Woher kommt die Ablehnung von Gewerkschaften in den USA?

Griffel

Mitglied
Ich nutze mal wieder die Gelegenheit, mich über ein Thema auszutauschen, dass mich sehr interessiert. Der Titel verrät es ja schon. Was für ein Problem, haben viele Einwohner der USA, mit Gewerkschaften?:confused:
Ich finde diese Einstellung, irgendwie widersprüchlich. Auf der einen Seite, wird verlangt, dass es fair zugeht in der Gesellschaft. Also jeder die gleichen Chancen hat, etwas zu erreichen - theoretisch.

Auf der anderen Seite scheint es ja regelrecht eine Feindschaft gegenüber Gewerkschaften zu geben! Obwohl doch genau diese Organisationen, sich dafür einsetzen, dass dieses Prinzip gilt. Zumindest im Bereich der Arbeit. :cool: Gut! Ich weiß natürlich, dass es auch in den USA eine gewisse Angst vor Gewerkschaften gab weil, man glaubte, sie seien quasi Tarnorganisationen von Sozialisten und Kommunisten.;) Insbesondere in der Zeit nach dem 1. WK.

Aber wer sich mal mit der Geschichte der USA beschäftigt und das habe ich getan, soweit es mir ohne Studium möglich war, der wird sehen, dass sowohl Sozialisten und Kommunisten, nie wirklich eine große Wirkung entfalten konnten. Auch nach dem 2. WK, in Folge des Kalten Krieges, gab es ja eine regelrechte Hysterie wegen des Kommunismus. Eines der Schlagworte war ja: "Better dead, then red."
Wörtlich übersetzt heißt das: besser tot als Rot. Die Bedeutung sollte klar sein.

Aber selbst wenn, man diesen Phasen berücksichtigt. Ich gehe mal davon aus, die meisten Gewerkschaften, in den USA, hatten und haben nichts mit kommunistischen Ideen am Hut! Somit dürfte dieser Grund, wohl nicht wirklich entscheidend sein. Es existiert ja auch der Begriff des UNION BUSTING! Also dem Sprengen oder Zerstören von Gewerkschaften! Das finde ich schon ein bisschen extrem. Ich freue mich wie immer, auf eure Mitwirkung.
 
Jimmy Hoffa könnte ein Beispiel für den schlechten Ruf von Gewerkschaften in den USA sein. Er bereicherte sich an gewerkschaftseigenen Pensionsfonds, kooperierte mit der Cosa Nostra und versuchte mit Gewalt, den Übertritt von Gewerkschaftsmitgliederns seiner Trade Union zu einer Konkurrenzgewerkschaft zu verhindern.
 
Es ist die Zahl der Amerikaner, die gewerkschaftlich organisiert sind in den letzten Jahren gesunken. 1935 waren 35 % der werktätigen Amerikaner gewerkschaftlich organisiert, und das war damals der Spitzenwert. 2013 waren etwas mehr als 11 % Mitglied einer Gewerkschaft. Die Zustimmung zur Arbeit der Gewerkschaften hat seit den 1960er Jahren abgenommen, dennoch hat die große Mehrheit der Amerikaner sich bei allen Umfragen positiv zu Gewerkschaften geäußert.

Labor unions in the United States - Wikipedia
 
Danke, für die prompte Beteiligung!:) Das Jimmy Hoffa ein negatives Beispiel ist, war mir auch schon am Rande bekannt. Diese Figur, wird ja auch häufiger in Filmen und Serien genannt. Gerade deshalb weil, sein Tod oder Verbleib. Ungeklärt ist. Ihr habt natürlich vollkommen recht wenn, Ihr sagt, dass Mr. Hoffa mit seinem Verhalten den Arbeitnehmervertretern einen Bärendienst erwiesen hat.:mad:

Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass die Mehrheit der Mitglieder der Gewerkschaften in den USA, heute noch immer Kontakte zur Mafia hat. Aber das erklärt immer noch nicht ganz meine Frage! Grundsätzlich sind Gewerkschaften ja etwas Gutes. Selbst die Polizeien in den USA haben ja Gewerkschaften gegründet oder sind in Einer Mitglied. Und die Polizei, genießt aller Unkenrufe und Vorfälle der letzten Zeit, immer noch einen guten Ruf. Zumindest bei der überwiegenden Mehrheit der Amerikaner. Wenngleich das bei Angehörigen von verschiedenen Minderheiten anders aussieht. Was natürlich vollkommen logisch ist wenn, man bedenkt, was für Erfahrungen diese Menschen gemacht haben bzw. immer noch machen.:rolleyes:

Ich weiß, bei uns in Deutschland ist man immer schnell dabei, unsere derzeitigen Verhältnisse, auf andere Länder übertragen zu wollen! Was für ein Blödsinn. So etwas wie das Betriebsverfassungsgesetz wäre in den USA ganz unmöglich. Dazu ist die Mentalität und Geschichte zu unterschiedlich.:cool: Nicht zu Reden davon, dass so ein "Gesetz", es niemals durch den Kongress schaffen würde.:p Und dennoch finde ich es bedenklich, dass offenbar die Unternehmer mehrere starke Lobbyorganisationen haben. Die Angestellten und Arbeiter aber nicht.

Vielleicht sehen auch viele Leute, die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft auch als Einschränkung Ihrer Freiheit an? Ich finde es schade für die Menschen in den USA! Gerade bei den heutigen Arbeitsverhältnissen dort sollten Gewerkschaften sich für die Menschen einsetzen.

Aber wenn, Ihr darüber wisst! Bitte, haltet nicht hinter dem Berg damit. Dafür machen wir das ja hier. Bis später.
 
Auf der anderen Seite scheint es ja regelrecht eine Feindschaft gegenüber Gewerkschaften zu geben!

Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass die Mehrheit der Mitglieder der Gewerkschaften in den USA, heute noch immer Kontakte zur Mafia hat.

Das liest sich eher wie Halbwissen oder sowas ähnliches. Zur Frage der Entwicklung der Mitgliedschaft hat Scorpio dankenswerter Weise fundiert Informationen bereitgestellt.

Generell kann man festhalten, dass die Entwicklung der Mitgliedschaft durch die beiden Weltkriege beeinflusst wurde. Durch die Notwendigkeit der Effizienzsteigerung des Faktors Arbeit stieg in der Regel der Grad an Organisation in den Gewerkschaften (vgl. z.B. The National Labor Relations Act 1935) . Gleichzeitig wirkten sich wirtschaftliche Depressionen massiv auf den Mitgliederbestand der Gewerkschaften aus und verweist auf ein gravierendes Defizit, dass die Gewerkschaften in den USA - vermutlich - nicht das Selbstverständnis bzw. die Verankerung in der Arbeiterschaft hatten wie entsprechende Gewerkschaften und ihr gewachsene Solidarität zu der Arbeiterschaft.

Die politische Polarisierung wirkte massiv auf das "Labor Movement" zurück. Zum einen waren es intra-gewerkschaftliche Rivalitäten, die zwischen konservativen Gewerkschaftlern und linken Gewerkschaftlern ausgetragen wurden. Deutlich sichtbar an der polarisierten Haltung der Gewerkschaftn zum Vietnam-Krieg.

Der Widerstand der Unternehmen gegen die Gewerkschaften wurde massiv durch die republikanische Partei in Regierungsverantwortung unterstützt.

Gravierend wirkten sich eine Reihe von Gesetzgebungen gegen die Gewerkschaften aus:

- Taft Hartley Act / 47
Taft–Hartley Act - Wikipedia

- Landrum-Griffin Act / 57
Landrum-Griffin Act | UAW

Verstärkt wurde der politisch gewollte Niedergang, parallel zum wirtschaftlichen Niedergang der USA in den 70er und 80er Jahren durch das Aufkommen der neo-liberalen Ideologie mit dem Beginn der Präsidentschaft von Reagan.

Seit den späten 90er Jahren befinden sich einzelne Gewerkschaften wieder in einer zunehmend stärkeren Position, speziell durch Zugang aus dem Servicebereich, durch den Zustrom von Frauen und "Minoritäten".

Aktuell sind die US-Gwerkschaften daran interessiert - entsprechend der Globalisierung - internationale Allianzen zu bilden und sich in Position zu bringen, um die Interessen der Arbeitnehmer im Rahmen von "Freihandelsabkommen" zu schützen.

Wo in diesem Kontext der Bewertung der Rolle des US-Labor-Movements, der "Feindschaft" einen besonderen Stellenwert zukommt oder der Frage der Mafia, erschließt sich mit nicht.

Bei Bedarf lassen sich jederzeit ca. 10 fundierte US-Autoren zur Gewerkschaftsgeschichte in den USA nachliefern. Aber das wird sicherlich nicht nötig sein.
 
Ich muss gestehen, dass ich von der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung in den USA wirklich keine Ahnung habe.

In diesem Zusammenhang muss ich aber an diese Persönlichkeit denken:

Woody Guthrie – Wikipedia

Woody Guthrie war sozusagen ein Gründervater des American Folk, und er hat maßgeblich Künstler wie Pete Seeger und Bob Dylan, der ihm einen Song widmete.

Guthrie erlebte die Depression und Weltwirtschaftskrise und musste wie viele seiner Landsleute aus Oklahoma als Wanderarbeiter in den benachbarten Staaten verdingen. Die bedrückenden Lebensverhältnisse dieser "Okies" beschreibt John Steinbeck in Früchte des Zorns (The Grapes of Wrath), eine späte Hommage an Oklahoma hinterließ der Country Sänger Merle Hagett mit Oaky from Muskokee)

Guthrie kam im Rahmen dieser Tätigkeit mit Gewerkschaftern in Kontakt, die unter äußerster Gefahr für sich selbst, Erntearbeiter ansprachen, mit ihnen diskutierten und versuchten, sie davon zu überzeugen, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

Woody Guthries Autobiographie wurde 1975 mit David Carradine in der Titelrolle verfilmt, der Film hatte den Titel "Bound for Glory". Der deutsche Titel Dieses Land ist mein Land" erinnert an einen gleichnamigen Song von Guthrie, der ziemlich bekannt wurde.
 
Jimmy Hoffa könnte ein Beispiel für den schlechten Ruf von Gewerkschaften in den USA sein. Er bereicherte sich an gewerkschaftseigenen Pensionsfonds, kooperierte mit der Cosa Nostra und versuchte mit Gewalt, den Übertritt von Gewerkschaftsmitgliederns seiner Trade Union zu einer Konkurrenzgewerkschaft zu verhindern.

An Hoffa erinnern zwei beeindruckende Verfilmungen: Die Faust im Nacken (On the Waterfront) von Elia Kazan mit Marlon Brando in der Hauptrolle und F.I.S.T mit Sylvester Stallone.

Vielleicht ein paar kurze Bemerkungen zur Verstrickung von Hoffa mit der Cosa Nostra und wie es dazu überhaupt kommen konnte. Hoffa war Vorsitzender der Gewerkschaft der "Teamster", der Lastwagenfahrer. Es konnte wegen der Prohibition von 1920-1933 nicht ausbleiben, dass sich auf die eine oder andere Art Kontakte der "Teamster", der Lastwagenfahrer mit Mobstern ergeben mussten, die am illegalen Spirituosen-Verkauf große Verdienste erreichten.

Arbeitskämpfe und Streiks wurden (nicht nur) in den USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit äußerster Härte und Brutalität geführt. Arbeitsschutzmaßnahmen, Arbeiterrechte, Kündigungsschutz wurden häufig missachtet, Streikbrecher gingen oft mit extremer Brutalität vor. Gewerkschafter wie der von Sylvester Stallone gespielte Johnny Kovak im Film F.I.S.T-Ein Mann geht seinen Weg greift in seiner Not auf alte Kontakte zurück, um sich und die Kollegen überhaupt behaupten und schützen zu können.
In Cleveland 1937 müssen Arbeiter 14 Stunden arbeiten, werden aber nur für 8 Stunden bezahlt. Streik wird durch angeheuerte Streikbrecher äußerst brutal gebrochen. Um primitivste Arbeiterrechte durchsetzen zu können, fehlt es an Bundesgenossen. Man kannte sich noch aus Prohibitionszeiten, schätzte sich und half sich. Der Gewerkschafter Kovak kapiert allerdings zu spät, dass die Cosa Nostra diese Hilfe nicht umsonst gibt, dass die Gewerkschaften ein Vehikel sind, im Transportgewerbe Fuß zu fassen und politische Macht zu erreichen.
Die Gewerkschafter benutzen schließlich Methoden, die sie früher bekämpft haben. Der Erfolg der von Kovak gegründeten Gewerkschaft basiert auf ihrer Macht als einzige Gewerkschaft. Konkurrierende Gewerkschaften werden unterdrückt, Kovaks Organisation hat sich ein Monopol verschafft, dass es zu verteidigen gilt. Das Ende vom Lied konnten dann im schlimmsten Fall Verhältnisse sein wie in dem Streifen Die Faust im Nacken. Die Geschichte spielt um 1935 in Hoboken/NY. Die Gewerkschaft der Dockarbeiter und deren Vorsitzender Johnny Friendly (Marlon Brando) hat die Lage und die Arbeiter fest im Griff. Nur wer Gewerkschaftsmitglied ist, bekommt überhaupt einen Job.
 
Und die Polizei, genießt aller Unkenrufe und Vorfälle der letzten Zeit, immer noch einen guten Ruf. Zumindest bei der überwiegenden Mehrheit der Amerikaner. Wenngleich das bei Angehörigen von verschiedenen Minderheiten anders aussieht. Was natürlich vollkommen logisch ist wenn, man bedenkt, was für Erfahrungen diese Menschen gemacht haben bzw. immer noch machen.:rolleyes:

Ich finde es schade für die Menschen in den USA.

Aber wenn, Ihr darüber wisst! Bitte, haltet nicht hinter dem Berg damit. Dafür machen wir das ja hier. Bis später.

Eigentlich hat die Polizei der USA noch nie einen guten Ruf gehabt! Die Ausbildung der Beamten gilt allgemein als mangelhaft, die Ausbildungszeit ist vergleichsweise gering, und es gibt und gab immer wieder Beschwerden wegen Übergriffen, und es werden relativ viele Leute wegen Nichtigkeiten jedes Jahr von Polizeibeamten erschossen. Vorwürfe wegen Rassismus sind zahlreich, und das schon seit Jahrzehnten. Es gibt in vielen US-Städten Viertel, in denen die Polizei praktisch gar nicht mehr präsent ist/wird.

Die statistische Wahrscheinlichkeit für junge Amerikaner, umgebracht zu werden, ist relativ hoch, verglichen mit anderen Staaten von ähnlichem Lebensstandard wie die USA. Das Vertrauen gegenüber der Polizei würde ich eher als gering ansehen in den USA, gering die Erwartung von Polizei wirksam beschützt zu werden, gering das Vertrauen in polizeiliche Kompetenz und am geringsten das Vertrauen zur Integrität der Polizei.
 
So etwas wie das Betriebsverfassungsgesetz wäre in den USA ganz unmöglich. Dazu ist die Mentalität und Geschichte zu unterschiedlich.:cool: Nicht zu Reden davon, dass so ein "Gesetz", es niemals durch den Kongress schaffen würde.:p Und dennoch finde ich es bedenklich, dass offenbar die Unternehmer mehrere starke Lobbyorganisationen haben. Die Angestellten und Arbeiter aber nicht.

Solange dir klar ist, dass das deinerseits nur Vermutungen sind. Denn in der Tat ist es gar nicht lange her, dass der Kongress ein Gesetz zur Förderung der Gewerkschaften verabschiedet hat:

House Democrats Pass Bill That Would Protect Worker Organizing Efforts
 
Schau an! Nochmals danke! Da sieht man mal wieder, wie sehr einzelne Begriffe, ein Bild beeinflussen können.
Nachdem was bei uns so im Durchschnitt zu sehen und zu hören bekommt, könnte man wirklich meinen, dass Gewerkschaften, nicht sehr willkommen sind. Aber es ist ganz offensichtlich so, dass dem nicht so ist.
 
Zurück
Oben