Lebensbuch (1909-1919) von meinem Grossvater. Wer kann diese Schrift lesen?

Howardo

Mitglied
Hallo!


es handelt sich um das Lebensbuch (geführt von 1908-1919) meines Grossvaters Wolfgang, geschrieben von meiner Urgrossmutter Emilie und meinem Urgrossvater Karl (Hauptmann im Landwehrregiment).
Leider kann ich dessen Handschrift nicht lesen.

Wer kann mir helfen? Vielen Dank!
 

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Es ist schon eine sehr eigene Schrift, obwohl ich schon schlimmere Sauklauen gelesen habe.

Der erste Satz lautet:

Mit nieerlebten Siegen hat der Krieg be-
gonnen, mit nieerlebter Niederlage hat
er ein Ende genommen.
Neben den Eigenheiten der Schrift ist es natürlich auch so eine Eigenheit, dass nie erlebt zu einem Wort kontrahiert wird, was die Entzifferung noch mal erschwert, einfach, weil man so etwas nicht erwartet.
 
Aus dem zweiten Satz werde ich nicht wirklich schlau (die Krümmung der Seite hilft da auch nicht gerade):

....
.... Weltkarte[?] .... aus[?] ...... hinaus[?]
gekiesen[??] , nur seine Kinder sehen einem
armen[?], vielleicht ??????ischen Leben ent-
gegen.
 
Den 2. Satz errate ich eher als ich ihn lese:
Deutschland ist von der Weltkarte auf Jahrzehnte (Jahrhunderte?) hinaus gestrichen und seine Kinder gehen (sehen?) einem armen vielleicht w... Leben entgegen. War man vor dem Krieg an ..... (dann kommen einige Wörter mit Über.., z.B.Übersättigung?)
 
Seite 2:
Seit 1915 glaubte ich an keinen Sieg im alten Sinne mehr, aber an einer partie remis hielt ich bis Oktober 18 gläubig fest, weil ich an die (Unerschütterlichkeit?) des (Zaunes ?) an der Front glaubte. Wohl war mir allein....
 
Den 2. Satz errate ich eher als ich ihn lese:
Deutschland ist von der Weltkarte auf Jahrzehnte (Jahrhunderte?) hinaus gestrichen und seine Kinder gehen (sehen?) einem armen vielleicht w... Leben entgegen.
Ja, wenn man Deutschland und Jahrzehnte errät, mag das passen, ich schließe mich dieser Lesung an. Allerdings glaube ich nicht, dass das <w> wirklich als <w> gelesen werden sollte.
 
Mit nieerlebten Siegen hat der Krieg be-
gonnen, mit nieerlebter Niederlage hat
er ein Ende genommen. Deutschland
ist von der Weltkarte auf Jahrzehnte hinaus
gestrichen und seine Kinder gehen/sehen einem
armen vielleicht ???ischen Leben entgegen.
Was man vor dem Krieg an ????nis des
Lebens ......................................................
...................................................................
...................................................................
erlebt hat, hängte zu einem ....................
befreienden und läuternden Krieg. Wenige+
Wochen schien [eingefügt:] uns der .......................... anzuhalten,
dann kam der
 
Vor "erlebt" steht "Materialismus". Was du als "hängte" liest, lese ich als "drängte", weil dies zum folgenden und dem zeitgenössischen "kulturkritischen" Kontext passt.
 
ist von der Weltkarte auf Jahrzehnte hinaus

"Jahrzehnte" kann nicht sein, ich kann es aber auch nicht deuten. Weiter lese ich:

"... und seine Kinder gehen einem
armen, vielleicht sklavischen Leben entgegen.
Was man vor dem Krieg an Fäulnis des
Lebens, Übersättigung, Überspannung, Uberhizung
& [...?] Materialismus
erlebt hat, drängte zu einem entspannenden,
befreienden und läuternden Krieg. Wenige
Wochen schien auch der Gesundungsprozeß anzuhalten
dann kam der habgierig geworden neue
deutsche Charakter wieder zum Vorschein: Alles in Heimat
& Etappe wollte sich nur bereichern u. dachte
nicht an höhere Ziele. Weiche[?], seelische Menschen
kamen in der Blut- u. Zährenzeit nicht zu Wort.
Das militärische System, im Größenwahn verblendet
& bei der Auswahl seiner maßgeblichen Offizier-
Korps jedem wirklichen Leben absolut fremd
& in seiner Machtfülle unnahbar unnahbar & daher auch
unbelehrbar, erstickte alle mäßigenden Stimmen..."
 
@Sepiola, beeindruckend!
Aber ich meine: seines maßgeblichen Offizier-
Korps
Ja, selbstverständlich.

Und weiter oben muss es heißen:
"... Überhizung & plattestem Materialismus"

Seite 2:
Seit 1915 glaubte ich an keinen Sieg im alten Sinne mehr, aber an einer partie remis hielt ich bis Oktober 18 gläubig fest, weil ich an die (Unerschütterlichkeit?) des (Zaunes ?) an der Front glaubte. Wohl war mir allein....
"... an die Unerschütterlichkeit des Heeres"
 
Mit nieerlebten Siegen hat der Krieg be-
gonnen, mit nieerlebter Niederlage hat
er ein Ende genommen. Deutschland
ist von der Weltkarte auf ??????? hinaus
gestrichen und seine Kinder gehen einem
armen vielleicht sklavischen Leben entgegen.
Was man vor dem Krieg an Fäulnis des
Lebens Übersättigung, Überspannung, Uberhizung
& plattestem Materialismus als notwendig
erlebt hat, drängte zu einem entspannenden,
befreienden und läuternden Krieg. Wenige
Wochen schien auch der Gesundungsprozeß anzuhalten
dann kam der habgierig geworden neue
deutsche Charakter wieder zum Vorschein: Alles in Heimat
& Etappe wollte sich nur bereichern u. dachte
nicht an höhere Ziele. Weiche[?], seelische Menschen
kamen in der Blut- u. Zährenzeit nicht zu Wort.
Das militärische System, im Größenwahn verblendet
& bei der Auswahl seiner maßgeblichen Offizier-
Korps jedem wirklichen Leben absolut fremd
& in seiner Machtfülle unnahbar & daher auch
unbelehrbar, erstickte alle mäßigenden Stimmen
& ???stete nach wie vor die ?????? und die

???? R?????. Seit 1915 glaubte ich an
keinen Sieg im alten Sinne mehr, aber an einer
partie remis hielt ich bis Oktober 18 gläubig
fest, weil ich an die Unerschütterlichkeit des
Heeres an der Front glaubte. Wohl war mir
allein sehr[?] aus der Kriegszeitungstätigkeit
die ????stimmung des ?????????? nicht
entgangen, was aber wie ein Blitz[?] nach dem
??????? ????????? der ?????? in die Front
??????, hätte ich nie für nötig gehalten: Auf-
hebung[?] & völlige Zersetzung[?] in moralischer Erziehung
war mit einem.....................
 
Mit nieerlebten Siegen hat der Krieg be-
gonnen, mit nieerlebter Niederlage hat
er ein Ende genommen. Deutschland
ist von der Weltkarte auf Geschlechter hinaus
gestrichen und seine Kinder gehen einem
armen vielleicht sklavischen Leben entgegen.
Was man vor dem Krieg an Fäulnis des
Lebens Übersättigung, Überspannung, Uberhizung
& plattestem Materialismus als notwendig
erlebt hat, drängte zu einem entspannenden,
befreienden und läuternden Krieg. Wenige
Wochen schien auch der Gesundungsprozeß anzuhalten
dann kam der habgierig geworden neue
deutsche Charakter wieder zum Vorschein: Alles in Heimat
& Etappe wollte sich nur bereichern u. dachte
nicht an höhere Ziele. Weiche[?], seelische Menschen
kamen in der Blut- u. Zährenzeit nicht zu Wort.
Das militärische System, im Größenwahn verblendet
& bei der Auswahl seiner maßgeblichen Offizier-
Korps jedem wirklichen Leben absolut fremd
& in seiner Machtfülle unnahbar & daher auch
unbelehrbar, erstickte alle mäßigenden Stimmen
& verachtete nach wie vor die ?????? und die-

???? R?????. Seit 1915 glaubte ich an
keinen Sieg im alten Sinne mehr, aber an einer
partie remis hielt ich bis Oktober 18 gläubig
fest, weil ich an die Unerschütterlichkeit des
Heeres an der Front glaubte. Wohl war mir
allein sehr[?] aus der Kriegszeitungstätigkeit
die ????stimmung des Frontsoldaten nicht
entgangen, was aber wie ein Blitz[?] nach dem
feigen ????????? der Marine[?] in die Front
schlug, hätte ich nie für nötig gehalten: Auf-
hebung[?] & völlige Zersetzung[?] in moralischer Erziehung____[oder Auflosung = Auflösung?]
war mit einem Schlag da. ???? sich mit Ver-
hängnis........................................................
 
verachtete nach wie vor die fähigen und die
klaren Rechner.

[Hochstimmung; J(a)uchstimmung?] des Frontsoldaten
Hinhalten der Marine
 
Seit 1915 glaubte ich an
keinen Sieg im alten Sinne mehr, aber an einer
partie remis hielt ich bis Oktober 18 gläubig
fest, weil ich an die Unerschütterlichkeit des
Heeres an der Front glaubte.

Weiter Seite 2:
... Wohl war mir
allein schon aus der Kriegszeitungstätigkeit,
die Furchtstimmung des Frontsoldaten nicht
entgangen, was aber wie ein Blitz nach dem
feigen Verhalten der Marine in die Front
schlug, hätte ich nie für möglich gehalten: Auf-
lehnung & völlige Zersetzung in moralischer Beziehung
war mit einem Schlag da. Es erwies sich mit ver-
hängnisvoller Deutlichkeit, daß der militärische
Drill die Leute abrichten aber nicht zu Vater-
landsverteidigern hat erziehen können.
Die Dressur fiel ab u. ein ordinärer Barbar
war bei der an den 4 1/2 Kriegs Jahren ins Unge-
heuerliche gestiegenen Rohheit und Gewissen-
losigkeit sichtbar. Nicht das Verhalten der
Mannschaften gegen ihre Offiziere empörte
mich bis zum brennenden Schmerz - ich be-
griff das angesichts der nichtswürdigen Stellung
der Mehrzahl der Offiziere zum "Mann" -
sondern die Schamlosigkeit, das törichte Ver-
 
Seite 3:

[???]entum, in denen die [...]katen an Franzosen
& Belgier Waffen verkauften & die der Heimat
entpreßten Lebensmittel und Materialen
nutzlos verschleuderten. Die mathematisch un-
abwendbare Niederlage hätte mit finsterem
Ernst und Trotz getragen auf die ganze Welt einen er-
schütternden Eindruck gemacht - die Taten des
Heeres werden sowieso in der Weltgeschichte nach
Jahr & Tag höchste Anerkennung und Bewunderung
finden - aber eine marodierende, plündernde,
die Offiziere verhöhnende Bande hat Deutschland
in den Kot gezogen. Es waren nicht die in der
Kampflinie selbst eingesetzten Truppen, die
also durch Feindesland sich nach der Heimat wälzten,
sondern die Etappenoffiziere u. Mannschaften, die sich
duch Umsturz dem drohenden "letzten Aufgebot"
für die Antwerpen-Maasstellung in [???]nischer
Verzweiflung entzogen. Es waren das dieselben
Leute, die das Feindesland hochmütig & habgierig
ausgesogen haben, für das Deutschland nun bei
seiner Besetzung mit Recht büßen muß. Gewiß
war allerdings auch für mich, der ich beim [???]
auch in der Etappe saß, daß der Widerstand an
der Maas nur aufschiebende Wirkung und einen
 
Seite 4:

nutzlosen verhängnisvollen Blutverlust bringen
müßte, denn die frischen Amerikaner durch-
brachen selbst die heldenmütig ausharrende Front.
Mein Rückmarsch (an sich in Kraftwagen und
Eisenbahn ohne Anstrengung) von St. Michel - Dinant -
Marsche - Vielsalm - Stadtkyll - Lienz - Marburg
hat an seelischer Erschütterung und Zerrüttung die
Feuertaufe weit hinter sich gelassen. Und das des-
halb, weil man aus der Feindeswohnung in die
der Heimat marschierte. Was man auf Straßen und
in [???] sah & was man hörte u. das, war keine
reinigende Revolution, die ich laut begrüßt haben
würde, war ich doch immer gegen die kalte seelen-
lose, maßlos hochmütige Ketten[?]- u. Militärpolitik
sondern Anarchie, Raub, Rohheit, Verbrechen. Der
süße Pöbel meint noch heute, er mache Revo-
lution & macht doch nur Katastrophenpolitik
& ist dabei so ahnungslos u. unkultiviert ver-
gnügt, daß er gar nicht weiß, daß wir dem
Untergang geweiht sind. Es blutet das Herz,
aber doch ist das Volk das sich im Krieg durch
Wucher[?] zuhause u. durch Zersetzung im Abstieg der
Siege in der Etappe gefällt, wert, die schwerste
Buße zu tun und Jahrzehnte zu verschwinden. Es
 
Seite 4:

nutzlosen verhängnisvollen Blutverlust bringen
müßte, denn die frischen Amerikaner durch-
brachen selbst die heldenmütig ausharrende Front.
Mein Rückmarsch (an sich in Kraftwagen und
Eisenbahn ohne Anstrengung) von St. Michel - Dinant -
Marsche - Vielsalm - Stadtkyll - Lienz - Marburg
hat an seelischer Erschütterung und Zerrüttung die
Feuertaufe weit hinter sich gelassen. Und das des-
halb, weil man aus der Feindeswohnung in die
der Heimat marschierte. Was man auf Straßen und
in [???] sah & was man hörte u. las, war keine
reinigende Revolution, die ich laut begrüßt haben
würde, war ich doch immer gegen die kalte seelen-
lose, maßlos hochmütige Ketten[?]- u. Militärpolitik
sondern Anarchie, Raub, Rohheit, Verbrechen. Der
süße Pöbel meint noch heute, er mache Revo-
lution & macht doch nur Katastrophenpolitik
& ist dabei so ahnungslos u. unkultiviert ver-
gnügt, daß er gar nicht weiß, daß wir dem
Untergang geweiht sind. Es blutet das Herz,
aber doch ist das Volk das sich im Krieg durch
Wucher[?] zuhause u. durch Zersetzung im Abstieg der
Siege in der Etappe gefällt, wert, die schwerste
Buße zu tun und Jahrzehnte zu verschwinden. Es
 
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