Natürlich, muss ich nun erklären, was ich mit Effekten meine! Also fangen wir mal an.
Es wird ja wohl niemand ernsthaft bestreiten, dass England, zu seiner Zeit das mächtigste und fortschrittlichste Land der Welt war.
Da frage ich mich doch, warum Braunschweig, nicht stärker davon profitiert hat, sich seinen Fürsten mit dem mächtigsten Land der Welt zu teilen?
Wieso wurden in Braunschweig, nicht Schulen und Hochschulen nach britischem Vorbild gegründet? Immerhin, war das britische Schulsystem eines der ältesten und besten. Im Gegensatz zu dem was damals im HRR üblich war. Und auch die britische Verwaltung, dürfte ja um einiges professioneller gewesen sein, als die Braunschweig.
Wieso also, hat man die Verwaltung nicht angepasst. Es wundert mich, dass die wohlhabenden Bewohner dieses Fürstentums, nicht auf die Idee gekommen sind, eine Gleichbehandlung mit den englischen Untertanen zu verlangen!
Als wichtigste Punkte, neben dem Bildungswesen, fallen mir da ein:
- Die Schaffung unabhängiger Gerichte, nach englischem Vorbild.
- Die Schaffung eines Landtages nach britischem Vorbild, gerne auch mit zwei Kammern. Um den Adel nicht zu verprellen.
- Die Abschaffung der Sklaverei bzw. Leibeigenschaft. Soweit mir bekannt ist, wurde diese ja in England in der 2. Hälfte des 18. Jhrd. abgeschafft. Wobei man auch hier zwischen dem englischen Mutterland und den Kolonien unterscheiden muss. Immerhin,gab es in gewissen nordamerikanischen Kolonien ja Sklavenhaltung! Und diese hielt noch 3 Generationen an, nachdem, diese Kolonien aufgrund von "Meinungsverschiedenheiten" ihre Unabhängigkeit von England erklärten und erkämpften.
Das hätte sicherlich vieles in Braunschweig zum besseren verändert. Freue mich wie immer auf eine rege Beteiligung.
Ich würde der etwas bombastischen These, dass England bzw. Großbritannien das mächtigste und fortschrittlichste Land der Welt gewesen ist widersprechen. Ich würde ihr sogar entschieden widersprechen wollen.
Den Aufstieg zur europäischen Großmacht verdankte GB vor allem seiner insularen Lage, die es ihm ersparte, eine absolutistische Armee und Festungen unterhalten zu müssen.
Der bei weitem dynamischste und fortschrittlichste Merkantilstaat war im 17. Jahrhundert Holland. Im 18. Jahrhundert setzte sich aber das Gesetz von Fläche und Bevölkerungszahl durch, und die Niederlande waren demographisch nicht länger in der Lage, eine Großmacht zu sein. GB wäre demographisch dazu auch nicht in der Lage gewesen, seine Bevölkerungszahl betrug etwa nur 1/4 bis 1/5 der Bevölkerung Frankreichs. Seine Insellage machte GB aber so gut wie unangreifbar, solange es über eine starke Flotte verfügte.
Bis 1700 hatte London Amsterdam als Wirtschaftsstandort überflügelt, und als Zar Peter I. nach Europa reiste, wurden die besten Kriegsschiffe nicht mehr auf der Werft in Zandam, wo Peter das Handwerk des Schiffsbaus von der Pike auf lernte, sondern in GB gebaut. England war bei weitem die bedeutendste Seemacht und durch Kolonien zum Global Player geworden.
GB war aber noch weit davon entfernt, die "Werkstatt der Welt" zu sein, zu der es sich während der Industriellen Revolution entwickelte. Aber auch im 19. Jahrhundert war es keineswegs so, dass GB in Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre Europa und den Rest der Welt so überragt hätte, wie es dein Eingangsbeitrag suggeriert. Oxford und Cambridge waren berühmte Universitäten.
Die gab es aber auch in Paris, Bologna, Leyden, Prag, Wien und Heidelberg. Deutsche Universitäten hatten im 19. Jahrhundert einen hervorragenden Ruf und hatten auch nicht den Vergleich mit Oxford, Cambridge, Harvard, Yale und Princeton zu scheuen.
Die Georg August Universität in Göttingen war eine relativ späte Gründung, lange vor Göttingen waren Universitäten in Wien, Prag, Heidelberg, Leipzig und Marburg/Lahn gegründet worden. Göttingen war ein Zentrum des Tuchhandels gewesen, durch den Dreißigjährigen Krieg aber schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Verhältnisse waren noch sehr rustikal, um (adelige) Studenten anzuziehen, wurde in Göttingen eine Reithalle als Attraktion gebaut. Subventionen aus GB zogen renommierte Professoren an. In recht kurzer Zeit gelang es Göttingen, zu einer berühmten Universität zu werden, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts ihr Vorbild Halle deutlich überflügelte. Eine Reihe von bekannten Persönlichkeiten hat in Göttingen studiert oder gelehrt.
Die Georgia Augusta hat erheblich von der Personalunion GB-Hannover profitiert. Zu der Längengrad-Kommission gehörten auch eine Reihe von deutschen oder deutschsprachigen Wissenschaftlern und Astronomen.
Relativ liberale Pressegesetze und ein weltoffenes Klima führten dazu, dass viel publiziert wurde. Englisch war im 18. Jahrhundert noch weit davon entfernt, dominierende Wissenschaftssprache zu sein. An den meisten Universitäten war es in vielen Fakultäten noch üblich, eine Dissertation in Latein zu verfassen. In der Diplomatie war noch der westfälische Frieden in Latein abgefasst, bis sich Französisch als Sprache der Diplomatie im 17. Jahrhundert durchsetzte. Auch grundlegende Standardwerke zu Festungsbau-, Fortifikationskunst, Seiden- und Tabakverarbeitung waren in französischer Sprache verfasst. Französisch und nicht Englisch war die dominierende Sprache der Wissenschaft.
Politisch war Frankreich im Vergleich zu GB im 18. Jahrhundert zurückgefallen, und die französische Monarchie hatte einen riesigen Reformstau. Frankreich war aber (nach Russland) das bevölkerungsreichste Land Europas, und in Wissenschaft und Forschung, im Militärwesen, in der Landwirtschaft und vielen anderen Gebieten besaß Frankreich zumindest in kultureller Hinsicht eine gewisse Vormachtstellung.
In der Landwirtschaft, im Deich- und Schiffsbau, in der Mühlenwirtschaft gehörten die Niederlande auch im 18. Jahrhundert zu den fortschrittlichsten Staaten Europas.
Den größten Bedarf an qualifizierten Fachkräften gab es im 18. Jahrhundert in Russland. Peter I. und Katherina II. warben Fachkräfte aus ganz Europa an. Schiffsbauer aus England und Holland, Architekten und Gartenkünstler aus Frankreich und Italien, Experten für Bergbau aus Deutschland. Auch Briten wie Patrick Gordon, der für Peter I. so etwas wie ein Mentor und väterlicher Freund wurde, die überwiegende Mehrheit, der Fachkräfte, die angeworben wurden, stammten aber aus den deutschen Ländern, aus Holland, Frankreich und Italien.
GB würde in einem direkten Vergleich mit anderen europäischen Mächten sicher in dem ein oder anderen Bereich punkten. Es kann aber überhaupt keine Rede davon sein, das es in Punkto Technologie, Forschung und Wissenschaft
die führende Nation in Europa gewesen wäre, die alle anderen überragte.
In GB sollte die Habeas Corpus Akte Schutz vor willkürlichen Verhaftungen bieten. Auf dem Gebiet des Rechtswesens und der Strafjustiz war GB aber im 18. und frühen 19. Jahrhundert aber eher ein abschreckendes Beispiel, als ein leuchtendes Vorbild. aber dazu habe ich schon etwas geschrieben.