Erbrecht für Titel in der Neuzeit

garrett3k

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Hallo Freunde,

habe gerade eine Folge von Downton Abbey angesehen, die Serie erstreckt sich von ca 1914 - 1925. Der Earl of Grantham steckt in einem Dilemma, da es wohl unmöglich ist, den Titelerben im Jahre 1914 annähernd selbst zu bestimmen. Frauen sind dem Erbrecht ausgeschlossen und es droht, den Titel an außerhalb der Familie zu verlieren. Soweit bekannt.

Meine Frage, da es im Gegensatz zu Österreich und Deutschland in England ja noch Adelstitel gibt: Hat sich das inzwischen geändert und wenn ja, wann?

Wo gibt es in Europa eigentlich noch Adelstitel? Sind AT/DE mit der Abschaffung da eher die Ausnahme oder die Regel?

Danke für eure Antworten.
 
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Gute Frage, kann ich wenig von beantworten, außer einem Detail: Die Erbfolgeregelung der britische Aristokraten-Familie Nr. 1 (Haus Windsor) wurde 2011 von den Commonwealth-Staaten geändert. Seitdem sind Männer und Frauen hier gleichberechtigt. Vorher erbten Töchter nur, wenn es keine adäquaten Söhne gab; so kamen Elisabeth I., Victoria und Elisabeth II. auf den Thron. Diese Erbfolge (mit noch einigen weiteren Details) ist festgeschrieben und kann nicht willkürlich geändert werden. Ich weiß aber wie gesagt nicht, inwieweit das Auswirkungen auf andere Adels-Familien hat.

Fun Fact 1: Der Adel inkl Titeln ist in Deutschland abgeschafft, die "vons" und "Prinzen" und was weiß ich sind tatsächlich schlicht Teil des Namens, nicht mehr. Weswegen der ehemalige Bundespräsident eigentlich mit "Freiherr von Weizsäcker" anzusprechen gewesen wäre. Das "Freiherr" wegzulassen behandelt es wie einen Titel, was es nicht ist. Naja, die Österreicher waren da tatsächlich klüger...

Fun Fact 2: Die Familie der Hohenzollern ist, wenn ich mich recht erinnere, vor ein paar Jahren daran gescheitert, ihr Hausrecht gegen die bundesdeutschen Erbschaftsgesetze durchzusetzen. Da gings natürlich nur um das materielle Erbe, aber es wurde klar gestellt: Die deutschen Gesetze gelten auch für Ex-Aristokraten...
 
@Ugh Valencia : Der Wikipedia-Beitrag sagt es ja ganz klar, Adelstitel als Titel sind abgeschafft, es ist jetzt eine leere Worthülse als Name. Dass das tatsächlich in Deutschland von vielen anders wahrgenommen wird liegt wohl an der Presse, die Ausgaben mit Geschichten über "Adelige" gut verkaufen.
 
Der Wikipedia-Beitrag sagt es ja ganz klar, Adelstitel als Titel sind abgeschafft, es ist jetzt eine leere Worthülse als Name.
Was außer einem Namensbestandteil sollte ein Adelstitel denn sonst noch sein? Der Unterschied zu Österreich ist, dass man in Deutschland diese Titel als Namensbestandteil führen darf. Otto Graf Lambsdorff wäre, wenn er Bürger Österreichs wäre Otto Lambsdorf. Der österreichische Politiker Karl Habsburg-Lothringen darf kein "von" im Namen führen.
 
Naja, eigentlich kennzeichnen Titel einen gesellschaftlichen Rang, oder gar Privilegien und Herrschaftsrechte.
 
Naja, eigentlich kennzeichnen Titel einen gesellschaftlichen Rang, oder gar Privilegien und Herrschaftsrechte.
und welche Privilegien oder Herrschaftsrechte hat bspw. ein Sir Sean Connery? Der gesellschaftliche Rang ist mit dem eines "Staatsschauspielers" in Deutschland vergleichbar.
Edit: Ein anderes Beispiel: Ein Kumpel von mir hatte mal eine Freundin mit "von" im Namen. Ihr Titel war Freiin. Sie hatte keine Herrschaftsrechte oder Privilegien. Ihr gesellschaftlicher Rang war damals, dass sie durch das Abitur gerasselt ist.
 
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Ich meinte die Abschaffung der Standesprivilegien in Dtld und Österreich. Das war mWn nicht nur die Frage des Namens.
 
Naja, die Österreicher waren da tatsächlich klüger...
Naja, das bezweifle ich ...

Das offizielle Österreich ist übertrieben pingelig. Bei uns wird gegen jedes "von" vorgegangen, egal ob es überhaupt mit Adel zu tun hat. Vor ein paar Jahren wurde einem Österreicher Schweizerischer Herkunft amtswegig das "von" in seinem Namen gestrichen, obwohl es nach Angaben des Betroffenen eine in seiner Herkunftsregion übliche bloße Herkunftsbezeichnung im Sinne von "von der Alm" sei. Der Fall ging bis zum Verfassungsgerichtshof, der den Beschwerdeführer abblitzen ließ: Es sei völlig egal, ob das "von" Adel oder nur die Herkunft anzeige; es reiche, wenn das "von" den Anschein einer adeligen Herkunft und damit entsprechender Vorrechte hervorrufen könne, ohne dass es darauf ankomme, ob die konkrete Namens- oder Familiengeschichte tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweise.
 
Vor der Wende war mein Hauptabteilungsleiter ein „Freiherr von und zu Klaus Paul Bodo …...“. Allerdings, er wurde so nicht angesprochen. Die einen sprachen ihn nur mit Klaus an, die anderen mit Kollege und seinem Familienname.

Nach der Wende war der Sekretär des Arbeitgeberverbandes zu den ich gehörte „Freiherr von und zu Klaus ...“. Ihn allerdings sprach ich mit "Herr von …" an.
Letzterer erzählte mir gern die Story wie seine Mutter 1945 in ihren Besitzbereich die Russen dazu brachte den Grenzverlauf etwas zu korrigieren damit die Familie nicht Land verlor.
 
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Hat sich das inzwischen geändert und wenn ja, wann?
In Spanien wurde 2006 per Gesetz 33/2006 die absolute Primogenitur für alle Adelstitel eingeführt, wonach immer das älteste Kind unabhängig vom Geschlecht nachzufolgen hat.
In England ist das nur für das Königshaus so seit 2015 rechtskräftig. Beim übrigen Adel in England ist es mW immer noch so, wie früher. Es scheint sich aber etwas zu bewegen. Seit Februar wird an einem entsprechenden Gesetz gearbeitet.
 
In England ist zwischen Adelstiteln by writ und den späteren Adelsbriefen (letters patent) unterscheiden.

Mit der writ of summons wurde bis in die Neuzeit ein Großgrundbesitzer, der einen Adelstitel aus angelsächsischer oder normannischer Zeit führte oder erheiratet hatte, aufgerufen, am Parlament teilzunehmen. Ab und zu wurde der Adel wohl auch einfach angemaßt oder aufgrund des Besitzes unterstellt.

Da diese Art des Adels nicht auf die Krone zurückgeht, galten und gelten gewohnheitsrechtliche Erbfolgebestimmungen, u.a. kann der Titel an eine Frau übergehen und von ihr weitergegeben werden.

Bei einem Titel by letters patent wird der Adelsrang hingegen vom König verliehen, der natürlich historisch ein Interesse daran hatte, den Empfänger nicht zu mächtig werden zu lassen, weswegen die Erbfolge auf ehelich geborene Söhne beschränkt wurde, sodass das rasche Aussterben des Adelshauses wahrscheinlicher wurde.

Manchmal gab es Ausnahmen, teils auch als Belohnung verliehen; wenn etwa zum Zeitpunkt der Verleihung der Empfänger zu alt war, um noch Söhne zu zeugen, konnten abweichende Erbfolgen erlassen werden.

Bedenken muss man auch, dass englische Adelstitel, anders als kontinentale, nur von einer Person geführt werden können, nicht von einer Familie. Während z.B. der Sohn des vormaligen Herzogs von Mecklenburg selbst als Fürst galt, wird der Sohn Herzogs von Norfolk als Bürgerlicher betrachtet.

Was Deutschland angeht, so kannte das Namensrecht bis in die jüngste Vergangenheit einige Sonderrechte für Nachkommen früherer Adelsfamilien, die teilweise erst in jüngster Vergangenheit durch Gerichtsurteil gekippt wurden. Nach wie vor wird der Adelstitel im Namen dem Geschlecht des Namensträgers angepasst.

Bis nach der Jahrtausendwende waren auch Namensänderungen nach den Gepflogenheiten des Adels für Familienangehörige erlaubt, sodass z.B. der amtliche Name einer unverheirateten Tochter des 'Freiherrn von XYZ' 'Freiin von XYZ' lauten konnte, wogegen ihre Mutter 'Freifrau von XYZ' hieß.

Sogenannte Hausgesetze, die vom bürgerlichen Recht abweichende Erbfolgen schufen, um den Namen in der Familie zu halten, wurden zwischen 1980 und 2006 gekippt. Davor war vor allem mit der Androhung von Enterbung versucht worden, Familienmitglieder, die eigentlich ein bürgerliches Anrecht auf einen "adeligen" Namen hatten, zum Verzicht auf denselben zu bewegen.

Nach wie vor kann es übrigens den Tatbestand der Beleidigung erfüllen, wenn bei Anlässen, zu denen die volle Namensnennung gesellschaftlich üblich ist, der Adelstitel im Namen unterschlagen wird.
 
Das war ein Lehrbuch-Beispiel aus meinem Studium, ich müsste das entsprechende Urteil heraussuchen.

Wenn ich mich recht erinnere, ging es um eine Laudatio, die aus unerfindlichen Gründen ein beruflicher Konkurrent des (adeligen) Laureaten halten sollte. Dabei wurde der Name stets verkürzt wiedergegeben.

Verhandelt wurde der Strafantrag des Laureaten. Das Urteil lautete, aus dem (eher bissigen) Tenor der Laudatio sei ersichtlich geworden, dass der Antragsgegner den Namen absichtlich verkürzt hätte, um den Geschädigten zu kränken.

Bis zu einem gewissen Grad kann ich das auch verstehen. Es ist nun mal ein Namensbestandteil, und ein Herr Becker möchte auch nicht Herr Bck genannt werden.
 
Was außer einem Namensbestandteil sollte ein Adelstitel denn sonst noch sein?

Wie schon gesagt, geschichtlich gesehen waren Herrschafts- und Besitzansprüche mit Adelstiteln verbunden, wobei es als Ausnahme schon immer landlose Titel gab oder Fälle, in denen ein Titelinhaber das damit verbundene Land-/Herrschaftsrecht de factio nicht ausübte (zB weil er es durch Eroberung verlor oder durch mangelndes Vermögen nicht halten konnte). Der Anspruch blieb bestehen und konnte zum Teil weitervererbt werden. Es war also alles andere als ein bloßer Namensbestandteil.

Weil du Sean Connery nanntest: dieser trägt den "Knight Bachelor"-Titel, der das Recht auf den Namens-Präfix "Sir" verleiht, er soll heute tatsächlich nur mehr hochrangige Künstler etc. für das Lebenswerk ehren. Das hat ebenfalls wenig mit der Geschichte des Titels zu tun. Der Bachelor blieb erhalten als Erinnerung an jene Adeligen, die noch kein Lehen oder keine Gemahlin mit Land als Mitgift hatten und den Titel trugen weil sie schon in den ersten Schlachtreihen kämpften.
 
Wie viele Artikel habe ich denn hier vergessen, du meine Güte.
Das offizielle Österreich ist übertrieben pingelig. Bei uns wird gegen jedes "von" vorgegangen, egal ob es überhaupt mit Adel zu tun hat.
Das Kuriose ist ja, dass Österreich die Habsburger ohne "von" trotzdem mit kaiserlichem Pomp zu Grabe getragen und mit den Berufstiteln eine Art Dienstadel erhalten hat. Da kollidieren Nostalgie und Republikanismus auf unterhaltsame Weise.
 
Wie schon gesagt, geschichtlich gesehen waren Herrschafts- und Besitzansprüche mit Adelstiteln verbunden,
Ein großer Anteil des deutschen Adels ist aus Ministerialen hervorgegangen, die persönlich nicht frei waren und von ihren Herren für Verwaltungsaufgaben eingesetzt wurden. Das war ursprünglich das glatte Gegenteil von Herrschafts- und Besitzansprüchen. Ausschlaggebend für den Adelsstand war nicht eine territoriale Herrschaftsausübung, die Verleihung eines Wappens war ausschlaggebend. Daher gibt es auch relativ viele Angehörige des Brief- und Geldadels.
 
... und mit den Berufstiteln eine Art Dienstadel erhalten hat. Da kollidieren Nostalgie und Republikanismus auf unterhaltsame Weise.

Aber doch nicht viel mehr als in Deutschland. Es gibt noch einige Österreicher, die sehr viel Wert auf den Dr. oder Mag. legen, aber auch das ist mittlerweile fast Geschichte und mehr ein altes Klischee. Soweit ich weiß gibt es den Doktor, Magister etc genauso in Deutschland, sehe den Unterschied also nicht. Wenn ich mir deutsche Boulevardzeitungen ansehe, die man auch bei uns in Österreich zuhauf kaufen kann, dann kommt es mir eher so vor, als wolle die Masse der Deutschen auch nicht wahrhaben, dass sie nun keinen mehr oder weniger ehrenwerten Adel über sich hat ;) Ich wette, wenn man eine Umfrage macht, weiß der Großteil der Deutschen nicht, dass es sich um bloße Namensbestandteile handelt und der Adel eigentlich abgeschafft wurde. In Österreich ist das zumindest fast jedem bekannt, weil einfach offensichtlicher.
 
dass es sich um bloße Namensbestandteile handelt und der Adel eigentlich abgeschafft wurde.
"Damit wurde der Adel als bevorrechtigter Stand abgeschafft, auch wenn sich in der verfassunggebenden Versammlung am 15. Juli 1919 eine Mehrheit nicht für die weitergehende Formulierung in Artikel 109 „Der Adel ist abgeschafft.“ entscheiden konnte und diese abgelehnt wurde."
Deutscher Adel – Wikipedia

und hier noch mal explizit Artikel 109 der Weimarer Verfassung:
"Artikel 109

Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich.
Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.
Titel dürfen nur verliehen werden, wenn sie ein Amt oder einen Beruf bezeichnen; akademische Grade sind hierdurch nicht betroffen.
Orden und Ehrenzeichen dürfen vom Staat nicht verliehen werden.
Kein Deutscher darf von einer ausländischen Regierung Titel oder Orden annehmen"
 
Die Situation in Deutschland und Österreich ist bezüglich des Adels sehr unterschiedlich. Der Adel wurde in Deutschland nach 1919 auch nicht gänzlich enteignet. Dass Rechtsstreitigkeiten der Hohenzollern mit der öffentlichen Hand bis heute anhalten, wurde ja bereits erwähnt.
In meiner Umgebung wohnt der Nachkomme des Fürsten nach wie vor in einem Teil des Residenzschlosses. Das heißt aber nicht, dass der Nachkomme des Fürsten über mir oder anderen Waldeckern steht:

"Der letzte regierende Fürst, Friedrich zu Waldeck und Pyrmont, wird durch ein Ultimatum des aus Kassel angereisten Arbeiter- und Soldatenrats am 13. November 1918 abgesetzt. Die Verhandlungen über die Vermögensaufteilung und den Verbleib der fürstlichen Familie dauerten bis 1929. Sie endeten mit der Gründung der „Waldeckischen Domanialverwaltung“, eines Eigenbetriebes des heutigen Landkreises Waldeck-Frankenberg, die den größten Teil des Waldes und die fürstlichen Schlösser übernahm. Im Gegenzug dazu wurde der fürstlichen Familie ein Nießbrauchrecht am Arolser Schloss, den Nebengebäuden und einigen landwirtschaftlichen Flächen eingeräumt und ein Forstamt überlassen. Zum Erhalt und der Pflege des Schlossinventares, der Bibliothek und der Kunstsammlungen wurde mit der Stiftung des Fürstlichen Hauses Waldeck und Pyrmont eine gemeinnützige Familienstiftung gegründet."
 
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