Der Krieg... "der Vater aller Dinge"? Oder doch nicht?

thanepower

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Generell lässt sich sagen, dass Kriege tragischerweise den Fortschritt beflügeln wie kaum ein anderes menschliches Unternehmen. Nicht umsonst heißt es von Heraklit: Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Vielleicht lautet die Antwort auf Deine Fragestellung: Krieg und Kultur.

Dann stellen wir doch mal zwei Fragen zu zwei Kriegen, die "tragischerweise" den "Fortschritt" massiv hätten beflügeln müssen. Der erste ausgedehnte Krieg, der angeführt werden sollte, war der der "Hundertjährige Krieg" (1337 bis 1453) und der zweite wäre der "Dreißigjährige Krieg" (1618 bis 1648).

Folgt man Malamima (Europäische Wirtschaftsgeschichte, S. 191ff) dann gehört diese Periode eher zum "zweiten Zeitalter" und war bis in das 19. Jahrhundert eher durch Stagnation gekennzeichnet. Welche Form von "Fortschritt" soll man sich mit diesen zwei Kriegen vorstellen. Zumal Trevor-Roper in "The Crisis of the 17th Century" ein zerrissenes Europa beschreibt, gekennzeichnet durch gravierende Antagonismen.

Zusätzlich formuliert Lombard für die "Blütezeit des Islam" die Periode zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert. Warum nicht für die Phase nach den Kreuzzügen, wenn der Fortschritt doch so beflügeln sein soll.

Im Prinzip dürfte das Gegenteil zu dem zutreffen, was "muck" vermutet. Die empirisch angereicherte Arbeit von Pinker (Gewalt") zur historischen Abnahme von Gewalt in seinen vielen Facetten deutet eher darauf hin, dass Friedenszeiten den sozialen Wandel - im positiven Sinne - am stärksten verändert haben

Allgemein ziehen Menschen das Zusammenleben vor, wenn es ihnen wirtschaftlich nützt. Und gerade in der Zeit der Kreuzzüge winkte in Palästina im Handel (v.a. Luxusgüter wie Gewürze) das große Geld.

An diesem Punkt nähern sich die Vermutungen von "muck" den wohl zutreffenden historischen Bedingungen an. Die Arbeiten von Preisser-Kapeller (Jenseits von Rom und Karl dem Großen. Aspekte der globalen Verpflechtung in der langen Spätantike, 300/800 n. Chr) und Abu-Lughod (Before European Hegemony. he World System A.D. 1250-1350) zeigen, wie stark Handel und damit Wohlstand durch einen von Fürsten garantierten und möglichst ungestörten und friedlichen Austausch begünstigt wurde. Und wie anfällig dieses Handelssystem gegen kriegerische Störungen war und in der Regel sich neue Handelsverbindungen suchte.

Nicht umsonst heißt es von Heraklit: Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Vielleicht lautet die Antwort auf Deine Fragestellung: Krieg und Kultur.

Deshalb erscheint die Schlussfolgerung in Form einer unkritischen Bejahung eines kriegerischen Sozialdarwinismus problematisch. Keegan hat zwar "Die Kultur des Krieges" untersucht und seine historische Entwicklung nachgezeichnet, aber "Krieg und Kultur" ist ein gewagter Titel und unterstellt einen Bezug, bei dem sich eigentlich kein Bezug anbietet. "Krieg und Kultur" ist empirisch problematisch und in seiner empirischen Fundierung wohl eher in Richtung "Krieg und Zerstörung von Kultur" zu reformulieren, wie man an "Magdeburg" etc. schnell nachvollziehen kann.
 
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Dass der Krieg "der Vater aller Dinge" sei, ist ein geflügeltes Wort geworden. Nicht von ungefähr, denn man wird es vielfach bestätigt finden: Zumindest in den letzten 200 Jahren haben kriegerische Auseinandersetzungen dazu geführt, dass technischer und medizinischer Fortschritt finanziert wurde, weil man die besten Waffensysteme oder die am besten funktionierende Medizin haben wollte.
Man denke an
- Atomwaffen
- Radarsysteme
- Penicellin
...
Aber: Krieg führt eben auch dazu, dass kluge Menschen sterben. Prominentestes Beipiel ist wohl Archimedes, dessen Waffenentwicklungen den Römern arge Probleme bescherten, der aber letztlich auch von einem römischen Legionär erschlagen wurde (wir haben das mal diskutiert mit den verschiedenen Überlieferungen seiner Ermordung, ob vom Feldherren gewünscht oder nicht, aber die Diskussion finde ich weder über die Forensuche noch über Google). Was der wohl noch erfunden hätte, wenn Syrakus nicht erobert worden wäre?

Schaut man sich die Erfindungen an, die durch Kriege populär wurden, stellt man z.T. aber auch fest, dass es letztlich nur die Finanzspritze war, die der Krieg einer Erfindung gebracht hat, weniger die Idee. Exemplarisch sei das am Penicellin vorgeführt:
Fleming hatte die bakterientötende Wirkung des Penicellins bereits 1928 entdeckt. 1930 schliefen die Forschungen rund um Penicellin ein. Erst 1940 wurden sie kriegsbedingt wieder aufgegriffen und 1941 das erste mal erfolgreich eingesetzt, aufgrund fehlender Reserven verstarb der Patient einen Monat später. Aber die Wirkung des Penicellin war erkannt und es wurde nun massenweise produziert, um den Verlust auf den Schlachtfeldern des WKII zu minimieren. Ist der Krieg nun der Vater der Dinge? Nennen wir ihn mal einen Geburtshelfer der Dinge, die man im Krieg verwenden kann. Ist nicht ganz so griffig, aber wohl angemessener.

Zusätzlich formuliert Lombard für die "Blütezeit des Islam" die Periode zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert. Warum nicht für die Phase nach den Kreuzzügen, wenn der Fortschritt doch so beflügeln sein soll.
Das hat aber auch noch mit mehr Dingen zu tun, als nur den Kreuzzügen. Bis ins 19. Jhdt. nahmen die Kreuzzüge in der arabischen Geschichtsschreibung eh eine eher marginale Rolle ein, erst mit der Konfrontation mit dem europäischen Kolonialimus und den Konflikten der Kolonialmächte untereinander, welche die Muslime gegen die jeweils anderen Kolonialmächte aufhetzten, wurde die Bedeutung der Kreuzzüge hervorgehoben.

Hängt es an den Kreuzzügen, dass die konstantierte "Blütezeit des Islam" im 11. Jhdt. ein Ende fand? Wahrscheinlich nicht. Im 8. Jhdt. hatte sich ja das Abbasiden-Kalifat in Bagdad etabliert, das noch für einige Jahrhunderte existierte. Aber es hatte eben eine sehr wechselvolle Geschichte, die frühen Abbasiden waren Herrscher aus einer Position der Stärke heraus, mit dem moralischen Anspruch, direkte Abkömmlinge von Verwandten des Propheten zu sein (wie auch die Umayyaden, die allerdings das Manko hatten, dass ihre Vorfahren zunächst Verfolger des Propheten waren). Bald aber schon gelangten die Abbasiden unter die Herrschaft iranisierter Türken, welche zwar die sakrosankte Position des Kalifen nicht berührten, aber de facto die politische Macht ausübten. Gleichzeitig zerbrach die Akzeptanz der politischen und geistigen Oberhoheit des Kalifats von Bagdad und die Fatimiden erhoben sich in Qairuwan und die nach al-Andalus vertriebenen Umyyaden in Qurtuba zu Kalifen (es gab also drei Kalifen, wo es nur hätte einen geben dürfen). Das war im 10. Jhdt.
In Córdoba orientierte man sich bis dato kulturell an Bagdad, ab jetzt wurde man kulturell eigenständiger. Anfang des 11. Jhdt. zerbrach das Kalifat von Córdoba und die Kleinkönigreiche kamen in Spanien auf, wo jeder Kleinkönig, von denen manche kaum mehr als das Dorf, in dem sie wohnten beherrschten, eine kalifale Prachtentfaltung versuchte, weshalb es in dieser Phase der politisch Instabilität eine Blüte der Dichtkunst und der Musik in al-Andalus kam und auch manche der wichtigsten "wissenschaftlichen" des islamischen Spanien Texte stammen genau aus dieser kalifalen und post-kalifalen Zeit.

Es dürften - hier kommen wir wieder zum Krieg - Seldschuken und Almoraviden gewesen sein, die weniger ambiguitätstolerant als ihre kalifalen und nichtkalifalen Vorgänger die Blütezeit des Islam mehr zum Erliegen brachten, als die Kreuzfahrer. Die Kreuzfahrer berührten die islamische Welt nur peripher. Gut, Sizilien, Spanien wurden dauerhaft und das Heilige Land sowie Teile Tunesiens zeitweise christlich beherrscht. Aber das Ende der kulturellen Blüte des Islam setzten - mit Ausnahme von Sizilien und Spanien, wobei es ja auch gerade hier Zeiten des Lernens von den Muslimen gab (Übersetzerschule von Toledo, Salerno) - muslimische Hardliner, keine Fremden.
 
Bei Heraklits Zitat sollte man sich vielleicht das ganze Zitat (soweit es überliefert ist) vor Augen führen (wobei die genaue Übersetzung unsicher ist): "Der Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König, und er macht die einen zu Göttern, die andern zu Menschen, die einen zu Sklaven, die andern zu Freien." Der ursprüngliche Kontext ist zwar nicht bekannt (und man muss auch nicht immer in jedes Zitat unendlich viel hineininterpretieren), aber Heraklit meinte wohl nicht den "Fortschritt", sondern eher die gesellschaftlichen Auswirkungen, die Krieg mit sich bringt.
 
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Hängt es an den Kreuzzügen, dass die konstantierte "Blütezeit des Islam" im 11. Jhdt. ein Ende fand?

Was soll diese Frage? Aus dem Kontext der These der Wirkungen von Kriegen, wäre ein "Fortschritt" zu erwarten gewesen. So die Logik der These von "muck" !!!!!!!

Und darauf hatte ich mit dem Hinweis auf den folgenden Niedergang als Gegenargument hingewiesen. Das sollte doch eigentlich verständlich sein.


Dass der Krieg "der Vater aller Dinge" sei, ist ein geflügeltes Wort geworden. Nicht von ungefähr, denn man wird es vielfach bestätigt finden: Zumindest in den letzten 200 Jahren haben kriegerische Auseinandersetzungen dazu geführt, dass technischer und medizinischer Fortschritt finanziert wurde, weil man die besten Waffensysteme oder die am besten funktionierende Medizin haben wollte.
Man denke an
- Atomwaffen
- Radarsysteme
- Penicellin.

Sorry, aber das ist etwas so zutreffend wie dass Hitler die Autobahn gebaut hätte. Viele und wesentliche Erkenntnisse sind völlig frei vom Kontext des Krieges erfunden und entwickelt worden. So gravierende Entwicklungen wie die Dampfmaschine, der Webstuhl, die Eisenbahn, das Automobil, das Flugzeug und sogar die Raketentechnologie. Diese Liste ließe sich beliebig fortführen.

Die These ist auch deswegen nicht besonders überzeugend, weil im historischen Kontext gerade das Militär sehr oft sehr kritisch der Anwendung neuer Technologie gegenüber stand und die Einführung häufig eher behindert, denn gefördert hat.

Vor diesem Hintergrund dürften die Aufwendungen für militärische Forschung, seit es sie überhaupt gibt, gemessen an den zivilen Investitionen für Forschung deutlich niedriger liegen.

Ansonsten: Dass es Technologien gab, die entwickelt worden sind, weil sie besonders geeignet für die Kriegsführung sind, ist evident. Maschinenkanonen, Panzer, Flugzeugträger und Atom-Uboote, samt Stealth-Bomber werden relativ selten im zivilen Bereich eingesetzt.

Aber bereits bei der Entwicklung der Atomtechnologie wird es schwierig. Diese zivile Technik wurde in der BRD zu einem nicht geringen Prozentsatz durch Steuergelder finanziert. Und da war vordergründig - kein direkter militärischer Bezug. Ähnlich verhält es sich bei der ursprünglichen Entwicklung der EDV-Technologie sowie der Einführung des Vorläufers des Internets.

Natürlich ist es zutreffend, "dass technischer und medizinischer Fortschritt finanziert wurde", aber deswegen tritt mit Sicherheit nicht die Aussage zu, dass der Krieg - angeblich der "Vater aller Dinge" sei. Der Krieg ist vor allem der "Vater von Vernichtung, Tod und Verderben".

Diese Aussage zum Fortschrittspotential des Krieges ist in Bezug auf technologische Entwicklung oder "Fortschritt" - wie ursprünglich von "muck" behauptet - sicherlich nicht zutreffend. Im Gegensatz dazu entfalten die Wirkungen von Kriegen massive Folgen für den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandel. Wie Langewiesche es in "Der gewaltsame Lehrer" für Europas Moderne m.E. zutreffend dargestellt hat.
 
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Viele und wesentliche Erkenntnisse sind völlig frei vom Kontext des Krieges erfunden und entwickelt worden. So gravierende Entwicklungen wie die Dampfmaschine, der Webstuhl, die Eisenbahn, das Automobil, das Flugzeug und sogar die Raketentechnologie. Diese Liste ließe sich beliebig fortführen.
Das war meine Aussageabsicht. Daher verstehe ich auch den Vorwurf nicht:

das ist etwa so zutreffend wie dass Hitler die Autobahn gebaut hätte.

Ich schrieb schließlich:

Schaut man sich die Erfindungen an, die durch Kriege populär wurden, stellt man z.T. aber auch fest, dass es letztlich nur die Finanzspritze war, die der Krieg einer Erfindung gebracht hat, weniger die Idee.
und

Nennen wir ihn mal einen Geburtshelfer der Dinge, die man im Krieg verwenden kann. Ist nicht ganz so griffig, aber wohl angemessener.​
 
Wäre es mitunter passender, den ollen Heraklit weniger wörtlich zu nehmen? Dann könnte man sagen: "Der Krieg ist Katalysator für (manche) Dinge." Alle sind glücklich.

Es hängt ja auch immer von den beteiligten Entscheidern ab, ob eine Idee eine Chance bekommt oder nicht. Militärs sind häufig stockkonservativ. Man denke nur an Napoleon und die Dampfmaschine. Oder die Royal Navy und die Dampfmaschine. Als Schiffsantrieb. Auf hoher See. In den Docks, Arsenalen und als Hafenschlepper hat sie sich schneller durchgesetzt. Aus Gründen. Aus logistischen Gründen.
Auch dass insbesondere viele Vertreter der britischen Royal Navy die Dreadnought-Revolution ablehnten, hatte kurzfristig triftige Gründe: man gab einen enormen Vorsprung auf. Dass das natürlich völlig kurzsichtig war, war (nur) einem Teil der konservativen Säcke sicherlich auch durchaus bewusst. Aber ein paar Jahre wäre das schon noch gegangen.
Die Entwicklung der Panzerwaffe: Pferde waren doch bewährte nicht-fahrbare Unterstätze für Schlachtenkavallerie. Warum nun diese stinkenden Blechkästen? Die doch langsamer, weniger geländegängig, dreckiger anfälliger und viel uncooler aussahen als der fünfjährige Totilas-Nachkomme unter dem eigenen stolzen (und gut sichtbaren) Kadaver? Kann man ja nicht mit angeben bei... wem auch immer.

Erfindungen und Entwicklungen sind Lösungen für akute Probleme. Manche setzen sich zu Recht durch. Manche setzen sich zu Recht nicht durch. Manche setzen sich zu Unrecht durch. Manche setzen sich zu Unrecht nicht durch. Es menschelt halt und alles ist Abwägung, Kompromiss und Durchsetzung von Interessenn, mithin eine Frage bestehender Machtverhältnisse und Interessenkonflikte. Da kann ein Krieg eine Entwicklung abwürgen oder beschleunigen (oder gar nicht beeinflussen), eine Wirtschaftskrise, eine Eifersüchtelei oder der pure Zufall.

Zu den Beispielen des Huntertjährigen Krieges und des Dreißigjährigen Krieges. Haben die nicht tatsächlich Entwicklungen beschleunigt oder verstetigt? Im Falle des ersteren den Niedergang des "klassischen" Rittertums, im Falle des zweiteren den Aufstieg absolutistischer Staaten und der stehenden (stehengebliebenen!) Heere?
 
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Das war die Ausgangsthese:
Generell lässt sich sagen, dass Kriege tragischerweise den Fortschritt beflügeln wie kaum ein anderes menschliches Unternehmen. Nicht umsonst heißt es von Heraklit: Der Krieg ist der Vater aller Dinge.

Die Katalysator-Funktion:
Zu den Beispielen des Huntertjährigen Krieges und des Dreißigjährigen Krieges. Haben die nicht tatsächlich Entwicklungen beschleunigt oder verstetigt? Im Falle des ersteren den Niedergang des "klassischen" Rittertums und in zweiterem den Aufstieg von absolutistischer Staaten und der stehenden (stehengebliebenen!) Heere?

Den von Neddy präferierten Zugang wollte ich in Bezug auf die Moderne mit Langewiesche andeuten. Für die Frühe Neuzeit wird u.a. an den Arbeiten von Glete und Mann deutlich wie eng die Fähigkeit zur Kriegsführung von der Fähigkeit des Staates abhing, die notwendigen Ressourcen zu mobilisieren.

Und diese Mobilisierung konnte nur durch die Intensivierung staatlicher Funktionen auf der Basis einer leistungsfähigen Wirtschaft erfolgen. Für Europa ist dieser Zusammenhang deutlich erkennbar und Parker siedelt die RMA zu Beginn des 16. Jahrhundert an.

In diesem Sinne erzwingt die Kriegsführung eine Anpassung und Optimierung der staatlichen Funktionen und beschleunigt den "sozialen Wandel". Deswegen wird der Krieg aber nicht zum "Vater aller Dinge" geschweige denn des "Fortschritts".

Nicht zuletzt weil der "Fortschrittsgedanke" gerade auch im historischen Kontext mit der unidirektionalen Entwicklung hin zum Besseren assoziiert wurde und in den Kontext der "Aufklärung" gehört.

Glete, Jan (2002): War and the state in early modern Europe. Spain, the Dutch Republic, and Sweden as fiscal-military states, 1500-1660. London, New York: Routledge (Warfare and history).
Mann, Michael (2012): The Sources of Social Power. The rise of classes and nation-states, 1760-1914. New Edition. Cambridge: Cambridge Univ. Press
 
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Das heißt, der Krieg ist weniger Vater aller Dinge sondern vielmehr Kind staatlicher, phasenweise aber auch privatwirtschaftlicher Optimierung? Das täte sich ja mit einer meiner (unbelegten!) Privatthesen decken, derzufolge Organisationen Kriege weniger aus Not vom Zaun brechen, sondern vielmehr, weil's ihnen zu gut geht...
 
Eher im Sinne einer Interaktionswirkung. Um effektiv Krieg zu führen benötigt man eine effektive Staatsbürokratie. Einmal vorhanden ist sie der "Ermöglicher" (Enabler) weiterer und/oder komplexerer kriegerischer Ambitionen. In diesem Sinne wäre es für mich ein "kausales System", das verstärkende oder abschwächende Effekte zuläßt.
 
Ich habe mir dieser Tage im Fernsehen bei ZDFinfo die Dokumentation zu: „Korea – Der vergessene Krieg“ angesehen.
Der 5 Sterne (General oft he Army) General Douglas MacArthur (1880 – 1964) plädierte für den Einsatz von Atombomben.
Harry S. Truman (1884 – 1972) der 33. Präsident der USA lehnte ab.

Eingesetzt wurde aber große, sehr große Mengen Napalm.

Diese Dokumentation ist wohl noch bis zum 17.03.d.J in der Mediathek.
Ein Lob den Moderatoren dieser Sendereihe !!!

Was nun Heraklit von ephesos (520 – 460 v.Chr.) anbelangt.

Ja wenn schon, denn schon - vollständiges Zitat, dafür bin ich auch.

Aber was bringt uns so ein Zitat?

Vor allem wenn man bei Wikipedia liest: „Diese Zitate bestehen oft nur aus einem Satz und enthalten zahlreiche Aphorismen, Paradoxien und Wortspiele.

Dieses hier stammt wohl aus Heraklit: Fragmente: „Über die Natur“:

„Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König. Die einen macht er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien.“

Und noch 2 Meinungen dazu, die auch meine Meinung sind;

Zitat von Willy Brandt: „Nicht der Krieg, der Frieden ist der Vater aller Dinge“.

Und auch noch Immanuel Kant (1724 – 1804) über Krieg aus: Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte (1786):

„Man muss gestehen: daß die größten Übel, welche gesittete Völker drücken, uns vom Kriege, und zwar nicht so sehr von dem, der wirklich oder gewesen ist, als von der nie nachzulassenden und so gar unaufhörlich vermehrten Zurüstung zum künftigen, zugezogen werden.“
 
....

Was nun Heraklit von ephesos (520 – 460 v.Chr.) anbelangt.

Ja wenn schon, denn schon - vollständiges Zitat, dafür bin ich auch.

Aber was bringt uns so ein Zitat?

Vor allem wenn man bei Wikipedia liest: „Diese Zitate bestehen oft nur aus einem Satz und enthalten zahlreiche Aphorismen, Paradoxien und Wortspiele.

Dieses hier stammt wohl aus Heraklit: Fragmente: „Über die Natur“:

„Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König. Die einen macht er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien.“

...

Man kann auch noch die Fußnote 104 zum WP-Artikel lesen. Heraklit – Wikipedia
 
Ansonsten: Dass es Technologien gab, die entwickelt worden sind, weil sie besonders geeignet für die Kriegsführung sind, ist evident.
Eben.
Und da geht es ja vor allem um die möglichst rasche technische Ausbeutung von wissenschaftlichen Erkenntnissen die in Friedenszeiten gewonnen wurden.
Richard Feynman (- Sie belieben wohl zu scherzen Mr. Feynman - S. 144) merkt folgendes an: "Die ganze Wissenschaft hörte während des Krieges [2. Weltkrieg] auf, ausgenommen das, was in Los Alamos gemacht wurde. Und das war nicht viel Wissenschaft; es war zum größten Teil Technik." (Hervorhebung durch mich)
Und das ist ein wichtiger Punkt. Wissenschaft lebt ja seit je durch den geistigen Austausch über alle Grenzen hinweg, während das Militär ein vitales Interesse daran hat eben diesen Austausch zu unterbinden.
Der Krieg verödet den fruchtbaren Boden der Erkenntnis, und man sollte sich nicht dadurch blenden lassen, dass sehr spezielle Technologien besonders schnell auf einem zunehmend wüsten Boden wachsen.

Was die Kernforschung angeht, so verstummten internationale Publikation hierzu ab 1939/1940 recht abrupt und man kann sich schon fragen, ob ohne Krieg selbst diese Forschung fruchtbarer gewesen wäre.
Das erzielte Kriegs-Ergebnis indes ist wahrlich kein Fortschritt für die Menschheit, sondern deren Schwelle zur Hölle.
Was uns ahnen und sehen lässt, welcher Dinge der Krieg Vater ist.

Wenn das Alles sein sollte, man also annähme der Krieg "Vater aller Dinge" sei, dann gute Nacht und vielleicht bringt der Planet Erde noch etwas besseres hervor als die gegenwärtige Schaumkrone der Schöpfung.
 
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Ich würde das Zitat von Heraklit auch anders interpretieren. Mit Vater kann ja zweierlei gemeint sein: Der Erzeuger (Urheber) oder die Autoritätsfigur (Herrscher). Da Heraklit in dem Zitat "Vater" mit König" gleichsetzt, würde ich auf das Zweite tippen. Das hieße also nicht "Der Krieg ist der Urheber aller Dinge" sondern "Der Krieg bestimmt alle Dinge". Liest sich für mich also weniger wie ein erstellter Zusammenhang zwischen Krieg und Fortschritt, sondern wie eine Kritik an dem Stellenwert des Krieges.
 
Der Krieg bedeutet erst Zerstörung, dann (Wieder)Aufbau. Bei diesem Aufbau des Neuen ist man freier, als man wäre, wenn das Alte noch dastünde. In diesem Sinn bedeutet Krieg eine Zäsur, die tiefer geht als eine, die allein durch den wissenschaftlichen Fortschritt möglich wäre. Dazu kommt, dass man danach die alten Zöpfe schneller bzw. mit weniger Aufwand abschneiden kann, als wenn die Träger dieser Zöpfe in voller Stärke noch anwesend wären - es kommt ja zu einer Verjüngung des Personals auf allen Gebieten.

Das ist aber auch nach (zerstörenden) Seuchen der Fall. Als die Pest des 14. Jahrhunderts einen Viertel bis einen Drittel der Bevölkerung dahinraffte, bekamen die Überlebenden mehr Raum für ihre Ideen – die Renaissance war möglicherweise auch eine Folge der Pestpandemie, weil die den Menschen gezeigt hatte, dass der Glaube an Gott und an das Jenseits nichts dagegen ausrichten konnten: Das Diesseits, also das reale Leben und alles, was damit zusammenhängt, wurde (wieder) interessant. Und es war kein Zufall, dass dieses Rinascimento in Italien begann – es war von der Seuche härter betroffen als andere Länder Europas.

In diesem Sinn ist Krieg als solches nicht der Vater von Dingen, sondern ein Katalysator, der die Dinge nicht selbst schafft, sondern lediglich verlangsamt oder beschleunigt.
 
Der Krieg bedeutet erst Zerstörung, dann (Wieder)Aufbau. Bei diesem Aufbau des Neuen ist man freier, als man wäre, wenn das Alte noch dastünde. In diesem Sinn bedeutet Krieg eine Zäsur, die tiefer geht als eine, die allein durch den wissenschaftlichen Fortschritt möglich wäre. Dazu kommt, dass man danach die alten Zöpfe schneller bzw. mit weniger Aufwand abschneiden kann, als wenn die Träger dieser Zöpfe in voller Stärke noch anwesend wären - es kommt ja zu einer Verjüngung des Personals auf allen Gebieten.

Die Idee hört sich arg nach der Schumpeter`schen Formel der "schöpferischen Zerstörung" an. Für die Beschreibung der Entwicklung von Innovationen mag das eine hilfreiche Beschreibung sein, für Gesellschaften der letzten 4000 Jahre wohl weniger.

Schöpferische Zerstörung – Wikipedia

Nicht zuletzt weil über lange Perioden der Geschichte die Wirkungen von Kriegen für Gesellschaften gravierend negativ waren, da vor allem für die Verlierer die politische und wirtschaftliche Grundlage entweder zerstört wurde oder gravierend beeinträchtigt. Und das bedeutete in der Regel eine Verschärfung des Mangels, der nicht durch "Innovationen" kompensiert werden konnte. Und viele Gesellschaften (Stämme, Stadtstaaten, Zivilisationen etc.) wurden durch Kriege komplett ausgelöscht.

In diesem Sinne: Zuerst war in der Regel eine innovative Idee und dann wurde sie im Zuge des politischen und sozialen Wandels in die Praxis transformiert. Die Reformation war der Auslöser des 30 Jährigen Kriegs und nicht das Ergebnis und somit waren die "alten Zöpfe" vor dem Krieg abgeschnitten worden. Der Wille zur Unabhängigkeit von GB die Ursache für den Befreiungskrieg bzw. die US-Revolution. Die Französische Revolution der Vorläufer für die Napoleonischen Kriege. Und auch in diesen beiden Punkten ist das Bild mit den "Zöpfen" nicht zutreffen.

Und die "Aufklärung" entwickelte sich generell weitgehend unabhängig von der Frage irgendwelcher Kriege. Ähnlich war das 19. Jahrhundert durch die industrielle Revolution geprägt und hat die Welt so gravierend verändert wie niemals zuvor. Und gleichzeitig war es eine vergleichsweise "friedliche" Zeit mit vergleichsweise wenigen Kriegen in Europa.

Dass mit Hinblick auf die Wirkungen des WW1 und des WW2 der Eindruck dominant ist, dass extrem tiefgreifende Veränderungen stattgefunden haben, ist zutreffend. Dennoch waren es historische Ereignisse, die als "Totale Kriege" eine bisher neuartige Qualität in der Menschheitsgeschichte dargestellt haben.

Und noch eine Anmerkung zur Pest: Die Wirkungen der Pest als "sozialer Wandel" kamen u.a. durch die veränderte Bedeutung des Faktors "Arbeit" zustande. Der gravierende Verlust an "Arbeitskraft" in den Städten und auf dem Lande erhöhte den Nachfragedruck - auch in den Städten - nach Arbeitskräften und führte u.a. zu einer Migration in die Städte ("Stadtluft macht frei"). Mit Rückwirkungen auf das Feudalsystem auf dem Lande und der Stärkung der Bedeutung der Städte. Das hat wenig mit "mehr Raum für Ideen" zu tun, sondern mit einem "Arbeitsmarkt", der durch Angebot und Nachfrage die Landflucht begünstigte und somit den sozialen Wandel durch Migration in die Städte begünstigte.
 
Nicht zuletzt weil über lange Perioden der Geschichte die Wirkungen von Kriegen für Gesellschaften gravierend negativ waren, da vor allem für die Verlierer die politische und wirtschaftliche Grundlage entweder zerstört wurde oder gravierend beeinträchtigt. Und das bedeutete in der Regel eine Verschärfung des Mangels, der nicht durch "Innovationen" kompensiert werden konnte.
Das gilt aber nicht generell: Trotz oder vielleicht sogar wegen der umfassenden Zerstörungen, die Deutschland im II. Weltkrieg erlitten hatte, war der Wiederaufbau erfolgreich – das im Gegensatz zu der Siegermacht Frankreich, wo z.B. noch Jahrzehnte nach dem Krieg die alten in Deutschland abmontierten Maschinen liefen, während bei uns die neuen und in der Regel auch leistungsfähigeren ihren Dienst taten.

Die Reformation war der Auslöser des 30 Jährigen Kriegs und nicht das Ergebnis und somit waren die "alten Zöpfe" vor dem Krieg abgeschnitten worden.
Das ist nur ein Teil der Wahrheit: In den katholischen Ländern wurden die Zöpfe nicht abgeschnitten – sie wurden durch die Gegenreformation noch gestärkt, was die katholische Welt ins Hintertreffen brachte, von dem sie sich vielenorts bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht erholen konnte.

Der Wille zur Unabhängigkeit von GB die Ursache für den Befreiungskrieg bzw. die US-Revolution. Die Französische Revolution der Vorläufer für die Napoleonischen Kriege. Und auch in diesen beiden Punkten ist das Bild mit den "Zöpfen" nicht zutreffen.
Beide, die Unabhängigkeitserklärung der Amerikaner und die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich, haben gleich am Anfang die alten Zöpfe abgeschnitten, erst danach kam jeweils der Krieg, der die Errungenschaften der Revolutionen festigte und, im Fall der französischen, nach ganz Europa trug und damit dieses für immer veränderte. Die Trennung von Kirche und Staat – aus beiden Revolutionen gingen ja säkulare Staaten hervor – zeigte Folgen auch in Europa, die sich aber im Wesentlichen in der Enteignung der Kirchengüter erschöpften: Von einer wirklichen Trennung von Kirche und Staat wie in Frankreich kann z.B. in Deutschland bis heute nicht gesprochen werden.

Und die "Aufklärung" entwickelte sich generell weitgehend unabhängig von der Frage irgendwelcher Kriege.
Ob sich die Aufklärung, hier denke ich insbesondere an die Menschenrechte, auch ohne der napoleonischen Kriege in Europa so ausgebreitet hätte, ist eine Frage, die niemand beantworten kann.

Ähnlich war das 19. Jahrhundert durch die industrielle Revolution geprägt und hat die Welt so gravierend verändert wie niemals zuvor. Und gleichzeitig war es eine vergleichsweise "friedliche" Zeit mit vergleichsweise wenigen Kriegen in Europa.
Diese Zeit war vermutlich nur deswegen vergleichsweise friedlich, weil sich Europa ihres Bevölkerungsüberschusses durch massenhafte Auswanderung entledigen konnte.

Die Wirkungen der Pest als "sozialer Wandel" kamen u.a. durch die veränderte Bedeutung des Faktors "Arbeit" zustande. Der gravierende Verlust an "Arbeitskraft" in den Städten und auf dem Lande erhöhte den Nachfragedruck - auch in den Städten - nach Arbeitskräften und führte u.a. zu einer Migration in die Städte ("Stadtluft macht frei"). Mit Rückwirkungen auf das Feudalsystem auf dem Lande und der Stärkung der Bedeutung der Städte. Das hat wenig mit "mehr Raum für Ideen" zu tun, sondern mit einem "Arbeitsmarkt", der durch Angebot und Nachfrage die Landflucht begünstigte und somit den sozialen Wandel durch Migration in die Städte begünstigte.
Das ist eine zu sehr auf die Wirtschaft beschränkte Sichtweise, denn dieser veränderte Arbeitsmarkt hat wenig mit Renaissance im Denken zu tun, wofür dieser Begriff ja steht.

Im Übrigen setzte die Migration in die Städte schon vorher ein: Aufgrund des günstigen Klimas im Hochmittelalter stieg die Bevölkerung überproportional, und als die Pest kam, war diese Klimaphase schon wieder vorbei – siehe dazu auch Spätmittelalterliche Agrarkrise.
 
Ob sich die Aufklärung, hier denke ich insbesondere an die Menschenrechte, auch ohne der napoleonischen Kriege in Europa so ausgebreitet hätte, ist eine Frage, die niemand beantworten kann.

Das ist eine zu sehr auf die Wirtschaft beschränkte Sichtweise, denn dieser veränderte Arbeitsmarkt hat wenig mit Renaissance im Denken zu tun, wofür dieser Begriff ja steht.

Sehe jeden Punkt anders, aber zwei direkte Widersprüche.

1. Wieso sollte man die "Aufklärung" auf die Frage von "Menschenrechten" reduzieren. Im Kern wurde das Weltbild säkularisiert. Und fand seinen deutlichsten Ausdruck in seinem Hauptwerk, der "Encyclopédie" von Diederot.

Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers – Wikipedia

2. Es ging um die Wirkungen der Pest. Und Roeck - Der Morgen der Welt - beschreibt in "Mentalitätsbruch" (S. 380-385) genau die Veränderungen im Arbeitsmarkt und der damit zusammenhängenden Strukturen der feudal geprägten Landwirtschaft (S. 384). Und er beschreibt die Wirkungen, die frühzeitige Erbschaften auf die Stimulierung von Kunst, Architektur und Gewerbe - vor allem in den Städten - hatten.

Ein Beitrag im br bringt die Argumentation auf den Punkt:
"Auch anderswo wirkte sich der Arbeitskräftemangel positiv für die Überlebenden aus. In den Städten konnten sie letztlich fast überall höhere Löhne durchsetzen. Die Zünfte ließen nun Mitglieder zu, die vorher keine Chancen gehabt hatten, der Lebensstandard stieg. Die Entvölkerung auf dem Land führte wiederum dazu, dass nachgeborene Söhne und bislang Mittellose zu eigenen Bauernhöfen kamen. So beschleunigte die Pest einen Aufstieg der zuvor ärmeren Schichten. Der Anstieg der Lohnkosten wiederum führte wiederum dazu, dass die damaligen Produzenten an einer Mechanisierung der Abläufe interessiert waren, so dass es zu einer Dynamik bei Erfindungen kommt – z.B. Buchdruck, neue Webstühle."
 
Das ist aber auch nach (zerstörenden) Seuchen der Fall. Als die Pest des 14. Jahrhunderts einen Viertel bis einen Drittel der Bevölkerung dahinraffte, bekamen die Überlebenden mehr Raum für ihre Ideen – die Renaissance war möglicherweise auch eine Folge der Pestpandemie, weil die den Menschen gezeigt hatte, dass der Glaube an Gott und an das Jenseits nichts dagegen ausrichten konnten: Das Diesseits, also das reale Leben und alles, was damit zusammenhängt, wurde (wieder) interessant. Und es war kein Zufall, dass dieses Rinascimento in Italien begann – es war von der Seuche härter betroffen als andere Länder Europas.

Ich sehe da einige Fehlschlüsse. Zum einen begann die Renaissance, wenn man so will, schon vor der Pestepidemie der 1340er Jahre, bereits in den 1320er Jahren war z.B. Petrarca dichterisch tätig. Zum anderen glaubte man durchaus, dass die Pest eine göttliche Strafe sei und es wurden Kichbauten forciert. Das betrifft zwar jetzt nicht das 14. sondern das 16. und 17. Jhdt. aber die Basilica del Redentore und die Basilica di Santa Maria della Salute sind zwei sehr bekannte Votivkirchen allein in Venedig, die anlässlich zweier Pestepidemien errichtet wurden.
Und die Renaissance begann vor allem in den toskanischen Städten. Sizilien und Unteritalien, also die Gebiete die am härtesten von der Pest betroffen waren, blieben rückständig.
Es war die politische Situation in Oberitalien mit seinen Stadtrepubliken und ambitionierten Patriziern, welche die Künste förderten. Auch und gerade weil man zueinander in einer Konkurrenzsituation stand. In großen Reichen wird immer nur stellenweise in Prestigeprojekte investiert - eben in die Lieblingspfalz des Herrscher oder die Hauptstadt. Wo jeder Staatstaat eigenständig ist und in Konkurrenz steht, da fließt das Geld an vielen Stellen in Prestigeprojekte.

Das ist nur ein Teil der Wahrheit: In den katholischen Ländern wurden die Zöpfe nicht abgeschnitten – sie wurden durch die Gegenreformation noch gestärkt, was die katholische Welt ins Hintertreffen brachte, von dem sie sich vielenorts bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht erholen konnte.
Witzigerweise widersprichst du deiner antikatholizistischen These gleich im nächsten Satz selbst:

Beide, die Unabhängigkeitserklärung der Amerikaner und die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich, haben gleich am Anfang die alten Zöpfe abgeschnitten, erst danach kam jeweils der Krieg, der die Errungenschaften der Revolutionen festigte und, im Fall der französischen, nach ganz Europa trug und damit dieses für immer veränderte.
Nun war Frankreich aber ein katholisches Land wie Italien oder Spanien. Wo wurden Zöpfe radikaler abgeschnitten, als dort?

– zeigte Folgen auch in Europa, die sich aber im Wesentlichen in der Enteignung der Kirchengüter erschöpften: Von einer wirklichen Trennung von Kirche und Staat wie in Frankreich kann z.B. in Deutschland bis heute nicht gesprochen werden.
Im Gegensatz zu Frankreich ist nun Deutschland kein genuin katholisches Reich gewesen - obgleich die habsburgischen Kaiser katholisch waren - sondern hatte spätestens seit dem Wiener Kongress eine gewisse protestantische Dominanz.
 
Das ist nur ein Teil der Wahrheit: In den katholischen Ländern wurden die Zöpfe nicht abgeschnitten – sie wurden durch die Gegenreformation noch gestärkt, was die katholische Welt ins Hintertreffen brachte, von dem sie sich vielenorts bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht erholen konnte.
Witzigerweise widersprichst du deiner antikatholizistischen These gleich im nächsten Satz selbst:
Beide, die Unabhängigkeitserklärung der Amerikaner und die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich, haben gleich am Anfang die alten Zöpfe abgeschnitten, erst danach kam jeweils der Krieg, der die Errungenschaften der Revolutionen festigte und, im Fall der französischen, nach ganz Europa trug und damit dieses für immer veränderte.
Nun war Frankreich aber ein katholisches Land wie Italien oder Spanien. Wo wurden Zöpfe radikaler abgeschnitten, als dort?
Da ist kein Widerspruch, denn die erste Aussage galt der Situation nach dem 30-jährigen Krieg, und die zweite galt der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich. Dies hatte Wirkung in ganz Europa, wenn auch nicht überall gleich stark. Und natürlich war Frankreich bis zur Revolution ein katholisches Land – siehe Bartholomäusnacht – wie Spanien und Italien, doch nur in Frankreich gab es diese Trennung von Kirche und Staat, und die Bürgerrechte wurden gleich verwirklicht, während man in den anderen beiden Staaten noch mindestens ein halbes Jahrhundert darauf warten musste.

Im Gegensatz zu Frankreich ist nun Deutschland kein genuin katholisches Reich gewesen - obgleich die habsburgischen Kaiser katholisch waren - sondern hatte spätestens seit dem Wiener Kongress eine gewisse protestantische Dominanz.
Deutsches Reich bestand nach den napoleonischen Kriegen zwar nicht mehr, dennoch darf man das bevölkerungsreiche katholische Kaiserreich Österreich (mit Böhmen und Ungarn) wie auch das katholische Königreich Bayern bis 1849 noch dazu zählen. Will sagen: So deutlich sehe ich die protestantische Dominanz bis dahin nicht.
 
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Das gilt aber nicht generell: Trotz oder vielleicht sogar wegen der umfassenden Zerstörungen, die Deutschland im II. Weltkrieg erlitten hatte, war der Wiederaufbau erfolgreich – das im Gegensatz zu der Siegermacht Frankreich, wo z.B. noch Jahrzehnte nach dem Krieg die alten in Deutschland abmontierten Maschinen liefen, während bei uns die neuen und in der Regel auch leistungsfähigeren ihren Dienst taten.
Na ja @Dion, das ist ja vielleicht ein Klischee.
Immerhin befand sich das [West-] Deutschland auf das Du Dich beziehst, an der Nahtstelle einer globalen Auseinandersetzung welche große Mittel in diesem Zusammenhang anzog. Und zwar aus einer Region der Welt, welche eben seit unvergleichbar längerer Zeit keinen Krieg im eigenen Land hatte und sich deshalb zur unbestrittenen ersten Weltmacht aufschwingen konnte, nachdem sich die Mutter Europa zweimal hintereinander selbst zerfleischte!?

Es gibt ja die Vorstellung, dass z.B. die großen Katastrophen der planetaren Geschichte (Massenaussterben) der biologischen Evolution sozusagen jeweils einen Boost gaben. Ob das so war, oder nicht, lässt sich nicht sagen.
Und noch viel weniger wenn man die kulturellen Evolutionen betrachtet.

Was man aber m.E. sicher sagen kann, dass im Werkzeugkasten des Fortschritts und der Erkenntnis, Mord und Totschlag nicht sinnvoll zu finden sind.
 
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