Wieso kam es nie zu einem Bündnis zwischen Großbritannien und dem deutschen Kaiserreich?

H

Hisoka

Gast
Auf dem Papier wäre ein Bündnis zwischen beiden Staaten sehr erfolgsversprechend gewesen. Großbritannien hätte durch die Royal Navy die Meere und Überseegebiete kontrolliert während das deutsche Kaiserreich mit dem Heer in Europa maßgeblich den Ton angegeben hätte. Beide Staaten konnten außerdem eine enorme Wirtschaftsleistung und technologische Fortschritte vorweisen.

Lange Rede, kurzer Sinn. Großbritannien und das deutsche Kaiserreich hätten sich zumindest theoretisch perfekt ergänzt, aber dennoch kam es nie zu einem Bündnis. Stattdessen hatte das deutsche Kaiserreich immer nach Russland geschielt. Eine Nation, die weder wirtschaftlich, noch militärisch auch nur ansatzweise mit Großbritannien mithalten konnte. Wieso kam es nie zu einem Bündnis zwischen dem UK und dem Kaiserreich wie im Sieben Jährigen Krieg zwischen Preußen und Großbritannien? Woher kam die Faszination für Russland und der Naive Glaube, dass die Royal Navy geschlagen werden konnte?
 
Im Siebenjährigen Krieg zahlte England Geld an Preußen, dass als "Festlandsdegen" für London auf dem Kontinent agierte (1756 Konvention von Westminster). In Berlin war man auf die finanzielle Unterstützung angewiesen. London wollte sich nicht auf seine starke Flotte verlassen, sondern unterstützte eine Kontinentalmacht, die eine Politik trieb, die England nutzte. Preußen führte Krieg gegen Frankreich, Habsburg, Russland, Sachsen, Schweden und das Reich. London setzte 1757 auch angemietete Truppen ein in Deutschland ein, die französische Truppen binden sollten.

Die Frage bezieht sich auf ein deutsch-englisches Bündnis zwischen 1890 und 1914. Dazu dürfte es hier im Forum einige Themenstränge geben.

Ob Großbritannien und das deutsche Kaiserreich "sich zumindest theoretisch perfekt" ergänzt hätten, ist fraglich. Bündnisse entstehen, wenn die Bündnispartner glauben, dass ein Bündnis ihnen nützt. Da stellt sich die Frage, was Deutschland um die Jahrhundertwende den Briten anbieten konnte, denn mit der Rolle eines "Festlandsdegens" wollte sich das aufstrebende Kaiserreich nicht abgeben.

Christopher Clark hat in seinem Buch "Schlafwandler" eine für mich überzeugende Antwort gegeben. England war darauf angewiesen, kolonialpolitische Konfliktpunkte mit Frankreich und mit Russland abzubauen. Es lag daher nahe, sich mit Paris und Sankt Petersburg zu einigen. Ein Bündnis mit dem Kaiserreich hätte den Briten machtpolitisch nichts gebracht.

Ich habe aber auch Zweifel, ob man zu Beginn des Jahrhunderts in Berlin ein Bündnis mit London wollte. Die Diplomaten in der Wilhelmstraße glaubten, das Reich müsse sich bündnispolitisch nicht festlegen. Zwischen England, Frankreich und Russland könne es aufgrund der kolonialpolitischen Differenzen keine Annäherung geben. In der deutschen Gesellschaft gab es starke Vorbehalte gegen das Vereinte Königreich, nicht nur bei den Konservativen, sondern auch bei den Liberalen.

1912 kam es dann zu informellen Gesprächen über eine Begrenzung der Flottenrüstung ("Haldane-Mission"). Sie verliefen aber ergebnislos. In den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg kam es jedoch zu Gesprächen über kolonialpolitische Fragen.

Verhältnis zu Russland: Die preußische Außenpolitik hatte immer Anlehnung an Russland gesucht. Mit dem mächtigen Nachbarn im Osten musste man sich gut stellen. Als der russische Einfluss in Europa nach der Niederlage im Krimkrieg 1856 geringer geworden war, konnte Bismarck diesen Handlungsspielraum zwischen 1864 und 1871 nutzen.

Nach der Gründung des Kaiserreiches wollte er die Kontakte nach Petersburg intensivieren, denn er fürchtete ein Bündnis zwischen Frankreich und Russland. Mehrmals versuchte er, Österreich-Ungarn, das Zarenreich und Deutschland an einen Tisch zu bringen. Diese Bündnisse hielten nie lange. 1887 schloss er ein Rücksicherungsabkommen mit Russland, dass sein Nachfolger Caprivi 1890 nicht verlängerte.

Noch einmal: Ich empfehle die Lektüre der einschlägigen Threads in diesem Forum zur Flottenrüstung und zur Außenpolitik des wilhelminischen Kaiserreiches.
 
Zuletzt bearbeitet:
Unter dem Stichwort "Coburger Plan" findet man im Internet einiges zu dem Thema in früherer Zeit vor der Reichsgründung 1871.
In Großbritannien war damals Queen Victoria Herrscherin. Diese war mit Prinz Albert aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha verheiratet. Aufgrund der religiösen Situation der einzelnen Länder sah man Preußen eher näher als das katholische Frankreich, das ebenfalls katholische Österreich sowie das russisch-orthodoxe Russland. Die eher sittenstrenge preußische Gesellschaft wurde positiver gesehen als das "dekadente" Frankreich. Zudem hatte Preußen keine Kolonien, wodurch kein Konfliktstoff in Übersee bestand. Für Prinz Albert war Preußen der natürliche Verbündete Großbritanniens. Durch die Heirat von Kronprinz Friedrich mit der britischen Prinzessin Victoria wurde dieser Plan gepusht.
Was ging dann schief?
Prinz Albert starb früh.
Kronprinz Friedrich war politisch eine Enttäuschung. Er konnte sich durch sich König Wilhelm (dem späteren ersten Kaiser) nicht durchsetzen. Er wurde politisch aufs Abstellgleis geschoben. Siehe auch die Danzig-Affäre. Als er dann an die Macht kam, war er schon todkrank.
Sein Sohn Wilhelm II. stoß Großbritannien vor dem Kopf. Mit seinem Onkel Edward VII. hatte er ein schlechtes Verhältnis. Oder umgekehrt war Edward frankophil.
Durch die vollkommen unsinnige Flottenrüstung des deutschen Kaiserreiches geriet man dann noch insgesamt in Konflikt zu Großbritannien.

Ich würde da den menschlichen Faktor nicht unterschätzen, der zur Distanz zwischen Briten und Deutschen führte. Ich glaube nämlich, dass zumindest beim deutschen Militär große Bewunderung für die Briten vorhanden war. Nicht so zu Frankreich.

https://de.wikipedia.org/wiki/Coburger_Plan

https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_III._(Deutsches_Reich)#Danziger_Rede
 
Auf dem Papier wäre ein Bündnis zwischen beiden Staaten sehr erfolgsversprechend gewesen. Großbritannien hätte durch die Royal Navy die Meere und Überseegebiete kontrolliert während das deutsche Kaiserreich mit dem Heer in Europa maßgeblich den Ton angegeben hätte. Beide Staaten konnten außerdem eine enorme Wirtschaftsleistung und technologische Fortschritte vorweisen.

Lange Rede, kurzer Sinn. Großbritannien und das deutsche Kaiserreich hätten sich zumindest theoretisch perfekt ergänzt, aber dennoch kam es nie zu einem Bündnis. Stattdessen hatte das deutsche Kaiserreich immer nach Russland geschielt. Eine Nation, die weder wirtschaftlich, noch militärisch auch nur ansatzweise mit Großbritannien mithalten konnte. Wieso kam es nie zu einem Bündnis zwischen dem UK und dem Kaiserreich wie im Sieben Jährigen Krieg zwischen Preußen und Großbritannien? Woher kam die Faszination für Russland und der Naive Glaube, dass die Royal Navy geschlagen werden konnte?

Ein (frühzeitiges) Deutsch-Britisches Bündnis hätte wegen der Dauerrivalität zwischen Großbritannien und Russland, bis zum russisch-japanischen Krieg 1904/1905 aber auch bedeutet, Russland eine Einigung mit Frankreich nahe zu legen und damit eine französisch-russische Allianz noch stärker zu provozieren.
Ein Zusammengehen mit GB hätte Deutschland mehr Möglichkeiten in Übersee geboten, daraus konnte innerhalb Europas durch eine gestärkte russisch-französische Zusammenarbeit dann aber auch Gefahr entstehen.

Ein gutes Verhältnis zu Russland bedeutete demgegenüber, dass man innerhalb Europas nicht angreifbar war, zumal so lange es geland die Interessen Österreich-Ungarns und Russlands irgendwie auszutarieren.


Der siebenjährige Krieg ist eine vollkommen andere Geschichte.
Mitte des 18. Jahrhunderts ist Frankreich mehr oder minder in einer halbhegemonialen Stellung und Großbritannien hat damals mit den Territorien des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg, dass sich damals in Personalunion mit Großbritannien befand, noch ein kontinentales Anhängsel.
Ergo suchte GB damals eine Macht, mit der sich in Europa gegen ein Frankreich paktieren ließ, das übermächtig zu werden drohte, zumal Österreich nach der neuerlichen Annäherung an Frankreich aus dieser traditionellen Rolle ausgefallen war und idealer Weise im Konfliktfall noch bei der Verteidigung der niedersächsischen Territorien mitwirken konnte.
Da bot sich Preußen nachgerade als Partner an.

Nach der Reichsgründung sieht das aber völlig anders aus. Mit der Britisch-Hannoveranischen Personalunion ist es 1838 zu Ende und danach hat Großbritannien auf dem europäischen Festland nichts mehr, was nocht verteidigt werden müsste.
Nachdem mit Deutschland ein Akteur die Bühne betreten hatte, der potentiell mächtiger war als Frankreich, viel Frankreich als Rivale für GB mehr und mehr aus, weil es seine Kräfte gegen Deutschland brauchte. Also gab es für Großbritannien auch keinen Sachzwang mehr mit irgendwem gegen Frankreich zu koalieren.


Btw. welcher naive Glaube, dass die Royal Navy militärisch zu besiegen wäre?

Das dem nicht so sein würde, schon weil man überhaupt nicht die Werft-Kapazitäten hatte da dauerhaft mithalten und nachlegen zu können, wussten auch Tirpitz und Konsorten.
Die gingen nicht davon aus, die Royal Navy tatsächlich versenken zu können, sondern dass die Kosten des Wetrüstens und die zu erwartenden Verluste der RN bei einer Konfrontation für die Briten so verheerend wirken mussten, dass Britannien Deutschland seine Ambitionen lieber durch politische Zugeständnisse abkaufen würde.

Deutschland und Großbritannien sind ja in dieser Zeit nicht die einzigen Mächte, die sich einen Nenneswerte Marine zugelegt haben, auch Frankreich hat eine ansehnliche Flotte, Russland würde wieder eine haben, die Vereinigten Staaten und Japan hatten angefangen in dieser Hinsicht aufzurüsten und auch Österreich-Ungarn und Italien hatten durchaus eine ansehnliche Marine, die sich alleine sicherlich nicht mit der RN messen konnte, aber Großkampfschiffe konnten die auch.
Dementsprechend, um den Briten in einer anderen politischen Konstellation ganz empfindlich weh zu tun, musste die deutsche Flotte die RN überhaupt nicht entscheidend schlagen.

Hätte gereicht, wäre sie selbst versenkt worden und hätte dabei noch die halbe britische Flotte mitgenommen um die Briten nicht gegen sich selbst, aber gegenüber anderen Mächten ganzempfindlich zu schwächen und das Empire damit ins Wanken zu bringen, denn zu verteidigen war das mit Britanniens Möglichkeiten, wenn sie Seemacht ausfiel, nicht.


Die Konzeption war nicht die Briten schlagen zu wollen, sondern sie derart zu erschrecken, dass sie freiwillig Zugeständnisse machten.
Klingt auf den ersten Blick komisch, aber gar nicht mehr so sehr, wenn man sich anschaut nach welchem Säbelgerassel Frankreich und Russland zu ihren jeweiligen Einigunen und Abkommen mit Großbritannien kamen. Der Fehler bei dieser Konzeption war viel mehr, dass man seine Möglichkeiten den Briten solche Probleme machten, dass die es für nötig hielten Deutschland die eigenen Ambitionen abzukaufen, massiv überschätze und deswegen nicht den erhofften machtpolitischen Gewinn bekam, sondern einem die kalte Schulter gezeigt wurde.
 
@Shinigami
Beim Siebenjährigen Krieg siehst Du hier nur Europa. Das Vereinigte Königreich hat sich ganz nebenbei Québec, also den Französischen Teil des heutigen Kanada einverleibt. Und auch Frankreich aus seinen Kolonien in Indien entfernt. Hätte Preußen nicht etliche Französische Truppen in Europa gebunden, wäre es für die Briten deutlich unangenehmer worden in Übersee.

Siebenjähriger Krieg in Nordamerika – Wikipedia

Carnatic Wars - Wikipedia
 
@Shinigami
Beim Siebenjährigen Krieg siehst Du hier nur Europa. Das Vereinigte Königreich hat sich ganz nebenbei Québec, also den Französischen Teil des heutigen Kanada einverleibt. Und auch Frankreich aus seinen Kolonien in Indien entfernt. Hätte Preußen nicht etliche Französische Truppen in Europa gebunden, wäre es für die Briten deutlich unangenehmer worden in Übersee.

Siebenjähriger Krieg in Nordamerika – Wikipedia

Carnatic Wars - Wikipedia

Nö, mir ist durchaus bewusst, dass sich dieser Krieg auch anderswo abspielte und dass das, was wir den "Siebenjährigen Krieg" nennen, aus britischer und französischer Perspektive am Ende nur ein Nebenschauplatz hinsichtlich des hegemonialen Konfliktes beider Mächte war.

Nur, welche konkreten Auswirkungen hatte die Britisch-Preußische Allianz für die Kämpfe in Amerika und Indien?

Ich würde meinen, eigentlich keine. Frankreich verfügte zur See nicht über genug Tonnage um vergleichbar große Mengen an Truppen und Material in Übersee einsetzen zu können, wie die Briten, in Kanada hatten sie eine deutlich kleinere Bevölkerung, als die Briten in ihren Kolonien, also auch weniger Potential für lokale Rekrutierung und Versorgung und in indien hatte Frankreich ja durchaus auch keine Übermacht.

Demgegenüber ist ebenso klar, dass Großbritannien über kein Landheer verfügte, das adäquat gewesen wäre die britischen Interessengebiete in Festlandeuropa gegen Frankreich zu decken.
Und insofern würde ich meinen, hat die britisch-preußische Allianz mit den überseeischen Kämpfen Großbritanniens gegen Frankreich nicht viel zu tun.
Das hätte sie nur gehabt, wenn Frankreich in der Tat die Möglichkeit gehabt hätte, nicht in Europa gebundene Truppen en masse in die Kolonien zu verschiffen um sie da gegen die Briten kämpfen zu lassen oder um damit die britischen Inseln direkt anzugreifen.
Das war aber magels Seehoheit und ausreichender Tonnage zu keiner Zeit drinn.
 
Wenn ich mal von der Überschrift dieses Threads ausgehe „... kam es nie ...“ dann würde ich aus meiner Kenntnis sagen, Ansätze gab es in der Geschichte.

Einer der bekanntesten Vorgänge ist wohl Wellington und Blücher.

· Dann haben wir den Ehemann von Königin Victoria Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha.

Und Kinder dieser Ehe – sie hatten ja auch deren 9 - heirateten Deutsche:

· darunter den Kaiser Friedrich III. (99 Tage Kaiser). Aus dieser Ehe dann Kaiser Wilhelm II.

· Die anderen Kinder von Albert/Victoria heirateten auch Deutsche (Tochter Alice, Tochter Helena, Sohn Arthur).

· Und auch die jüngste aus der Ehe Albert/Victoria, die Beatrice heiratete den 3. Sohn des Prinzen Alexander von Hessen-Darmstadt (Haus Battenberg).

Der nachhaltigste Bruch mit Deutschland entstand wohl nach dem Görings Luftwaffe einige englische Städte in Schutt und Asche legte. Darunter London und Coventry.
 
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Naja, Ralf, du antwortest schon ein wenig an der Frage vorbei, denn diese fragt ja danach, wieso denn trotz der familiären Verbindungen der Herrscherhäuser nach 1870 auf politisch-militärischer Ebene nicht gelang, was während des siebenjährigen Krieges gelungen war.
 
Richtig!

Da habe ich das „nie“ falsch verstanden/interpretiert. ;) :)

*****

So war der siebenjährige Krieg geendet.

„Er bestätigte die Wahrheit, dass das Schicksal der Staaten weniger von ihren Kräften abhängt als von wenigen großen Menschen, welche dieselben zu gebrauchen, zu vermehren und Nationen eine Seele zu geben wissen.“

„Alte Fritz“ (1712 – 1786).
 
Ich komme noch einmal auf die Überschrift dieses Threads.
Wie ist das eigentlich zu verstehen?
Deutsches Kaiserreich ist doch die Bezeichnung für Deutschland ab 1871. Mit der Abdankung von Wilhelm II. (1918) beendigt sich das deutsche Kaiserreich.

Dann haben wir ja noch das HRR – Heiliges Römische Reich deutscher Nation.
Nach meiner Kenntnis kam das „deutsch“ erst Ende des 15. Jahrhundert hinzu. Es entsprach der Nationalität der Bevölkerungsmehrheit.
HRR war auch kein Staat, sondern vielmehr ein durch den Römisch-Deutschen König bzw. Kaiser überspannter Dachverband über zahlreiche Territorien und deren Landesherren.
Es begann mit Otto I. (962 – 973) und Endete mit Franz II. (1792 - 1806).

Der Siebenjährige Krieg findet in Zeit von 1756 – 1763 statt.
Also in der Zeit von Franz I. (1745 – 1765).

Ich glaube so wie dieser Thread gemeint ist, geht es wohl um ein Bündnis zwischen Großbritannien und Preußen. Preußen hatte damals Könige. Und in der Zeit des 7jährigen Krieges herrschte in Preußen 1740 – 1786 Friedrich II. mit Beiname „der Große“ oder auch der „Alte Fritz“.
 
Zuletzt bearbeitet:
„Er bestätigte die Wahrheit, dass das Schicksal der Staaten weniger von ihren Kräften abhängt als von wenigen großen Menschen, welche dieselben zu gebrauchen, zu vermehren und Nationen eine Seele zu geben wissen.“

„Alte Fritz“ (1712 – 1786).

Da kann man mal wieder sehen, welche absurde Stilblüten ein heroisierendes Geschichtsbild hervorbringen kann. Vielleicht hatte aj auch der "Größte Feldherr aller Zeiten" diese Zeilen gelesen und gleich gemeint, eine Blaupause darin erkennen zu können.

Nun gut, ein bißchen mehr kritische Distanz zu derartigen Zitaten sollte man eigentlich erwarten können.
 
Ich glaube so wie dieser Thread gemeint ist, geht es wohl um ein Bündnis zwischen Großbritannien und Preußen. Preußen hatte damals Könige.
Nein, sicher nicht. Auch wenn ich dem Threadersteller jetzt keine größere Kenntnis über die Geschichte der Royal Navy unterstelle: Britannia rules the Waves ist eigentlich erst nach 1805 (Trafalgar) „Realität“. Und das Bündnis England-Preußen im Siebenjährigen Krieg ist ja auch eindeutig als Vergleich benutzt: Warum hat das da geklappt aber hundertzwanzig, hundertdreißig Jahre später - trotz engster familiärer Bindungen - nicht?
Mit den im Eingangsbeitrag genannten guten Deutsch-russischen Beziehungen dürfte der Dreikaiserpakt gemeint sein.
 
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Als die Briten 1899 den Burenkrieg begannen, versuchten sie den Waffengang in Petersburg und Berlin abzusegnen. Sie boten für das Stillhalten den Russen sogar die Dardanellen, die sie gar nicht besaßen. Der britische Historiker Alan J. P. Taylor schrieb, dass die Briten auf ein Bündnisangebot mit Deutschland sofort eingegangen wären, hätte man es ihnen angeboten. Allerdings hatten die Briten gar zu wenig zu bieten, im Verhältnis zu dem was sie forderten: die Bereitschaft zu einem Krieg gegen Russland oder Frankreich, der in Europa stattfinden würde, um britische Investitionen in China zu sichern.

Auch später noch gab es zwischen Großbritannien und Deutschland Verständigungen, vor allem auf kolonialem Gebiet, doch ein Bündnis mit GB kam nicht zustande, und das lag an folgenden Entwicklungen: Die deutsche Außenpolitik glaubte an die Politik der "freien Hand". GB wie Russland, seien beide bei Konflikten auf das Deutsche Reich als Vermittler angewiesen, so dass das Reich als ehrlicher Makler zwischen GB und Russland auftreten und aus dieser Rolle Vorteile gewinnen würde. Mit anderen Worten das Reich begab sich in "Splendid Isolation", als GB diese aufgab. Der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow versprach in einem enthusiastischen Telegramm 1898 Wilhelm II. das Reich werde die Rolle eines Arbiter mundi einnehmen (Schiedsrichter der Welt). Tatsächlich war die Ausgangslage um die Jahrhundertwende für Deutschland nicht schlecht, was das Reich aber unbedingt hätte vermeiden müssen, war GB durch den Aufbau einer großen Kriegsflotte herauszufordern.

Noch vor der Jahrhundertwende hatte sich in Deutschland in vielen Kreisen eine antibritische Stimmung verbreitet. Der Historiker Heinrich von Treitschke äußerte in seiner Deutschen Geschichte die Ansicht, englische Staatsräson sei, Deutschland niederzuhalten, es wirtschaftlich auszubeuten und sich seiner als "Festlanddegen" gegen Frankreich oder Russland zu bedienen. Zu Treitschkes eifrigsten Lesern gehörte Wilhelm II., und viele seiner antibritischen Reden war Treitschkes Einfluss anzumerken.

Die Krüger Depesche kam die deutsche Politik noch teuer zu stehen. Am 3. Januar 1896 hatte Wilhelm II. dem Präsidenten "Ohm" Krüger gratuliert, weil er die Jameson Raid niedergeschlagen hatte. Die Episode war grotesk, grotesker noch das Mißverhältnis zwischen großspurigen Worten und völliger Tatenlosigkeit. Sie säte Misstrauen in der britischen Öffentlichkeit und in der Diplomatie. Wilhelm II. stapfte später mit der Daily Telegraph-Affäre in ein noch übleres Fettnäpfchen, was immer aber Wilhelm II. auch schwurbeln mochte, er sagte im Grunde nichts, was nicht viele Deutsche am Stammtisch auch sagten. "Handelsneid", "Einkreisung" und "perfides Albion" wurden Schlagworte einer weit verbreiteten antibritischen Haltung in Deutschland. Waren Deutschland und die Deutschen Ende des 19. Jahrhunderts in GB recht beliebt gewesen, so änderte sich das relativ bald. 1908 erschien ein Buch "The Battle of Dorking", in dem es um einen fiktiven deutschen Invasionsversuch der britischen Inseln ging.

1897 nahm Deutschland Tsingtau und Kiautschou in Besitz. Bülow sagte im Reichstag. Die Zeiten, wo der Deutsche dem einen seiner Nachbarn die Erde überließ, dem anderen das Meer und sich selbst den Himmel reservierte- diese Zeiten sind vorbei, wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne."
 
Da kann man mal wieder sehen, welche absurde Stilblüten ein heroisierendes Geschichtsbild hervorbringen kann. Vielleicht hatte aj auch der "Größte Feldherr aller Zeiten" diese Zeilen gelesen und gleich gemeint, eine Blaupause darin erkennen zu können.

Nun gut, ein bißchen mehr kritische Distanz zu derartigen Zitaten sollte man eigentlich erwarten können.

Diese Interpretation sehe ich auch so.
Aber Dr. David Müller verwendet dieses Zitat in der „Geschichte des Deutschen Volkes“, Abschnitt „B“ „Zeitalter Friedrichs des Großen, 1740 – 1786.“.
Ich habe die 13. verbesserte Auflage vom Verlag Franz Vahlen Berlin 1890.

Verlag ist auch für einen Ostdeutschen inzwischen gut bekannt. Ich habe von diesen Verlag weitere Bücher, aber vor allem Literatur aus jetziger Zeit zur Ökonomie/Betriebswirtschaft (z.B.: Wöhe).

Und nun weiß ich auch woher die Aussagen von Friedrich Engels kommen die er z.B. in einem Brief an Walter Borgius in Breslau (heutiges Wrocław) am 23.01.1894 trifft. Zu dieser Zeit ist F. Engels in London.
 
Ein paar Sätze zu der Historie der eventuellen Möglichkeit eines englisch-deutschen Bündnisses. Man ist ja nie in wirkliche ernstzunehmende Verhandlungen eingetreten.

Großbritannien besaß am Ende des 19.Jahrhunderts mehr als genug Reibungsflächen mit Russland und Frankreich. Da lag es zunächst nahe, um gute Beziehungen zu Deutschen Reich bemüht zu sein, mit dem man keine nennenswerten Interessengegensätze hatte. Das war wichtig! Bismarck hatte es jahrzehntelang erfolgreich vorgemacht. Aber der sogenannte Neue Kurs, der meinte eine Politik der freien Hand, also mal hier, mal dorthin gravitieren zu können, machte die deutsche Politik unberechenbar und somit wenig zuverlässig.

Die Umstände, die die glanzvolle Isolation Großbritanniens ermöglichten, waren nicht mehr gegeben. Es knirschte im Empire. Alle Großmächte endeckten auf einmal für sich den Drang nach großen Flotten, hervorhebenswert sind hier beispielsweise die USA, Japan und das Deutsche Reich, Kolonien etc.. So hatten sich beispielsweise die Kräfteverhältnisse im östlichen Mittelmeer durch das Bündnis zwischen Frankreich und dem Zarenreich beträchtlich verschoben. Aber auch den vereinten Flotten Spaniens und Frankreich war man rein zahlenmäßig unterlegen. London war nicht mehr ohne weiteres in der Lage, die Dardanellen und die Türkei zu schützen. Die Folge war der Two-Power-Standard, welcher den britischen Haushalt erheblich belastete. Noch im Jahre 1902 meinte der britische Außenminister Lansdowne, dass eine britische Reaktion, bei einem russischen Handstreich gegen die Dardanellen, in Abhängigkeit, zu der von Wien und Rom steht. Man meinte in London tatsächlich, dass diese Mächte erheblich mehr von so einer russischen Aktion betroffen sein würden.

Aber auch im westlichen Mittelmeer wurden die Karten neu gemischt, denn der alte und relativ starke Sultan von Marokko war gestorben. Das weckte Begehrlichkeiten in Paris und Madrid, was den Briten gar nicht recht war.

In Persien gab es Dauerstress mit Russland und die Russen bewegten sich immer weiter an die Nordwestgrenze Indiens heran.

Japan meldete immer stärker, vor allem nach seinem Sieg gegen China, seine Ansprüche, ebenso die USA, als Großmacht mit Nachdruck an. Die Briten hatten alle Hände zu tun, um die Feuer unter Kontrolle zu halten.


Das war die Hintergrundmusik, vor dem die britische Außenpolitik stand, als Lord Lansdowne im Jahre 1898, trotz der Burengeschichte, erste Fühler in Richtung Berlin austreckte. Herr Bülow, Reichskanzler durch Eulenburgs Gnade, beliebte sich so zu äußern, das man gar nicht pomadig genug reagieren könne. Im Jahre 1900, wurde mit Großbritannien ein Vertrag mit China geschlossen, der durchaus das Zeug gehabt hätte, Ausgangspunkt für eine weiteres Zusammengehen zwischen diesen beiden Mächten zu sein. Aber Bernhard von Bülow meinte, das ganze Vertragswerk eher abwertend als Yangtsevertrag zu bezeichnen. Auch Japan war diesem Vertrag beigetreten. Es bestand zunächst die Möglichkeit einen ostasiatischen Dreibund zu begründen. Aber der Herr Reichskanzler Bülow meinte sich dem japanischen Angebot zu entziehen; wieder einmal. Die Engländer waren schlauer und später kam dann auch das Bündnis zwischen Japan und Großbritannien zustande. Was man in Berlin vollkommen übersah, war, das wenn man sich gegenüber den britischen Bemühungen sperrt, blieben den Engländern ja wohl nicht viele Alternativen.

1901 bemühte sich Lansdowne nochmals, Anlass war der russische Druck im Norden Chinas, erneut ohne Erfolg.
 
Interessant ist aber auch, das zu der fraglichen Zeit ein gewisser Francis Bertie im Foreign Office als Hilfsunterstaatssekretär tätig war. Berties antideutsche Stimmung war schon damals vorhanden. Aus einem Memo vom 09.November 1901 wird dies deutlich. Bertie bezeichnet die deutsche Politik als eine "krumme" Politik.
Als Begründung wird u.a. Bismarcks Politik bemüht. Herr Bertie maßt sich tatsächlich an, sich ein Urteil über den Rückversicherungsvertrag und den Bündnisverpflichtungen zwischen Wien und Berlin an. Für Bertie ist es äußerst kritikwürdig, das Bismarck "hinter den Rücken von Österreich-Ungarn" den Rückversicherungsvertrag abgeschlossen hatte. Er betrachtet die Annexionen gegenüber Dänemark schlicht als Raub. Österreich war hier also Raubgenosse und später Opfer. Ein sehr einseitige und arg negative Sicht der sogenannten Einigungskriege.
Das Deutsche Reich würde Absichten auf die holländische Küste sowie auf dem belgischen Kongo haben.

Er unterstellt, hier wahrscheinlich nicht ganz zu unrecht, das Berlin es nicht ungern gesehen hätte, wenn es wegen der Mandschurei Angelegenheit zum Kriege zwischen Japan und Russland gekommen wäre und Deutschland sowohl Tokio und auch London durch merkwürdige Ausführungen zu ermutigen suchte.

Das London sicher auch kein Problem damit hatte, wenn Petersburg und Berlin sich munter streiten, gerade in China war die Möglichkeit sehr gegeben, erwähnt Bertie natürlich nicht.

Bertie konnte sich dann später unter Sir Edward Grey gegenüber Deutschland besser zur Geltung bringen. Lansdowne und Sanderson war sachlicher und besonnener.
 
Für Bertie ist es äußerst kritikwürdig, das Bismarck "hinter den Rücken von Österreich-Ungarn" den Rückversicherungsvertrag abgeschlossen hatte.

Ich glaube aber mit der Position stand er seinerzeit nicht so ganz alleine.

Das Deutsche Reich würde Absichten auf die holländische Küste sowie auf dem belgischen Kongo haben.

Wenigstens mit dem Kongo lag der dabei nicht so ganz falsch oder? Auch wenn Berlin darum sicher keinen Krieg vom Zaun breichen wollte.
 
Mit dem Kongo kam meines Wissens nach est später die Begehrlichkeit.

Bertie, und das war m.E. nach sehr wichtig, hatte damals Vorgesetzte, die nicht so eine antideutsche Sicht hatten. Das war ein paar Jahre später ganz anders.
 
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