Serbien und seine spezielle Sicht auf die eigene Geschichte

Grundsätzlich teile ich ja einen großen Teil deiner Einschätzung. Die Problematik Religion-Nation unter den Jugoslawen habe ich schon angesprochen. Uns teilen Kleinigkeiten. Religion wichtiger als gemeinsame Sprache | Geschichtsforum.de - Forum für Geschichte


Das habe ich ja geschrieben. Aber Anhänger des serbischen Nationalismus ohne religiösen Unterbau?

Natürlich das Hauptperson in diesem Thread Gavrilo Princip. Bei seiner Vernehmung gab er an, Atheist zu sein.

Selbst wenn wir wie Sundhaussen meinen Milosevic war kein Nationalist, hat er doch den serbischen Nationalismus genutzt. Milosevic war ein Hardcore Atheist und hat darüber nie ein Geheimnis gemacht, den Religionsunterricht in die Schulen hat Djindjic eingeführt.

Ich weis nicht was Ratko Mladic jetzt glaubt, aber zumindest am Anfang des Krieges in Bosnien war er Atheist.

Die beiden größten Intellektuellen Serbiens des langen 19. Jahrhunderts Dositej Obradovic und Vuk Karadzic waren zwar gute Christen oder Deisten bei Dositej, beide meinten aber das die Religion kein Kriterium sei, sondern nur die Sprache. Jeder der Stokavisch spricht ist Serbe. Štokavisch – Wikipedia

Vojislav Seselj hat ganz ähnliche Ideen. Ich kenne ein Haufen Nationalisten aus allen möglichen serbischen Foren die, die These vertreten ohne die orthodoxe Kirche gäbe es 20 Millionen Serben und nicht 10 Millionen.

Am wenigstens mit der serbischen Kirche anfangen können, sind die völkischen Nationalisten der autohtonen Schule in Serbien. Die gibt der "judeochristlichen" orthodoxen Kirche für alles die Schuld. Im Grunde sind Serben Heiden geblieben und dies ist die richtige Religion der Serben.


"Gibt es so etwas leicht auch (als Mehrheitsgedanke)?"

Jedenfalls gibt es mehrere nationalistische Strömungen im heutigen Serbien. Die These, dass die serbisch or


Wenn es so etwas gibt, wird am Ende vermutlich dann doch zumindest erwartet, dass diese Muslime "rückkonvertieren" (wie ein Emir Kusturica etwa, der ein sehr gutes Beispiel ist, was ich meine. Er hat seinen Namen geändert und sich wieder orthodox "rücktaufen" lassen um "kompletter Serbe" zu sein).

Kusturica nutzt weiter seinen Namen Emir, Nemanja ist er nur getauft. Ich weiß nicht was Kusturica sich dabei gedacht hat. Bei ihm sind Genie und Wahnsinn nahe bei einander. Bei deinem Lieblingsserben Basara meiner Meinung auch.


Unabhängig davon was serbische Nationalisten behaupten, gibt es (zumindest habe ich eine getroffen) sehr wohl muslimische Slawen in Serbien, die sich als Serben betrachten (mittlerweile sicherlich die Minderheit der Muslime in Serbien), das hat etwas mit der eigenen Auffassung der Identität zu tun. Ein Zlatan Ibrahimovic hat nicht unbedingt einen schwedischen Namen, wird sich aber vermutlich als Schweden betrachten, ist ja dort geboren und das ist sein Heimatland. Fast alle Amerikaner stammen aus dem Rest der Welt und betrachten sich aber als Amerikaner.

Zu meinem großen Bedauern, hat sich eine serbische Identität nur bei den orthodoxen serbokroatisch sprechenden Menschen entwickelt und nur orthodoxe Minderheiten konnte man in die serbische Nation integrieren, hab ich ja im Thread Religion wichtiger als gemeinsame Sprache nahegelegt. Katholische oder muslimische Serben waren immer eine Seltenheit und nur zeitlich begrenzt. Mit dem Verlust des orthodoxen Glaubens, verlor man auch die serbische Identität.


Im Namen eines vermeintlichen mythischen Serbentums wurde da schon "Verrat am Volke" gesehen und es wurden schon Akteure in der serbischen Geschichte deswegen ermordet und Premiers erschossen.

Darüber wäre sich auch noch stundenlang zu reden, was du genau damit meinst. Djindjic wurde von der Mafia ermordet und war auch nicht der Antinationalist, aus dem ihn die Anti-Milosevicfraktion im späteren Narrativ gemacht hat.
 
Natürlich das Hauptperson in diesem Thread Gavrilo Princip. Bei seiner Vernehmung gab er an, Atheist zu sein.
Gavrilo Princip war auch bei der politischen und atheistischen Bewegung Mlada Bosna (=junges Bosnien). Religion sollte dort kein Rolle, weil es im jugoslawischen Nationalismus eben genau darum ging die Südslawen unabhängig von ihrer Religion in einer Nation zu vereinen.

Jedenfalls gibt es einen kleinen Unterschied zwischen jugoslawischen und serbischen Nationalismus, auch wenn man den kleinen ideologischen Unterschied nicht immer sofort erkennt.
Und es gibt offensichtlich auch noch Mischformen, wenn der Jugoslawismus mit einer proserbischen Position verknüpft und vermischt wird.
Das gleiche Problem gibt es auch beim Panslawinismus, der dann oft mit prorussischen Position verknöpft oder verwechselt wird.
Leicht auseinander zu halten sind die verschiedenen Nationalismen jedenfalls nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Okay kann ich mitgehen, aber viele Kroaten und Bosniaken heute nicht, denn für sie war das Jugoslawientum nur vorgeschoben.

Trotzdem es gibt und es gab immer eine Strömung im serbischen Nationalismus die ohne Religion ausgekommen ist.

Ich zweifle auch stark an, dass man die Bosniaken vom Serbentum überzeugen könnte, selbst wenn man alle nationalen Symbole von der Flagge bis zur Hymne religionsphneutral gestaltet hätte. :)
 
Ich hatte auch mal einen Arbeitskollegen aus Novi Pazar, der sich selbst als muslimischer Serbe sah. Inwiefern er damit eine absolute Ausnahme ist, kann ich nicht beurteilen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung zeichnet ein Bild des Ausgleiches der Religionen in Serbien.
 
1) Milosevic war ein postkommunistischer Politiker, der geschickt den serbischen Nationalismus für sich nutzte und mit den Emotionen der Leute spielte. Das gab es auf allen Seiten, auch in Russland, der Ukraine, etc., vorher Apparatschik, nachher Patriot. Da sind wir uns einig, denke ich.

2) Ich wollte eigentlich nicht zu viel Einzelschicksale herauspicken und das vermeiden. Statistisch gesehen findet man überall Gegenbeispiele, wenn man nur lange genug sucht. Noch dazu Politiker, die eine buchstäbliche 180°-Wende in ihrer politischen Entwicklung durchlaufen haben. Der aktuelle serbische Präsident Vucic, der montenegrinische Präsident Djukanovic, etc. Von Mladic gibt es auch Videos, wo er sich bekreuzigt und orthodoxe Ikonen küsst, soviel dazu.

3) Zu Vuk Karadzic: "Svi Slavenski narodi kromje Serbalja vostočnog' vjeroispovjedanija imaju svoje Rječnike..Mi ga sami trebamo" Ich hoffe, dass ich das richtig auf Deutsch übersetzt habe: "Alle slawischen Völker östlicher Glaubensrichtung, wie die Serben, haben ihre Wörterbücher. Wir brauchen ein eigenes."
Was sagt uns das? Gar nichts. Höchstens, dass man immer Gegenargumente finden kann :)

Spaß beiseite - meine Kernaussage ist, dass es im serbischen Nationalismus eine mythisch-klerikale Gemengelage gibt, die im Laufe der Zeit auch die allerletzten Reste an Kooperation und Sympathie zerstört hat und bis heute sehr destruktiv nachwirkt.

4) Vojislav Seselj? - selbsternannter Tschetnik. Was ist ein Tschetnik - ein klerikaler Monarchist, ein orthodoxer Freischärler, etc... Die serbische radikale Partei ist vom Parteiprogramm her regelrecht "tschetnikistisch" aufgespannt. Seselj wurde einmal von Momcilo Djujic zum Wojwoden ernannt, welcher nach dem Zweiten Weltkrieg nach Chicago geflüchtet ist. Djujic war übrigens serbisch-orthodoxer Priester in Dalmatien, hat sich während des Krieges durch Kriegsverbrechen gegen Kroaten ausgezeichnet, hat aber auch, durch konsequente Selbstbewaffnung die serbisch-orthodoxe Bevölkerung des unter seiner Kontrolle stehenden Gebietes vor Übergriffen der Ustascha geschützt.

Ich glaube nicht, dass es zielführend und realistisch ist serbischen Nationalisten wie Seselj bzw. seiner Partei und Leuten wie ihm eine positive Gesinnung zum serbisch-orthodoxen Glauben abzusprechen. Das ist einfach nicht realistisch. Das wäre fast so, als würde man sagen, dass kroatischen Ultranationalisten der Katholizismus kein wichtiger Punkt des kroatischen Selbstverständnisses ist.

Ich habe ehrlich gesagt noch nie einen Serben kennengelernt, der negativ zur serbisch-orthodoxen Kirche steht, aber ich hatte auch nicht Kontakt mit so vielen Serben. Daher kann es schon sein, dass es solche auch gibt. Wenn man sich ansieht was da mittlerweile an phantastischen Meinungen und tolkienschen Geschichtskonstruktionen im Netz kreucht und fleucht, wird es antiklerikale serbische Nationalisten wohl auch geben.

Zu meinem großen Bedauern, hat sich eine serbische Identität nur bei den orthodoxen serbokroatisch sprechenden Menschen entwickelt und nur orthodoxe Minderheiten konnte man in die serbische Nation integrieren, hab ich ja im Thread Religion wichtiger als gemeinsame Sprache nahegelegt. Katholische oder muslimische Serben waren immer eine Seltenheit und nur zeitlich begrenzt. Mit dem Verlust des orthodoxen Glaubens, verlor man auch die serbische Identität.

Wieso ist das so? Wie kann es sein, dass den Serben in der Vergangenheit so viele Sympathien entgegenschlugen, auch von Kroaten und Bosniaken (allgemein in ganz Europa und bei fast allen slawischen Völkern), und man aber spätestens mit Anfang des Zweiten Weltkrieges überhaupt keinen mehr auf seiner Seite hatte (regional gesehen)?

Darüber wäre sich auch noch stundenlang zu reden, was du genau damit meinst. Djindjic wurde von der Mafia ermordet und war auch nicht der Antinationalist, aus dem ihn die Anti-Milosevicfraktion im späteren Narrativ gemacht hat.

Das spielt sehr gut serbischen Nationalisten zu, denn dann suggeriert man folgendes:

1) Djindjic war um nichts besser als die anderen, nationalistischen und ex-kommunistischen, Politiker vor ihm
2) Er hatte auch mit der Mafia zu tun und war auch korrupt
3) Somit ist sein Tod durchaus auch irgendwie "verdient"

Ich sage nicht, dass du das in den Raum stellst, aber das ist u.a. eine der "serbischen Mehrheitsmeinungen".

Die genauen Hintergründe zu Djindjics Tod bleiben wohl für immer im Hintergrund. Beteiligt waren vermutlich auch Politiker, angesichts des Abwürgens durch Tadics und Kostunicas Agieren (oder Nicht-Agieren) danach, wird man das nie herausfinden.
 
Okay kann ich mitgehen, aber viele Kroaten und Bosniaken heute nicht, denn für sie war das Jugoslawientum nur vorgeschoben.
Ich würde da von einem speziellem Geschichtsbild der Kroaten und Bosniaken sprechen.

An der Idee und der Bewegung des Jugoslawismus hatten in der Vergangenheit eben doch auch Kroaten und ethnische Muslime ihren Anteil.
Selbst Tito stammte aus einer katholischen, kroatischen Familie. Tito war als Kommunist natürlich auch Atheist.

Sowohl Slobodan Milosevic als auch Radaovan Karadzic, die als hauptverantwortlich für die serbischen (oder vielleicht doch noch jugoslawischen?) Kriegsverbrechen während der Jugoslawienkriege in den 1990ern gelten, waren montenegrinischer Herkunft. Ihre Herkunftsfamilien stammten aus Montenegro und waren serbisch-orthdodox. Mein Hinweis auch die montenegrinische Herkunft dieser Hauptskriegsverbrecher ist aber auch ziemlich ahistorisch, weil es im 20. Jahrhundert noch keine Unterscheidung von Montenegrinern und Serben gab. Ihre Herkunftsfamilien stammten jedenfalls aus Montenegro und waren serbisch-orthdodox.
Slobodan Milosevic war auch nicht serbisch-orthodox, sondern atheistisch - ganz im Sinne der Kommunistischen Partei. Einer Selbstidentifikation mit einem großserbischen Nationalismus (der aber trotzdem auch Jugoslawismus war) stand sein Atheismus aber keineswegs im Weg.

Es ist jedenfalls ziemlich kompliziert.
Jugoslawischer und serbischer Nationalismus sind häufig identisch, aber auch nicht immer.
Serbisch als nationale Identität fällt häufig aber nicht immer mit der Serbischen Orthodoxie zusammen.
 
1) Milosevic war ein postkommunistischer Politiker, der geschickt den serbischen Nationalismus für sich nutzte und mit den Emotionen der Leute spielte. Das gab es auf allen Seiten, auch in Russland, der Ukraine, etc., vorher Apparatschik, nachher Patriot. Da sind wir uns einig, denke ich.

Wir sind sehr weit weg vom eigentlichen Thema gekommen, aber wie weit ist Milosevic für die Schuld am Schlamassel in den 90ern. Ich habe schon von Leuten die der "Zweites Serbien" gehört, Sprach und Religionskriege geführt. Ein Atheist führt also Religionskriege für eine Religion der er selber nicht angehört, dass kann auch nur vom Balkan kommen.

2) Ich wollte eigentlich nicht zu viel Einzelschicksale herauspicken und das vermeiden. Statistisch gesehen findet man überall Gegenbeispiele, wenn man nur lange genug sucht. Noch dazu Politiker, die eine buchstäbliche 180°-Wende in ihrer politischen Entwicklung durchlaufen haben. Der aktuelle serbische Präsident Vucic, der montenegrinische Präsident Djukanovic, etc. Von Mladic gibt es auch Videos, wo er sich bekreuzigt und orthodoxe Ikonen küsst, soviel dazu.

Deswegen bin ich bei Mladic auch sehr vorsichtig, ob er seine Meinung geändert hat in der Zwischenzeit. Ich trinke nicht jeden Tag Kaffee mit ihm, damit ich das genau wissen sollte. Trotzdem von den großen 3 Figuren im Bosnienkrieg auf serbischer Seite, konnten wenigstens zwei am Anfang des Krieges nichts mit Religion anfangen.


3) Zu Vuk Karadzic: "Svi Slavenski narodi kromje Serbalja vostočnog' vjeroispovjedanija imaju svoje Rječnike..Mi ga sami trebamo" Ich hoffe, dass ich das richtig auf Deutsch übersetzt habe: "Alle slawischen Völker östlicher Glaubensrichtung, wie die Serben, haben ihre Wörterbücher. Wir brauchen ein eigenes."
Was sagt uns das? Gar nichts. Höchstens, dass man immer Gegenargumente finden kann :)

Was du und die kroatischen Kollegen die, das in allen möglichen Ex-Ju Foren schreiben damit sagen wollen. Vuk Karadzic irrt übrigens mehrmals in diesem Satz. Auch die Bulgaren der damaligen Zeit, sogar die Rumänen nutzten das Neukirchenslawische (mit starken Einflüssen des Russischen) der damaligen Zeit und nicht eine auf der Volkssprache basierenden Standard, für den Sich Karadzic sein ganzes Leben eingesetzt hat. Dositej und Karadzic die beiden wichtigsten Denker des serbischen Nationalismus, hatten mit diesem Klerikalen Aspekt nichts zu tun.

Spaß beiseite - meine Kernaussage ist, dass es im serbischen Nationalismus eine mythisch-klerikale Gemengelage gibt, die im Laufe der Zeit auch die allerletzten Reste an Kooperation und Sympathie zerstört hat und bis heute sehr destruktiv nachwirkt.

Da gehe ich mit, ich finde die Kirche sollte sich nicht zum Thema Kosovo äußern. Serbien gab es mit Kosovo und wird es ohne auch geben.

4) Vojislav Seselj? - selbsternannter Tschetnik. Was ist ein Tschetnik - ein klerikaler Monarchist, ein orthodoxer Freischärler, etc... Die serbische radikale Partei ist vom Parteiprogramm her regelrecht "tschetnikistisch" aufgespannt. Seselj wurde einmal von Momcilo Djujic zum Wojwoden ernannt, welcher nach dem Zweiten Weltkrieg nach Chicago geflüchtet ist. Djujic war übrigens serbisch-orthodoxer Priester in Dalmatien, hat sich während des Krieges durch Kriegsverbrechen gegen Kroaten ausgezeichnet, hat aber auch, durch konsequente Selbstbewaffnung die serbisch-orthodoxe Bevölkerung des unter seiner Kontrolle stehenden Gebietes vor Übergriffen der Ustascha geschützt.

Den Feind sollte man kennen, obwohl sich Seselj als Tschetnik bezeichnet ist er kein Monarchist. Seine These hat mit Religion wenig zu tun und ist die alte These von den Stokaven sind alle Serben, die Dositej und Vuk vertreten haben.

Übrigens selbst ein den Serben extrem kritischer Historiker Marko Attila Hoare - Wikipedia gibt in seinen Büchern zu, dass es mehr muslimische Tschetniks gab (und das um ein Vielfaches), als Nichtmuslime in der ARBiH, die immer mit ihrer Multikulturalität gespielt.

Ich glaube nicht, dass es zielführend und realistisch ist serbischen Nationalisten wie Seselj bzw. seiner Partei und Leuten wie ihm eine positive Gesinnung zum serbisch-orthodoxen Glauben abzusprechen. Das ist einfach nicht realistisch. Das wäre fast so, als würde man sagen, dass kroatischen Ultranationalisten der Katholizismus kein wichtiger Punkt des kroatischen Selbstverständnisses ist.

Die Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Schuhe. In der Theorie spielt der Glaube keine Rolle, in der Praxis schon. Ist aber kein neues Phänomen im Ersten Serbischen Aufstand war offizieller Berater und Bildungsminister von Karadjordje Dositej Obradovic, welcher davon Sprach, dass es Serben gäbe die anderen Religionen folgen wollen. Pismo Haralampiju analiza - Dositej Obradović (beleske.com) Fast alle Intellektuellen übernahmen dies dann weiter, praktisch führte aber die serbische Revolution (gemeinsam mit dem Großen Türkenkrieg welcher Belgrad von einer Großstadt mit 96.000 vor allem muslimischen Einwohnern, zu einem Kaff mit 10.000 Menschen schrumpfen ließ), zum Verschwinden aus Serbien.

Ich habe ehrlich gesagt noch nie einen Serben kennengelernt, der negativ zur serbisch-orthodoxen Kirche steht, aber ich hatte auch nicht Kontakt mit so vielen Serben. Daher kann es schon sein, dass es solche auch gibt. Wenn man sich ansieht was da mittlerweile an phantastischen Meinungen und tolkienschen Geschichtskonstruktionen im Netz kreucht und fleucht, wird es antiklerikale serbische Nationalisten wohl auch geben.

Die These "Die serbisch orthodoxe Kirche ist Schuld, dass es nicht so viele Serben gibt." Kenne ich hundert Mal, ist mindestens genauso weit verbreitet wie "Der Vatikan ist Schuld, dass es keine katholischen Serben gibt".



Wieso ist das so? Wie kann es sein, dass den Serben in der Vergangenheit so viele Sympathien entgegenschlugen, auch von Kroaten und Bosniaken (allgemein in ganz Europa und bei fast allen slawischen Völkern), und man aber spätestens mit Anfang des Zweiten Weltkrieges überhaupt keinen mehr auf seiner Seite hatte (regional gesehen)?

Hier haben wir ja schon ein Problem. Ich sprach von muslimischen und katholischen Serben und du von Bosniaken und Kroaten. Besonders stark war der serbische Katholizismus in der Bucht von Kotor und in Dubrovnik, ganz einfach weil es keine kroatische Identität dort gab. Aber am Ende hat sich das Kroatentum durchgesetzt ist halt ein Fakt. Die Bosniaken haben sowieso als letzte ihre Identität definiert.

Ja, mit dem Verlust des orthodoxen Glaubens, geht der Verlust der serbische Identität einher, dank den Aufzeichnungen fleißiger Pfarrer in Kroatien wissen wir, von vielen Dörfern wo katholische Serben lebten (die Grade eben missioniert wurden), das dauerte genau ein oder zwei Generationen und die Identität war weg.

Die multireligiöse serbische Nation ist gescheitert, wahrscheinlich schon zu Zeiten des Ersten Serbischen Aufstandes. Wo die Muslime serbokroatischer Sprache mit aller Gewalt versuchten die Unabhängigkeit Serbiens zu verhindern.

Das spielt sehr gut serbischen Nationalisten zu, denn dann suggeriert man folgendes:

1) Djindjic war um nichts besser als die anderen, nationalistischen und ex-kommunistischen, Politiker vor ihm
2) Er hatte auch mit der Mafia zu tun und war auch korrupt
3) Somit ist sein Tod durchaus auch irgendwie "verdient"

Ich sage nicht, dass du das in den Raum stellst, aber das ist u.a. eine der "serbischen Mehrheitsmeinungen".

Die genauen Hintergründe zu Djindjics Tod bleiben wohl für immer im Hintergrund. Beteiligt waren vermutlich auch Politiker, angesichts des Abwürgens durch Tadics und Kostunicas Agieren (oder Nicht-Agieren) danach, wird man das nie herausfinden.

Djindjic ist halt wie Mihajlo Obrenovic, dem werden auch Wundertaten nachgesagt, nur hätte er überlebt. Bei Djindjic ist halt das Problem, dass er politisch die nächsten Wahlen nicht überlebt hätte. Djindjic ist sicher kein Milosevic, aber auch keine Heilsgestalt. Viele interessante Aspekte hast du ja aufgezählt, nur würde ein Forum alles sprengen um dies begründet zu erklären. Dabei habe ich mir gedacht dies für meine Doktorarbeit sollte sie mal gemacht werden.
 
Was du und die kroatischen Kollegen die, das in allen möglichen Ex-Ju Foren schreiben damit sagen wollen.

Was ich sagen will habe ich oben eigentlich hingeschrieben. Und das Zitat wird eigentlich in allen möglichen ex-jugoslawischen Foren gebracht.

Da gehe ich mit, ich finde die Kirche sollte sich nicht zum Thema Kosovo äußern. Serbien gab es mit Kosovo und wird es ohne auch geben.

Ich bin ganz dieser Meinung, aber gerade die Kirche wird sich zu diesem Thema äußern. Wo es bei der Relation Orthodoxie-Nationalismus noch etwas Spielraum gibt, hört dies spätestens beim Kosovo auf. Der serbische Mythos basiert auf dem Kosovo und spätestens hier ist Schluss. Die Phrase "Kosovo ist Serbien!" erschlägt so ziemlich alle Reste der Rationalität.

Übrigens selbst ein den Serben extrem kritischer Historiker Marko Attila Hoare - Wikipedia gibt in seinen Büchern zu, dass es mehr muslimische Tschetniks gab (und das um ein Vielfaches)

Es gab sogar in den 90er Jahren auf Seite der Serben ethnische Kroaten und Ungarn, Naser Oric war sogar Leibwächter Milosevics und gilt heute als Verantwortlicher für Verbrechen an Serben vor dem Massaker von Srebrenica. Ändert nichts an meiner Meinung, dass die serbische Orthodoxie im Namen des Nationalismus missbraucht wurde und auch zur Mythenbildung beigetragen hat. In größerem oder geringerem Maße wurde das immer von diversen Akteuren der serbischen Geschichte ausgenutzt.

Die These "Die serbisch orthodoxe Kirche ist Schuld, dass es nicht so viele Serben gibt." Kenne ich hundert Mal, ist mindestens genauso weit verbreitet wie "Der Vatikan ist Schuld, dass es keine katholischen Serben gibt".

Ich habe vor unserer Diskussion hier noch nie "Die serbisch orthodoxe Kirche ist Schuld, dass es nicht so viele Serben gibt" gehört. Im Sinne eines "eingrenzenden Faktors", das kenne ich so nicht. Ich bin aber davon überzeugt, dass unbedachte/falsche Handlungen serbischer Herrscher/Politiker und eines auf Mythen basierenden Geschichtsbildes, dass durch Aspekte der serb. Orthodoxie verstärkt wurde, zum unnötigen Tod vieler Serben und Nicht-Serben geführt haben.

Ja, mit dem Verlust des orthodoxen Glaubens, geht der Verlust der serbische Identität einher, dank den Aufzeichnungen fleißiger Pfarrer in Kroatien wissen wir, von vielen Dörfern wo katholische Serben lebten (die Grade eben missioniert wurden), das dauerte genau ein oder zwei Generationen und die Identität war weg.

Gibt es dazu Quellen? Bitte, Danke! Ich habe von "katholischen Kroaten" nur im Rahmen der Idiotie serbischer Ultranationalisten gehört und habe dahinter nie einen historischen Hintergrund vermutet.

Djindjic ist halt wie Mihajlo Obrenovic, dem werden auch Wundertaten nachgesagt, nur hätte er überlebt. Bei Djindjic ist halt das Problem, dass er politisch die nächsten Wahlen nicht überlebt hätte. Djindjic ist sicher kein Milosevic, aber auch keine Heilsgestalt.

Vermutlich hätte er verloren. Djindjic ist schon in die richtige Richtung gegangen, eine entmythologisierte und im Hier und Jetzt verankerte Politik - das haben nicht viele serbische Politiker und das kommt beim Großteil des serbischen Volkes nicht gut an. Er ist Opfer dessen geworden, was er abschaffen wollte - Exekution als Mittel zur Konfliktlösung. Wir sollten aufhören hier darüber zu schreiben, das geht in die Tagespolitik. Ich habe, glaube ich, das eingebracht und entschuldige mich dafür.
 
Wir sind sehr weit gegangen bei dem Thema.

Deine Thesen erinnern mich an die These von Latinka Perovic von den Zwei Serbien in der seribschen Geschichte oder serbischen Sonderweg, viele Elemente dieses Narrativs halte ich bei genauerer hinsehen für Blödsinn. Meine Diplomarbeit ging ganz kurz darauf ein und sollte ich mal meinen Doktor machen, wären die Mythen des "Zweiten Serbiens" genauso Thema.

Bei anderen Dingen bin ich durchaus deine Meinung und ich sehe um Gottes Willen die Kirche nicht als Unschuldslahm.
 
Narrativ. Blödsinn. Harte Worte sind das.

Du bist auf viele der von mir aufgestellten "Thesen" nicht eingegangen, finde ich.
Ich will hier überhaupt nicht deine Kompetenz in Frage stellen (will ich wirklich nicht, vermutlich hast du mehr geschichtliches Detailwissen zum Thema als ich, bin ich mir ziemlich sicher, wenn ich mir ansehe, was du alles in den diversen Threads geschrieben hast), ich glaube nur, dass wir hier ziemlich lange aneinander vorbeigeredet haben.

Ich folge hier keinem "Narrativ" und die serbische Opposition will ich auch nicht verteidigen (wie du es vermutlich glaubst und versucht hast anzudeuten), dort gibt es mindestens genauso schlimme Nationalisten und ändern würde sich überhaupt nichts. Das Problem liegt nicht nur in den Politikern, sondern auch sehr tief in der Gesellschaft. Und das ist nicht nur ein serbisches Problem, ähnliche Zustände herrschen auch in Kroatien, in Ungarn, in Russland, bei den Albanern, in der Türkei...

Es reicht, dass ich mir die öffentlich-rechtlichen oder privaten Sender in Serbien gebe, und schlagartig wird einem die Absurdität des Ganzen (Mythen, Religiosität, Rhetorik, etc...) bewusst.

Svetislav Basara habe ich ironisch als "Lieblingsserben" bezeichnet, weil gerade dieser Schriftsteller recht "entnationalisiert" ist und eine tolle selbstkritische und ironische Sichtweise auf die Geschichte seines Heimatlandes hat (er ist übrigens religiös und praktizierender Serbisch-Orthodoxer, gewusst?). Ich kenne noch bei den Kroaten solche Autoren, bei den anderen Balkanvölkern fehlen sie komplett. Insofern kann ja Serbien stolz sein solche Leute zu haben. In Österreich hat diese Rolle ein Thomas Bernhard z.b. erfüllt. Und selbst dieser Basara spricht ja nicht die 100%ige Wahrheit. Überall gibt es Raum für Interpretation und Diskussion.

In der serbischen Geschichte gibt es aber eine Kontinutät des Absurden, die sich wie ein Bandwurm durchzieht und für viel Leid gesorgt hat.

Ich bitte also darum nicht zu glauben, dass es mir hier um ein Wettern gegen die serbisch-orthodoxe Kirche geht (wäre ja schön, wenn es so einfach wäre). Und ich bitte auch um weniger Kategorisierung, wo du deinen Doktor machen willst ist deine Sache, das ist nicht Thema.
 
Genau das ist eindeutig dein Narrativ!

Ein Narrativ wäre in meinen Augen, wenn man behauptet, dass ein gewisses Land "historisch" immer Anrecht haben wird auf einen mittlerweile faktisch unabhängigen Landesteil, unabhängig von der dort tatsächlich lebenden Mehrheitsbevölkerung.

Der serbische, albanische oder kroatische Nationalismus haben ihr Eigenarten und Muster, die sich im 19 Jhdt. etabliert haben und auch heute noch nachwirken bzw. relevant sind. Wenn man diese Aussage als Phantasie oder "Blödsinn" abtut, müssen wir eigentlich nicht weiterdiskutieren.

Und wie ich bereits gesagt habe, ist dass natürlich kein rein serbisches Narrativ.

Narrativ (Sozialwissenschaften) – Wikipedia
 
Eine Besonderheit des Balkans, und Serbiens, im betrachteten Zeitraum vor dem ersten Weltkrieg, besteht, nach meinem Narrativ darin,
dass sie sich in einem Prozess der Dekolonialisierung gegenüber dem OR befanden,
während sie sich gleichzeitig in der Gefahr einer erneuten Kolonialisierung durch Ö-U sahen.
 
Teil 1 meiner Antwort auf Salvallende, es kann sehr lange dauern und wie gesagt darüber könnte man ruhig hunderte Seiten schreiben. Ein kleiner Überblick.

Ein Narrativ wäre in meinen Augen, wenn man behauptet, dass ein gewisses Land "historisch" immer Anrecht haben wird auf einen mittlerweile faktisch unabhängigen Landesteil, unabhängig von der dort tatsächlich lebenden Mehrheitsbevölkerung.

Der serbische, albanische oder kroatische Nationalismus haben ihr Eigenarten und Muster, die sich im 19 Jhdt. etabliert haben und auch heute noch nachwirken bzw. relevant sind. Wenn man diese Aussage als Phantasie oder "Blödsinn" abtut, müssen wir eigentlich nicht weiterdiskutieren.

Und wie ich bereits gesagt habe, ist dass natürlich kein rein serbisches Narrativ.

Narrativ (Sozialwissenschaften) – Wikipedia

Wenn ich es so lese, könnte mein flapsiges Blödsinn nur auf einem Missverständnis beruhen.

Andere Stellen (mystisches Serbentum, Geschichte des Absurden) und vor allem die Nennung von Basara deuten darauf hin, dass du mit dem Geschichtsbild von des sogenannten "Zweiten Serbien Bewegung" anhängst.

Solltest du nicht dieser Ansicht sein, entschuldige ich mich bei dir und wir sollen weitermachen.


Frage 1: Was ist die "Zweite Serbien Bewegung".

Eine Gruppe von Gegner der Politik Slobodan Milosevics und seine bekanntesten Gegner. Dies waren vor allem enttäuschte Jugoslawen und ehemalige Kommunisten.

Frage 2: Was haben diese mit der Geschichtswissenschaft zu tun.

Einige der bekanntesten Zweites Serbien sind Historiker und noch mehr Historikerinnen Nikola Samardzic, Branka Prpa, Dubravka Stojanovic und vor allem Latinka Perovic. Latinka Perovic hat das Geschichtsnarrativ in die Welt gesetzt.

Frage 3: Was behauptet Latinka Perovic.

Das es seit mindestens 200 Jahren einen Kampf zwischen " liberale Modernisierern" und "nationalen Traditionalisten" gebe. In diesem 200 jährigen Konflikt hätten immer die Modernisierer verloren und seien marginalisiert worden. Die Modernisierer wollten eine liberale, europäisches und so weiter Serbien. Die Traditionalisten stehen für Kirche, heidnische Bräuche e.t.c.

Als Vater des Zweiten Serbiens gilt der Aufklärer Dositej Obradovic, die Auseinandersetzung mit ihm hat mir vor Augen geführt, wie bescheuert diese Aufteilung ist.

Wenn man liest Schweigende Aufklärer und rollende Köpfe: Radoslav Petkovićs und Svetislav Basaras literarische Suche nach den Ursprüngen des Patriotismus, in: Grenzräume – Grenzbewegungen : Ergebnisse der Arbeitstreffen des Jungen Forums Slavistische Literaturwissenschaft in Basel 2013 und Frankfurt (Oder) und Słubice 2014 ; Bd. 1 (uni-potsdam.de) oder Fischer, Wladimir: Dositej Obradović als bürgerlicher Kulturheld. Zur Formierung eines serbischen bürgerlichen Selbstbildes durch literarische Kommunikation 1783–1845. Frankfurt/M. 2007. liest könnte man meinen. Ja wenn Dositejs Ideale im heutigen Serbien irgendwas zählen würden, hätte es Srebrenica oder die Belagerung von Sarajewo gesagt. Dubravka Stojanovic meinte immer wieder, man sollte die serbische Geschichte in Hinblick auf das Massaker von Srebrenica deuten. Leider, ist dies nicht nur ein Programm von Stojanovic, sondern auch ausländische Historiker sind auf den Zug aufgesprungen, wie Wladimir Fischer (erklär ich später). Das führt dazu, dass Leute des 19. Jahrhunderts daran bewertet werden, als ob sie wissen würden was im 20. Jahrhundert passiert.

Dositej als Held folgender Gruppen in Serbien.

- Im zweiten serbischen Narrativ.

- Dositej war für Frieden und für Liebe Freude Eierkuchen mit den Bosniaken, Albanern und Kroaten.

- Historische Wirklichkeit.

- Dositej unterstützte jeden Aufstand gegen das Osmanische Reich welcher zu seiner Zeit gemacht wurde. Er besang die Eroberung von Belgrad in der Kocina Krajina. Koča-Aufstand – Wikipedia Er war der engste Berater von Karadjordje im Ersten Serbischen Aufstand. Wie man in einem Narrativ sowohl Karadjordje für einen Verbrecher und Dositej für eine Heilsfigur halten kann ist mir ein Rätsel. Aber am Balkan funktioniert alles. Im Ersten Serbischen Aufstand kam es auf beiden Seiten zu schrecklichen Massakern. Dositej hat keines von denen zum Anlass genommen, zurückzutreten. Von Vuk Karadzic haben wir mehrere schriftliche Zeugnisse, dass er dies schrecklich finden, er sah aber auch sehr abergläubisch den Untergang des Ersten Serbischen Aufstandes, als Strafe Gottes für das Massaker von Sijenica. Eine bosniakische Seite: Krvavi maj 1809. u Sjenici | Sandzacke.rs

Branka Prpa.

Karadjordje der Moslemmörder. Prpa: Prvi srpski ustanak je pun kontroverzi (blic.rs)

Dositej der Held: A ŠTA VI MISLITE: Da li su ovo najveći heroji u srpskoj istoriji? (FOTO) - Telegraf.rs

Dositej war keine Opposition zu Karadjordje, sondern der Hauslehrer seines Sohnes und enger Berater.

- Im zweiten serbischen Narrativ.

- Dositej der Freund der Westeuropäer. Serbien entscheidet sich für die orientalischen und ruckständigen Russen.

- Dositej war Josephist und Germanophil, aber dies änderte sich nach dem Kocina Aufstand. Dann verfiel er in eine Antideutsche Haltung. Preußen hatte Österreich gedroht einzugreifen, wenn Österreich nicht Frieden mit dem Osmanischen Reich schloss. Er war von Österreich enttäuscht und hatte seine Meinung zu den "Deutschen" wie viele andere geändert.

Aleksa Nenanovic ein Führer des Koca Aufstandes.

""Ja ovde ostati neću, ja ću da idem na moju očevinu, gde sam se rodio. Mihaljević, koji je moga oca pazio i uvažavao, rekne: "A zašto Aleksa, ti nećeš da ostaneš u našeg cara službi, pa ćeš skoro kapetanom vanžirati, zakleo si se da ćeš našem caru veran biti." Moj otac mu odgovara: "Istina je, da sam se zakleo da ću biti veran i protiv Turčina za slobodu očevine moje vojevati, i poznato vam je da ja moje zakletve ne prestupam niti cara izneveravam i ostavljam, no car ostavlja mene i sav narod srpski, kao njegovi stari što su naše pradede ostavljali. Zato idem natrag preko Save, a nemam pisara ni drugi' učeni' ljudi no ću ići od manastira do manastira i kazivati svakom kaluđeru i popu, da u svakom manastiru zapišu, da više nikad tko je Srbin Nemcu ne veruje"


Google übersetzer.

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"Ich werde nicht hier bleiben, ich werde in meine Heimat gehen, wo ich geboren wurde. Mihaljevic, der meinen Vater betreute und respektierte, sagte:" Und warum, Alex, wirst du nicht im Dienst unseres Kaisers bleiben, also wirst du es fast tun Sei ein Kapitän. Du hast geschworen, dass du unserem Kaiser treu sein würdest. "Mein Vater antwortet ihm:" Es ist wahr, dass ich geschworen habe, dass ich treu sein würde, um gegen die Türken für die Freiheit meines Vaterlandes zu kämpfen, und das weißt du Ich verletze meinen Eid nicht einmal gegenüber dem Kaiser, den ich verrate und verlasse, aber der König verlässt mich und das ganze serbische Volk wie seine Vorfahren, die unsere Vorfahren verlassen haben. Deshalb gehe ich zurück über die Save und habe keine Schriftgelehrten oder andere "gelehrte" Leute, aber ich werde von Kloster zu Kloster gehen und jedem Mönch und Priester sagen, dass er in jedem Kloster schreiben soll, dass niemand ein Serbe ist werde jemals wieder einem Deutschen vertrauen. ""

Memoari - Prota Mateja Nenadovic - Free Download PDF (kupdf.net)

Dositej war wie viele Serben von den Österreichern enttäuscht und wandelte sich den Russen zu. Er war dabei als die serbischen Rebellen 1806 ein Bündnis mit Russland schlossen.

Im Grunde ist es ziemlich wurscht ob Dositej mehr die Österreicher, Franzosen, Engländer oder Russen mochte oder irgendein anderer Serbe, denn den Serben im Aufstand helfen, wollten nur die Russen. Im Narrativ in Serbien geht man grundsätzlich davon aus, dass die Serben die Good Guys für die Europäer waren. Nichts könnte von dem Entfernter sein, Cedomir Antic hat sich die englischen Berichte zum Ersten Serbischen Aufstand angeschaut und dor war von Karadjordje als "Schlächter vom Balkan" e.t.c. Es gab zwischen dem napoleonischen Frankreich und England in diesen Jahren wohl nur eine Sache, wo man sich einige war, man war gegen den Aufstand der Serben. Frankreich schickt sogar Truppen bei der Schlacht von Misar und bei dem Versuch der Serben Sarajevo einzunehmen.

- Narrativ: Dositej der aufgekärte Realist. Die anderen Serben unrealistische Träumer.

- Historische Wahrheit.

- Als sich abzeichnete, dass die Russen Frieden mit den Osmanen schließen werden, meinte Dositej Karadjordje habe alleine begonnen und sollte es alleine zu Ende bringen. Dies war ähnlich erfolgsversprechend, wie 1999 die Nato zu besiegen. Vor allem da Kardjordjes Generäle nicht bereit waren, wie Karadjordje einen Partisanenkampf zu beginnen und die Kinder und Frauen nach Österreich zu schicken und die Männer von den Wäldern aus, Terrorakte gegen die Osmanen durchzuführen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Besonderheit des Balkans, und Serbiens, im betrachteten Zeitraum vor dem ersten Weltkrieg, besteht, nach meinem Narrativ darin,
dass sie sich in einem Prozess der Dekolonialisierung gegenüber dem OR befanden,
während sie sich gleichzeitig in der Gefahr einer erneuten Kolonialisierung durch Ö-U sahen.
Ich glaube nicht, dass der Begriff "Dekolonialisierung" auf das Osmanische Reich angewendet werden sollte. Er ist meines Erachtens völlig unangebracht, weil die Herrschaft der Osmanen über Bosnien im 19. Jahrhundert ungefähr nichts mit dem Phänomen Kolonialismus zu tun hat. Bosnien war Teil der europäischen Türkei und keine Kolonie. Das erkennt man schon daran, wie viele Jahrhunderte die Eroberung Bosniens durch Osmanen schon zurücklag. Die Osmanen eroberten 1453 Konstinopel und bereits 1463 Sarajevo. (Andere Teile Bosnien-Herzegowinas wurden tatsächlich erst viel später von den Osmanen erobert.)

Natürlich steht dem ein problematisches Geschichtsbild entgegen, das besonders in Deutschland und Österreich gepflegt wurde und zu oft auch noch immer gepflegt wird. Es sind die Narrative vom "kranken Mann am Bosporus", vom "Türkenjoch", dem "Pulverfass Balkan" und zu guter letzt noch "Serbien muss sterbien".
In dieser Erzählung ist Österreich-Ungarn auch kein Agressor, der versucht sich Teile des Osmanischen Reiches einzuverleben, sondern eine legtime Ordnungsmacht, die auch nur aus guter Absicht mit Serbien und Russland um die Herrschaft am Balkan konkurriert.

Ins gleiche Horn bläst auch der Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, mit dem der Thread begonnen hat.
Wenn dieser Beitrag nicht regelkonform sein sollte, so bitte ich darum, diesen einfach wieder zu löschen.

Aus dem untenstehenden Beitrag der Süddeutschen wird deutlich, wie Serien auch 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges seine Rolle sieht.

https://www.sueddeutsche.de/politik...hichtsbuch-treibt-serbiens-elite-um-1.1869422[/QUOTE]
Im Grunde geht in dem Artikel um die nicht ganz unrevisionistische Fragen.
Wenn Serbien am Balkan expandiert, ist das "aggressive Expansion". Und Unterdrückung der Slawen gab es nur "angeblich", weil die Habsburger so feine Reformbemühungen hatten.

Für den Autor Florian Hassel ist klar, dass Serbien Schuld am 1. Weltkrieg hat. Dabei ignoriert er natür völlig, dass die Attentäter von Sarajevo aus Bosnien stammten, teilweise nicht mal eine serbisch-orthodoxre Herkunft hatten und sich als Jugoslawen oder Serbokroaten indentifizierten. Man kann nicht so tun, als wären die Sarajevo-Attentäter nur Agenten Serbiens. Sie stammten aus Bosnien, hatten eigene politische Pläne und Ansichten und konnten frei entscheiden von welcher Großmacht sie sich instrumentalisieren lassen oder nicht.

Der Begriff Großserbien ist eigentlich nur ein westlicher Propagandabegriff, mit dem ein jugoslawischer Nationaismus geleugnet werden soll.

Es kommt aber noch besser. Serbien ist sogar schuld am 2. Weltkrieg.
Florian Hassel schrieb:
Fest steht auch, dass Serbiens Bürger die Verschwörung von 1914 teuer bezahlten. Im Ersten Weltkrieg starben fast 1,2 Millionen Serben, ein Viertel der Bevölkerung - gemessen an der Bevölkerung die höchste Totenzahl aller vom Krieg betroffenen Länder. Im Zweiten Weltkrieg, mit dem zumindest Hitler auch Rache für das Attentat von Sarajevo nahm, starben nochmals mehr als eine halbe Million Serben. Seine Opferrolle, nicht die eigene Täterschaft, ist bis heute die dominante Facette der serbischen Ideologie und Mythologie.
Das ist Schuldumkehr vom allerfeinsten. Alles nur Mythologie mit der Deutschen Schuld an beiden Weltkriegen.:eek::eek::eek:

Die spezielle Sicht der Deutschen auf die Geschichte Serbiens muss überwunden werden!
 
Ich glaube nicht, dass der Begriff "Dekolonialisierung" auf das Osmanische Reich angewendet werden sollte. Er ist meines Erachtens völlig unangebracht, weil die Herrschaft der Osmanen über Bosnien im 19. Jahrhundert ungefähr nichts mit dem Phänomen Kolonialismus zu tun hat. Bosnien war Teil der europäischen Türkei und keine Kolonie. Das erkennt man schon daran, wie viele Jahrhunderte die Eroberung Bosniens durch Osmanen schon zurücklag. Die Osmanen eroberten 1453 Konstinopel und bereits 1463 Sarajevo. (Andere Teile Bosnien-Herzegowinas wurden tatsächlich erst viel später von den Osmanen erobert.)
Da kann ich dir nicht ganz folgen.
Ich habe vom Balkan allgemein und von Serbien im speziellen gesprochen.
Wenn man Dekolonialisierung (Dekolonisation ist wohl der richtige Begriff, sorry für den Fehler) annehmen will, dann muss es vorher mindestens einen wirkenden Kolonialismus gegeben haben.
Einen solchen definiert Wolfgang Reinhard (Kleine Geschichte des Kolonialismus) als „die Kontrolle eines Volkes über ein fremdes unter wirtschaftlicher, politischer und ideologischer Ausnutzung der Entwicklungsdifferenz zwischen beiden.“
Und das kann man ja durchaus als gegeben ansehen im Verhältnis der Hohen Pforte zum Gebiet des Balkans.
Entgleitet die Kontrolle zunehmend, so beginnt die Phase der Dekolonisation.
So kann man das durchaus sehen und findet viele Beispiele.
Ich denke auch nicht, dass die Dauer einer Kontrolle per se einem vorhandenen Kolonialismus widerspricht.
Aber natürlich kann die lange Dauer auch zu einer Verschmelzung führen, die dann eine ehemalige Kolonie zum echten Bestandteil der früheren Kolonialmacht werden lässt.
Inwiefern das in Bosnien, oder in Albanien, gegeben war, wäre eine eigene interessante Betrachtung.

Beim Rest des Balkans ist m. E. der Begriff der Dekolonisation im Vorfeld des Ersten Weltkriegs anwendbar.
 
Ich glaube nicht, dass der Begriff "Dekolonialisierung" auf das Osmanische Reich angewendet werden sollte. Er ist meines Erachtens völlig unangebracht, weil die Herrschaft der Osmanen über Bosnien im 19. Jahrhundert ungefähr nichts mit dem Phänomen Kolonialismus zu tun hat. Bosnien war Teil der europäischen Türkei und keine Kolonie. Das erkennt man schon daran, wie viele Jahrhunderte die Eroberung Bosniens durch Osmanen schon zurücklag. Die Osmanen eroberten 1453 Konstinopel und bereits 1463 Sarajevo. (Andere Teile Bosnien-Herzegowinas wurden tatsächlich erst viel später von den Osmanen erobert.)

Wie lange war Goa unter portugisischer Fuchtel, Kuba unter Spanischer, wie lange saßen die Franzosen auf Martinique, Die Niederländern in Banten oder dir Briten auf Jamaica?

Ich würde meinen, das waren ganz vergleichbare Zeiträume. Trotzdem käme wohl niemand auf die Idee diese Territorien, bevor sie unabhängig wurden oder adäquate Representation im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses erhielten (Martinique) nicht als "kolonial" zu bezeichnen.

Ich würde meinen die sinnvollsten Maßstäbe um zu beurteilen, ob es sich um eine koloniale Konstruktion handelt oder nicht, sind noch immer die Frage ob der Teil des Machtbereichs über den verhandelt wird, vom Zentrum administrativ getrennt war und ob innerhalb des Gesamtreichs die Bewohner dieser Region einem anderen Rechtsstatus unterlagen als die übrigen Bewohner des Machtbereiches, und gegebenenfalls ob von Seiten des Machtzentrums irgendwelche Versuche zur kulturellen Umerziehung oder ähnliches unternommen wurden.

Nach diesen Maßstäben und dem Wenigen, was ich speziell über Bosnien so weiß, wäre ich geneigt, der Annahme, dass es sich dabei nicht um eine koloniale Konstruktion handelte durchaus zuzustimmen.
Das man aber generell im Hinblick auf das Osmanische Reich nicht von Kolonien oder kolonialen Praktiken sprechen könnte möchte ich dabei doch bestritten haben.
Von ihrer grundsätzlichen Konstruktion her, als Herrschaft über mal mehr, mal weniger inkorporierte Vasallen, (sicherlich nicht im Hinblick auf die tatsächliche Durchdringung) ist so manche de jure oder de fact Herrschaft des osmanischen Sulatans an der nordafrikanischen Küste oder im Ostbalkan, nicht so weit vom de jure Status diverser außereuropäischer "Protektorate" und "Schutzherrschaften" in Afrika und Asien entfernt.


Das waren ja schon etwas mehr, als persönliche Loyalitäts- oder Vasallitätsverhältnisse der Herscher untereinander, die sich mit dem Tod eines der Beiden auflösten.

Dann die zusätzliche Besteuerung von Nicht-Muslimen im Osmanischen Reich.
Natürlich war das keine direkte, archische Mission mit dem Schwer und natürlich betraf das den in der Walachei lebenden orthodoxen Christen in gleichem Maße, wie einen in Konstantinopel ansässigen Juden.
Von dem her diskriminierte es de jure erstmal religiöse Gruppen im gesamten Reich gleichermaßen ohne per Definition auf die Ethnie, Spreche oder die Bevölkerung einer bestimmten Provinz abzuzielen.

Man könnte demgegenüber allerdings einwenden, dass es durch die religiöse Zusammensetzung der Einwohnerschaft einer bestimmten Provinz am Ende genau darauf hinaus lief. Nicht in Bosnien und Albanien, wo sich der Islam in der Bevölkerung ja weitgehend durchsetzte, aber sehr wohl in den übrigen Balkan-Provinzen und in den griechischen Gebieten, die auf diesem Weg im Schnitt pro Person deutlich höhere Abgebenlasten gehabt haben dürften als das in anderen Teilen des Reiches der Fall war.
Letztlich könnte man behaupten, dass dies in der Praxis eine sehr effektive Möglichkeit war die Provinzen an der Peripherie wesentlich schärfer zu besteuern, als das Zentrum des Reiches.

Auch könnte man durchaus damit argumentieren, dass die Bewohner dieser Provinzen damit insgeamt einem minderen Rechtsstatus unterlagen, auch wenn der nicht ethnisch gebunden und damit dauerhaft festgelegt war, sondern änderbar, da an die Religion gebunden (wobei dann zu hinterfragen wäre, wie es sich damit in Kolonialen Konstrukten verhielt und das durchaus nicht nur im 19. und 20. Jahrhundert mit ihren stark rassistisch konnotierten Gesellschaftsordnungen).

Natürlich steht dem ein problematisches Geschichtsbild entgegen, das besonders in Deutschland und Österreich gepflegt wurde und zu oft auch noch immer gepflegt wird. Es sind die Narrative vom "kranken Mann am Bosporus", vom "Türkenjoch", dem "Pulverfass Balkan" und zu guter letzt noch "Serbien muss sterbien".
In dieser Erzählung ist Österreich-Ungarn auch kein Agressor, der versucht sich Teile des Osmanischen Reiches einzuverleben, sondern eine legtime Ordnungsmacht, die auch nur aus guter Absicht mit Serbien und Russland um die Herrschaft am Balkan konkurriert.

Ins gleiche Horn bläst auch der Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, mit dem der Thread begonnen hat.

Ja, problematische Geschichtsbilder sehe ich hier einige, z.B. dann wenn ich lesen, dass Bosnien Teil der "Europäischen Türkei" gewesen sei.
Da scheint jemand glatt den türkischen Nationalstaat seit Attatürk mit dem Osmanischen Reich zu verwechseln.

Wer "Serbien muss sterbien" heute noch vertritt, wüsste ich gerne. Ich kenne da niemanden namenhaftes, der das tut und ich sehe auch keine sonstwie besonders populäre Rezeption, die das vertritt.

Warum das "Türkenjoch" an und für sich ein fehlgeleitetes, besonders und Deutschland und Österreich gepflegtes Narrativ sein soll, wüsste ich auch ganz gerne mal.
Ich würde meinen, wenn die Osmanische Herrschaft nicht bis zu einem gewissen Grad als Joch empfunden worden wäre, hätten die übrigen Balkanvölker sich wohl dafür entschieden gerne "Türken" bleiben zu wollen. Es waren jedenfalls weder die bösen Österreicher, noch die bösen Deutschen, die die Rumänen, Bulgaren, Serben, Montenegriner und Griechen in irgendwelche Unabhängigkeitsbewegungen gezwungen hätten, auf den Trichter kamen die schon von alleine.
Wenn ich mir den durch die Religion begründeten minderen Rechtsstatus und die zusätzliche Besteuerung ansehe, fallen mir auch glatt ein paar Gründe ein, warum die Mehrheit der Balkanbewohner durchaus Anlass hätte haben können, das als Joch zu empfinden.


"Pulverfass Balkan" was genau ist denn nun an der Feststellung, dass der Balkan und im besonderen der Westbalkan sowohl zu Beginn, als auch zum Ende des 20. Jahrhunderts ein äußerst dynamischer, konfliktgeladener politischer Raum war (und in Teilen auch weiterhin ist) dessen Konflikte jederzeit in Gewalt umschlagen und flächenbrände auslösen konnten?
Natürlich, gerade im Hinblick auf den ersten Weltkrieg haben die größeren Europäischen Mächte mit ihren Bündnissen mit den dortigen staatlichen Akteuren, trotz des Wissens um diese Konflikte, die Tendenz zum Flächenbrand erhöht, zumal gerade von russischer Seite her ja bereits seit dem Krimkrieg immer wieder versucht wurde, die orthodoxen Christen und Slawen auf dem Balkan gegen die osmanische Herrschaft aufzuwigeln.

Aber die reine Feststellung dass sich dieser Raum im beginnenden und ausgehenden 20. Jahrhundert in diesem Zustand bestand ist erstmal wieder grundfalsch, noch deutsch oder österreichisch.
Gerade die jugoslawischen Zerfallskriege, zeigen ja auch durchaus auch Spannungen, die nicht von irgendwelchen umliegenden Großmächten da hinein getragen wurden und die nicht Anhängsel imperialer Konkurrenz waren.



Was bleibt noch? "Kranker Mann am Bosporus"?
Zugegeben, kein sinnvolles Narrativ, wenn man es als die Vorhersage des determinierten Untergangs dieses Reiches betrachtet, möglicherweise hätte es sich von dieser Krise erholen und modernisieren können, wie das am Ende auch etwa China gelang. Absolut möglich.
Das ist aber auch das einzige der angesprochenen 4 Narrative, dass ich sowohl für heute noch weit verbreitet, als auch inhaltlich komplett problematisch halte.


Der Begriff Großserbien ist eigentlich nur ein westlicher Propagandabegriff, mit dem ein jugoslawischer Nationaismus geleugnet werden soll.

Auch das geht mir ein kleines Bisschen zu weit.
Denn dass es eingen jugoslawischen Nationalismus grundsätzlich gab, ist ja kein Beleg dafür, dass dieser im Bereich des heutigen Slowenien oder Kroation oder Bosnien in diesem Sinne auch mehrheitsfähig gewesen wäre und nicht von der dortigen Bevölkerung für eine bloße Verbrämung eines ebenfalls existierenden Großserbentums gehalten wurde.
Denn wenn der jugoslawische Nationalismus dergestalt dominant gewesen wäre und es ein "Großserbentum" außerhalb "westlicher Propaganda" (was auch immer das konkret heißen will), nicht gab, erschließt sich mir ehrlich gesagt, das Auseinanderfallen Jugoslawiens nicht so ganz.
 
Sanborn unternimmt den Versuch einen Blick auf die Ursprünge, und auf den Verlauf, des Ersten Weltkriegs mit dem Fokus auf eine stattfindende Dekolonisation. ".. shifting to the model of colonization and decolonization rather than great power imperialism allows us to see events of the war in a new light, so too does this model give as new insights into developments normally classed as the "rise of nationalism" in Eastern Europe"
(Introduction)
(dadurch dass wir uns mehr dem Modell Kolonisierung und Dekolonisation annähern, statt dem des Imperialismus der Großmächte, vermögen wir Ereignisse des Krieges in neuem Licht zu sehen, und ebenso gibt uns dieses Modell neue Einsichten in Entwicklungen, die üblicherweise als der "Aufstieg des Nationalismus" in Osteuropa begriffen werden. - frei übersetzt durch mich).

Ich finde das einen bemerkenswerten Gedanken, und einen gelungenen Versuch ein weiteres Licht auf die sehr komplexe Bühne zu werfen.

Sanborn, Joshua A. (2014): Imperial apocalypse. The Great War and the destruction of the Russian Empire. First edition. Oxford, New York: Oxford University Press.
 
Einen solchen definiert Wolfgang Reinhard (Kleine Geschichte des Kolonialismus) als „die Kontrolle eines Volkes über ein fremdes unter wirtschaftlicher, politischer und ideologischer Ausnutzung der Entwicklungsdifferenz zwischen beiden.“
Aber gab es diese Entwicklungsdifferenz zwischen dem Balkan und der Hohen Pforte tatsächlich, so dass der Begriff des Kolonialismus auch wirklich zutreffend ist?
Man könnte den Buchdruck als "Entwicklungsindikator" heranziehen. Die erste Druckerpresse in Konstantinopel entstand 1729 und blieb bis 1742 in Betrieb. Im Voskopoja/Moscopolis im heutigen Albanien ging die erste Druckerpresse 1720 in Betrieb. In Serbien bereits 1494 bzw. 1552, auch wenn sich die dortigen Pressen wohl nicht lange halten konnten.
Könnte man mit dem Kolonisierungsargument à la Wolfgang Reinhard auch sagen, dass Böhmen von Österreich, Irland von England oder Norwegen erst von Dänemark und später von Schweden "kolonisiert" wurde? Ich denke, dass dort Reinhards Definition nicht greift, eben wegen fehlender "Entwicklungsdifferenz"* - und ähnlich sehe ich das auch mit osmanischen Kolonien auf dem Balkan.

* am ehesten kann man eine solche Differenz wohl noch im agrarischen Irland gegenüber dem frühindustriellen England finden.
 
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