Interpretationen und Kontroversen zu den Auswirkungen der Entspannungspolitik

M

Mirijam

Gast
Hey,
Ich lerne im Moment für meine schriftliche Abiturprüfungen in Geschichte, jedoch verstehe ich nicht inwiefern sich die DDR durch die Entspannungspolitik (z.B ,,Wandel durch Annäherung'') stabilisiert hat.
Vermutlich ist es eine sehr simple Antwort, aber ich stehe gerade wirklich auf dem Schlauch :)

Vielen Dank schonmal :)
 
Ohne den Kontext, in dem deine Frage steht, genau zu kennen (wo hast du die Aussage her, dass die DDR sich durch die Brandt-Bahr'sche Entspannungspolitik "stabilisiert" hätte?) war die Brandt'sche Ostpolitik erstmal davon geprägt, die Realitäten anzuerkennen, nämlich, dass es zwei deutsche Staaten gab. Denn aus westdeutscher Sicht war bis dahin de jure nicht anerkannt, was de facto war (Grundlagenvertrag 1971).
 
Vielen Dank für die Antwort, die Aussage hab ich aus den Hinweisen für die Vorbereitung auf das schriftliche Abitur in Hessen :)
 
Vielen Dank für die Antwort, die Aussage hab ich aus den Hinweisen für die Vorbereitung auf das schriftliche Abitur in Hessen :)
Steht das da wortwörtlich so? Oder handelt es sich um eine Interpretation deinerseits? Versteh mich nicht falsch, es gibt einige Leute hier im Forum, die weitaus besser informiert sind in bundesrepublikanischer Geschichte oder sagen wir mal deutscher Nachkriegsgeschichte, als ich, aber mich irritiert diese Formulierung in diesem Kontext.
 
Bei dieser Fragestellungen würde ich mich:
1. Mit der Hallstein – Doktrin und
2. Der Grundlage dieser Doktrin, der Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik
beschäftigen.

Der Vorsitzende der SPD 1964 – 1987 wurde 1969 der vierte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Vorher hatten wir 3mal einen Kanzler der CDU (Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und Georg Kissinger).

Es war eigentlich schon vor seiner Wahl als Bundeskanzler klar für was Herr Brandt, sprich die SPD steht. Er wird die Hallstein-Doktrin etwas verändern, er stand für Entspannungspolitik mit dem Osten.

In zähen Verhandlungen entstand dann der sogenannte Grundlagenvertrag 2wischen der BRD und der DDR. Unterzeichnet am 21.Dezembei 1972. In der BRD ratifiziert dann am 11. Mai 1973, in der DDR am 13.Juni 1973.
Verhandlungsführer seitens der BRD war sein Vertrauter Egon Bahr/SPD. Verhandlungsführer der DDR war Michael Kohl/SED.
Michael Kohl wurde dann 1974 der Leiter der ständigen Vertretung der DDR in der BRD.
In diese Zeit fällt auch die Günter Karl Heinz Guillaume Affäre – der Spion der DDR im Bundeskanzleramt.
Mal nebenbei, durch diesen Herren wusste die DDR Seite immer im Voraus was denn Herr Bahr will.

Unsere Sorge – die Sorge vieler DDR Bürger war damals, die Bundesrepublik lässt sich von der DDR breitschlagen was die Anerkennung der Staatsbürgerschaft der DDR anbelangt. War damals viel Unruhe in der Bevölkerung. Darüber gibt es wohl Zusätze zum Vertrag und die Staatsbürgerschaft wurde nicht anerkannt.

Zusammenfassend:
· Hallstein – Doktrin mit den Grundlagen zum Alleinvertretungsanspruch.
· Grundlagenvertrag.
Beides findest Du im Netz m.E. gut erläutert.
 
Hey,
Ich lerne im Moment für meine schriftliche Abiturprüfungen in Geschichte, jedoch verstehe ich nicht inwiefern sich die DDR durch die Entspannungspolitik (z.B ,,Wandel durch Annäherung'') stabilisiert hat.
Vermutlich ist es eine sehr simple Antwort, aber ich stehe gerade wirklich auf dem Schlauch :)

Würd nicht sagen, dass das so einfach ist. Die Floskel "Wandel durch Annäherung" impliziert ja einen Wandel, eine Änderung des DDR-Systems, keine Stabilisierung desselben.

In welchen Momenten der Entspannungspolitik könnte man also eine Stabilisierung der DDR sehen? Außenpolitisch waurde die DDR faktisch anerkannt. Nur so konnten beide dt. Staaten Mitglied der UNO werden. Daneben kann man vielleicht betrachten, inwieweit die Entspannungspolitik zu einer Verbeserung der finanziellen Situation der DDR führte (bspw durch verbeserte Exportmöglichkeiten, oder verstärkten Reiseverkehr). Den Kredit, den die BRD der DDR Anfang der 80er gab, hätte es ohne Annäherung vermutlich so nicht gegeben.
 
Was hat dieser Grundlagenvertrag den DDR Bürger eigentlich gebracht?

Wichtig war das es keine DDR Staatsangehörigkeit gab.

Der Sitz in der UNO brachte den DDR Bürger in die westeuropäischen Länder incl. BRD keine Reiseerleichterungen.
Rentner – da denke ich immer an den ARD Korrespondenten Lothar Loewe und seine Kommentare. ;)
Auch die spätere KSZE/Helsinki bracht da nichts.
Ausländern die in der DDR wohnten ja. Die gingen dann zur Vertretung der BRD in Ostberlin und holten sich das erforderliche Visa. Vorher holten die sich ein Tagesvisum in Ostberlin für Westberlin. Das gabs Problemlos und ohne Fragen. Visum in WB für die BRD gabs beim Polizeipräsidium.

Das andere war eigentlich mehr staatliche Angelegenheiten.
Das Kanzler Schmidt die DDR Besuchte (11. - 13.12.1981) ...
Da saß der Schreck von W. Brandt in Erfurt noch in den Knochen. Deshalb Kanzler Schmidt in den abgelegenen Hubertusstock/Berlin Schorfheide mit Zugrückfahrt über Güstrow/Bezirk Rostock. Kanzler Schmidt war ja Barlach Verehrer und im Dom hing der schwebende Engel. Ansonsten quoll das Zentrum in Güstrow mit Stasileuten über.

Der Aufsichtsratsvorsitzende des Kruppkonzern Berthold Beitz...
Er war dort zur Jagd.
Ebenso Oskar Lafontain und auch Hans Joachim Vogel.

Und Franz Josef und der Milliardenkredit...?
Im DDR Volk war über die Sicherheiten dieses Kredites nichts bekannt, es gab nur wilde Spekulationen.

Wie sagte doch der Kanzler Helmut Schmidt im Bundestag...
„Es eröffnen sich möglicherweise Chancen, die zu gewünschten Ergebnissen führen könnten.“
Hier der „Spiegel Artikel von 20.12.1981:
DDR-Reise: »Es ist schon etwas Besonderes« - DER SPIEGEL
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Rolle spielte hier auch die Finanzierung der DDR durch die Bundesrepublik Deutschland.

Beispiele:

SWING:
Ein zinsloser Überziehungskredit, welcher die Bundesrepublik der DDR zur Verfügung stellte. Während der CDU/FDP-Regierung sowie der Großen Koalition bis 1969 wurde dieser noch eher restriktiv gehandhabt. Die Bundesrepublik nutzte diesen SWING um die DDR verhandlungsbereit zu machen. Nach dem Regierungswechsel zu SPD / FDP handhabte der Westen diese Kreditlinie großzügiger. Schau Dir mal das Schaubild im folgenden Link an.
https://www.bundesarchiv.de/DE/Cont.../1975-der-swing-im-innerdeutschen-handel.html

Aus großer Flughöhe schreibt WIKIPEDIA zum SWING. Für eine ABI-Prüfung sollte die Tiefe genügen

https://de.wikipedia.org/wiki/Swing_(Wirtschaft)

Ein weiteres Thema waren die Reise-Erleichtungen für Westdeutsche für Fahrten in die DDR. Auch hier kassierte der SED-Staat ab
Einnahmequellen waren

Zwangsumtausch (offiziell Mindestumtausch)

https://de.wikipedia.org/wiki/Mindestumtausch

Straßenbenutzungsgebühren

https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschland-chronik/131846/26-mai-1972
Steht da nicht drin, aber die Bundesrepublik hat für die Strraßenbenutzung von DDR-Straßen durch westdeutsche PKW pauschal der DDR harte Devisen gezahlt

Häftlingsfreikauf
Die Bundesrepublik kaufte zwischen 1963 bis 1989 politische Häftlinge aus DDR-Gefängnissen frei. Im Gegenzug flossen der DDR 3,5 Milliarden DM zu.
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/haeftlingsfreikauf-letztes-kapitel-422280

Schon in der Zeit der deutschen Teilung gab es Kritik an die DM-Zahlungen durch die Bundesrepublik an die DDR. Manche Journalisten und Politiker sahen dies als eine Stabilisierung des SED-Regimes.
Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass die DDR im Gegenzug für die Devisen Westdeutsche als Touristen und für Verwandtschaftsbesuche ins Land ließ. Jedes sichtbare Westauto war natürlich eine moralische Niederlage für das DDR-Wirtschaftssystem. Und die DDR-Propaganda über arbeitslose verarmte Wessis, die unter der kapitalistischen Ausbeutung litten, hatte einen schweren Stand. Kam doch der Neffe aus Hamburg mit dem Mercedes Benz 200 D zu Tante und Onkel nach Schwerin. Wenn dann auch noch Kaffee und Orangen im Kofferraum waren, entpuppte sich das Arbeiter- und Bauern-Paradies schnell als trostloser Gefängnishof. Die Schilderung des letzten Urlaubsfluges nach Spanien durch den Neffen war da auch nicht förderlich für den Sieg des Sozialismus.

Für den DDR-Staat war jedoch dieser Zufluss harter Devisen enorm wichtig und hat den wirtschaftlichen Kollaps des Systems meines Erachtens hinausgeschoben.
 
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Richtig...
Brachte aber auch viel Ärger unter den sozialistischen Brüdern.
Die mussten ja viel landwirtschaftliche Erzeugnisse (industrielle wohl kaum bzw. sehr wenig) verkaufen, um an Devisen (Westgeld) heranzukommen. Melonen und auch Paprika waren ja auch Mangelware in der DDR.
Etwas brachte denen auch der Tourismus (Ungarn, CSSR, Rumänien, Bulgarien). Es trafen sich ja viele DDR Bürger in diesen Ländern mit ihren Westverwanden.

Und die Autobahn zwischen WB und Hamburg ab Dreieck Wittstock/Herzsprung wurde auch mit Westgeld gebaut.
Das Theater damals um diese Autobahn. Die Argumente so mancher Agitatoren in den Versammlungen der Betriebe dazu waren schon herzerfrischend.
Diese Autobahn durfte ja nicht zu nahe an Schwerin vorbeiführen, aber der Abzweig nach Schwerin durfte auch nicht zu weit wegliegen.

Na ja, so waren eben die Zeiten damals.
 
Richtig...

Und die Autobahn zwischen WB und Hamburg ab Dreieck Wittstock/Herzsprung wurde auch mit Westgeld gebaut.
Das Theater damals um diese Autobahn. Die Argumente so mancher Agitatoren in den Versammlungen der Betriebe dazu waren schon herzerfrischend.

Worum ging es denn da in den Versammlungen der Betriebe in Bezug auf die Autobahn?
 
Die Frage nach der Stabilisierung der DDR führt bereits in eine historische Verengung. Es war keine Einbahnstraße, sondern das gegenseitige Sicherheitsinteresse, das zu einer Annäherung führte (vgl. angefügte Literatur)

Und es war vor allem die Gefahr der atomaren Vernichtung, die ausgehend von der Kuba-Krise die Politikmacher in Ost und West beschäftigt hatte. Vor diesem Hintergrund war nach einem Modus zu suchen, der für beide Seiten ausreichend Sicherheit bot, um nicht unkontrolliert in eine weitere militärische Eskalation zu kommen (vgl. Görtemaker, S. 100 ff)

Dass Brandt eine neue Ostpolitik einleitete, beendete auch die Phase des Dissens zwischen Deutschlandpolitik und Bündnispolitik und harmonisierte die Zielsetzungen (vgl. Haftendorn, S. 197)

Im Ergebnis suchte man nach einer Strategie der Deeskalation, die in Verträge zur Begrunzung strategischer Waffen und zur politischen Bereitschaft zum Gewaltverzicht einmündete. Stichworte sind SALT, KZSE und das MBFR -Projekt.

Im Kern stand die Idee, die beiden Blöcke interessenmäßig so zu verbinden, dass die Kosten für eine militärische Eskakation zu hoch gewesen wären. Unabhängig davon, dass durch den Handel die wirtschaftliche und somit auch politische Überlegenheit des westlichen kapitalistischen-demokratischen Modells in Praxis demonstriert werden sollte.

Ergo wurde im Interesse der militärischen Sicherheit die Struktur der Blöcke stabilisiert, aber durch die Annäherung auch eine mittelfristig wirkende politisch und soziakulturelle Destabilisierung des Ost-Blocks vorgenommen. Erfolgreich wie sich rückblickend gezeigt hat.

Colschen, Lars (2010): Deutsche Außenpolitik. 1. Aufl. Paderborn: Wilhelm Fink, UTB.
Görtemaker, Manfred (1979): Die unheilige Allianz. Die Geschichte der Entspannungspolitik 1943 - 1979.
Haftendorn, Helga (1986): Sicherheit und Entspannung. Zur Außenpolitik d. Bundesrepublik Deutschland ; 1955 - 1982. Baden-Baden: Nomos-Verl.-Ges.
Schöllgen, Gregor (2004): Die Aussenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. . München: Beck
 
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Worum ging es denn da in den Versammlungen der Betriebe in Bezug auf die Autobahn?

Man versuchte zu erklären warum die DDR eine Autobahn von Westberlin (Abzweig Wittstock/Herzsprung) nach Hamburg baut.
So eine Maßnahme blieb ja nicht verborgen zumal die A19 für den Urlauberverkehr nach Rostock von vielen benutzt wird.
Abzweig, weil ja von Berlin aus die DDR die Autobahn Berlin Rostock A19 1965 gebaut hatte (Stichwort Überseehafen).
Es hieß ja immer, WB ist kein Bestandteil der BRD und darf auch nicht von ihr regiert werden (4 Mächte Status). Und dann argumentierte man auch, die Autobahn befindet sich ja überwiegend auf Territorium der DDR.
 
Ergo wurde im Interesse der militärischen Sicherheit die Struktur der Blöcke stabilisiert, aber durch die Annäherung auch eine mittelfristig wirkende politisch und soziakulturelle Destabilisierung des Ost-Blocks vorgenommen. Erfolgreich wie sich rückblickend gezeigt hat.
Sicherlich sind das zwei wichtige Punkte. Für mich war jedoch entscheidend, dass Ronald Reagan die Rüstungsspirale mit enormen finanziellen Aufwand angezogen hat. Unter Jimmy Carter hatte man die US-Streitkräfte finanziell auf Magerkost gesetzt. Reagan hat dann durch das Projekt "Star Wars" ein neues Feld in der Rüstung aufgemacht, dass unheimlich kostenintensiv war. Darin wurde durch die Entwicklung von Laserwaffen die UdSSR gezwungen, hier technisch nachzuziehen - ohne die wissenschaftliche / wirtschaftliche Basis dafür zu haben. Mit der Wahl von Gorbatschow (wenn nicht bereits mit Antropov) hat man im Kreml eingesehen, dass der Preis eines militärischen Patts für das sowjetische Volk nicht mehr zu bezahlen war bzw. man den dafür erforderlichen Verzicht auf Konsumgüter nicht mehr erbringen wollte.

Die Taube Gorbatschow konnte nicht den Weg des "Tianmen Platzes" gehen als man in Warschau und Ungarn sich von der Sowjetherrschaft löste. Dann wären auch die Abkommen über Rüstungsreduzierung nicht zustande gekommen. Und damit wollte man die Mittel freimachen um den Lebensstandard der Ostblock-Bevölkerung zu verbessern.
https://de.wikipedia.org/wiki/Marine_der_600_Schiffe

https://de.wikipedia.org/wiki/Strategic_Defense_Initiative

Zwischen den Tauben und den Falken wurde und wird gestritten, wer nun den Ostblock überwunden hat. Da ich mein ganzes Leben Anhänger der Falken war, sehe ich den Verdienst eher bei diesen. Aber Leute wie Willy Brandt und auch Henry Kissinger haben als Tauben überhaupt erst den Dialog zwischen Ost und West möglich gemacht.
 
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