Auswirkungen der Einwanderung der Jamnaja-Kultur/Indoeuropäer

Ratisbona

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In "Die Reise unsere Gene" von J. Krause wird beschrieben, dass die Zuwanderer aus der Steppe vor ca. 5.000 Jahren (hauptsächlich Männer) "...die hiesige genetische Struktur komplett umgekrempelt haben."

Ich schließe daraus, dass die Zuwanderer somit die "Eliten" gestellt haben (Import der Nutzung von Pferd und Wagen etc.).

Folgende Frage hätte ich dazu: Ist das "Steppengen" Mal'ta auch bei den Eliten späterer Kulturen (Kelten, Germanen) dominant nachweisbar?

Ich habe vor Jahren gelesen, dass sich dies nach der Eroberung Britanniens durch die Normannen so verhalten haben soll und bis in die Neuzeit der britische Adel auf normannische Wurzeln zurückverfolgen läßt.

Vielen Dank schon mal vorab!
 
Mal'ta ist ein paläolithischer Fundort (24.000-21.000 Jahre vor heute). Die Kelten und Germanen sind der Eisenzeit/Antike/Frühmittelalter zuzuordnen. Die Eroberung Englands (1066) durch Wilhelms Normannen gehört dann schon ins Hochmittelalter. Es gibt kein Steppengen Mal'ta, das die Jahrtausende unverändert überstanden hätte. Es gibt eine Entwicklung und Ausdifferenzierung der Haplogruppe R, die man zunächst hier nachlesen kann.

Die Träger der Jamnaja-Kultur haben ihren Nimbus als Europa erobernde Indoeuropäer aus der pontischen Steppe etwas verloren. Im Fokus der aktuellen Forschung stehen die Schnurkeramiker, die sich in Familienverbänden in ein vermutlich siedlungsarmes Europa ausbreiteten.

Über dieses Thema haben wir bereits in diesem Thread diskutiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für die Hinweise von Heine und silesia!

Den entsprechenden Thread fand ich nicht, da ich unter dem Schlagwort "Indoeuropäer" statt "Indogermanen" gesucht habe.

Das Problem bei diesem Thema ist, dass es anscheinend kein aktuelles Buch gibt, dass die von Krause präsentierten Ergebnisse der Genforschung berücksichtig. Haarmanns Buch ist aus 2016 und das von Anthony aus 2010.

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich von ein paar Einwanderern (Invasoren?) ausgehe, deren Kultur adaptiert wird, oder von einer Masseneinwanderung wie sie Krause beschreibt. Bin schon gespannt, ob ich nach der Durcharbeit des entsprechenden Threads schlauer geworden bin.
 
In "Die Reise unsere Gene" von J. Krause wird beschrieben, dass die Zuwanderer aus der Steppe vor ca. 5.000 Jahren (hauptsächlich Männer) "...die hiesige genetische Struktur komplett umgekrempelt haben."

Ich schließe daraus, dass die Zuwanderer somit die "Eliten" gestellt haben (Import der Nutzung von Pferd und Wagen etc.).

Folgende Frage hätte ich dazu: Ist das "Steppengen" Mal'ta auch bei den Eliten späterer Kulturen (Kelten, Germanen) dominant nachweisbar?

Ich habe vor Jahren gelesen, dass sich dies nach der Eroberung Britanniens durch die Normannen so verhalten haben soll und bis in die Neuzeit der britische Adel auf normannische Wurzeln zurückverfolgen läßt.

Vielen Dank schon mal vorab!

Wie muss man eigentlich in diesem Zusammenhang die Seite eupedia.com sehen? Dort werden Wanderungsbewegungen bis ins Frühmittelalter en detail für (fast) ganz Europa dargestellt. Ist die Paläogenetik hier wirklich schon so weit?
 
Würde gerne auch wissen ob durch diese Migration nach zentral Europa ,die Bezeichnung "Fremde" in Osteuropa aufkam statt Germanen bzw. Allemanen/Almagne anderswo.
 
Würde gerne auch wissen ob durch diese Migration nach zentral Europa ,die Bezeichnung "Fremde" in Osteuropa aufkam statt Germanen bzw. Allemanen/Almagne anderswo.

Ich weiß nicht, ob ich Deine Frage verstanden habe, aber die Schnurkeramik war im 3. Jahrtausend vor Christus; Germanen oder Alemannen gab es da noch lange nicht.
 
Innerhalb einer Studie von Sprachforschern wird wieder über eine Herkunft der Indoeuropäer von südlich des Kaukasus spekuliert: https://www.science.org/doi/10.1126/science.abg0818
Die anatolischen Sprachen, aber auch Indoiranisch und Griechisch/albanisch/Armenisch würden sich demnach ohne "Zwischenhalt" in der Steppe ausgebreitet haben.
Ich finde das eher unwahrscheinlich, weil in der weiteren Region südlich vom Kaukasus auch viele andere alte Sprachen existierten. z.B. Hattisch, Hurritisch, Sumerisch, Elamitisch und semitische Sprachen. In der Steppe war viel Platz zur Entwicklung und Aufspaltung in der Region zwischen Uralsprachen, Turksprachen und Mongolisch.
Wird auch in der FAZ besprochen: https://www.faz.net/aktuell/wissen/...-die-indoeuropaeischen-sprachen-19065370.html(bezahlschranke).
 
Siehe auch:
Neue Theorie zum Ursprung der indogermanischen Sprachen

Soweit ich sehe, ist das ein Aufguss der vor 20 Jahren propagierten Gray-Atkinson-Hypothese; ich vermute, dass unter den Indogermanisten auch weiterhin Skepsis vorherrschen wird.

Ich finde das eher unwahrscheinlich, weil in der weiteren Region südlich vom Kaukasus auch viele andere alte Sprachen existierten. z.B. Hattisch, Hurritisch, Sumerisch, Elamitisch und semitische Sprachen.
Ich verstehe das Argument nicht. In Italien wurden einst viele verschiedene Sprachen gesprochen, Etruskisch, Griechisch, Nordpikenisch, Oskisch...
Ist es deswegen unwahrscheinlich, dass es eine weitere Sprache in Italien gab, von der sich die heutigen romanischen Sprachen ableiten?
 
Ist es deswegen unwahrscheinlich, dass es eine weitere Sprache in Italien gab, von der sich die heutigen romanischen Sprachen ableiten?
Latein hat sich als Verkehrssprache eines Großreiches verbreitet, und den Italikern war es nicht fremd. Die Menschen(Etrusker, Kelten etc.) blieben die gleichen.
Die Italiker waren indogermanische Einwanderer. Aber von wo sind die Urindoeuropäer im südlichen Kaukasus gekommen, wenn sie keine Sprachfamilie mit den umliegenden Sprachen bildeten? Warum konnten sie dann bald riesige Steppengebiete füllen und das persische Hochland. Das war ja in so früher Zeit keine Eroberung mit Pferden und Metallwaffen, sondern langsame Ausbreitung, ohne anderen seine Sprache aufzunötigen.
Wenn man schon nicht weiß, wo die anderen Sprachen der Region herkamen, hätte man jetzt noch eine zusätzliche vermeintlich autochtone Sprache.
Ich bin kein Fachmann. Ich sehe nur für die vorgeschichtliche Zeit nach der Eiszeit eher großflächigere Sprachfamilien: Alteuropäer, Protosemiten aus Afrika, Draviden. Das da so viele autochtone Sprachen in dieser Region seien sollen kommt mir eher verdächtig vor. Die Alteuropäer, wenn es sie denn gab, kommen ja auch aus Anatolien.
Aber die Ausnahmen könnten ja durchaus zu erklären sein. Ich wollte mich nicht festlegen.:)
 
Aber von wo sind die Urindoeuropäer im südlichen Kaukasus gekommen, wenn sie keine Sprachfamilie mit den umliegenden Sprachen bildeten?
Die Frage gilt doch ebenso für Hurriter, Semiten, Sumerer, Elamiten, ganz zu schweigen von den drei heute noch im Kaukasus gesprochenen, nicht miteinander verwandten Sprachfamilien.
Wenn die Urindoeuropäer dort nicht autochthon gewesen sein können, dann müssten nach derselben Logik auch die Semiten dort nicht autochthon gewesen sein können. Ich verstehe das Argument nicht.
 
Iosif Lazaridis sieht die neue frühere Datierung der Aufspaltung der indoeuropäischen Einheit in der o.g. Veröffentlichung von Heggarty et al. mit guten Gründen kritisch. Er sieht weiterhin die Entstehung der Jamnaja, Schnurkeramik und Glockenbecher Kulturen im 4./3. Jt. v. Chr. als Grund für die Beendigung der indoeuropäischen Einheit, während sich die Abspaltung des anatolischen Zweigs bereits im Chalkolithikum ereignete.

https://twitter.com/iosif_lazaridis/status/1684642567613472773
 
Das spricht dann wohl vor allem für die Bedeutung der Steppe als "Super-Highway" oder? Das hat sich ja für lange, lange Zeit auch nicht geändert
 
Die Erfindung des Reitens war sicherlich der Game-Changer. Durch das Reisen zu Pferde wurde der Austausch zwischen den Menschen in den verschiedenen Teilen Eurasiens auf zuvor nie gekannte Weise beschleunigt.
 
Die Jamanja-Kultur wird auch mit der Ausbreitung der "Pest" in Verbindung gebracht. Es gibt genetische Hinweise darauf, dass sie den Pesterreger erstmals nach Mitteleuropa brachten.
Ja, und jetzt gibt es noch weitergehende genetische Untersuchungen – Zitat aus der Süddeutschen:

Weltweit leben mehr als 2,5 Millionen Menschen mit MS, in Deutschland sind wohl mehr als 230 000 Menschen betroffen. Dabei ist das Risiko, zu erkranken, ungleich verteilt: In Europa zum Beispiel kommt die Erkrankung im Norden häufiger vor als im Süden. Doch zumindest für diese Auffälligkeit haben Forscher nun eine Erklärung gefunden - und diese könnte dabei helfen, nicht nur MS besser zu verstehen, sondern auch andere Leiden wie Alzheimer, Diabetes und sogar psychische Erkrankungen wie Angststörungen. Sie wirft zudem ein neues Licht auf die Evolution der heutigen Europäerinnen und Europäer. Und sie zeigt, welchen langen Schatten es werfen kann, wenn Menschen ihre Lebensweise verändern wie einst während der Anfänge des Ackerbaus.

Denn die Erklärung der Forscher hat nichts mit regional unterschiedlichen kulturellen Gewohnheiten zu tun, mit der Einstrahlung von Sonnenlicht, den Temperaturen oder womöglich den Vorzügen einer mediterranen Ernährung. Dass MS im Norden häufiger vorkommt als im Süden, führen sie vielmehr auf Migrationsbewegungen in der Vorzeit zurück.

Manche Menschen neigen mehr zu MS als andere; dieses erhöhte Risiko wird vererbt. Deshalb hat ein internationales Team um den dänischen Evolutionsgenetiker Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen und den Bioinformatiker William Barrie von der University of Cambridge Gendaten von mehr als 1500 Menschen aus der Mittel- und Jungsteinzeit analysiert, die in Europa und in der eurasischen Steppe lebten. Wie die Gruppe im Wissenschaftsmagazin Nature berichtet, ist die Neigung zu MS demnach ein Erbe von Hirten aus der pontisch-kaspischen Steppe, die vor etwa 5000 Jahren Richtung Westen gewandert sind. Diese Angehörigen der sogenannten Grubengrab- oder Jamnaja-Kultur haben ihre genetischen Spuren vor allem im Norden und im Nordwesten Europas hinterlassen - deswegen komme MS dort heute häufiger vor als im Süden.
(…)
Die Gene zum Beispiel, die anfälliger für Multiple Sklerose machen, seien nicht einfach nur schlecht, erklärt Lars Fugger, Arzt am John Radcliffe Hospital der Universität Oxford und Mitautor von zwei der nun erschienenen Studien. Für die Hirten der östlichen Steppe hätten sie im Gegenteil einen evolutionären Vorteil bedeutet. Denn dieselben Genvarianten, die Forscher mit einer höheren Neigung zu MS verbinden, ermöglichen den Analysen zufolge parallel einen besseren Schutz vor einigen Krankheitserregern und Parasiten.


In Zeiten, in denen viele Menschen noch im Kindesalter an Infektionen starben, und besonders bei Menschen, die eng mit ihren Tieren zusammenlebten, habe eine höhere Widerstandsfähigkeit gegen solche Keime einen enormen Vorteil bedeutet, sagt die Immunologin Astrid Iversen von der Universität Oxford, die ebenfalls an zwei der Nature-Studien beteiligt war. Deshalb hätten sich diese Genvarianten unter den Jamnaja-Hirten durchgesetzt. Heute allerdings fielen die damaligen Vorteile wegen Fortschritten in Medizin und Hygiene weniger ins Gewicht. Dafür seien die Nachteile dieser Gene präsenter: in diesem Fall eine Neigung zu Multipler Sklerose.
 
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