MIgration der Hugenotten in Preußen - inwiefern profitierten die 3 beteiligten Parteien

Maximilian111

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Die Migration der Hugenotten in Preußen,

inwiefern war dies vorteilhaft (oder nachteilhaft) für folgende 3 Gruppen:

Ludwig XIV.

Hugenotten

Kurfürst Friedrich Wilhelm I.
 
der Große Kurfürst hatte neue Steuerzahler

Ich würd hier, zumindest für die kurzfristige Betrachtung, eher auf die allgemeine Anregung des Wirtschaftslebens und "Knoffhoff", wie ElQ es nennt, abstellen, da die Hugenotten mWn anfangs recht weitreichende Steuerbefreiungen oder -vergünstigungen genossen. Was wiederum auch einen Vorteil für diese darstellte.
 
Die erzwungene Migration der Hugenotten, nicht nur nach Brandenburg, sondern auch etwa in die Niederlande und in die Schweiz, erwies sich im Nachhinein für Frankreich als sehr nachteilig und ermöglichte wohl erst den Aufstieg Großbritanniens zur dominierenden Weltmacht.

Für die Aufnahmeländer ist es hingegen ein großer Gewinn gewesen, da man dank des oben schon erwähnten "Knoffhoffs" der Migranten technologisch Anschluss halten konnte.
 
Vor einigen Monaten lief im TV eine interessante Dokumentation zur Emigration der französischen Protestanten:

Flucht im Namen Gottes - Die Hugenotten

Ich habe auf die Schnelle sie nicht in Mediatheken oder größeren Videoportalen gefunden.

In dem Zusammenhang sollte man sich auch kurz mit den folgenden Edikten beschäftigen:

Edikt von Nantes – Wikipedia von 1598, durch den der Protestantismus (eigentlich Calvinismus) zumindest toleriert wurde.

Dieses Edikt wurde durch das Edikt von Fontainebleau – Wikipedia von 1685 aufgehoben. Damit wurde der Katholizismus allein zur Staatsreligion und alle anderen Kulte wurden verboten. Im Gegensatz z. B. zum Augsburger Religionsfrieden im Heiligen Römischen Reich gab es aber nicht das Recht auf Emigration.

Die Calvinisten, die nicht zum Katholizismus konvertieren wollten, mußten das Land heimlich und illegal verlassen. In der französischen Wikipedia finde sich die geschätzte Angabe, wonach 25 % der französischen Protestanten (200.000) das Land verlassen haben. ("Au total, selon Jean-Paul Pittion, il est probable qu’entre 1680 et 1700, quelque 25 % des protestants français, soit 200 000 huguenots (comme on les appela au Refuge), s’enfuirent du royaume »7. " Édit de Fontainebleau (1685) — Wikipédia )

Dann noch das Edikt von Potsdam – Wikipedia , durch das Brandenburg zu einem der Zufluchtsländer für die Hugenotten wurde.

Den Grund hat El Q schon genannt:
...die zudem Knoffhoff mitbrachten.

sagen wir mal: savoir-faire :) (mais aussi savoir-vivre)
 
(mais aussi savoir-vivre)
Da habe ich bei Protestanten eher meine Zweifel. John Knox etwa hieß nicht umsonst mit Spitznamen „Kill Joy“. Gut, der war Calvinist oder, wie man im anglophonen Bereich sagt, Presbyterianer, aber die protestantischen Strömungen waren, wenn man vom katholischen Zölibat für Priester und Ordensleute mal absieht, lustfeindlicher als der Katholizismus. Heute hat sich das egalisiert, sofern die Menschen sich überhaupt noch einer Religion/Konfession zugehörig fühlen.
 
Da habe ich bei Protestanten eher meine Zweifel. John Knox etwa hieß nicht umsonst mit Spitznamen „Kill Joy“. Gut, der war Calvinist oder, wie man im anglophonen Bereich sagt, Presbyterianer, aber die protestantischen Strömungen waren, wenn man vom katholischen Zölibat für Priester und Ordensleute mal absieht, lustfeindlicher als der Katholizismus. Heute hat sich das egalisiert, sofern die Menschen sich überhaupt noch einer Religion/Konfession zugehörig fühlen.

Die Hugenotten sind aber auch Calvinisten. Aber mit "savoir vivre" meinte ich auch eine Reihe von neuen Gewerben, die eher auf Luxus ausgerichtet sind:


Mit den Hugenotten waren erfahrene Landwirte, Gärtner und Handwerker nach Berlin und Brandenburg gekommen, Spezialisten, die auch in Frankreich schon zur Elite ihrer Berufsgruppen gehört hatten. Sie brachten Kenntnisse und moderne Fertigungstechniken mit, die es in Brandenburg zuvor nicht gegeben hatte. Überdurchschnittlich zahlreich waren Fachkräfte aus dem Textilgewerbe: Tuchmacher, Woll-Spinner, Mützen-, Handschuh- und Strumpfweber, Färber, Gobelin- und Seidenweber, Leinendrucker, Hutmacher und andere. Perückenmacher, Messerschmiede, Uhrmacher, Spiegelhersteller, Confituriers und Pâtissiers siedelten sich an, ferner Buchbinder, Emailleure, Pastetenbäcker, Cafetiers, aber auch Kaufleute, Ärzte, Apotheker, Beamte und Richter waren unter den Réfugiés, nebenher wurde die brandenburgische Armee durch 600 französische Offiziere und 1.000 Soldaten verstärkt.

Hugenotten in Berlin – Wikipedia
 
Die Hugenotten sind aber auch Calvinisten. Aber mit "savoir vivre" meinte ich auch eine Reihe von neuen Gewerben, die eher auf Luxus ausgerichtet sind:
Wobei der Luxus für Calvinisten immer einen Nutzen haben musste. Weil unnützer Schmuck verpönt war, blühte etwa in der Schweiz die Uhrenindustrie auf.
 
Die Migration der Hugenotten in Preußen,

inwiefern war dies vorteilhaft (oder nachteilhaft) für folgende 3 Gruppen:

Ludwig XIV.

Hugenotten

Kurfürst Friedrich Wilhelm I.

Ich würde Dir empfehlen, mal unter "Hugenotten(kriege)", "Bartholomäusnacht", "Edikt von Nantes", zu gooogeln, falls du es nicht schon getan hast.

Als Ludwig XIV. 1685 das Edikt von Nantes widerrief, hat er langfristig objektiv gesehen sich selbst und Frankreich geschadet, indem er äußerst leistungsfähige, gut ausgebildete Steuerzahler in die Emigration trieb, die im Prinzip loyal zum König und patriotisch gesinnte Franzosen waren. Diese wurden in ihren neuen Heimatländern in Preußen oder Hessen-Kassel noch loyaler zur neuen Heimat und begeisterte Hessen oder Preußen, aber die französische Sprache und Kultur pflegten die Hugenotten auch in der Emigration weiter oft mehrere Generationen lang. Theodor Fontane preußischer Abkömmling von Hugenotten schreibt in seiner Autobiographie "Meine Kinderjahre", dass im Hause Fontane französisch gesprochen wurde, bis zum Debakel von Jena und Auerstedt, als Napoleon die preußische Armee so vernichtend schlug, dass Preußen gr0ßes Glück hatte, nicht ganz von der Landkarte zu verschwinden. Aus preußischem Patriotismus heraus sprach man bei Fontanes dann deutsch, blieb aber zweisprachig.
In Preußen und Hessen-Kassel fanden die Hugenotten freundliche Aufnahme. Sie brachten Kapital, Innovationen, Know How mit und natürlich ihre kulturellen Traditionen.

In Hessen bekamen Hugenotten und ihre Nachfahren viele Vergünstigungen. Sie wurden von Einquartierungen und Aushebungen befreit, was teilweise für Ärger bei der alteingesessenen Bevölkerung sorgte. Insgesamt haben sich die Hugenotten schnell in ihren neuen Heimatländern integriert, und sie wurden auch dort sehr leistungsfähige, loyale und gut ausgebildete Steuerzahler, deren Nachfahren sich auf vielen Gebieten auszeichneten. Es waren junge Damen der Kasseler Gesellschaft, viele mit hugenottischen Wurzeln, die zwei schüchternen Brüdern aus Hanau, ausgebildete Juristen die Märchen erzählten, die Wilhelm und Jakob Grimm sammelten und dabei die moderne Volkskunde und Germanistik begründeten. In der Wirtschaft, Verwaltung und beim Militär, aber auch in der Wissenschaft spielten Hugenotten und ihre Nachfahren in Preußen und Hessen eine bedeutende Rolle. Marthe de Ruculle, erzog zwei preußische Könige, Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. Heinrich de la Motte Fouqué war General und Freund von Friedrich dem Großen. Simon Du Rhy wurde der bedeutendste Architekt Hessens und einige der Bauten aus dem 18. Jahrhundert, die Kassel seinen Charme geben und die den Feuersturm des 2. Weltkriegs überdauerten, wurden von ihm erbaut.


Dieser kurze Exkurs in die Kulturgeschichte macht klar, dass Preußen oder Hessen nichts besseres passieren konnte, als die Einwanderung von leistungsfähigen, gut ausgebildeten, motivierten Fachkräften und Steuerzahlern, die Know How vor allem im Textilgewerbe mitbrachten und die auch noch die "richtige" (reformierte) Konfession hatten.

Die Hugenotten fanden freundliche Aufnahme und überaus günstige Bedingungen und Anreize, und sie dankten es ihren Gastländern mit großer Loyalität und Engagement. Also sozusagen eine "win-win-Situation für die Hugenotten.

Für Frankreich war es ein Verlust, es verlor ganz unnötig wertvolles Humankapital und Know How, und es verlor nicht nur die Hugenotten, sondern auch ihre Nachkommen. In beiden Weltkriegen zeichneten sich deutsche Offiziere und Generale aus, die wohl auf französischer Seite gekämpft hätten, hätte Ludwig XIV. nicht das Edikt von Nantes widerrufen. Insgesamt wird man sicher feststellen müssen, dass das Edikt von Nantes ein Fehler war, der Frankreich wertvolles Humankapital und Know How kostete, das nach Preußen, in die Niederlande, nach Hessen abwanderte, ins feindliche Lager abwanderte.
 
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