Das Dispargum-Mysterie

mmh, nicht direkt, eher als Schlenker, warum Duisburg - imho - mit der Varusschlacht nicht viel zu tun haben kann.
Überhaupt ist zu fragen, warum Duisburg (auf der 'falschen Rheinseite' gelegen) überhaupt eine Burg sein sollte, war doch das Hinterland gen Westen durch etwas besseres geschützt als durch eine Burg? Und von Osten kamen die Ruhr und die Anger als 'natürliche' Pfade jedem Angreifen gen Duisburg mehr als gelegen. Als strategischen Punkt häte ich eher Neuß ausgebaut, welches auf der 'richtigen Rheinseite' lag.

Auf der "richtigen" (d. h. linken, römischen) Seite des Rheins gab es in der Spätantike eine römische Festung den Burgus von Asciburgium (s. Asciburgium – Wikipedia ). Der ehemalige Leiter der Stadtarchäologie Duisburg, Dr. Bechert, hat in einem Aufsatz vor einigen Jahren vermutet, dass auf der anderen Rheinseite eine ähnliche Anlage stand, mit der der Zusammenfluß von Rhein und Ruhr (damals im Bereich der heutigen Altstadt) kontrolliert wurde:

Zum Castrum gibt es einen interessanten Artikel von Dr. Tilmann Bechert (siehe: http://books.google.de/books?id=rCJOxv2JiVQC&printsec=frontcover#v=onepage&q=&f=false). Dieser geht von der Identität Duisburgs und Dispargums aus und vertritt die Ansicht, dass das Castrum eine römische Militäranlage war.

s. S. 8 im genannten Link.

Mit der Schlacht im Teutoburger Wald hat das natürlich nichts zu tun. Die Anlage wurde in der Spätantike gebaut. M. W. wurde im Bereich der Altstadt allerdings archäologisch noch kein Burgus nachgewiesen. Falls es einen gegeben haben sollte, sind aber wahrscheinlich sämtliche Spuren bei späteren Bauvorhaben vernichtet wurden. Ich weiß aber nicht, ob ich den letzten Stand der Forschung kenne. Vor einigen Tagen habe ich in der Presse noch etwas zu einer Mauer gelesen, die in römischer Technik gebaut wurde.

hier ist er:

So haben wir beispielsweise bei der Verlegung von Stromleitungen auf der Unterstraße Reste der alten Stadtmauer aus Tuffstein gefunden, wie wir sie aus römischer Zeit kennen.
Stadtarchäologie in Duisburg stellte mit „Dispargum 2017“ seinen zweiten Jahresband vor - Rundschau Duisburg

Fraglich ist, ob diese Stadtmauer aus Tuffstein aus der Spätantike stammt und den Burgus sicherte, oder ob sie vielleicht im frühen MA als Duisburg Königspfalz war in römischer Technik und möglicherweise aus römischen Steinen, die auch von ganz woanders her stammen können, gebaut wurde. Da werde ich versuchen, einen Blick in die genannte Publikation zu werfen. (Aber erst im Neuen Jahr)
 
In Duisburg-Zentrum wird wieder gegraben und zwar direkt im Bereich der ehemaligen Königspfalz:

Archäologische Grabungen auf Parkplätzen am Rathaus beginnen - waz.de

Heute wird dieses Areal als Parkplatz genutzt. Das wäre auch der Bereich, in dem sich das Castrum Dispargum befunden haben könnte.


Noch ein Bericht der WDR-Lokalzeit Duisburg (verfügbar bis 9.11.2021):

Grabungen im Mercator-Quartier

Der Stadtarchäologe von Duisburg Dr. Kai Thomas Platz erklärt kurz, dass man dort hofft, auch Überreste der ab dem 10. Jh. quellenmäßig belegten Pfalz nachweisen zu können. Auf die Möglichkeit, dort auch das Castrum Dispargum zu finden, geht er leider nicht ein, aber falls davon etwas gefunden werden sollte, wird das sicherlich bekannt werden.

Allerdings bin ich eher skeptisch, dass da noch etwas zu finden sein wird. Dieser Bereich war bis zum zweiten Weltkrieg dicht bebaut (Bilder werden in dem Beitrag gezeigt). Diese Bauten aus der Gründerzeit (also 19. Jh.) wurden nach dem zweiten Weltkrieg abgerissen. Ich vermute, dass diese Bauten im Krieg schwer beschädigt wurden. Im Rahmen der vorherigen Bebauung oder spätestens bei der Enttrümmerung dürften erhebliche Eingriffe in den Boden vorgenommen worden sein, die die älteren Schichten in Mitleidenschaft gezogen haben. Aber vielleicht irre ich mich und man findet tatsächlich noch Überreste der Pfalz und sogar noch das Castrum, das vermutlich noch aus der Spätantike als römischer Burgus gestammt haben könnte.

Übrigens habe ich schon vor knapp 6 Jahren den Vorschlag gemacht, dass im Rahmen einer Exkursion nach Duisburg der Burgplatz ausgegraben werden sollte:):

Bei Anreise mit ÖPNV könnte ich das Rathaus empfehlen (da ist auch eine U-Bahn-Station), vor dem Rathaus ist ein Parkplatz mit Mercator-Statue (unter'm Parkplatz ist vielleicht das römische Dispargum). Wenn Du noch entsprechendes Material (Preßlufthammer, Spitzhacke, Pinzette, gefälschte Grabungsgenehmigungen etc.) zufällig dabei hast, könnten wir die Angelegenheit vielleicht auch noch klären.


Leider hat Mitexkursiant @El Quijote seinen Preßlufthammer etc. nicht mitgenommen:rolleyes:, so dass wir da nicht in die Tiefe vorstoßen konnten.:D
 
Presslufthammer, Spitzhacke und Pinzette - ein dergestaltes Werkzeug-Set versprüht fingerspitzfühlend definitiv einen mehr als gewaltigen Charme. Die Pinzette ist vermutlich für das Sortieren der Brösel des zuvor Zerdepperten gedacht. Riecht nach einem ausgefeilten Konzept für eine Lehrgrabung. :p
 
Presslufthammer, Spitzhacke und Pinzette - ein dergestaltes Werkzeug-Set versprüht fingerspitzfühlend definitiv einen mehr als gewaltigen Charme. Die Pinzette ist vermutlich für das Sortieren der Brösel des zuvor Zerdepperten gedacht. Riecht nach einem ausgefeilten Konzept für eine Lehrgrabung. :p

Mal ganz im Ernst: Mit einem Kratzer kannst du lange kratzen, bis du durch eine Asphaltdecke durch bist. Bagger und Presslufthammer können daher durchaus bei archäologischen Grabungen vorkommen, eben bis man in den archäologisch interessanten Schichten ist. Dazu sollte man aber geübte Leute haben, die mit einem Bagger zentimetergenau arbeiten können.
 
Noch ein Literaturhinweis:

Volker Herrmann (2014) Hafen, Markt und Pfalz Duisburg im frühen und hohen Mittelalter


und darin auf S. 350 enthalten:

Auch in der Duisburger Altstadt hat ab 400 eine fränkische Siedlung auf der hochwasserfreien Niederterrasse bestanden (Krause 1992, 93 f.). Es ist gesichert, dass diese Siedlung mit dem aus der Chronik von Gregor von Tours bekannten Königssitz Castrum Dispargum zu identiizieren ist (Herrmann u. a. 2010; Krause 2006; Milz 2008, 25 f.). Ob der Königssitz auf ältere römische Wurzeln zurückgeht, bleibt hingegen noch ungewiss, obgleich zahlreiche entsprechende Funde von der Altstadt vorliegen (Herrmann u. a. 2010). Auf der rechten Rheinseite, fernab gefestigter römischer Siedlungsstrukturen sowie römischer Besitz- und Machtverhältnisse im Limeshinterland, konnte sich die fränkische Herrschaft ofensichtlich besser etablieren als im romanisierten Limesgebiet (Herrmann 2011a). Letztlich mag dies den fränkischen König Chlodio dazu bewogen haben, nicht nahe des römischen Kastells Asciburgium, sondern im heutigen Burgplatzumfeld seinen Königssitz zu errichten.

Hafen, Markt und Pfalz Duisburg im frühen und hohen Mittelalter

Der Aufsatz ist von 2014, kann also nicht Erkenntnisse von den Ausgrabungen vom letzten Jahr beinhalten:

Der Stadtarchäologe von Duisburg Dr. Kai Thomas Platz erklärt kurz, dass man dort hofft, auch Überreste der ab dem 10. Jh. quellenmäßig belegten Pfalz nachweisen zu können. Auf die Möglichkeit, dort auch das Castrum Dispargum zu finden, geht er leider nicht ein, aber falls davon etwas gefunden werden sollte, wird das sicherlich bekannt werden.

Ob Ergebnisse dieser Ausgrabung schon publiziert wurden, ist mir nicht bekannt.
 
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