Gab es Germanen?

Das fiel mir auch gerade auf — wie die Zeit vergeht!

Cavalli-Sforza et al. ordnen alle Europäer, die nicht zu den extremen outliers gehören in sieben Gruppen ein, und eine dieser Gruppen sind allein die damaligen Tschechoslowaken:
... die nächste dieser Gruppen sind "allein die Schweden und Norweger" und die übernächste sogar "allein die Franzosen" - woraus Du jetzt eine "besondere Stellung" der damaligen Tschechoslowaken herauslesen willst, bleibt mir nach wie vor unerfindlich.

Das ist historisch doch auch gut zu erklären

Da braucht es historisch gar keine Erklärung. Es genügt ein Blick auf die Landkarte, um zu erklären, warum "die Tschechoslowaken" statistisch irgendwo zwischen der deutschsprachigen Gruppe und einer aus Polen, Russen etc. bestehenden Gruppe liegen werden.

schließlich gehörte Böhmen anders als das heute auch sprachlich sehr nahe Südpolen vormals zu den Kernländern der La-Tène-Kultur und später wanderten germanische Völker wie die Markomannen ein bevor die Slawen kamen.
Wobei wir mit einem deutlichen Bevölkerungsrückgang der Träger der La-Tène-Kultur vor der Einwanderung "germanischer Völker" rechnen müssen, andererseits "germanische Völker" auch im Mittelalter und in der Neuzeit (z. B. nach dem Dreißigjährigen Krieg) nach Böhmen und Mähren eingewandert sind. (Die Slowakei lag allerdings außerhalb Böhmens und Mährens!)

Andererseits besiedelten die Slawen große Teile Ostdeutschlands von Holstein bis Nordostbayern sowie den größten Teil Österreichs.

Das alles sollte uns nicht vergessen lassen, dass die Träger der La-Tène-Kultur keine "keltischen Gene" hinterlassen haben, ebensowenig wie die Germanen "germanische Gene" der die Slawen "slawische Gene" importiert haben.

Die Zuordnung geographischer Genhäufigkeiten zu Völkern ist willkürlich, ob man für die Völker die heutige Landkarte, eine Landkarte vor 30 Jahren (als es noch die Tschechoslowakei gab), eine vor 200 Jahren (als es noch ein Königreich Preußen, ein Königreich Bayern und ein Kaiserreich Österreich gab) oder eine vor 2000 Jahren nimmt.
 
Das fiel mir auch gerade auf — wie die Zeit vergeht!

Cavalli-Sforza et al. ordnen alle Europäer, die nicht zu den extremen outliers gehören in sieben Gruppen ein, und eine dieser Gruppen sind allein die damaligen Tschechoslowaken:

4. Czechoslovaks, who do not join other Slav speakers, but are approximately intermediate between them and the central subcluster of the Germanic group below, to whom they are geographically close

Das ist historisch doch auch gut zu erklären, schließlich gehörte Böhmen anders als das heute auch sprachlich sehr nahe Südpolen vormals zu den Kernländern der La-Tène-Kultur und später wanderten germanische Völker wie die Markomannen ein bevor die Slawen kamen.
Sag ich doch. Es gibt kein slawisches Gen. Und auch kein germanisches Gen. Es gibt nur Leute, die irgendwelche Gene haben und davon losgelöst von ihren Eltern Sprachen lernen.
 
So trivial ist es doch nicht. Die Bewohner der stadtähnlichen Oppida in Hessen müssten laut den antiken Autoren "Germanen" gewesen sein.

Klar war Dünsberg rechtsrheinisch und Teil der Oppida-Kultur. Jedoch sehen wir auch, dass zu Zeiten des Gallischen Krieges sowie in deren Folge die Oppida-Kultur rechtsrheinisch weitgehend zerbricht. Der Helvetier-Auszug sowie Ariovist decken sich meines Erachtens sehr gut mit dem archäologischen Wissensstand. Aber darum geht es nicht.

Ich glaube nicht, dass es dem Zeitungsschreiber um die mir bekannte wissenschaftliche Diskussion geht. Insbesondere da wir hier über eine Ausstellung in Sachsen-Anhalt reden. Ich lasse mich da gerne belehren und bin auf Hinweise zu Hallstatt-Fürsten und Oppida in Mitteldeutschland dankbar. Wir können den Begriff Germanen gerne streichen und dafür von den Weser/Elbe/Oder/Weichsel-Menschen sprechen. Ich bin aber nicht bereit zu akzeptieren, dass in der von mir genannten Region kein Volk mit einer gemeinsamen Sprachfamilie und ähnlich gelagerter materieller Kultur gelebt hätte. Diese Bevölkerung können wir nun mit einem Kunstbegriff definieren oder aber wir belassen es einfach mit dem eingeführten Begriff GERMANEN. Nur sollten wir nicht den Fehler machen, die wissenschaftliche Diskussion über die Beziehungen der einzelnen Stämme/Gruppen in diesem Gebiet als Spielfeld für einen "antifaschistischen Kampf" zu gebrauchen. Und diese Gefahr sehe ich in der medialen Diskussion sehr wohl. Das Geschichtsforum nehme ich davon natürlich aus.


Ich lasse mich da gerne belehren und bin auf Hinweise zu Hallstatt-Fürsten und Oppida in Mitteldeutschland dankbar.
Zwar nicht in Sachsen-Anhalt, aber in Thüringen:
Oppida celtiques, atlas des fortifications celtiques Europe, villes celtiques, oppidum gaulois
Oppida celtiques, atlas des fortifications celtiques Europe, villes celtiques, oppidum gaulois

Insbesondere da wir hier über eine Ausstellung in Sachsen-Anhalt reden.
Wieso eigentlich "Sachsen-Anhalt"? Dein Beitrag bezog sich auf eine Ausstellung in Berlin, eine Kooperation zwischen dem Museum für Vor- und Frühgeschichte (Berlin) und dem LVR-Landesmuseum Bonn:

Kritischer Artikel zu den Germanen-Ausstellungen in Berlin:
https://taz.de/Ausstellung-ueber-Germanen/!5713072/

Jedoch sehen wir auch, dass zu Zeiten des Gallischen Krieges
... der Germanenbegriff geprägt wurde, wobei Caesar nicht nur die rechtsrheinischen, sondern auch etliche linksrheinische Ethnien - die man sowohl vom sprachlichen (Namen wie Ambiorix) wie auch vom archäologischen Befund heute den Kelten zurechnen würde - als "germanisch" und damit als nicht-gallisch/keltisch klassifiziert.

Ich bin aber nicht bereit zu akzeptieren, dass in der von mir genannten Region kein Volk mit einer gemeinsamen Sprachfamilie und ähnlich gelagerter materieller Kultur gelebt hätte.
Ich halte es für völlig verfehlt, hier von "einem Volk" zu sprechen. Die italischen Osker, Umbrer, Latiner, Falisker usw. bildeten trotz sprachlicher und kultureller Gemeinsamkeiten nicht "ein Volk". Dazu wurden sie erst im Lauf der Jahrhunderte - allerdings wurden sie zu "Römern". Ein italisches Volk hat es ebernsowenig gegeben wie ein keltisches Volk oder ein germanisches Volk.
 
Zwar nicht in Sachsen-Anhalt, aber in Thüringen:

Ich halte es für völlig verfehlt, hier von "einem Volk" zu sprechen. Die italischen Osker, Umbrer, Latiner, Falisker usw. bildeten trotz sprachlicher und kultureller Gemeinsamkeiten nicht "ein Volk". Dazu wurden sie erst im Lauf der Jahrhunderte - allerdings wurden sie zu "Römern". Ein italisches Volk hat es ebernsowenig gegeben wie ein keltisches Volk oder ein germanisches Volk.
Da haben wir einen Disssens. Den muss man auch so stehen lassen.

Meiner Ansicht nach hat Julius Caesar seine subjektive Sicht eingebracht. Vor ihm standen im gallischen Krieg Menschen. Dabei ist ihm offensichtlich aufgefallen, dass diese Menschen in zwei grundlegenden Gruppen unterschieden werden konnten. Wenn ich heute aus meiner Wohnung in Süddeutschland gehe, sehe ich viele Schwarzafrikaner, Orientale und Chinesen. Durch Merkmale des Gesichtes, der Kleidung, der Sprache und andere Auffälligkeiten unterteile ich diese in Gruppen. Nichts anderes hat wohl Caesar gemacht. Und vermutlich haben ihm die Gallier in der Episode Helvetier / Ariovist in dieser Unterscheidung bestärkt, indem sie sich von den Gefolgsleuten des Ariovist abgegrenzt haben. Was Caesar nicht gemacht hat, war eine genetische Bestimmung und auch hat er nicht irgendwelche ethnologische Studien an der Oder bzw. Weichsel betrieben. Genauso wenig, wie ich bei mir auf der Straße zwischen Kurden, Türken oder Tschetschenen unterscheiden kann.

Italien ist nun eine andere Baustelle. Aber auch hier finden wir doch Hinweise darauf, dass man sich von anderen abgegrenzt hat. Wir die Italiker / Bundesgenossen und da die Römer / Kartharger / Griechen / Gallier / etc. Diese Abgrenzungen fassen wir zum Beispiel, wenn es um die Senatsfähigkeit der Gallier unter Claudius geht.

Die Geisteswissenschaft hat gar kein Problem damit, dass aus Sueben Alamannen geworden sein sollen. Oder Cherusker nun vielleicht Sachsen waren. Können wir uns vorstellen, dass aus Mexica und die Leuten von Cortez in Kürze ein gemeinsames Volk geworden ist? Kann man Maori und Zulu in kurzer Zeit zu einem neuen gemeinsamen Stamm machen? Ich habe da meine Bedenken. Es gab also irgend eine Basis, mit welcher diese Ethnogenese in der Germania Magna so scheinbar unproblematisch gelungen ist. Und das ist für mich nun die gemeinsame Volkszugehörigkeit. Ich halte die Ablehnung dieser Theorie für eine Modeerscheinung. Aber wie gesagt, diesen Dissens zwischen uns lässt sich ohne eine Ausweitung der Quellen nicht beilegen.
 
Wenn ich heute aus meiner Wohnung in Süddeutschland gehe, sehe ich viele Schwarzafrikaner, Orientale und Chinesen. Durch Merkmale des Gesichtes, der Kleidung, der Sprache und andere Auffälligkeiten unterteile ich diese in Gruppen. Nichts anderes hat wohl Caesar gemacht.
Schwarzafrikaner, Orientalen und Chinesen unterscheidest Du wahrscheinlich in erster Linie an "Merkmalen des Gesichtes". Das sind aber keine Nachbarvölker.
Im Übrigen gibt es kein "Schwarzafrikanes Volk" und auch kein "Orientalisches Volk". Ein "chinesisches Volk" (als Ethnie - nicht im Sinne der chinesischen Staatsideologie) gibt es ebensowenig, es sei denn, Du meinst damit die Han.

Genauso wenig, wie ich bei mir auf der Straße zwischen Kurden, Türken oder Tschetschenen unterscheiden kann.
... noch nicht einmal, wenn Du sie sprechen hörst? Dabei sind die Sprachen sehr viel weiter auseinander als die damaligen gallischen oder germanischen Dialekte.

Italien ist nun eine andere Baustelle. Aber auch hier finden wir doch Hinweise darauf, dass man sich von anderen abgegrenzt hat. Wir die Italiker / Bundesgenossen und da die Römer / Kartharger / Griechen / Gallier / etc.
Zu den Bundesgenossen gehörten Städte mit (nach linguistischen Kriterien) italischer Sprache, mit griechischer Sprache, mit der gänzlich fremdartigen etruskischen Sprache und mit der rätselhaften nordpikenischen Sprache.
Der linguistischen Abgrenzung italisch vs. griechisch (oder indogermanisch - nichtindogermanisch) entsprach keinerlei politische Realität. Warum sollte es außerhalb Italiens anders gewesen sein?

Können wir uns vorstellen, dass aus Mexica und die Leuten von Cortez in Kürze ein gemeinsames Volk geworden ist?
In Kürze nicht, so etwas dauert erfahrungsgemäß generationenlang.

Aus Ubiern, Markomannen, Cheruskern und Chatten ist jedenfalls kein gemeinsames Volk geworden. Wann sollte das denn gewesen sein? Die haben sich gegenseitig bekriegt und sind als Ethnien verschwunden, bevor überhaupt die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ethnogenese geschaffen wurden.

Meiner Ansicht nach hat Julius Caesar seine subjektive Sicht eingebracht.
Natürlich hat Caesar seine subjektive Sicht eingebracht, so wie jeder andere römische Autor damals auch. Solange wir nicht mit einer Zeitmaschine in die Antike reisen können, um uns unser eigenes Bild zu machen, sind wir auf die griechisch-römische Brille angewiesen. Ohne diese wüssten wir rein gar nichts über Cherusker oder Markomannen, über Römer oder Gallier, über Kelten oder Germanen.

In den Schubladen der antiken Autoren landeten Völker, deren Angehörige sich sehr darüber gewundert hätten, mit wem sie da in einen Topf geworfen wurden. Vielleicht hätten sie sich in ähnlicher Weise darüber beschwert wie heutige Kurden oder Tschetschenen, wenn sie von Außenstehenden als "Türken" klassifiziert werden.
 
Sepiola, danke für Deine Antwort. Bei der Situation in Italien in der frühen Antike habe ich sicherlich noch Nachholbedarf. Ich versuche mich da mal bei Gelegenheit tiefer einzulesen. Leider ist Zeit bei mir immer sehr knapp.

Alle:
Das Magazin "Archäologie in Deutschland" hat in der Ausgabe Oktober - November 2020 das Schwerpunktthema "Germanen". Genau die Frage, ob die Germanen eine Einheit waren und warum der Begriff im Laufe der Antike aus den späteren Quellen "verschwindet", ist wohl der Schwerpunkt. Da hier fast immer Archäologen für Laien schreiben und das in einer verständlichen Ausdrucksweise, könnte das Heft für das Thema hilfreich sein. Das Heft liegt auf dem Sideboard im Schlafzimmer. Sobald ich mal die Gelegenheit gehabt habe, es zu lesen, berichte ich daraus.
 
Ganz offensichtlich gab es zwischen der zwischen den damaligen Gruppierungen ganz massive materielle Unterschiede. Um bei Asterix zu bleiben, nicht jeder konnte sich den neuesten Schnickschnack aus Lutetia leisten.
Ich denke, die Archäologen müssen hier sehr aufpassen nicht dem Trugschluss aufzusitzen, vermeintliche Ethnien zu unterscheiden, wo es sich in Wahrheit um soziale Differenzierungen handelt.
 
ja der Julius ,der ja kein Ethnologe war sondern Militär und Politiker , hat seine Sicht ebenso eingebracht wie Tacitus ,der nie vor Ort war und daran klammern sich die Altphilplogen bis heute ohne diese Deutung zu hinterfragen.
Zu den Sprachen der einzelnen Stämme wissen wir so gut wie nichts, aber die Sachkultur der Oppidae ist durchweg "keltisch " geprägt, was den Schluss nahelegt diese Stämme dem keltischen Kulturkreis zuzuordnen.
Was Caesar vornahm war in erster Linie aus meiner Sicht eine politisch-propagandistische Einteilung,
Die historischen Angstgegner der Römer waren seit Brennus die Kelten und Caesar hatte Gallien erobert und war bis zum Rhein vorgestossen.
Um sich, was er ja tat, als Sieger über "die Kelten" zu feiern, durfte es aus propagandistischer Sicht keine uneroberten keltischen Restgebiete mehr geben. Folglich hatte alles ,was jenseits des römisch kontrollierten Gebietes lag nicht mehr keltisch zu sein. Und deshalb erklärte man die jenseits des Rheins wohnenden Stämme schlicht zu Nichtkelten,also Germanen.
Und das nationalistische späte 19. und frühe 20. Jahrhundert nahm diese Einteilung natürlich aus den gleichen Gründen gerne auf.
Mit den tatsächlichen Verhältnissen hat das absolut nichts zu tun und eine objektive wissenschaftlich fundierte Begründung gibt es m.E. dafür nicht.
 
Die historischen Angstgegner der Römer waren seit Brennus die Kelten und Caesar hatte Gallien erobert und war bis zum Rhein vorgestossen.
Um sich, was er ja tat, als Sieger über "die Kelten" zu feiern, durfte es aus propagandistischer Sicht keine uneroberten keltischen Restgebiete mehr geben. Folglich hatte alles ,was jenseits des römisch kontrollierten Gebietes lag nicht mehr keltisch zu sein. Und deshalb erklärte man die jenseits des Rheins wohnenden Stämme schlicht zu Nichtkelten,also Germanen.
Das geht nicht auf, denn sowohl in Britannien, wo Caesar zwar landete, sich aber nicht festsetzte, als auch in Nordwestspanien gab es Kelten. Galicien (Gallaecia, gewissermaßen Klein-Gallien) wurde erst unter Kaiser Augustus erobert. Ich sehe tatsächlich keine propagandistischen Gründe für die Scheidung in Kelten und Germanen anhand des Rheins, um einen militärischen Misserfolg zu kaschieren. Rom zu Brennus' Zeiten (noch vor den Punischen Kriegen die Rom eigentlich erst groß gemacht haben!) war ein anderes, als das Rom zu Zeiten Caesars, das bereits die Potenz im Mittelmeer war, mit direkter Herrschaft über weite Teile des Westmittelmeers und einem Fuß in der Tür in fast allen griechischen Königreichen und Staatswesen des Ostmittelmeers. Das Rom, das Brennus brandschatzte, war kaum mehr als ein Stadtstaat in Latium. Insofern scheint mir auch die Angst-These nicht plausibel zu sein.

Richtig ist, dass Sprachzeugnisse der einzelnen Stämme extrem dünn sind. Sie beschränken sich im Grunde genommen auf Stammesnamen, Ortsnamen und Personennamen, sofern man diese etymologisch einigermaßen gesichert erklären kann. Bei den Chatten z.B. scheint der (dürftige) Personennamenbestand keltisch (beeinflusst). Die (wenigen) Ortsnamen dagegen scheinen nicht keltisch zu sein.
 
Das geht nicht auf, denn sowohl in Britannien, wo Caesar zwar landete, sich aber nicht festsetzte, als auch in Nordwestspanien gab es Kelten. Galicien (Gallaecia, gewissermaßen Klein-Gallien) wurde erst unter Kaiser Augustus erobert. Ich sehe tatsächlich keine propagandistischen Gründe für die Scheidung in Kelten und Germanen anhand des Rheins, um einen militärischen Misserfolg zu kaschieren. Rom zu Brennus' Zeiten (noch vor den Punischen Kriegen die Rom eigentlich erst groß gemacht haben!) war ein anderes, als das Rom zu Zeiten Caesars, das bereits die Potenz im Mittelmeer war, mit direkter Herrschaft über weite Teile des Westmittelmeers und einem Fuß in der Tür in fast allen griechischen Königreichen und Staatswesen des Ostmittelmeers. Das Rom, das Brennus brandschatzte, war kaum mehr als ein Stadtstaat. in Latium. Insofern scheint mir auch die Angst-These nicht plausibel zu sein.
Und es gibt noch nen Grund, warum die These von den Kelten als Angstgegner nicht aufgehen kann. Caesar stellt die Germanen als viel unzivilisierter als die Kelten dar: die können lesen, weshalb er Briefe auf griechisch und nicht auf Latein schreibt, und sind kontrollierbar, da sie in Städten wohnen. Die Germanen dagegen leben zerstreut und sind militärisch viel gefährlicher als die Kelten, weshalb es auch einen Caesar braucht, um Ariovist aus Gallien herauszuschmeißen. Soweit Caesar. Das wäre ein propagandistisch ziemlich ungeschickter Schachzug gewesen, wenn man den Angstgegner nicht Angstgegner nennt und stattdssen einen viel gefährlicheren Schulhofrowdy präsentiert, gegenüber dem der bisherige Schulhofrowdy wie'n Muttersöhnchen wirkt.
 
Was Caesar vornahm war in erster Linie aus meiner Sicht eine politisch-propagandistische Einteilung,
Die historischen Angstgegner der Römer waren seit Brennus die Kelten und Caesar hatte Gallien erobert und war bis zum Rhein vorgestossen.
Um sich, was er ja tat, als Sieger über "die Kelten" zu feiern, durfte es aus propagandistischer Sicht keine uneroberten keltischen Restgebiete mehr geben. Folglich hatte alles ,was jenseits des römisch kontrollierten Gebietes lag nicht mehr keltisch zu sein. Und deshalb erklärte man die jenseits des Rheins wohnenden Stämme schlicht zu Nichtkelten,also Germanen.
Das wird zwar gerne behauptet (vor allem in diesem Forum), stimmt aber trotzdem nicht. Im "Gallischen Krieg", 6. Buch, 24. Kap., erwähnt Caesar - und zwar sogar nebenbei, ohne inhaltliche Notwendigkeit - selbst, dass auch rechts des Rheins Gallier wohnen: Nachdem er schreibt, dass früher die Gallier die Germanen an Tapferkeit übertroffen hätten und auch rechtsrheinisches Gebiet besiedelten, erwähnt er, dass die Volcae Tectosages eine der fruchtbarsten Gegenden beim Herkynischen Wald besetzten, und dann weiter: "Dieser Stamm hält sich bis zu dieser Zeit in diesen Sitzen und hat das höchste Ansehen der Gerechtigkeit und des kriegerischen Lobes."
("Ac fuit antea tempus, cum Germanos Galli virtute superarent, ultro bella inferrent, propter hominum multitudinem agrique inopiam trans Rhenum colonias mitterent. Itaque ea, quae fertilissima Germaniae sunt loca circum Hercyniam silvam, quam Eratostheni et quibusdam Graecis fama notam esse video, quam illi Orcyniam appellant, Volcae Tectosages occupaverunt atque ibi consederunt; quae gens ad hoc tempus his sedibus sese continet summamque habet iustitiae et bellicae laudis opinionem.")
 
...erwähnt er, dass die Volcae Tectosages eine der fruchtbarsten Gegenden beim Herkynischen Wald besetzten, und dann weiter: "Dieser Stamm hält sich bis zu dieser Zeit in diesen Sitzen und hat das höchste Ansehen der Gerechtigkeit und des kriegerischen Lobes."

Aber Caesar spricht doch hier von der Vergangenheit. Besagte Tektosagen waren doch längst nach Südwestfrankreich abgewandert und lebten als römische Untertanen in Gallia Transalpina.
Er beschreibt also nicht den Ist-Zustand zu seiner Zeit rechts des Rheines.
 
Aber Caesar spricht doch hier von der Vergangenheit. Besagte Tektosagen waren doch längst nach Südwestfrankreich abgewandert und lebten als römische Untertanen in Gallia Transalpina.
Er beschreibt also nicht den Ist-Zustand zu seiner Zeit rechts des Rheines.
Egal ob das, was Caesar schrieb, stimmte, er schreibt erst in der abegschlossenen Vergangenheit (occupaverunt, consederunt), fügt dem dann aber mit Gegenwartsbezug hinzu:
quae gens ad hoc tempus his sedibus sese continet
 
Aber Caesar spricht doch hier von der Vergangenheit. Besagte Tektosagen waren doch längst nach Südwestfrankreich abgewandert und lebten als römische Untertanen in Gallia Transalpina.
Er beschreibt also nicht den Ist-Zustand zu seiner Zeit rechts des Rheines.
Caesar beschreibt sehr wohl den Ist-Zustand: "quae gens ad hoc tempus his sedibus sese continet", also "bis zu dieser Zeit" (=Gegenwart), und "continet" ist Präsens.
 
Auf alle Fälle ist es eine recht kryptische Erwähnung, da die den Römern unter diesem Namen bekannte Gruppierung eben in Aquitanien um Toulouse siedelte und längst unterworfen war.
 
Was es mit den Tektosagen im Herkynischen Wald tatsächlich auf sich hatte, ist in diesem Zusammenhang doch nachrangig.
Die gern geäußerte These lautet: Caesar hat alle Stämme östlich des Rheins zu Germanen erklärt, um behaupten zu können, er habe alle Gallier unterworfen.
Das stimmt eben nicht, weil er selbst noch für seine Zeit Gallier östlich des Rheins (die er nicht unterworfen hat) erwähnt.
Würde die These stimmen, hätte er die Tektosagen entweder nicht erwähnen dürfen oder hätte sie auch zu Germanen erklären müssen.

Im Übrigen teilten sich Stämme auch. Einige Tektosagen verschlug es als Teil der Galater bis Kleinasien.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man könnte eben argumentieren, dass er bewusst einen besiegten, bereits unterworfenen Stamm nennt.
Unbesiegte Gallier gab es nicht mehr.
 
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