die Sache mit dem "Balkankamel"

stefan73at

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hat mich immer schon fasziniert. Evident ist, das Suleiman 1529 als auch Kara Mustapha 1683 einen gewaltigen Tross Kamele beider Arten mit sich führten. Bemerkenswerterweise auch tausende Dromedare. Aber das kann ja nicht alles gewesen sein und führt zur Frage, ob und wie Kamele tatsächlich auf dem Balkan verbreitet waren.

Zunächst ein interessanter link. Obwohl vermutlich niemand eine Braue heben wird dazu, dass in österreichischen Kellern auch Kamele zu finden sind:

Intact Ottoman 'war camel' found in Austrian cellar

Mein Erkundungsstand ist folgender: Dromedare im Wienerwald und auf steirischen Almen waren ein Missgriff. Die Tiere erkrankten durchgehend. Obwohl die Fourage für sie mitgeführt wurde (was neue, ökonomische Rätsel aufwirft) ist ihnen die zusätzliche Äsung am Wegesrand sehr schlecht bekommen.

In Nordmazedonien fühlten sie sich scheinbar noch recht wohl. Ich machte mich auf die Suche nach Zeitungsausschnitten und Postkarten, die ich bei Interesse gerne einscannen werde. Zum Bsp. ein Bildbericht bulgarischer Bauern, die noch in den 1920ern Jahren ihre Restbestände an Dromedaren vor den Pflug spannten! Und ist ja nicht anzunehmen, dass sie das Futter auf Amazon bestellten. Gewiss, dass sind schon deutliche trockenere Gegenden, stark zellulosehältige Weiden...aber die genaue Erklärung eines Zoologen wäre schon interessant, warum sie dort noch zurecht kamen und ab wo genau es, ich nehme einmal an "zu saftig" für sie wurde. Gewiss, es auch war auch in Bulgarien ein bald verschwundenes Auslaufmodell. Ist wohl kein ideales Zugtier und Bulgaren müssen keine Wüsten durchqueren. Es dürfte sich also um Bestände gehandelt haben, die aus den Weiten des Orients dort "hängenblieben". Von Syrern zurückgelassen wurden oder noch exotischerer Herkunft....

Das baktrische Kamel/Trampeltier wurde noch im 1. Wk bis nach Nordserbien vom osmanischen Train eingesetzt. Dazu gibt es auch imposante Aufnahmen langer Karawanen bis nach Belgrad hinauf. Ok das baktrische Kamel kommt bei uns gut zurecht, wird ja auch heute noch hin und wieder von Liebhabern auf der normalen Weide gehalten.

Stellt sich die Frage, wo war in osmanischer Zeit der Umschlagplatz. Man sollte meinen, in den anatolischen Karawansereien wurde auf Maultier & Co. umgesattelt. Dann machte es aber noch weniger Sinn, bspw 1529 20.000 Dromedare bis nach Wien zu treiben. Denn 20.000 zusätzliche Maultiere, das war damals gewiss kein Ding der Unmöglichkeit. Die hätte man unterwegs locker zusammen bekommen.

In einigen Quellen wird Skopje, das damalige Üsküb erwähnt. Das auch nur verzeinzelt von Karawanen aus Dromedaren angesteuert wurde und dort wäre der historische Endbahnhof gewesen. Schon ziemlich tief in Europa.
 
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Wenn ich diesen und den Artikel in der ZEIT richtig verstehe, dann handelte es sich um einen Hybriden aus Tramepltier und Dromedar:

DNA analysis shows that the beast - the first intact camel skeleton found in central Europe - was a Bactrian-dromedary hybrid, popular in the army.​

Archäologen in Österreich sind entzückt: Vor Wien fanden sie ein Skelett, teils Dromedar, teils Trampeltier.​

Ich verstehe dein Problem, wie man die Kamele versorgte, das andere Problem, warum man denn noch Kamele mitführte, wenn man doch auf Maultiere hätte umladen können, sehe ich nicht, da es sich ja offensichtlich nicht um Last- handelte, sondern um Reittiere handelte.

Ggf. müsste man auch über die kulturelle Bedeutung und die Wertschätzung, die dem Dromedar in der islamischen Welt entgegengebracht wird, nachdenken.
 
Dass man über die riesige Distanz das Futter für die Dromedare mitführte. Datteln usw. die ja einen langen Weg hinter sich hatten, finde ich schon eigenartig. Es müsste sich um ausgesprochen wertvolle Reittiere gehandelt haben.
 
Ich habe von Zoologie keine Ahnung, aber nach dem, was ich gelesen habe, scheinen Dromedare ziemlich anspruchslos bei ihrer Futterwahl zu sein. Daher habe ich meine Zweifel, ob die Osmanen tatsächlich ein extra Dromedarfutter nach Europa mitbrachten.
Dromedar – Wikipedia
Edit: Ich habe die Seite einer kommerzielen Kamelfarm gefunden, die ihre Tiere in der Norddeutschen Tiefebene weiden lässt. (der 5. Treffer bei mir mit google "Dromedare in Europa")


image.jpg
 
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Dass man über die riesige Distanz das Futter für die Dromedare mitführte. Datteln usw. die ja einen langen Weg hinter sich hatten, finde ich schon eigenartig. Es müsste sich um ausgesprochen wertvolle Reittiere gehandelt haben.
Hanniba‘al zog mit Elefanten durch Spanien, über die Pyrenäen, durch Gallien und über die Alpen.
Ich weiß nicht, was man den Kamelen zu fressen gab. Aber wie kommst du auf Datteln?
 
"Lag mit Fieber, Durchfall und Erbrechen im Bett"

Achso nein, das betraf ihre Majestät :)
Merke: Suppenkinnhöcker != Höckertier

Wenn ich schreibe "sie haben das Futter mittransportiert" hat es eigentlich nicht viel Sinn zu antworten "Ich habe meine Zweifel, ob sie ihr Futter mitführten". Weil natürlich jedes Forum in gewissen Masse Vertrauenssache ist und recht guter Stil, wenn man eine Angabe freundlicherweise als Gegebenheit annimmt.

Bisher wurde noch alles was ich hier schrieb durch den Kakao gezogen, was ich inziwschen recht unterhaltsam finde. Das ist mir in 23 Jahren Forentätigkeit so drastisch noch nicht begegnet. Ich bemühe mich um seriöse Literatur und würde keinen Sinn darin erkennen, hier bullshit zu verbreiten :)

Vielleicht hat es mit der Gewöhnung zu tun und ich würde nicht ausschließen, ob ein Kamel in Norddeutschland zusätzliches Futter aus dem angestammten Lebensraum bekommt bzw. die Futterweide entsprechend bepflanzt wurde.
 
W
Hanniba‘al zog mit Elefanten durch Spanien, über die Pyrenäen, durch Gallien und über die Alpen.
Ich weiß nicht, was man den Kamelen zu fressen gab. Aber wie kommst du auf Datteln?

Weil ich "Datteln" gelesen habe.

Das Dromedare am Liebsten Datteln fressen ist allgemein bekannt. Sie mögen auch gerne die Blätter der Dattelpalmen. Zudem kann man sie hervorragend konservieren. Getrocknete Datteln sind auf nahezu unbestimmte Zeit haltbar und dabei tolle Energiespender. Es wird wohl nicht nur für die Kamele bestimmt sein.
 
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Weil ich "Datteln" gelesen habe.

Das Dromedare am Liebsten Datteln fressen ist übrigens allgemein bekannt.
Wo hast du das denn mit den Datteln gelesen? Und das pflanzliche Allesfresser auch Datteln fressen, ist nur logisch. In deinem bbc-Artikel steht lediglich, dass das gefundene Tier nicht geschlachtet wurde. Aber zur Ernährung des "war camel" steht da gar nichts.

Wenn ich schreibe "sie haben das Futter mittransportiert" hat es eigentlich nicht viel Sinn zu antworten "Ich habe meine Zweifel, ob sie ihr Futter mitführten".

Wenn deine nicht belegte Behauptung nicht mir der Aussage bei wiki und dem Foto einer Kamel- und Dromedarzucht in Visselhövede in Einklang zu bringen ist, sind Zweifel nun mal angebracht.
 
Hanniba‘al zog mit Elefanten durch Spanien, über die Pyrenäen, durch Gallien und über die Alpen.
Ich weiß nicht, was man den Kamelen zu fressen gab. Aber wie kommst du auf Datteln?

Mit einer enormen Verlustrate. So verrückt ist es gar nicht. Die Elefanten des Amboseli Nationalparks sollen recht gerne den Killimandscharo hinauf wandern.
 
Dass pflanzliche Allesfresser auch gerne Datteln futtern, ist nicht so verwunderlich. Nur warum sollten die Osmanen Datteln als Kamelfutter nach Europa bringen, wenn die Biester von Dornbüschen, Blättern über Baumnadeln bis zu Grasgewächsen so ziemlich alles fressen?
 
Sie können sich sogar von Telefonbüchern ernähren, weil Dromedare Zellulose spalten können. Dafür müsst ich jetzt aber meinen DuMont Reiseführer von 1980 finden und einscannen....
 
Dass pflanzliche Allesfresser auch gerne Datteln futtern, ist nicht so verwunderlich. Nur warum sollten die Osmanen Datteln als Kamelfutter nach Europa bringen, wenn die Biester von Dornbüschen, Blättern über Baumnadeln bis zu Grasgewächsen so ziemlich alles fressen?

Ich mach mich mal auf die Suche, vielleicht finde ich die Quelle doch noch.
 
Hier der Beitrag aus einem Tierarztforum zur Kamelfütterung. Datteln tauchen da nicht auf. Wahrscheinlich fallen Datteln unter Saftfutter (Zitat):
"Saftfutter
wie Äpfel, Möhren und Futterrüben lieben die Tiere sehr, sollte wegen des hohen Energie- und Zuckergehaltes aber nicht oder nur sehr selten gereicht werden. Dasselbe gilt für Brot. Hinzu kommt die erhebliche Gefahr der Schlundverstopfung."
 
Hier ein Anhaltspunkt, woran die Viecher auf jeden Fall verendet sein könnten:

die "Kamelkanone"

Beachte das Kaliber :)

Topçu – Wikipedia

Und warum eigentlich nicht zwei. Auf jeder Seite so ein 6 Pfünder? hätte doch deutlich mehr Balance gebracht. In meiner Version hätte ich auf dem Höcker noch einen kleinen Mörser angebracht. Ist ja Platzverschwendung.
 
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Andere Epoche - ebenfalls Kamele

In Mamer-Bartringen (Luxemburg) wurde bei einer Ausgrabung im im Römischen Kontext das Skelett eines etwa 6 bis 7 Jahre altes Dromedars gefunden. Nach der wissenschaftlichen Auswertung wurde es vermutlich in Ägypten geboren und war ein Lasttier.

http://home.hochwaldkelten.de/wp-content/uploads/2020/03/ATO-4-Dövener.pdf

Bei einer Ausgrabung im Römer-Kastell Vermania (bei Isny in Bayern) wurden die Knochen eines baktrischen Kamels entdeckt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kastell_Vemania#Funde

Ich habe deshalb gegoogelt, weil ich irgendwo in letzter Zeit von dem aktuellen Fund eines Kamelskeletts an einem Limeskastell gelesen hatte. Das war aber nicht Vermania.

Kamele waren nicht alltäglich in unseren Breiten, aber jetzt auch nicht so selten wie Elefanten
 
Apropos Elefanten habe ich statt meiner inzwischen aufgegeben Suche nach der Quelle meiner Behauptung eine gruselige Miniatur gefunden. Hinrichtung in Belgrad durch einen Elefanten Suleimans I
War elephant - Wikipedia, the free encyclopedia | War elephant, Turkish art, Miniature art

Mehr Angaben dazu habe ich nicht aber lehne mich darum wohl nicht allzuweit aus dem Fenster, dass die Grazer Bevölkerung 1529 recht erstaunt gewesen sein soll über den Vorbeizug von 6 Elefanten. Nach der Belagerung Wiens zog S. sich über Graz zurück, ich denke Richtung (Nagy)kanizsa.

Soeben ist mir aber aufgefallen, dass diese Miniaturen mit Propaganda nicht sparen. Hier sehen wir die Enthauptung Johann Hunyadis im Rahmen einer großen Osmanenparty. Der jedoch in seinem Lager an der Pest starb.
Murad II and John Hunyadi | Minyatürler, Islami sanat, Sanatsal
 
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