Gab es 1968 wirklich ernsthafte Überlegungen der Nato beizutreten?

Griffel

Mitglied
:) Einen schönen Nachmittag. Ich möchte die Zeit nutzen, mal ein Thema anzusprechen, das Deutschland, zwar nur am Rande betrifft aber dennoch interessant ist. Gemäß Alliierten Beschlüssen wurde Österreich mit dem Staatsvertrag wieder ein eigenständiger Staat. Das war jedoch an bestimmte Bedingungen geknüpft.
So wurde von der Sowjetunion verlangt, dass Österreich ein neutraler Staat sein müsse. Was Österreich heute faktisch ist. Aber was niemals Bestandteil des Vertrages wurde.

https://de.wikipedia.org/wiki/Österreichischer_Staatsvertrag

Nun war das 1968 in vielerlei Hinsicht interessant und entscheidend in den Ost - West Beziehungen. Die Ereignisse, rund um Herrn Dubcek und den Einmarsch, haben die Beziehungen sicherlich nicht gerade verbessert! Diese Vorkommnisse, konnten natürlich auch die Nachbarländer nicht "kaltlassen". Zu diesen Nachbarländern, gehörten auch die BRD, die DDR und die Republik Österreich. Und hier, muss ich mich notgedrungen:p an die österreichischen Mitglieder dieses Forums wenden! Warum ist ja ziemlich klar.:D
Ich glaube mich zu erinnern, dass ich mal gelesen habe, dass der sowjetische Botschafter in Österreich, allerlei unfreundliche "Bemerkungen" und "Ratschläge" für die österreichische Regierung parat hatte!:mad: Unter anderem, soll er ja gefordert haben, dass sich die österreichische Armee sprich das Bundesheer den eigenen Grenzen nur auf einen Abstand von 30 Kilometern nähern dürfe! Schon komisch wenn, ein souveräner Staat einem anderen vorschreibt, in wieweit er sein Land schützen darf? Ich bin nämlich ziemlich sicher, dass das Bundesheer auch die Aufgabe hat(te), die Grenze von Österreich zu sichern. Und zwar nach allen Seiten.

Das kann man wohl kaum als illegal bezeichnen. Aber offenbar war es wohl so, dass die österreichischen Streitkräfte damals nicht wirklich in der Verfassung waren, ihren gesetzmäßigen Auftrag zu erfüllen. Und man ernsthaft erwogen hat, im Falle einer Auseinandersetzung Hilfe von den Westmächten zu erbitten. Stimmt das Echt? Das hätte ja faktisch bedeutet, dass Österreich der Nato beigetreten wäre.

Außerdem gibt es ja im österreichischen Staatsvertrag Bestimmungen, die es einem eventuellen Angreifer äußert, leicht machen. Das Land zu besetzen! Da Österreich ja keine ferngelenkten Waffen besitzen dürfte, war ja an eine effektive Luftraumverteidigung gar nicht zu denken. Rohrartillerie, ist bei schnell fliegenden Zielen, sprich Düsenjäger oder Bomber nahezu wirkungslos. Und Jagdflugzeuge, die nur mit Maschinenkanonen ausgerüstet sein dürfen, haben gegen einen Gegner, der sie schon aus Dutzenden oder Hunderten von Kilometern Entfernung abschießen kann keinerlei Chance.

Wäre schön wenn, ich hier genaueres erfahren könnte.
 
Ich glaube mich zu erinnern, dass ich mal gelesen habe, dass der sowjetische Botschafter in Österreich, allerlei unfreundliche "Bemerkungen" und "Ratschläge" für die österreichische Regierung parat hatte!:mad: Unter anderem, soll er ja gefordert haben, dass sich die österreichische Armee sprich das Bundesheer den eigenen Grenzen nur auf einen Abstand von 30 Kilometern nähern dürfe!

Das finde ich so nirgends.
Schon kurz nach Mittag am 21. August suchte der sowjetische Botschafter, Boris Podcerob, Bundeskanzler Klaus auf, um ihm die Beweggründe der Sowjetunion für die Intervention darzulegen. Der Kanzler betonte ihm gegenüber, wie schon in der Erklärung am Morgen, Österreichs Neutralität und den Grundsatz der Nichteinmischung, fügte aber hinzu, dass den Österreichern das Schicksal der Nachbarvölker nicht gleichgültig sein könnte. Außenminister Kurt Waldheim vertrat eine sehr restriktive Interpretation der
Neutralität und lehnte konsequent jede Einmischung in Auseinandersetzungen innerhalb der Blöcke ab. Amtlich sprach man ab dem Nachmittag des 21. August nicht, wie das eigentlich vorgesehen gewesen wäre, von einem „Krisenfall", sondern lediglich von einer „krisenhaften Situation".
Erwin A. Schmidl, Österreich und die ČSSR-Krise 1968, in: Der Donauraum 48, Heft 1-2 (2008)

"Es war damals für uns alle eine gefährliche und delikate Situation", erinnert sich Alt-Bundespräsident Fischer gewohnt vorsichtig. "Aus Angst vor möglichen Maßnahmen der Sowjets wurde der Rückzug unserer Bundesheer-Verbände von der Grenze angeordnet." 1956 hatte ein Bundesheer-Grenzschützer einen sowjetischen Soldaten, der einen ungarischen Flüchtling auf österreichischem Territorium verfolgte, erschossen.

Waldheim erkundigte sich in Washington, ob Österreich im Ernstfall mit militärischem Beistand der NATO rechnen könne. Er wurde mit Verweis auf Österreichs neutralen Status heimgeschickt.
(Für letzteres würde mich aber auch der Beleg interessieren.)
50 Jahre Prager Frühling: "Wir haben uns in die Hosen gemacht" | profil.at

Siehe auch:
http://othes.univie.ac.at/484/1/03-07-2008_0252570.pdf
 
Und wie immer sage ich danke!:) Wobei mich eine Sache dann doch wundert? So gesehen, lag ja Österreich auch nicht näher an der Tschechoslowakei als Bayern.

Und was die Sache mit Ungarn betrifft; der Soldat des Bundesheeres hat doch nur seine Arbeit getan. Mehr nicht. Die Reaktion der österreichischen Regierung ist schon mehr als komisch. Probleme hätten sich nur dann ergeben wenn, entweder Truppen der ČSSR auf österreichisches Gebiet vorgedrungen wären oder umgekehrt österreichische auf tschechoslowakisches Gebiet! Letzteres, kann ich mir aber nicht wirklich vorstellen.:rolleyes:

Mich würde noch interessieren, wie die Bevölkerung in Österreich das Ganze aufgenommen hat? Die Aktionen der Regierung dürften sicher bei so manchem für Kopfschütteln gesorgt haben. Was die Anfragen an die Nato angeht, so weiß ich inzwischen, dass man Österreich nicht nur aufgrund seiner Neutralität hat "hängen lassen".
Das hatte zwei Gründe:
  1. Die Nato war auch 1968 noch nicht wirklich einsatzklar. Da viele Mitglieder, lieber in andere Dinge investierten als in die Armee. Insbesondere auch die Bundeswehr machte in diesen Tagen nicht gerade positiv von sich reden.
  2. Die USA als Führungsmacht der Nato waren gerade mitten im Vietnamkrieg aktiv. Somit hatte man weder die Mittel noch die Möglichkeit, sich für Österreich einzusetzen. Das Einzige, was man hätte tun können oder besser sollen, wäre gewesen, Österreich anzubieten, den Staatsvertrag neu zu verhandeln. Und im Nachgang Österreich, die Möglichkeit einer Natomitgliedschaft einzuräumen. Was natürlich dessen Zustimmung bzw. die Bestätigung, durch den Nationalrat vorausgesetzt hätte.:cool:
Was aber in der damaligen Zeit, sicherlich nur sehr schwer zu machen gewesen wäre. Wenngleich ich mir nicht vorstellen kann, dass Frankreich oder England etwas dagegen gehabt hätten.
 
Wenngleich ich mir nicht vorstellen kann, dass Frankreich oder England etwas dagegen gehabt hätten.
Frankreich hat sich 1966 aus den militärischen Strukturen der NATO zurückgezogen und blieb bis 2009 nur formal Mitglied der NATO. Ab 1966 mussten 30.000 Natosoldaten aus Frankreiuch abziehen. Das Hauptquartier der NATO (SHARP) wurde von Rocquencourt (bei Versailles) nach Casteau (bei Mons) in Belgien verlagert. Deswegen wäre 1968 Frankreichs Meinung zur NATO und einem eventuellen Beitritt Österreichs wohl irrelevant gewesen.
 
Das Frankreich unter de Gaulle eine Sonderrolle einnahm, ist mir natürlich bekannt.;) Worauf ich hinaus wollte war, dass der Staatsvertrag der Österreich seine Souveränität zurückgab, ja von allen 4 Alliierten ausgehandelt wurde. Hätte also die Sowjetunion den Vertrag verletzt, in dem sie in ohne Grund in Österreich einmarschiert wäre, hätte der Vertrag keinen Bestand mehr gehabt. Oder anders ausgedrückt, es hätte keinen Grund mehr gegeben, Österreich nicht in die Nato aufzunehmen bzw. ihm die Mitgliedschaft anzubieten.

Im Falle von Frankreich, war es so, dass man sich zwar aus den militärischen Strukturen der Nato zurückgezogen hat, aber dennoch Natomitglied blieb, zumindest politisch. Und ich glaube kaum, dass Frankreich stillschweigend zugesehen hätte, wie ein Nachbarland und das ist Österreich, einfach besetzt worden wäre.

Aber wie gesagt, so eine Entscheidung, hätte man nur in Wien treffen können. Übrigens, ich habe mir mal aus einer Laune heraus den Staatsvertrag im Volltext heruntergeladen. Werde ihn mal bei Gelegenheit lesen.
 
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