Die wichtigste Manifestation gegen den WW1 war der Sozialisten Kongress 1912 in Basel. Gerade auch weil Jaures anwesend war und man sich unter den Teilnehmern der heraufziehenden Gefahr durchaus bewußt war,
weiterkämpfen oder unterschreiben ?

100 Jahre Friedenskongress // Der Kongress von 1912

Seine Ermordung war ein Rückschlag für die Chance einer pazifistischen Kooperation der französischen Sozialisten und den deutschen Sozialdemokraten.

Wiki: "Unmittelbar vor Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Jean Jaurès am 31. Juli 1914 in einem Pariser Café bei einem Attentat von dem französischen Nationalisten Raoul Villain ermordet. Nach dem siegreichen Krieg und entsprechend langer Untersuchungshaft wurde der Mörder des Kriegsgegners Jaurès am 29. März 1919 von einer Cour d’assises (Geschworenengericht) freigesprochen. Zudem wurden die Kosten der Witwe Jaurès’ aufgebürdet."

Jean Jaurès – Wikipedia

Sofern wir über Pazifismus reden sollte auch das Wirken von Tolstoi genannt werden. Der einen Einfluss auf Gandhi und in der Folge auch auf M.L. King hatte.

Tolstojaner – Wikipedia

Aber noch zur Frage einer "Klassifikation" von Pazifisten. Ein Einblick in die vielfältigen Interessen und Motive bietet die Friedensbewegung im Rahmen der "Nachrüstungsbeschlüsse". In diesem breiten Bündnis finden sich nahezu alle Schattierungen wieder, in denen sich Pazifismus organisiert.

Es waren die Kirchen mit einer ethisch, religiösen Ablehnung, die auf Kirchentagen breit diskutiert wurde. Es waren eine Gruppe von europäischen Generälen, die sich dagegen ausgesprochen haben, Bastian war einer von ihnen. In diesem Kontext waren auch national-konservative Kreise wie - Oberst - Mechterheimer, die auch aus militärischen Überlegungen diese neuen Mittelstreckenwaffen ablehnten.

Jede dieser Gruppen hatte eine spezifische Motivation, die auf eine fundamentale Ablehnung basierte, oder alternative militärische Konzepte (Techno-Kommandos etc.) zur Kriegsführung ohne atomaren Suizid berührten.

Gemeinsam war alle die Ablehnung der absurden Logik der militärischen Hochrüstung, die auf eine Destabilisierung der Lage abzielte und die Gefahr eines finalen Krieges mit einem globalen atomaren Genozid wahrscheinlicher machte.

Und an diesem Punkt kann man durchaus eine Reihe von wiederkehrenden Argumentationsfiguren zur Situation vor dem WW1 erkennen.

Danke.
Dazu ein paar Anmerkungen.

Es kehren ja nicht nur „Argumentationsfiguren“ wieder, auch hat die Lage des Kalten Kriegs Ähnlichkeiten mit der vor dem Ersten Weltkrieg.
Und es gibt auch Unterschiede.
Der wichtigste besteht vielleicht in dem Umstand, dass ein Atomkrieg auch die Entscheidungsträger vernichten würde.
Man versuche sich mal vorzustellen, die ca. 50 Entscheidungsträger am Vorabend des Ersten Weltkriegs hätten tatsächlich damit rechnen müssen physisch vernichtet zu werden.
Es bedarf wenig Fantasie anzunehmen, dass sie vorsichtiger agiert hätten.
(selbst der Conrad von Hötzendorf, sorry @Turgot, das kann ich mir nicht verkneifen, hätte ja nicht seine Gina und sich selbst nicht in jene Hölle schicken wollen, die er mit wenig Mitgefühl für seine Soldaten vorsah.)

Zu den Ähnlichkeiten:

Es entstehen mit fortschreitender Geschwindigkeit bisher ungekannte und unerprobte Mittel der Zerstörung, von denen man weiß, dass sie die bisherigen in der Wirkung in Zehnerpotenzen übertreffen müssten, sofern ein großer Krieg ausbräche.
Das wissen sehr viele, wenn nicht fast alle. Es weiß das der Alte Moltke, und der Jüngere, der von der Goltz weiß es. Der Bethmann weiß es, und der Nikolaus II.
Und der Kennedy weiß es, und der Nixon und der Reagan. Der Chruschtschow, der Breschnew, der Antropov, und der Gorbatschow.
Und die Friedensbewegung versteht das auch.
In den Jahren vor der Urkatastrophe des Großen Kriegs, und auch im kalten Krieg.

Was man in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts „Kalter Krieg“ nannte, hieß vor dem Ersten Weltkrieg „bewaffneter Frieden“.
„Brinkmanship“ war Diplomatie mit militärischen Mitteln.

Auch wurde in beiden Fällen gesehen, welche Risiken der Eskalation eine geschichtlich einmalig schnelle Bereitstellung der Vernichtungspotenz bergen müsste.

Es gibt noch eine weitere interessante Parallele.
Das ist die Einsicht der Pazifisten, dass der Frieden nur auf internationaler Ebene verhandelt und erreicht werden kann.
Das ist der Gegenentwurf zum Nationalismus.
Tolstoi geht so weit zu sagen, dass es keine patriotische Kriegsgegnerschaft geben könne, da der Patriotismus Kriegsursache sei.
 
Der wichtigste besteht vielleicht in dem Umstand, dass ein Atomkrieg auch die Entscheidungsträger vernichten würde.
Man versuche sich mal vorzustellen, die ca. 50 Entscheidungsträger am Vorabend des Ersten Weltkriegs hätten tatsächlich damit rechnen müssen physisch vernichtet zu werden.
Es bedarf wenig Fantasie anzunehmen, dass sie vorsichtiger agiert hätten.
(selbst der Conrad von Hötzendorf, sorry @Turgot, das kann ich mir nicht verkneifen, hätte ja nicht seine Gina und sich selbst nicht in jene Hölle schicken wollen, die er mit wenig Mitgefühl für seine Soldaten vorsah.)
Mag sein. Allerdings war es viele Jahrhunderte lang üblich (bis es ca. im 18. Jhdt. aus der Mode kam), dass Entscheidungsträger selbst mit in die Schlacht zogen und oft genug auch fielen (oder auch an Seuchen, den traditionellen Begleitern vieler Kriege, starben). Das hat sie offenkundig trotzdem nicht davon abgehalten, aus mitunter nichtigsten Gründen Kriege anzuzetteln.

Die (politischen) Entscheidungsträger von heute, die Militäreinsätze anordnen, wären meist wohl tatsächlich nicht bereit, ihr eigenes Leben zu riskieren. Allerdings leben wir in einer Zeit, in der die meisten Gesellschaften in Europa und auch anderswo ziemlich (gesellschaftlich, von der Mentalität und Sozialisierung her) demilitarisiert sind und Entscheidungsträger über keinen eigenen militärischen Hintergrund verfügen, sondern Krieg nur noch aus den Medien kennen. Am Vorabend des 1. WK war das noch anders.
In die Hölle von Verdun hätten vermutlich auch damals die meisten Entscheidungsträger nicht freiwillig ziehen wollen, allerdings rechneten sie im Vorfeld des Krieges nicht unbedingt mit derartigen Auswüchsen, sondern gingen eher von schnellen Feldzügen im Rahmen von Bewegungskriegen aus.
Sicher wird es trotzdem Entscheidungsträger gegeben haben, die keinesfalls bereit gewesen wären, ihr eigenes Leben zu riskieren. Aber ich glaube nicht, dass man pauschal alle über einen Kamm scheren kann. Man denke daran, dass sich keineswegs nur junge Hitzköpfe, sondern teilweise auch Männer in gesetzterem Alter freiwillig zum Kriegsdienst meldeten, insofern würde ich nicht davon ausgehen, dass die Entscheidungsträger allesamt anders gehandelt hätten, wenn sie fürchten müssen hätten, selbst an die Front zu müssen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Hoffnung

Am 29. August 1898 meldet die Presse eine Sensation:
Der junge Zar Russlands hat fünf Tage vorher in St. Petersburg durch seinen Außenminister Murawjow allen akkreditierten ausländischen Vertretern ein Friedensmanifest übergeben.
In diesem initiiert er eine internationale Friedenskonferenz. (Diese wird im Folgejahr in Den Haag stattfinden.)
Es herrscht Erstaunen und Hoffnung.
Hoffnung darauf, dass das neue Jahrhundert den Triumph der Vernunft bringen könnte, dass endlich die grausame Geisel des Krieges beseitigt werden könne.
Dieses Manifest wird auf den Titelseiten großer Zeitungen gedruckt.
Die Vossische Zeitung hört die „Friedensglocke“ läuten und urteilt über den Inhalt des Manifests: „Diese Begründung ist so klar, so überzeugend, daß man wahrscheinlich noch nach Jahrhunderten auf sie zurückgreifen wird“.
Die Wiener Zeitung spricht von einem bedeutsamen „Manifest des Friedens“ dessen Folgen nicht übersehbar seien und zitiert eine Budapester so: „In dem wir die Mittheilung des Kaisers Nikolaus lesen, fühlen wir uns von dem Bewußtsein des großen, Triumphs der Wahrheit durchdrungen. Wir fühlen, daß der Fortschritt der Menschheit kein bloßer Traum ist ...“
Die Wiener ANNO, Arbeiter Zeitung, 1898-08-29, Seite 1 druckt das Manifest des Zaren ebenfalls auf der Titelseite ab und „.. ließt diese Worte mit fassungslosem Erstaunen und liest sie wieder, um sich zu überzeugen, daß man nicht einer Täuschung seiner Sinne unterliegt. Aber es ist kein Zweifel, wir haben es hier mit einem ernsten Staatsakt zu thun: Es ist kein Erzeugnis einer vorüberfliegenden Laune des Selbstherrscher aller Reussen [so nennen die Österreicher die Russen].
Das Berliner Tageblatt, ebenfalls auf der Titelseite, spricht gar von einer „Wundermär, vielleicht ein neues Evangelium“ .. um den Völkern der Erde die friedvolle Mahnung: 'Die Waffen nieder!' zuzurufen.“
..
und bezieht sich dabei auf einen Bestseller, der zehn Jahre vorher von Bertha von Suttner unter diesem Titel veröffentlicht wurde und seither von einer Auflage zur nächsten eilte.
Die Bertha selbst ist begeistert: endlich die Aussicht auf den erhofften Durchbruch der Vernunft.

..und auch wenn im Hintergrund der Geschehnisse ganz andere Fäden gesponnen wurden, so sollen wir nicht vergessen oder übersehen, dass es am Vorabend der großen Katastrophe einen tief verankerten Friedenswillen gab, welcher keinen angemessenen Einfluss gewann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die (politischen) Entscheidungsträger von heute, die Militäreinsätze anordnen, wären meist wohl tatsächlich nicht bereit, ihr eigenes Leben zu riskieren. Allerdings leben wir in einer Zeit, in der die meisten Gesellschaften in Europa und auch anderswo ziemlich (gesellschaftlich, von der Mentalität und Sozialisierung her) demilitarisiert sind und Entscheidungsträger über keinen eigenen militärischen Hintergrund verfügen, sondern Krieg nur noch aus den Medien kennen. Am Vorabend des 1. WK war das noch anders.
In die Hölle von Verdun hätten vermutlich auch damals die meisten Entscheidungsträger nicht freiwillig ziehen wollen, allerdings rechneten sie im Vorfeld des Krieges nicht unbedingt mit derartigen Auswüchsen, sondern gingen eher von schnellen Feldzügen im Rahmen von Bewegungskriegen aus.

Ist das so?
Welche der damaligen politischen Entscheidungsträger hatten denn noch handfeste Erfahrungen mit einem ausgewachsenen europäischen Krieg gemacht, als es 1914 los ging?
Also mit Veranstaltungen die mehr waren, als die üblichen Kolonialscharmützel und -Aufstände?


Die "Einigungskriege" hat doch von den zivilen Entscheidungsträgern vom alten Kaiser Franz-Josef abgesehen, doch kaum einer der wichtigeren Politiker, die am Ruder waren, als Erwachsener noch aktiv erlebt.

Bethmann-Hollweg, Berchtold, Poincaré, Edward Grey etc. dass sind alles Personen, die in den späten 1850er Jahren oder erst in den 1860er Jahren geboren wurden.
Die kannten die die letzten wirklich großen Auseinandersetzungen in Europa auch nur aus den Erzählungen der älteren Generationen, aus den Geschichtsbüchern und aus den Zeitungen, weil sie für eine aktive Teilnahme daran i.d.R. noch zu jung gewesen waren.

Unter den Kriegsführenden Großmächten, was den Weltkrieg Nr. 1 betrifft, mag da vielleicht Russland noch eine Ausnahme sein, nachdem man 1878 gegen das Osmanische Reich und 1904/1905 gegen Japan nochmal längere Kriege gegen einigermaßen vernünftig ausgerüstete Gegner geführt hatte, aber wo sollte es bei den anderen Akteuren groß herkommen?

Frankreich hatte in den 1880er Jahren nochmal Auseinandersetzungen mit China wegen seines dann entstehenden indochinesischen Kolonialreiches und Großbritannien seine Auseinandersetzungen mit den Buren und den 2. Anglo-Afghanischen Krieg, aber als vergleichbar mit einer großen innereuropäischen Auseinandersetzung, wird man das kaum betrachten können.


Wenn man die kolonialen Schauplätze ohne wirklich gut ausgerüstete Gegner außen vor lässt und Russlands Sonderrolle wegen der Auseinandersetzung vor allem mit Japan als solche anerkennt und vielleicht noch die Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich für die Italiener, welche Akteure der größeren Mächte hatten dass denn tatsächlich noch erlebt?


Gouvernement René Viviani (1) — Wikipédia
Kabinett Bethmann Hollweg – Wikipedia

Schaut man sich bei den zivilen Politikern, im Besonderen bei den Staatsoberhäuptern, den Regierungschefs und den Außenministern bzw. deren Äquivalenten mal die Lebensdaten an, dann sind da am Vorabend des 1. Weltkriegs Persönlichkeiten, die in den frühen 1850er Jahren geboren wurden, die Zeit der letzten wirklich großen innereuropäischen bewaffneten Auseinandersetzungen, noch bewusst erlebt, geschweige denn, da aktiv mitgekämpft haben, eher die Ausnahme.
Auch bei den Kriegsministern und sonstigen ranghohen Militärs der Großmächte waren solche Erfahrungen zu dem Zeitpunkt nicht mehr obligatorisch.

Erich von Falkenhayn wurde 1861 geboren, der war als der Deutsch-Französische Krieg endete zarte 10 Jahre alt.
Adolphe Messimy wurde 1869 geboren, der war zu nämlichem Zeitpunkt ganze 2 Jahre alt.

Asquith, als damaliger britischer Kriegsminister hatte die Zeit noch erlebt, allerdings aus der Außenperspektive und dazu kommt, das Asquith das Amt als Kriegsminister auch nur interimsweise von März 1914 bis August 1914 führete, irgendwelche Anzeichen besonderer militärischer Expertise, sehe ich in dessen Biographie nicht, zumal Großbritannien in dieser Form ja auch keine Wehrpflicht kannte.

Der einzige Kriegsminister unter den größeren europäischen Mächten ausgenommen Russland, der in der Zeit der "Einigungskriege" tatsächlich aktiver Soldat bei einer der Kriegsführenden Mächte war und somit diese Art von Krieg durchaus aus Erfahrungen und militärischer Perspektive und Innenansicht kennen konnte, was im Juli-August 1914 der österreichisch-ungarische Kriegsminister Krobatin.


Anders sieht es bei den Marine-Ministern der Großmächte aus, die da durchaus etwas älter waren.

Bei den Monarchen, ähnliches Bild Wilhelm II. und George V. waren beide nicht in dem Alter, dass sie die "Einigungskriege" noch wirklich aktiv miterlebt hätten, Nikolaus II. auch nicht, obwohl man für den dann 1904/1905 wird geltend machen können.


Nen bisschen anders sieht es bei den Chefs der Generalstäbe und den kommandierenden Generalitäten 1914 aus, die das teilweise noch selbst erlebt hatten oder jedenfalls in dem Alter waren, dass sie das aktiv mitbekamen. Nur das waren ja, auch wenn sie über das Kriegsministerium sicherlich einen gewissen Einfluss auf die zivile Politik nehmen konnten, eigentlich keine Entscheidungsträger sui generis.

Ich würde eigentlich meinen, dass die meisten Verantwortlichen von 1914 so mit der ersten Generation angehörten, die aus eigener Erfahrung keine größeren Auseinandersetzungen mit ernstzunehmenden Gegnern mehr kannten (ausgenommen Russland/Japan und vielleicht Italien/Osmanisches Reich), sondern was die kannten, waren mehr oder minder militärische Selbstläufer in den Kolonien.
Oder aber schwierigere koloniale Auseinandersetzungen, die deswegen kompliziert waren, weil sie asymetrischen Charakter annahmen, daher aber auch ein völlig anderes Vorgehen verlangten, als gegen die organisierte Armee einer europäischen Großmacht.
 
Ist das so?
Welche der damaligen politischen Entscheidungsträger hatten denn noch handfeste Erfahrungen mit einem ausgewachsenen europäischen Krieg gemacht, als es 1914 los ging?
Also mit Veranstaltungen die mehr waren, als die üblichen Kolonialscharmützel und -Aufstände?

Das ist schon richtig gefragt und man stellt sich ja unwillkürlich die Frage, ob denn der Erste Weltkrieg auch deswegen ausgebrochen sei, weil die Kriegsgefahr insgesamt unterschätzt und die Stabilität des Friedens überschätzt wurde.
Es gibt ja diese durchaus gut begründete These.
(Anwendbar ist diese natürlich nicht auf die Friedensbewegten dieser Zeit.)

Wie du bereits erwähnt hast finden sich zwei Ausnahmen: Der Kaiser von Österreich und der von Russland.
Geht man von fünf Großmächten sind das 2 von 5, und nimmt man Italien dazu, dann sind das 3 von 6.
Will man das Osmanische Reich, welches auch eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielte, hinzuzählen sind das 4 von 7.
Zählt man den Burenkrieg dazu, der ja nicht zu den "üblichen Kolonialscharmützel" zählen kann, dann sind das schon 5 von 7, bzw. 3 von 5, wenn man das OR und Italien wieder aus der Betrachtung heraus nimmt.
So klar ist das aus meiner Sicht nicht in dieser Hinsicht.

Nun hat ja der Franz Joseph nicht nur das kriegerische Desaster von 1866 erleben müssen, mit der bitteren Folge des sogenannten „Ausgleichs“ mit Ungarn,
er war auch persönlich vor Ort an der Schlacht von Solferino beteiligt. Die Schlacht, die Dunant so eindrücklich beschreibt.

Und dem Nikolaus II war wahrscheinlich, so nehme ich an, bewusst, dass sein naives Vertrauen in Besobrasow, und dessen Clique, zum katastrophalen Krieg gegen Japan führte. *
Ein Krieg, nicht vergleichbar mit einem großen Europäischen Krieg, der ihm beinahe den Kopf gekostet hätte.
Bei diesen, Franz Joseph und Nikolaus, auf der Bühne darf man drastische Erfahrungen annehmen. (hier 2 von 5)

Nur das waren ja, auch wenn sie über das Kriegsministerium sicherlich einen gewissen Einfluss auf die zivile Politik nehmen konnten, eigentlich keine Entscheidungsträger sui generis.

Das ist mindestens nicht zutreffend für das deutsche Kaiserreich.

--

* Und das nur fünf Jahre nach dem ersten Friedens-Kongress der großen Mächte von 1899 stattfand, welchen er selbst mit großer Beharrlichkeit vorantrieb.
 
Wie du bereits erwähnt hast finden sich zwei Ausnahmen: Der Kaiser von Österreich und der von Russland.
Geht man von fünf Großmächten sind das 2 von 5, und nimmt man Italien dazu, dann sind das 3 von 6.
Will man das Osmanische Reich, welches auch eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielte, hinzuzählen sind das 4 von 7.
Naja, ich möchte sicherlich nicht bestreiten dass die strategischen Entscheidungen, die Italien und das Osmanische Reich mit ihrem Kriegseintritt trafen, Italien zuvor auch mit seiner Neutralität für den Weltkrieg selbst durchaus von gewichtiger Bedeutung waren.
Nur war im von mir zitierten Beitrag von @Ravenik vom Vorabend des 1. Weltkriegs, nicht vom 1. Weltkrieg selbst die Rede.
Und wenn man sich dabei auf die wichtigen Akteure der Juli-Krise beschränkt, sehe ich da nicht unbedingt besondere Argumente dafür hier Italien und das Osmanische Reich im besonderen Maße zu berücksichtigen.

Italiens Haltung in dieser Krise selbst, besteht doch letztendlich darin, alles was in dieser Krise passiert, stillschweigend zu dulden ohne sich zunächst für eine der beiden Seiten entscheidend zu engagieren und die Hand aufzuhalten, was Kompensationen betrifft.

Auch das Osmanische Reich ist in dieser Krise sicherlich kein Hauptakteur, der entscheidendes zur Heraufbeschwörung dieses Krieges beigetragen hätte. Und um ehrlich zu sein, bin ich etwas verwundert darüber, dass nun augerechnet du hier das Osmanische Reich in einer derart herausragenden Position sehen möchtest, nach deinen Einlassungen zur Leistungsfähigkeit der osmanischen Streitkräfte im Kontext des ersten Balkankrieges.
Aber darüber braucht man hier sicherlich nicht streiten.

Ich denke, dass man sich ohne weiteres darauf einigen kann, dass Italien und das Osmanische Reich für den Verlauf des 1. Weltkrieges durchaus von Bedeutung waren, aber nicht für sein Zusammenbrauen, da spielen sie allenfalls Nebenrollen und auf letzteres bezog ich mich.

Zählt man den Burenkrieg dazu, der ja nicht zu den "üblichen Kolonialscharmützel" zählen kann, dann sind das schon 5 von 7, bzw. 3 von 5, wenn man das OR und Italien wieder aus der Betrachtung heraus nimmt.
So klar ist das aus meiner Sicht nicht in dieser Hinsicht.

Das ist mir ein Bisschen sehr viel Aufbauschen um ehrlich zu sein. Zu Italien und dem Osmanischen Reich hatte ich mich ja oben bereits eingelassen.
Ich bin durchaus damit einverstanden die Burenkriege von den üblichen kolonialen Zusammenstößen etwas abgehoben zu sehen, aber es ist doch bitte nicht dein Ernst das mit den Herausforderungen etwa des Deutsch-Französischen oder Russisch-Japanischen Krieges auf eine Stufe zu stellen.

Die Burenkriege zogen sich vor allen Dingen auch deswegen so lange hin und waren für die Briten derartig verlustreich, weil sie von Seiten der Buren über weite Strecken asymetrisch geführt wurden und darüber hinaus die mangelnde Infrastruktur den Briten den Einsatz schweren Geräts nicht unbedingt erleichterte.
Die Gesamtverluste des 2. Burenkrieges, werden was Todeszahlen unter den beteiligten Militärangehörigen angeht, mit unter 30.000 Mann angegeben:

Zweiter Burenkrieg – Wikipedia
Second Boer War - Wikipedia

Wenn man es mit dem Russisch-Japanischen Krieg vergleichen wollte, hat allein die Schlacht von Mukden so viele Menschenleben gekostet, dass man davon den 2. Burenkrieg drei mal hintereinander hätte aufführen können.

Was genau konnten die zivilen politischen Entscheidungsträger denn durch die Burenkriege für einen ausgewachsenen Krieg unter den europäischen Großmächten nützliches lernen, wenn wir mal davon ausgehen, dass sich kein britischer Entscheidungsträger einen Krieg gegen das Deutsche Reich so vorgestellt haben wird, dass man es halt irgendwie besetzt und an Widerstand lediglich mit ein paar Guerilla-Milizen im Harz, im Erzgebirge und im Bayrischen Wald zu tun haben würde?

Letztlich allenfalls, das Schützengräben für die Infanterie ein nicht zu unterschätzendes Hindernis darstellten, aber das konnte man eigentlich seit dem amerikanischen Bürgerkrieg wissen.

Der Burenkrieg war:

- Kein Stresstest dafür einen Aufmarsch unter Zeitdruck vernünftig hin zu bekommen
- Kein Stresstest für die Infrastruktur im Heimatland
- Kein Stresstest für den Materialverschleiß eines ausgewachsenen industriellen Krieges
- Kein Stresstest für die damit verbundenen Kosten
- Kein Stresstest dafür die Wirtschaft zu Kriegeszwecken umbauen zu müssen
- Kein Stresstest dafür der eigenen Bevölkerung dauernd Gefallenenlisten in einer Länge jenseits von gut und böse präsentieren zu müssen.
- Kein Stresstest für die Bevölkerung mit solchen Verlusten umzugehen oder ihre Lebensgewohnheiten dementsprechend anzupassen.
- Kein Stresstest um den eigenen Artilleriepark wirklich mal effektiv zu erprobem.
- Kein Stresstest um Operationen mit verbundenen Waffen in größerem Stil zu erproben.
- Kein Stresstest für das Nachschubsystem.
- Kein Stresstest für den Umgang der eigenen Soldaten mit Beschuss durch wirklich schwere Waffen.
- Kein Stresstest für eine irgendwie geartete Seekriegsführung.

Ich würde von dem her meinen, auch wenn das sicher eine intensivere Auseinandersetzung war als ein paar Kolonialaufstände niederzuschlagen, dass sich daraus für einen Krieg unter europäischen Verhältnissen relativ wenig lernen ließ.

Mit dem Russisch-Japanischen Krieg sieht es da meiner Meinung nach nen klein wenig anders aus.

- Zunächst mal hat der Gesamtverluste von 100.000-200.000 Gefallenen auf beiden Seiten produziert, also über den Daumen irgendwas zwischen dem 5 und 7-Fachen dessen, was der 2. Burenkrieg an menschlichen Verlusten unter den Kombattanten mit sich brachte und das in der Hälfte der Zeit.
Im Schnitt war demnach 1 Tag Russisch-Japanischer Krieg im Hinblick auf Menschenleben 10-15 mal so verlustreich wie ein Tag 2. Burenkrieg.
Russo-Japanese War - Wikipedia

- Der Krieg war eine Lehrstunde für damals moderne Seekriegsführung und kostete Russland einen durchaus beträchtlichen Anteil seiner Flotte.
- Der Krieg führte Russland auch sehr nachdrücklich die Probleme mit zu schwach ausgebauter Infrastruktur und zu schlecht ausgebauten Eisenbahnlinien vor Augen.
- Gleichzeitig gab er ne ungefähre Anschauung vom Materialverschleiß eines modernen Krieges, was sicherlich noch nicht an das heran kam, was Russland dann später an der deutschen Front zu verkraften hatte, aber sicherlicher jedenfalls für die dann kommende Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich und vielleicht auch derjenigen mit Österreich-Ungarn einigermaßen nützliche Erfahrungswerte verschaffen konnte.
- Die Schlachten des zweiten Burenkrieges überstiegen eine Gesamtbeteiligung von an die 25.000 Mann nicht. Man kann sich ja spaßeshalber mit Nachkommastelle ausrechnen, wie viele Infanteriedivisionen das auf jeder Seite dann gewesen sind, jedenfalls überschubar.
Will heißen, was die britischen Befehlshaber in den größeren Zusammenstößen mit den Buren zu koordinieren hatten, werden so an die 2, wenn es hoch kommt, 2 1/2 aus Infanterie und Kavallerie gemischte Divisionen ohne entsprechenden Artilleriepark gewesen sein. Ob man das im Hinblick auf die Anforderungen an die Kommandeure und auch an die zivilen Entscheidungsträger mit den Anforderungen des 1. Weltkriegs oder denen der Enigungskriese oder des Russisch-Japanischen Krieges vergleichen möchte, muss natürlich jeder selbst entscheiden. Ich für meinen Teil möchte das nicht.
Vergleicht man das mit den Höhepunkten des Russisch-Japanischen Krieges, sehen die Zahlen da etwas anders aus.
In der Schlacht um Mukden kämpften auf beiden Seiten zusammen über 600.000 Mann, bei Verlusten von insgesamt an die 25.000 Mann tot, 6.000 vermisst und an die 110.000 verwundet.
Bei der Belagerung von Port Arthur hat man immerhin noch Zahlen von 140.000 - 200.000 Mann Gesamtbeteiligung.
Im Gegensatz zu den Briten machten die Russen dabei auch die Bekanntschaft mit einem Gegner, der in den meisten Gefechten einen, mindestens nummerisch deutlich überlegenen, mindestens aber ausgeglichenen Artilleriepark aufbieten konnte.
Truppenstärken bis an die 300.000 Mann führen und koordinieren zu müssen, war zwar zu diesem Zeitpunkt selbstredend kein weltgeschichtliches Neuland mehr, hatte aber was die Möglichkeiten von Nachschuborganisation, Aufklärung, moderner Kommunikation etc. angeht wesentlich mehr mit den Anforderungen an eine großen Krieg zu tun, als was im Burenkrieg so passierte.
 
2.

Und auch für die zivilen Entscheidungsträger waren damit ganz andere organisatorische Fragen und Risiken verbunden und ganz andere Verluste vor der eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen.
Darüber hinaus, die Buren waren ein Gegner, der hin und wieder die britischen Vorstöße zurückschlagen oder den britischen Rückzug aus einer Region erzwingen konnte, aber das war kein Gegner, der über die Ressourcen verfügt hätte, den Spieß ernstlich umzudrehen, größere Unternehmungen in britisches Gebiet zu unternehmen oder gar den Briten ihren kolonialen Besitz abzunehmen.
Inwiefern konnten die Briten diesen Krieg denn überhaupt verlieren? Allenfalls wäre der Guerilla-Krieg irgendwann so konstenintensiv und zeitaufwändig gewesen, dass man ihn wie die Angelegenheit in Afganistan hätte beenden müssen. Was aber wäre dann passiert?
Die menschlichen Verluste wären nach wie vor überschaubar gewesen. Realiter beliefen sich die Britischen Verluste an Toten auf > 25.000 Mann in zweieinhalb Jahren.
Und auch da müsste man noch hinterfragen, was davon reguläre britische Truppen waren und was coloniale Truppen deren Verlust zu Hause auf den britischen Inseln keinen Menschen wirklich interessierte, außer vielleicht eine Hand voll Sozialisten, die ja aber in Großbritannien noch nie eine besonders große Gruppe waren.


Die Briten setzten im 2. Burenkrieg igrendwas zwischen 400.000 und 500.000 Mann insgesamt ein, von denen ein Teil direkt vor Ort rekrutierte Hilfstruppen waren. Sie nutzten keine übermäßig großen Artillerieparks, die Kapkolonie, selbst ohne die angrenzenden britischen Besitztümer in "Rhodesien", kam nach dem Zensus von 1904 etwa 2,5 Millionen Einwohner (Cape Colony - Wikipedia ) Wenn man jetzt einmal annimmt, das von den angepeilten > 500.000 Mann in britischen Diensten, zu keinem Zeitpunkt mehr als die Hälfte davon gleichzeitig in Südafrika im Einsatz war, war die Verpflegung der Truppen letztendlich vor Ort zu leisten, wenn die Produktionsleistung von, sagen wir 7-8 (abzüglich der Einwohnerschaften der Burenrepubliken selbstverständlich) Einwohnern der Kapkolonie hinreichte um einen in britischen Diensten stehenden Soldaten zu ernähren.
Darüber hinaus war es durch die unangefochtene Beherrschung der Meere möglich und sinnvoll, mindestens die notwendigen zivilen Versorgungsgüter für die Truppen nicht in aus Großbritannien selbst, sondern aus den übrigen eigenen afrikanischen oder indischen Besitzungen heran zu schaffen.

Russland hatte anno 1904/1905 den Seeweg nicht zur Verfügung, einen ganz anderen Bedarf an schweren Waffen und Munition dafür und setzte während des gesammten Russisch-Japanischen Krieges etwa 1.200.000 Mann ein, bis zu ca. 700.000 davon gleichzeitig.
Genaue Angaben zu den Bevölkerungszahlen der angrenzenden russischen Provinzen zu diesem Zeitpunkt, habe ich bisher nicht gefunden.
Die Regionen "Primorje" und "Chabrowsk" zusammen haben heute an die 3,5 Millionen Einwohner.

Was sich auf der schnelle in der russischen Wiki-Version findet, sind demographische Angaben für die Region Chabarowsk die bis 1926 zurück gehen und damals von about 184.000 Einwohnern ausgehen, bei ansehnlichem Wachstum wenn man bedenkt, dass der Wert für 1933 mit 290.800 Einwohnern angegeben wird.

Nehmen wir mal an, dass der Wert 20 Jahre zuvor vielleicht bei 120.000-150.000 Einwohnern gelegen haben mag.

Und eine Angabe von 329.600 Einwohnern für die Region "Primorje" und dann nochmal 161.360 für die Region "Amur"

Население Приморского края — Википедия

Амурская область — Википедия

Nehem wir für die britischen Besitzungen in Südafrike exklusive Rhodesien und der dann eingenommenen Burenrepubliken mal eine Bevölkerung von ca. 2 Millionen an, und eine Truppenstärke von 200.000-300.000 Mann gleichzeitig vor Ort an und das ganze unter der Prämisse, dass man nicht viel an schweren Waffen und Nachschub dafür benötigte.

Demgegebüber mögen die angrenzenden Russischen Besitzungen im Krieg von 1904/1905 vielleicht 700.000-800.000 Einwohner gehabt haben, während bis zu 700.000 Mann versorgt werden wollten und zwar nicht nur mit Verpflegung, sondern auch mit Munitione für schwere Kaliber, und entsprechende Ersatzteile etc. für ein potentielles Millionenheer.

Das führt vor Augen, in wie viel größerem Maße, die Briten im 2. Burenkrieg dazu in der Lage gewesen sein müssen, zum Einen einen wesentlich größeren Teil des Unterhalts der Truppen, der lokalen kolonialen Peripherie aufzuladen, sofern man das selbst in der Hand behalten und nicht von dritten Akteuren abhängig sein wollte, zum vermittelt es auch eine Vorstellung davon, was dass russische Eisenbahnsystem für diesen Krieg leisten musste, zumal der Seeweg ja mehr oder minder ausfiel


- In Russland spürte man auch die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen dieses Krieges überdeutlich.
 
3.


Nun hat ja der Franz Joseph nicht nur das kriegerische Desaster von 1866 erleben müssen, mit der bitteren Folge des sogenannten „Ausgleichs“ mit Ungarn,
er war auch persönlich vor Ort an der Schlacht von Solferino beteiligt. Die Schlacht, die Dunant so eindrücklich beschreibt.
Ja, schon richtig, aber das ist gerade mal ein Akteur, der sich da mal aktiv als Schlachtenlenker und Kriegsherr versucht hatte.
Dann bei den K.u.K.-Entscheidungsträgern eben noch Kriegsminister Krobatin, der Mindestens noch die "Einigungskriege" bewusst erlebt hat und bereits damals sich in den Reihen des Militärs befand.

Aber sonst? Berchtold, Stürgkh und Tisza haben das nicht bewusst erlebt, der Scharfmacher Hoyos auch nicht.
Bilinski als Finanzminister, der für eine agressivere Linie entrat, hat es wohl noch erlebt.

Wenn wir als inneren Kreis der zivilen Entscheider für Österreich-Ungarn mal den Kaiser, die 3 gemeinsamen Minister und die beiden Ministerpräsidenten der der jeweiligen Reichshälften nehmen, steht es, was bewusstes Erleben der "Einigungskriege" angeht, im Prinzip 3:3

Franz-Joseph I., Krobatin und Bilinski hatten das dem Alter nach jedenfalls noch bewusst erlebt, Berchtold, Stürgkh und Tisza nicht.

In Deutschland und Frankreich hatten es deutlich weniger der zivilen Entscheidungsträger erlebt.

Bethmann-Hollweg und Delbrück als Vizekanzler waren beide Baujahr 1856. Die waren anno 1870 noch zu jung für den Krieg oder dafür aus erster Hand einen tieferen Einblick in die Zusammenhänge leisten zu können.
Jagow als de facto Außenminister ist 1863 geboren worden, also nochmal 7 Jahre jünger, auch Solf als Zuständiger für koloniale Angelegenheiten nicht, Falkenhayn als Kriegsminister hat's nicht wirklich bewusst erlebt.

Die einzigen drei Herrschaften im Kabinett Bethmann-Hollweg, die das dem Alter her nach noch erlebt haben, waren Herrmann Lisco als de facto Justiz-, Herrmann Kühn, als de Facto Finanzminister und Alfred von Tirpitz als Verantwortlicher für die Marineangelegenheiten.

Weder das Staatsoberhaupt und Kaiser, noch der Kriegsminister noch der de facto Außenminister hatten hier mit dieser Zeit irgendwelche näheren verwertbaren Erfahrungen.

In Frankreich hatte weder Staatspräsident Poincaré, noch Regierungschef Viviani, noch Kriegsminister Messimy (Viviani führte gleichzeitig auch die äußeren Angelegenheiten der Republik), noch Erfahrungen mit der Zeit, die waren alle erst in den 1860er Jahren geboren.
Auch Finanzminister Noulens und Kolonialminister Raynaud.

Der einzige zivile (mit)Entscheidungsträger in Frankreich,der im Juli 1914 verantwortlich war, die letzten größeren europäischen Auseinandersetzungen noch erlebt hatte und in seinem Verantwortungsbereich irgendwas mit äußeren oder militärischen Angelegenheiten zu tun hatte, war Armand Gauthier de l'Aude als Marineminister.


In Großbritannien sieht es so als, dass Asquith als Premierminister und Kriegsminister in Personalunion die Zeit erlebt hatte, aber in der Außenperspektive und ohne selbst besondere militärische Erfahrungen zu haben. George V. als Staatsoberhaupt hatte die Zeit nicht bewust erlebt, Edward Grey als Außenminister auch nicht. Auch Churchill als 1st Lord of the Admiralty nicht.
Auch Harcourtund Crewe als Staatssekretäre für koloniale Angelegenheiten, bzw. für Indien nicht.

Die Masse der zivilen Entscheidungsträger im Deutschen Reich, in Frankreich und in Großbritannien, hat die letzten größeren innereuropäischen Auseinandersetzungen nicht mehr erlebt gehabt,
Im Besonderen, wenn man sich auf die Staatsoberhäupter, Regierungchefs, Außen-, Kriegs-, Marine- und Kolonialminister bzw. deren Äquivalente berschränkt, daren Persönlichkeiten, die das noch erlebt hatten, in diesen 3 Ländern die Ausnahme.
Nimmt man für Österreich-Ungarn den Kaiser, die 3 gemeinsamen Minister und die beiden Regierungschefs ihrer jeweiligen Reichshälften, steht es in dieser Hinsicht bei den wichtigesten Entscheidungsträgern 3:3, auch da ist keine klare Mehrheit derer da gewesen, die schonmal größere innereuropäische Auseinandersetzungen bewusst erlebt hatten.

Wenn du weiterhin den 2. Burenkrieg für den Einigungskriegen, dem Russisch-Japanischen Krieg oder dem 1. Weltkrieg in irgendeiner Weise vergleichbar halten willst, bleibt dir das unbenommen.
Ich habe oben ausgeführt, warum ich das ein wenig anders sehe.
Da war weit weniger Materialaufwand, weit weniger konkret verwertbare Erfahrung im Kampf gegen einen annähernd gleichwertigen Gegner, dabei das logistisch zu organisieren, weit weniger an Verlusten zu verantworten, weit kleinere Verbände tatsächlich zu koordinieren und nichts, was die eigene Wirtschaft in wirklich durchschlagender Weise beeinflussen konnte, auch nichts, was die Buren in dieser Hinsicht zerstören konnten und das ganze bei Gefechten mit einem Manpower-Aufwand, der eher in den 7-Jährigen, als in den 1. Weltkrieg passte.



Und dem Nikolaus II war wahrscheinlich, so nehme ich an, bewusst, dass sein naives Vertrauen in Besobrasow, und dessen Clique, zum katastrophalen Krieg gegen Japan führte. *
Ein Krieg, nicht vergleichbar mit einem großen Europäischen Krieg, der ihm beinahe den Kopf gekostet hätte.
Bei diesen, Franz Joseph und Nikolaus, auf der Bühne darf man drastische Erfahrungen annehmen. (hier 2 von 5)


* Und das nur fünf Jahre nach dem ersten Friedens-Kongress der großen Mächte von 1899 stattfand, welchen er selbst mit großer Beharrlichkeit vorantrieb.

Nun, wie gesagt, Russland und die Russischen Entscheidungsträger möchte ich explizit ausnehmen, Russland hatte Erfarungen mit einem modernen, industrialisierten Krieg gemacht.
Das Aufbieten von insgesamt 1.200.000 Man, die Logistik um die inklusive des Nachschubs in den Fernen Osten zu verlegen, Schlachtereignisse mit Beteiligung mehrerer 100.000 Mann und entsprechende Verlustzahlen, und das in einem Gebiet, wo man selbst nicht viel Infrastruktur aufbieten konnte, gegen einen Gegner mit vergleichbarer Organisation, vergleichbaren Waffen, oftmals zahlenmäßiger und dauerhaft artilleristischer Unterlegenheit und daneben noch der Kampf um die Seehoheit.
Das hat für mich nach wie vor eine etwas andere Qualität als die Aktion der Briten in der Kapregion. Was die Japaner 1904 und 1905 gegen die Russen an Widerstand leisten konnten, war jedenfalls mal wesentlich vergleichbarer dem, was Russland jedenfalls von den Österreichern und den Osmanen zu erwarten hatte, als dass die britischen Erfahrungen im Burenkrieg, in irgendeiner Weise mit den killing fields in Flandern oder dem Aufwand und der Belastung für die Bevölkerung überhaupt vergleichbar gewesen wären.
 
..
Gemeinsam war alle die Ablehnung der absurden Logik der militärischen Hochrüstung, die auf eine Destabilisierung der Lage abzielte und die Gefahr eines finalen Krieges mit einem globalen atomaren Genozid wahrscheinlicher machte.
...

Das ist m. E. so wie Du hier im Hinblick auf den Kalten Krieg schreibst.
Erstaunlich finde ich ja die Ähnlichkeit der Argumentation der aktiven Friedensförderer, und die der internationalen Situation vor dem Ersten Weltkrieg.

Klar war im Kalten Krieg, dass nicht nur die Höhe der Rüstung, also die Summe der angehäuften Vernichtungspotenz, aus sich heraus schon destabilisierend war,
sondern insbesondere auch die Geschwindigkeit mit der diese entfaltet werden konnte.

Interessant finde ich dazu diesen Link, der sich auf die Argumentation der Gegner des NATO-Doppelbeschlusses bezieht:
„Der vielleicht gewichtigste Einwand aus europäischer Sicht gegen die geplante NATO-Nachrüstung wird nicht nur von maßgeblichen Teilen der „Friedensbewegung“ , sondern auch von Vertretern der „kritischen Friedensforschung“ vorgebracht. ….
Die landgestützten nuklearen Mittelstreckensysteme wie unbemannte Marschflugkörper und Pershing II, die erstmals von deutschem Boden aus mit äußerst geringen Vorwarnzeiten (Pershing II ca. 10—15 Minuten Flugzeit, Cruise Missiles ca. 2 Stunden) und einer extrem verbesserten Zielgenauigkeit ...“

Und da stellt sich natürlich die Frage ob eine politische Kontrolle angemessen sein kann, die Wirksamkeit einer solchen Entwicklung im Zaum zu halten.
Bloch schreibt im Band 2 seines 1898 veröffentlichen Werks dazu: „In der letzten Zeit hat die sich von Jahr zu Jahr vervollkommende Mobilmachung eine erstaunliche Schnelligkeit erreicht. ..“
„Dies führt zu dem Schlusse, dass der Krieg ganz plötzlich zu einer Zeit ausbrechen kann, wo man es am allerwenigsten erwartet.“

(PDF-Seite 19ff)
Paul Bracken 1) schreibt in einem bemerkenswerten Buch, veröffentlicht 1983, die Problematik des Kalten Kriegs und stellt die Verbindung zur Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, fast schon als roten Faden, heraus. Z. B.:
„The abrupt suddenness of World War 1 surprised everyone, yet in retrospect, almost nothing else could have occurred, given the institutionalized mobilization plans and firepower developed in the
preceding decade.
In World War I military forces completely failed to serve national interests.“
(S. 240)
Und, so Bracken, im Hinblick auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, „Political leaders lost control of
the tremendous momentum built up when their armies went on alert.“
(S. 53)

Es geht darum, ob die Entwicklung der politischen Fähigkeit vernünftige Entscheidungen zu treffen Schritt halten kann mit einer grundsätzlich ziellosen Dynamik eines zunehmend rasanten technischen Fortschritts,
Ein Thema welches vor dem Ersten Weltkrieg ebenso aktuell war, wie im Kalten Krieg und es auch heute noch ist.
Die Bertha von Suttner, verstorben nur wenige Wochen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, fasste das Grundproblem zeitlos auf eine leicht verständliche Weise:
"Soviel Zündstoff läßt sich doch nicht ansammeln, ohne daß es schließlich losgeht. Narrenturm, elendiger."
2)

1) Bracken, Paul (1983): The command and control of nuclear forces. New Haven: Yale University Press.
2) Hamann, Brigitte (2013): Bertha von Suttner. Kämpferin für den Frieden. 1. Aufl. s.l.: Christian Brandstätter Verlag. (S. 288)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Bertha von Suttner, verstorben nur wenige Wochen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, fasste das Grundproblem zeitlos auf eine leicht verständliche Weise:
"Soviel Zündstoff läßt sich doch nicht ansammeln, ohne daß es schließlich losgeht. Narrenturm, elendiger."
Betrachtet man den Kalten Krieg, war die Aussage von Bertha von Suttner unzutreffend.

Wenn ich mir das Handeln mancher Personen in unserer Zeit anschaue, ist es gefährlicher als in Zeiten des Kalten Krieges mit rational denkenden Staatsführungen. Man muss nur den Nachrichtenstrom der letzten Tage lesen. Funktioniert die nukleare Abschreckung aktuell noch?
Können wir leider im Geschichtsforum nicht diskutieren.
 
Betrachtet man den Kalten Krieg, war die Aussage von Bertha von Suttner unzutreffend.

Wenn ich mir das Handeln mancher Personen in unserer Zeit anschaue, ist es gefährlicher als in Zeiten des Kalten Krieges mit rational denkenden Staatsführungen. Man muss nur den Nachrichtenstrom der letzten Tage lesen. Funktioniert die nukleare Abschreckung aktuell noch?
Können wir leider im Geschichtsforum nicht diskutieren.

Was Du schreibst ist aus meiner Sicht vollkommen zutreffend,
(bis auf den letzten Satz;))*

Zum Zitat der Bertha von Suttner.
Es hätte ja auch der Erste Weltkrieg nicht „losgehen“ müssen. Denn vom Gesichtspunkt der Interessen der Teilnehmer war der ja völlig widersinnig. Keine Europäische Großmacht hat dadurch etwas gewonnen, sondern im Gegenteil schreckliche Verluste erlitten. Was das ganz verrückte an der Story ist: Es war auch jedem klar, dass keine vernünftige Aussicht bestand bei einem „Weltenbrand“ zu gewinnen.
Es entstand eine Situation die auf Messers Schneide stand und in die falsche Richtung kippte.
Und zwar maßgeblich auch deshalb, weil auf politischer Ebene keine ausreichenden Kontrollen vorhanden waren, um einen zeitlich schnellen, und relativ neuen, Automatismus militärischer Reaktionen in Schach zu halten.
Es hätte ja sein können, dass nach den Friedenskonferenzen von 1899 und 1907, die dritte, geplant für 1915, geholfen hätte die internationale Lage wieder in sicherere Fahrwasser zu bringen.
War aber nicht so, und spitz auf Knopf, raste der mächtige Zug der sinnlosen Zerstörung eigenmächtig los, ohne dass er noch gehalten werden konnte.**
In der Kuba-Krise war eine sehr ähnliche Situation entstanden. Aber da ging es gerade noch einmal gut aus. Nicht zuletzt deshalb weil sich Kennedy mit dem Ersten Weltkrieg durch die Lektüre von Barbara Tuchmanns Buch „Guns of August“ (August 1914) beschäftigt hatte.


* Ich würde sagen das geht schon im Rahmen des GF. Denn die jetzige Situation, die multipolare
Welt der Atommächte, findet ihren Ursprung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, nur knapp zeitversetzt zu dem der Bombe selbst.
(Und Du bemerkst, aus meiner Sicht, sehr zutreffend, dass wir in eine Richtung der Destabilisierung steuern, die gefährlicher werden kann, als es der Kalte Krieg war. )

** Und zwar ziemlich genau in der Weise die Jan Bloch 1898 in Band 2 beschreibt. „Angesichts dessen bemühen sich diejenigen Mächte, welche darauf rechnen, ihre Mobilmachung schneller vollziehen zu können als ihre zum Kriege entschlossenen oder gezwungenen Gegner – und zu jenen gehört sicherlich Deutschland – keine Minute Zeit zu verlieren, um den Gegner in der Truppenansammlung zu überholen.
https://archive.org/details/derkrieg06blocgoog
 
Nachrüstung

Bloch beschreibt in Band 1 ausführlich die geschichtliche Entwicklung der Feuerwaffen, und auch deren immer raschere Entwicklungs-Zyklen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Daraus ergibt sich eine immer schnellere Notwendigkeit der Modernisierung mit den entsprechend steigenden Kosten zu Lasten anderer staatlicher Ausgaben.
Insbesondere solcher, die geeignet sind den sozialen Frieden zu stützen.
Der Verlust dieses inneren Friedens erhöht die Gefahr den äußeren Frieden zu verlieren.
Dies vor dem Hintergrund einer rasch anschwellenden Vernichtungspotenz, die nicht nur diese kostspielige Modernisierung in stets kürzeren Zeitabständen fordert, sondern auch einen künftigen Krieg zunehmend zerstörerisch macht.
Ein Dilemma, und Teufelskreis, aus dem ein Ausweg gefunden werden muss.

„Frankreich will neue Feldgeschütze einführen, jedoch sind bisher noch keine Zeichnungen veröffentlicht worden.
Die neuen Feldgeschütze sollen ein Kaliber von 75 Millimeter haben, in drei Jahren fertig hergestellt sein und 324 Millionen Francs kosten. ….
Die Feuergeschwindigkeit soll 4 oder 5 Schuss pro Minute betragen, der Rückstoss sehr verringert werden. Wenn nach jedem Schusse neu gerichtet werden muss, so wird der Rücklauf
des Geschützes doch gering genug sein, um das ermüdende und zeitraubende Vorbringen desselben in die Feuerstellung zu vermeiden.“
S. 144
Was Bloch beschreibt ist das nagelneue und revolutionäre „French Gun 75mm“ von Schneider Creuzot.
Es hat ein Rücklaufrohr mit hydropneumatischer Dämpfung, braucht nach einem Schuss nicht neu ausgerichtet werden, d. h. man kann es zielgenau einschießen, und als der erste Weltkrieg ausbricht beträgt die Feuergeschwindigkeit nicht „4 oder 5 Schuss pro Minute“ sondern 20.
Zudem verschießt es modernste Munition deren Wirkung weit über der bisherigen liegt.
Und muss man schon wieder kostspielig umrüsten, und auch die kostbaren Mittel dazu haben, die man doch nutzbringender einsetzen könnte.

Witte (Erinnerungen - Ullstein Berlin 1923) lässt sich nur kurz auf die Haager Konferenz (Kapitel 8) ein, und beschreibt das Vorfeld so:
„Um die Mitte des Jahres 1898 kam eines Tages der Minister des Äußern, Graf Murawjew, zu mir.“
„Er habe vom Kriegsminister Kuropatkin einen Brief erhalten, worin dieser mitteile, seinen Informationen nach gehe Österreich an eine schnelle Umarmierung und Verstärkung seiner Artillerie.“
"Aber in Anbetracht der österreichischen Maßnahmen müßten wir notwendigerweise auch unsere
Artillerie bedeutend verstärken. Dabei finde bei uns gerade die Umbewaffnung der ganzen Infanterie statt, wozu ungeheuere Summen erforderlich seien, die erst kürzlich bewilligt wären. Die gleichzeitige Umarmierung der Infanterie und der Artillerie wäre äußerst schwierig und
würde das Kriegsministerium der Möglichkeit berauben, andere notwendige Vervollkommnungen an unserer Heeresmacht vorzunehmen. Darum mache er, Kuropatkin, dem Minister des Äußern den Vorschlag, ob er es nicht für möglich halte, sich mit der österreichischen Regierung darüber
in Beziehung zu setzen: Jene möchte doch ihre Artillerie nicht umarmieren und nicht verstärken, und wir würden uns unserseits dann auch dazu verpflichten. Oder wenn jene doch ihre Umarmierung vornähme, so sollte sie es in demselben Maße tun wie wir.“

Nun, Witte meint sich zu erinnern, dass er diesen Vorschlag für „kindisch“ hielt, denn es würde würde nicht mehr bewirken, als die Schwäche Russlands bloßzustellen.
Allerdings, würde das ganze im großen Rahmen einer internationalen Konferenz behandelt, so wäre das durchaus nicht peinlich, sondern böte nicht nur die Chance größerer Fruchtbarkeit für das Bestrebens der Rüstungsbegrenzung, sondern zudem die Aussicht auf Prestigegewinn.

Der Zar studiert derweilen die Werke Blochs und lädt ihn ein diese zu erläutern:
„Zar Nikolaus machte Blochs Werk zum Gegenstand eingehenden Studiums 'Er ließ kurz vor Erscheinen des Reskriptes den Verfasser zu sich bescheiden, und dieser fand ihn mitten unter Karten und Tabellen aus diesem Werke, die auf mehreren Tischen ausgebreitet lagen. Durch zwei Stunden mußte Herr von Bloch auf die eingehenden Fragen und Bemerkungen Auskunft geben;
er war schon ganz müde; aber unermüdlich und mit gespanntestem Interesse fuhr der Kaiser fort zu fragen und zu kommentieren.'
Das Manifest zur Einberufung einer internationalen Friedenskonferenz galt als Ergebnis dieser Beschäftigung des Zaren mit Blochs Werk.“

(Hamann – Bertha von Suttner S. 160)

Viel ist ja leider im Folgejahr 1899 nicht herausgekommen.
Und doch, so wie ich es verstehe, war es der erste Versuch eine große internationale Vereinbarung der Rüstungsbegrenzung zu erwirken.
Und so gesehen war es vielleicht sogar bahnbrechend und zukunftsweisend, auch wenn der Weg kurz danach in die Katastrophe führte.

Und eine Heldengeschichte wird leider daraus auch nicht.
So wie auch die einfache Vernunft stets weniger aufregend ist, als der wütende Unfug.
 
Zuletzt bearbeitet:
Als ich ein Bub war, hatten wir im Bücherschrank „Felix Dahn – Kampf um Rom“.
Dieser Bücherschrank bildete den ehrlichen Versuch meiner Eltern ab, die Bildung nachzuholen, die ihnen der 2. Weltkrieg zusammen mit ihrer Jugend stahl.
Gelesen hab ich das nicht, kann mich aber erinnern, dass das herumstand.
Wie ein Geist taucht mir der Felix wieder auf, in einem „Gedicht“* welches Hamann zitiert.
Dieses als als Erwiderung auf Bertha von Suttners Bestseller „Die Waffen nieder!“ von 1888.
Doch nun die geistreiche Dichtung des Felix von Dahn, ebenfalls ein Top-Autor dieser Zeit, und engagiert im „Alldeutschen Verband“.

„Die Waffen hoch! Das Schwert ist Mannes eigen,
Wo Männer fechten, hat das Weib zu schweigen,
Doch freilich, Männer gibts in diesen Tagen,
Die sollten lieber Unterröcke tragen.“

* Hamann, Brigitte (2013): Bertha von Suttner. Kämpferin für den Frieden. 1. Aufl. s.l.: Christian Brandstätter Verlag. S.98
 
"Ein Kampf um Rom" von Felix Dahn habe ich mit 16 Jahren gelesen. Dies war meine erste "Begegnung" mit dieser Epoche. Ich fand es damals - naiv und unkritisch - als ein spannendes Buch. Die Rollen waren klar verteilt: edle, tapfere aber auch gutgläubige Germanen, verräterische Römer, hinterhältige Byzantiner. Ich glaube, die Frauen kamen generell auch nicht gut weg in dem Werk. Was die Germanen auf dem Schlachtfeld eroberten, ging durch welsche Hinterlist und weiblichen Trug wieder verloren.
Gelesen hab ich das nicht, kann mich aber erinnern, dass das herumstand.
Man kann seine Zeit auch schlechter verbringen. Lies es mal.
 
Doch nun die geistreiche Dichtung des Felix von Dahn, ebenfalls ein Top-Autor dieser Zeit, und engagiert im „Alldeutschen Verband“.

„Die Waffen hoch! Das Schwert ist Mannes eigen,
Wo Männer fechten, hat das Weib zu schweigen,
Doch freilich, Männer gibts in diesen Tagen,
Die sollten lieber Unterröcke tragen.“
Zumindest war er kein Schreibtischkrieger, der über etwas schreibt, wovon er keine Ahnung hat, sondern wusste aus eigener Anschauung, was Krieg ist, da er als Sanitäter am Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 teilnahm und auch in der Schlacht bei Sedan selbst dabei war.
 
"Ein Kampf um Rom" von Felix Dahn habe ich mit 16 Jahren gelesen. Dies war meine erste "Begegnung" mit dieser Epoche. Ich fand es damals - naiv und unkritisch - als ein spannendes Buch. Die Rollen waren klar verteilt: edle, tapfere aber auch gutgläubige Germanen, verräterische Römer, hinterhältige Byzantiner. Ich glaube, die Frauen kamen generell auch nicht gut weg in dem Werk. Was die Germanen auf dem Schlachtfeld eroberten, ging durch welsche Hinterlist und weiblichen Trug wieder verloren.

Man kann seine Zeit auch schlechter verbringen. Lies es mal.

Es gibt immer eine Möglichkeit seine Zeit schlechter zu verbringen. (Z. B. mit dem Hammer auf den Daumen schlagen.)

Respekt für den 16-jährigen und danke für Deine kurze Rezension....

.. die nicht nur zu Dahns "Gedicht" (das Schwert ist Mannes eigen, das Weib soll schweigen) gut passt, sondern zu dem was Ullrich 1) zur „Kultur im Kaiserreich“ schreibt:
Klingende Schwerter, rauschende Standarten – das waren auch in der populären Literatur der Reichsgründungszeit beliebte Motive. Sie bediente sich vorzugsweise historischer Stoffe, um die ursprüngliche Kraft und das Heldentum der germanischen Vorväter ins rechte Licht zu setzen. Felix Dahns EIN KAMPF UM ROM (1876) wurde für Generationen von Jugendlichen zur Pflichtlektüre, .. S. 361

Hamann, so vermute ich, zitiert dieses Dahn-Gedicht um einen Kontrapunkt zur Rationalität der Bertha von Suttner zu setzen.

1) Ullrich, Volker (2013): Die nervöse Großmacht 1871 - 1918. Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs. Erw. Neuausg. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch (Fischer, 19784).
 
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