt ist und wo sie dann doch nicht so ein festes Bollwerk war. Siehe auch: Wie DDR-Spione die Schweiz für Deals nutzten

Inwiefern dieser Verfolgungswahn der schweizerischen Subversivenjäger zur Verhinderung von Strukturen wie der RAF beigetragen hat, wäre eine Untersuchung wert. Ganz verschont wurde die Schweiz ja auch davon nicht (Gruppe Bändlistrasse).
 
Ich habe mal diese Anmerkungen als neues Thema genommen. Zuerst eine Frage an PeterWestfale zu diesem Satz: "Jeanmaries Wikipdiaseite und der Fichenskandal geben Einblicke in die Neutralitätspolitik."

Was genau lies du aus der Wikipediaseite zur Neutralitätspolitik der Schweiz heraus? Vielleicht ergibt sich ja daraus eine Diskussion.

Zur Ergänzung: Der Fichenskandal hat eine Vorgeschichte, die, scheint mir, etwas in Vergessenheit geraten ist (bei mir nicht, da ich gewissermassen Zeitzeuge bin):
Ernst Cincera – Wikipedia
Was nicht im Wikpedia-Artikel steht: Nicht nur "linksgerichtete Personen" hatten es in Cinceras Kartei geschafft - auch die damalige Skirennfahrerin Marie-Therese Nadig mit dem Vermerk "völlig apolitisch". Ich hatte damals die Karteiveröffentlichung des "Demokratischen Manifests" im Bücherregal stehen - ist mir aber im Verlauf der Zeit abhanden gekommen.
 
Nur die Massnahmen, die die Schweiz zum Schutz dieses Bollwerks gegen Infiltration aus dem Osten durchführte, waren teilweise etwas unbeholfen.
Einerseits überschätzten Politiker und Behörden die "innere Gefahr", die von sogenannten Subversiven, also links gerichteten Parteien und Organisationen in der Schweiz ausging, massiv.

So kann man es natürlich auch ausdrücken. Eine Fiche, in der beispielweise lediglich ein einmaliger Besuch in Ostberlin festgehalten war (auch als Tourist), konnte bereits den Effekt (z.B. als Lehrer) eines Berufsverbotes haben - ohne dass der Betroffene etwas davon wusste. Man kann die - meine persönliche Meinung - Fichen durchaus, mit einer gewissen Berechtigung, als "light-Äquivalent" der Stasi-Akten bezeichnen.
 
Man kann die - meine persönliche Meinung - Fichen durchaus, mit einer gewissen Berechtigung, als "light-Äquivalent" der Stasi-Akten bezeichnen.
Dazu könnte ich (ebenfalls als Zeitzeuge) auch noch ein Liedchen singen. Wie z.B. aus den Kreisen Cinceras versucht wurde, Gymnasiasten zur Überwachung ihrer links-gerichteten Mitschüler zu gewinnen.
In meinen Augen war das dann nicht mehr "light" und vergessen werde ich es auch nicht.
 
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