Europa vor dem 1. Weltkrieg

Frankreich war nach der Abmachung von 1902 in der Lage seine militärischen Vorkehrungen gegenüber Italien auf Sparflamme zu kochen; was wohl nicht wirklich im Geist des Dreibundvertrages war.

Frankreichs Interesse war doch Italien aus dem Dreibund herauszubrechen und das gelang letzten Endes mit der bewährten Kreditvergabepolitik. Italien war halt käuflich. Das hat man 1915 dann überdeutlich sehen können.

Hierauf wollte ich noch eingegangen sein.

Das halte ich für den Versuch der Konstruktion unangemessen langer Kontinuitätslinien, der die Umstände des Jahres 1915 nicht in hinreichender Form würdigt:


1. Italien hat keine nennenswerten, abbauwürdigen Kohlevorkommen. Das heißt es war für die Deckung des Energiebedarfs der eigenen Industrie massiv auf Kohleimporte angewiesen.

- Deutschland verringerte seine Exportmengen, weil im Osten und im Westen massiv gekämpft und dafür produziert werden musste.
- Die Kohlereviere Belgiens und Nordfrankreichs lagen mitten in Kriegsgebieten, hier brach die Produktion ein.
- Die Sperrung der Meerengen erwscherte den Import russischer Kohle erheblich.
- Die Briten beginnen sukzessive im Rahmen der eigenen Kriegsanstrengungen neutrale Länder nicht mehr oder nur noch im geringeren Maße mit Kohle zu beliefern und müssen außerdem weitgehend die Unterdeckung des französischen Bedarfs ausgleichen, dessen Defizit sich durch den Verlust der Gebiete an der belgischen Grenze noch erhöht hat.
- Entsprechend klettert der Weltmarktpreis.
- Italiens Kreditrahmen und der seiner Industrie war durchaus endlich, zumal wenn es noch mit dem finanziell deutlich potenteren Frankreich und der französischen Industrie in dieser Hinsicht konkurrieren musste.

Das ist für Italien ein handfestes Problem.



2. Die öffentliche Meinung in Italien selbst:

1915 entwickelt sich der Krieg einmal in einer Weise, dass es den Anschein hat, als könne Italien das Zünglein an der Wage sein und mit wenig Einsatz viel erreichen und das entging auch der Öffentlichkeit nicht, die zunehmend bellezistischer wurde.
Wenn die italienische Regierung 1914 ihre Neutralität beschloss, war das sowohl im Einklang mit dem Dreibundvertrag, als auch mit der Stimmung in der eigenen Bevölkerung, die zu diesem Zeitpunkt eine solche Kriegsbeteiligung ablehnte.
Wenn die italienische Regierung 1915 noch neutral bleiben wollte, musste sie sich in zunehmenden Gegensatz zur eigenen Bevölkerung begeben und hatte auch zunehmend weniger Möglichkeiten den Energieproblemen der eigenen Wirtschaft Abhilfe zu schaffen.

Lies man sich hingegen auf die Entente ein, winkten nichr nur eventuelle territoriale Gewinne, sondern auch die Möglichkeit die dringend benötigten Energieträger wieder im größeren Stil bei der Entente zu kaufen, oder mit von der Entente verbürgten Krediten anderswo, es winkte die Aussicht, dass der Krieg rasch beendet werden könnte und die krieegsbedingten Importschwierigkeiten abnehmen würden.
Außerdem entsprach das auch zunehmend der Meinung der italienischen Öffentlichkeit.
 
@Turgot Du bist mir sehr schnell dabei die Probleme des Dreibunds, allein an Italien festzumachen.

Keineswegs. Nur bin ich der Meinung, man kann nicht alles oder vieles ÖU und ganz besonders Conrad anlasten. Italien hat schon hinreichend Anlaß zum Mißtrauen geboten.

Shinigami schrieb:
Das eigentliche Problem ist aber, dass zwischen Österreich-Ungarn und Italien nie ein wirklich sinnvoller Ausgleich zustande gekommen ist.
Was bedeutet es denn vom italienischen Standpunt aus, wenn Österreich-Ungarn stur darauf beharrte, seine italienischsprachigen Restgebiete im Trentino und am Isonzo um jeden Preis zu behalten?
Letztendlich bedeutete es, dass Österreich-Ungarn seine Position in dem, was man von italienischer Seite als Italien verstanden hat, nicht aufgeben wollte und wenn es sie nicht aufgeben wollte, war damit zu rechnen, dass es seine Position dort irgendwann einmal wieder ausbauen wollen würde, während man auf der österreichischen Seite den italienischen Nationalismus/Irredentismus fürchtete.


Ein ganz wesentliches Problem war der Irredentismus, der besonders gegenüber ÖU eine Zielscheibe gefunden hatte. Meines Wissens nach war dieser beispielsweise gegenüber Frankreich nicht so stark ausgeprägt.
Weshalb sollte ÖU freiwillig sein Territorium abtreten? Es ist ja nicht so, das hier ein Einzelfall vorliegt. Italien hatte seine Einigung nur mit ganz wesentlicher Unterstützung Frankreichs und Preußens, obwohl man 1866 zu Lande und zur See von Österreich "Prügel" bezogen hatte vollziehen können. 1870 wurde dann der deutsch -französische Krieg ausgenutzt, um in Sachen Rom Fakten zu schaffen.
Diese kriegerischen Ereignisse, in denen ÖU 1859 und 1866 bedeutende territoriale Verluste erlitten hatte, waren doch nicht dazu geeignet, um Vertrauen aufzubauen.

Shinigami schrieb:
Das Problem ist aber nicht Abgefeimtheit und Böswilligkeit auf einer einzigen Seite gewesen,em ist gegenseitiges Misstrauen gewesen, das mehr oder minder eine zwangsläufige Folge dessen war, dass man 1866/1867 einen Frieden geschlossen hat, der was den Süden betrifft, ziemlich irrational war.

Der Frieden von 1866 wurde doch nur durch preußischen Druck konzediert. Und wie gesagt: Italien war Österreich unterlegen. Und trotzdem konnte Italien sein Siegespreis einstreichen.

Shinigami schrieb:
Wenn man 1867 einigermaßen vorausschauend gewesen wäre, von österreichischer Seite her, hätte man den Italienern neben der Abtretung des Veneto das Trentino und die Gebiete westlich des Isonzo verkauft und mit selbigem Vertrag auch versucht eine klare, europaweit anerkannte Definition zu schaffen, nach der die italienische Halbinsel im Tal des Isonzo ihre östliche Begrenzung findet.

Ich glaube kaum, das so ein Verhalten mit dem Selbstverständnis und der Würde irgendeiner der damaligen europäischen Großmächte vereinbar gewesen wäre.

Und ob es dann tatsächlich Ruhe gegeben hätte ist ebenfalls fraglich. Italien mischte kräftig in der Adria mit; man wollte gern die Vorherrschaft. Gleiches gilt für Albanien, aber auch Montenegro. Und genau dort waren eben ganz klar österreichische Interessen betroffen.

Natürlich ist Italien nicht alleine an den Problemen des Dreibundes schuldig. Aber es spielte eine nicht zu verachtende Rolle. Der Dreibund wurde von Rom gerne als Erwerbsgemeinschaft betrachtet und nicht wie es in den Verträgen stand als reines Defensivbündnis. Italien wollte Wien und Berlin für seine Großmach- und Kolonialambitionen missbrauchen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hierauf wollte ich noch eingegangen sein.

Das halte ich für den Versuch der Konstruktion unangemessen langer Kontinuitätslinien, der die Umstände des Jahres 1915 nicht in hinreichender Form würdigt:


1. Italien hat keine nennenswerten, abbauwürdigen Kohlevorkommen. Das heißt es war für die Deckung des Energiebedarfs der eigenen Industrie massiv auf Kohleimporte angewiesen.

- Deutschland verringerte seine Exportmengen, weil im Osten und im Westen massiv gekämpft und dafür produziert werden musste.
- Die Kohlereviere Belgiens und Nordfrankreichs lagen mitten in Kriegsgebieten, hier brach die Produktion ein.
- Die Sperrung der Meerengen erwscherte den Import russischer Kohle erheblich.
- Die Briten beginnen sukzessive im Rahmen der eigenen Kriegsanstrengungen neutrale Länder nicht mehr oder nur noch im geringeren Maße mit Kohle zu beliefern und müssen außerdem weitgehend die Unterdeckung des französischen Bedarfs ausgleichen, dessen Defizit sich durch den Verlust der Gebiete an der belgischen Grenze noch erhöht hat.
- Entsprechend klettert der Weltmarktpreis.
- Italiens Kreditrahmen und der seiner Industrie war durchaus endlich, zumal wenn es noch mit dem finanziell deutlich potenteren Frankreich und der französischen Industrie in dieser Hinsicht konkurrieren musste.

Das ist für Italien ein handfestes Problem.

Das rechtfertigt doch noch lange keinen Kriegseintritt. Ein Giolitti fand am 09.Mai 1915 überdeutliche Worte für Italiens Kriegseintritt:" Den Vertrag jetzt zu brechen und von der Neutralität zum Angriff überzugehen, ist ein Verrat, wie es ihn kaum je in der Geschichte gegeben hat." (1) Diese Meinung wurde von den italienischen Botschaftern in Wien und Berlin, Avarna und Bollati, übrigens geteilt.

Salandra und Sonnino waren entschlossen Italien zu einer wirklichen Großmacht zu machen.

Hürter und Rusconi: Italiens Kriegseintritt im Mai 1915 S.43
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Shinigami schrieb:
2. Die öffentliche Meinung in Italien selbst:

1915 entwickelt sich der Krieg einmal in einer Weise, dass es den Anschein hat, als könne Italien das Zünglein an der Wage sein und mit wenig Einsatz viel erreichen und das entging auch der Öffentlichkeit nicht, die zunehmend bellezistischer wurde.
Wenn die italienische Regierung 1914 ihre Neutralität beschloss, war das sowohl im Einklang mit dem Dreibundvertrag, als auch mit der Stimmung in der eigenen Bevölkerung, die zu diesem Zeitpunkt eine solche Kriegsbeteiligung ablehnte.
Wenn die italienische Regierung 1915 noch neutral bleiben wollte, musste sie sich in zunehmenden Gegensatz zur eigenen Bevölkerung begeben und hatte auch zunehmend weniger Möglichkeiten den Energieproblemen der eigenen Wirtschaft Abhilfe zu schaffen.

Lies man sich hingegen auf die Entente ein, winkten nichr nur eventuelle territoriale Gewinne, sondern auch die Möglichkeit die dringend benötigten Energieträger wieder im größeren Stil bei der Entente zu kaufen, oder mit von der Entente verbürgten Krediten anderswo, es winkte die Aussicht, dass der Krieg rasch beendet werden könnte und die krieegsbedingten Importschwierigkeiten abnehmen würden.
Außerdem entsprach das auch zunehmend der Meinung der italienischen Öffentlichkeit.

Wien war ja im Mai 1915 die meisten Forderungen Italiens nachzukommen. Man hätte also auch ohne Krieg den größten Teil der Ziele erreicht und das der Öffentlichkeit entsprechend kommunizieren können. Stattdessen wurde der Tod von zwei Millionen Menschen in Kauf genommen, weil Salandra und Sonnino eben andere Ziele hatten.
Den meisten Italienern war Trient und Triest keinen Krieg wert. Nachzulesen bei Hürter und Rusconi , Italiens Kriegseintritt im Mai 1915. Für die Bevölkerung war der Krieg ein Unglück. Die Landbevölkerung verstand den Krieg überhaupt nicht, da diese keinen patriotischen Bürgersinn hatte. Der Präfekt von Neapel schreib an Salandra, das 90% der Italiener den Krieg ablehnen.
 
Das rechtfertigt doch noch lange keinen Kriegseintritt. Ein Giolitti fand am 09.Mai 1915 überdeutliche Worte für Italiens Kriegseintritt:" Den Vertrag jetzt zu brechen und von der Neutralität zum Angriff überzugehen, ist ein Verrat, wie es ihn kaum je in der Geschichte gegeben hat." (1) Diese Meinung wurde von den italienischen Botschaftern in Wien und Berlin, Avarna und Bollati, übrigens geteilt.

Salandra und Sonnino waren entschlossen Italien zu einer wirklichen Großmacht zu machen.

Hürter und Rusconi: Italiens Kriegseintritt im Mai 1915 S.43

Ich betrachte es auch nicht als meine Aufgabe irgendetwas zu rechtfertigen. Mir geht es darum, ein paar push-Faktoren darzustellen, die dazu beitrugen Italien dem Lager der Entente massiv anzunähern und die sich eben nicht allein auf einen doppelzüngigen Kurs der italienischen Regierung reduzieren lassen


Wien war ja im Mai 1915 die meisten Forderungen Italiens nachzukommen. Man hätte also auch ohne Krieg den größten Teil der Ziele erreicht und das der Öffentlichkeit entsprechend kommunizieren können. Stattdessen wurde der Tod von zwei Millionen Menschen in Kauf genommen, weil Salandra und Sonnino eben andere Ziele hatten.
Den meisten Italienern war Trient und Triest keinen Krieg wert. Nachzulesen bei Hürter und Rusconi , Italiens Kriegseintritt im Mai 1915. Für die Bevölkerung war der Krieg ein Unglück. Die Landbevölkerung verstand den Krieg überhaupt nicht, da diese keinen patriotischen Bürgersinn hatte. Der Präfekt von Neapel schreib an Salandra, das 90% der Italiener den Krieg ablehnen.

Ja, das Problem war eben nur, dass im Mai die Entente bereits deutlich mehr versprochen hatte, dass relativ einfach erreichbar schien, und man von Österreichischer Seite (so weit mir bekannt) auch nicht bereit war die Gebiete sofort zu übergeben, sondern erst nach dem Krieg, was in Italien wohl gewisse Zweifel am Wert dieses Angebots auslöste.


Das waren nicht nur die Ziele der Herren Salandra und Sonnino. Da steckte schon auch ein wenig mehr dahinter und darum und um nichts anderes geht es mir.
 
Wenn der italienischen Öffentlichkeit das österreichische Angebot bekanntgeworden wäre, dann hätten Salandra und Sonnino Probleme bekommen.

Das italienische Vorgehen war schon perfide.
 
Keineswegs. Nur bin ich der Meinung, man kann nicht alles oder vieles ÖU und ganz besonders Conrad anlasten. Italien hat schon hinreichend Anlaß zum Mißtrauen geboten.
Unbestritten.

Weshalb sollte ÖU freiwillig sein Territorium abtreten? Es ist ja nicht so, das hier ein Einzelfall vorliegt. Italien hatte seine Einigung nur mit ganz wesentlicher Unterstützung Frankreichs und Preußens, obwohl man 1866 zu Lande und zur See von Österreich "Prügel" bezogen hatte vollziehen können. 1870 wurde dann der deutsch -französische Krieg ausgenutzt, um in Sachen Rom Fakten zu schaffen.
Diese kriegerischen Ereignisse, in denen ÖU 1859 und 1866 bedeutende territoriale Verluste erlitten hatte, waren doch nicht dazu geeignet, um Vertrauen aufzubauen.

Genau mit dieser Politik Italien gegenüber hatten sich aber sowohl Frankreich, als auch Österreich deutlich verrant.

Es war im Grunde genonnen von österreichischer Seite her schon außenpolitisch dumm, sich nicht bereits 1860 mit dem entstandenen italienischen Nationalstaat territorial zu arrangieren.
Der war ab 1860 nun einmal da und da er da war, lag die territoriale Frage, wegen des Triveneto auf dem Tisch.

Und ebenfalls klar war, dass Österreich, wenn es diese Frage nicht klärte sich es sich weder mit Preußen, noch mit Russland verderben durfte, weil das auf einen potentiellen Zweifrontenkrieg hinauslaufen musste, wie es dann auch passierte.

Frankreich das Gleiche. Frankreich konnte nicht für das Weiterbestehen des Kirchenstaats sorgen und gleichzeitig Politik gegen Preußen machen ohne dadurch ein direkes oder indirektes Paktieren Preußens mit Italien zu riskieren.
Das funktionierte einfach nicht.
Und die Österreicher lernten einfach nicht daraus.


Der Frieden von 1866 wurde doch nur durch preußischen Druck konzediert. Und wie gesagt: Italien war Österreich unterlegen. Und trotzdem konnte Italien sein Siegespreis einstreichen.

Italien hatte aber nunmal einen erheblichen Teil der österreichischen Kräfte gebunden. Hätten die Knapp 75.000 Mann, die die Österreicher am 24. Juni 1866 bei Custozza gegen die Italiener aufboten am 3. Juli in Böhmen zur Verfügung gestanden, wäre das bei Königgräz möglicherweise etwas anders aussgegangen.

Schon zu dem Zeitpunkt hätte man sich eigentlich fragen müssen:

War es die Tatsache, dass man 1860 das Veneto behalten hatte, jetzt wert, dass den Preußen eine 85.000 Mann starke italienische Armee im Süden zur Hilfe kommt, mit dem Erfolg, dass man die eigenen Truppen teilen musste und am Ende sowohl des Venetos, als auch der eigenen Rolle in Deutschland verlustig ging?



Ich glaube kaum, das so ein Verhalten mit dem Selbstverständnis und der Würde irgendeiner der damaligen europäischen Großmächte vereinbar gewesen wäre.

Und ob es dann tatsächlich Ruhe gegeben hätte ist ebenfalls fraglich. Italien mischte kräftig in der Adria mit; man wollte gern die Vorherrschaft. Gleiches gilt für Albanien, aber auch Montenegro. Und genau dort waren eben ganz klar österreichische Interessen betroffen.
Natürlich gab es Rivalitäten in der Adria. Aber das war letztendlich kolonialer Schacher im Kleinen, bei dem niemand gezwungen gewesen wäre eigene Kerngebiete zur Disposition zu stellen.


Natürlich ist Italien nicht alleine an den Problemen des Dreibundes schuldig. Aber es spielte eine nicht zu verachtende Rolle. Der Dreibund wurde von Rom gerne als Erwerbsgemeinschaft betrachtet und nicht wie es in den Verträgen stand als reines Defensivbündnis. Italien wollte Wien und Berlin für seine Großmach- und Kolonialambitionen missbrauchen.
Naja. Baute Deutschland nicht sein Kolonialreich auf, mit gleichzeitig dem Dreibund als machtpolitischer Versicherungspolice gegenüber Frankreich in Europa?
Ich meine auch das war eine Art und Weise den Dreibund für Erwerbszwecke zu instrumentalisieren.
 
Wenn der italienischen Öffentlichkeit das österreichische Angebot bekanntgeworden wäre, dann hätten Salandra und Sonnino Probleme bekommen.

Das italienische Vorgehen war schon perfide.

Was hinderte die Österreicher daran dafür zu sorgen und es in der italienischen Presse zu lancieren, wenn es ein Interesse daran hatte, weil man die italienische Bevölkerung als empfänglich dafür wähnte?
 
Ein paar Worte zur Kohleproblematik:

Klar, Italien war abhängig von der britischen Kohle. Das bedeutete aber maximal, das Italien im Sinne seiner Wirtschaft es sich nicht leisten konnte, an der Seite seiner Dreibundpartner im Kriege zu engagieren. Von einer Aufnötigung eines Kriegseintritts auf Seiten der Triple Entente würde ich hier nicht sprechen wollen.

Shinigami schrieb:
Es war im Grunde genonnen von österreichischer Seite her schon außenpolitisch dumm, sich nicht bereits 1860 mit dem entstandenen italienischen Nationalstaat territorial zu arrangieren.
Der war ab 1860 nun einmal da und da er da war, lag die territoriale Frage, wegen des Triveneto auf dem Tisch.

Wie hätte denn eine solche Einigung aussehen sollen? Das Österreich nach 1859 noch mehr Territorium freiwillig, auf welchem Wege auch immer, zugunsten Italiens aufgibt? Schon die Aufgabe der Lombardei, nur rein wirtschaftlich betrachtet, war ein herber Verlust. Solche Abtretungen/Verkäufe oder wie auch immer wären politischer Selbstmord gewesen und der breiten Öffentlichkeit in Österreich nicht zu vermitteln gewesen. Österreich sah sich, nicht zu Unrecht, als der Stärkere gegenüber Italien an.

Shinigami schrieb:
Italien hatte aber nunmal einen erheblichen Teil der österreichischen Kräfte gebunden.
Ja, mehr aber auch nicht. Und zum Ende, als die Italiener besiegt waren, wurden in großem Stil österreichische Truppen verlegt. Nur diese kamen zu spät.

Shinigami schrieb:
Naja. Baute Deutschland nicht sein Kolonialreich auf, mit gleichzeitig dem Dreibund als machtpolitischer Versicherungspolice gegenüber Frankreich in Europa?
Ich meine auch das war eine Art und Weise den Dreibund für Erwerbszwecke zu instrumentalisieren.

Nein, Bismarck nützte sehr geschickt die außenpolitische Großwetterlage aus. Der Dreibund war hier in keinster Weise instrumentalisiert.
England hatte beispiielsweise gerade Probleme in Ägypten/Sudan. Dort tobt der der Mahdiaufstand und England benötigte gerade bezüglich Ägypten die deutsche Unterstützung. London war in seiner Ägyptenpolitik in gewisser Weise von Bismarck abhängig. Frankreich hielt 2/3 der ägyptischen Staatsschuld und konterkarierte ein ums andere Male die englischen Bemühungen die ägyptischen Finanzen auf solide Beine zu stellen. Aber das führt hier zu weit vom Thema weg.

Im Orient tobte gerade eine andere Krise, die um den Battenberger auf dem bulgarischen Thron.

Shinigami schrieb:
Was hinderte die Österreicher daran dafür zu sorgen und es in der italienischen Presse zu lancieren, wenn es ein Interesse daran hatte, weil man die italienische Bevölkerung als empfänglich dafür wähnte?

Dazu hätte es der italienischen Presse bedurft und ob die, nach der Kriegserklärung hierzu noch bereit war?
 
Ein paar Worte zur Kohleproblematik:

Klar, Italien war abhängig von der britischen Kohle. Das bedeutete aber maximal, das Italien im Sinne seiner Wirtschaft es sich nicht leisten konnte, an der Seite seiner Dreibundpartner im Kriege zu engagieren. Von einer Aufnötigung eines Kriegseintritts auf Seiten der Triple Entente würde ich hier nicht sprechen wollen.

Nein, das ginge mir auch zu weit.
Aber die sich durch den Krieg erschwerende wirtschaftliche Situation setzte die italienische Regierung natürlich unter Druck irgendwie zu handeln.
Die Anbindung an die Entente, war da möglicherweise nicht das einzige Mittel, aber immerhin doch ein valides.
Alles andere, wäre darauf hinaus gelaufen die Wirtschaft staatlich beim Ankauf von Kohle in Übersee zu unterstützen und dadurch möglicherweise ansehnliche Staatsverschuldung zu fabrizieren.

Wie hätte denn eine solche Einigung aussehen sollen? Das Österreich nach 1859 noch mehr Territorium freiwillig, auf welchem Wege auch immer, zugunsten Italiens aufgibt? Schon die Aufgabe der Lombardei, nur rein wirtschaftlich betrachtet, war ein herber Verlust. Solche Abtretungen/Verkäufe oder wie auch immer wären politischer Selbstmord gewesen und der breiten Öffentlichkeit in Österreich nicht zu vermitteln gewesen. Österreich sah sich, nicht zu Unrecht, als der Stärkere gegenüber Italien an

Und eben weil die Abtretung von Gebieten ohne Anlass politischer Selbstmord ist, wäre es wichtig gewesen die eigenen Niederlagen zu instrumentalisieren um das abzuwickeln.
Z.B. ein Geschäft wegen des Trentino hätte man, als Forderung eines Siegers gegenüber eines Besiegten verkaufen können, wenn man im Rahmen der Friedensverhandlungen die Preußen dazu hätte bringen können, das im Namen der preußisch-italienischen Koalition für Italien einzufordern.

Die Aufgabe der Lombardei war wirtschaftlich ein herber Verlust, so lange Frieden herrschte. Der Krieg mit Frankreich war etwas teuerer als alles, was die Lombardei einbrachte.
Veneto das gleiche.
Natürlich wäre seine Abtretung schon 1860 ein wirtschaftlicher Verlust gewesen. Aber die Ressourcen des Veneto zu verlieren, wäre alle male erträglicher gewesen, als die Ressourcen ganz Italiens im Konfliktfall mit Preußen oder Russland auf die Seite des jeweiligen Gegners zu bringen.

Ja, mehr aber auch nicht. Und zum Ende, als die Italiener besiegt waren, wurden in großem Stil österreichische Truppen verlegt. Nur diese kamen zu spät.
Ja, hat ja aber eben offensichtlich gereicht.


Nein, Bismarck nützte sehr geschickt die außenpolitische Großwetterlage aus. Der Dreibund war hier in keinster Weise instrumentalisiert.
England hatte beispiielsweise gerade Probleme in Ägypten/Sudan. Dort tobt der der Mahdiaufstand und England benötigte gerade bezüglich Ägypten die deutsche Unterstützung. London war in seiner Ägyptenpolitik in gewisser Weise von Bismarck abhängig. Frankreich hielt 2/3 der ägyptischen Staatsschuld und konterkarierte ein ums andere Male die englischen Bemühungen die ägyptischen Finanzen auf solide Beine zu stellen. Aber das führt hier zu weit vom Thema weg.

Im Orient tobte gerade eine andere Krise, die um den Battenberger auf dem bulgarischen Thron.

Naja, dass geschickt die außenpolitische Großwetterlage ausgenutzt wurde, könnte man hinsichtlich Italien und 1915 auch behaupten, aber da war dein Vokabular ein etwas anderes.
Von deutscher Seite hätte man wesentlich vorsichtiger sein müssen, sich in die kolonialen Händel zu mischen, hätte die Konstruktion des Dreibunds nicht Frankreich in seinen Schranken genhalten.

Dazu hätte es der italienischen Presse bedurft und ob die, nach der Kriegserklärung hierzu noch bereit war?
Nun, dann stelle man sich die Frage, warum man von österreichischer Seite bis zum Tag der Kriegserklärung wartete, wenn man sein Angebot ernst meinte.
 
Und eben weil die Abtretung von Gebieten ohne Anlass politischer Selbstmord ist, wäre es wichtig gewesen die eigenen Niederlagen zu instrumentalisieren um das abzuwickeln.
Z.B. ein Geschäft wegen des Trentino hätte man, als Forderung eines Siegers gegenüber eines Besiegten verkaufen können, wenn man im Rahmen der Friedensverhandlungen die Preußen dazu hätte bringen können, das im Namen der preußisch-italienischen Koalition für Italien einzufordern.

Das war schlicht nicht machbar und unrealistisch. Es war einfach nicht vermittelbar den Italienern auch nur 1 Quadratmeter, vor allem nach dem Sieg von 1866, in welcher Form auch immer, abzugeben.1866 war schon so sehr bitter für Österreich. Man war aus Deutschland hinausgeworfen worden; man wollte gewiss nicht auch noch aus Italien hinausgeworfen werden.

Shinigami schrieb:
Nun, dann stelle man sich die Frage, warum man von österreichischer Seite bis zum Tag der Kriegserklärung wartete, wenn man sein Angebot ernst meinte.

Die Antwort kennst du doch oder? Es war ÖU extrem schwer gefallen sich zu diesem Angebot unter massiven deutschen Druck durchzuringen. Und das ist auch irgendwie verständlich. Der eigene Partner im Dreibund verlangt jetzt für seine Neutralität österreichisches Territorium. Das war perfide und stieß verständlicherweise in Wien auf massive Ablehnung.

Naja, dass geschickt die außenpolitische Großwetterlage ausgenutzt wurde, könnte man hinsichtlich Italien und 1915 auch behaupten, aber da war dein Vokabular ein etwas anderes.
Von deutscher Seite hätte man wesentlich vorsichtiger sein müssen, sich in die kolonialen Händel zu mischen, hätte die Konstruktion des Dreibunds nicht Frankreich in seinen Schranken genhalten.

Nicht geschickt, sondern perfide. Und das Deutsche Reich hatte keinen seiner Bündnispartner territoriale Forderungen präsentiert gehabt. Bismarck wußte die außenpolitische Klaviatur zu spielen wie kaum ein anderer und es kam nicht zu nennenswerten kolonialen Streitigkeiten, die durch Berlin verschuldet gewesen sind. Bismarck verstand, das England und auch Frankreich seine Dienste in Anspruch nahmen. Erhebliche Probleme traten erst in der Zeit nach Bismarck auf.

Shinigami schrieb:
Ja, hat ja aber eben offensichtlich gereicht.

Ja, aber ein wenig peinlich war das Ganze schon für Italien.
 
Das war schlicht nicht machbar und unrealistisch. Es war einfach nicht vermittelbar den Italienern auch nur 1 Quadratmeter, vor allem nach dem Sieg von 1866, in welcher Form auch immer, abzugeben.1866 war schon so sehr bitter für Österreich. Man war aus Deutschland hinausgeworfen worden; man wollte gewiss nicht auch noch aus Italien hinausgeworfen werden.

Hat anno 1809 der Sieg bei Aspern verhindert, dass man sich letztendlich in den Frieden von Schönbrunn fügen musste und das Herzogtum Salzburg an Napoléons Juniorpartner Bayern abtreten musste?
Österreich ist in seiner Geschichte weiß Gott schon schlimmer gedemütigt worden, als dass es eine solche Handlung bedeutet hätte.
Tatsache ist, dass man aus österreichischer Sicht 1867 besiegt worden war, da nutzte es nichts, einen Sieg auf dem italienischen Nebenschauplatz davongetragen zu haben.
Man hätte diese Niederlage nutzen können, um zu versuchen die gesamte Region auf die Basis eines neuen Systems zu stellen und das versäumte man.

"Wäre mit dem Ehrbegriff/Selbstverständnis nicht vereinbar gewesen", halte ich in dem Zusammenhang für Quatsch, wie gesagt, alleine mit Schönbrunn und der damit verbundenen faktischen degradierung zu einem französischen Juniorpartner, inklusive kontributionen, Rüstungsbschränkungen etc. hat Österreich/Habsburg vormals schon ganz anderes ertragen ohne daran kaputt zu gehen.

Die Antwort kennst du doch oder? Es war ÖU extrem schwer gefallen sich zu diesem Angebot unter massiven deutschen Druck durchzuringen. Und das ist auch irgendwie verständlich. Der eigene Partner im Dreibund verlangt jetzt für seine Neutralität österreichisches Territorium. Das war perfide und stieß verständlicherweise in Wien auf massive Ablehnung.

Dann kennt du doch die Entgegnung? Warum sollte man italienischerseits an die Ernsthaftigkeit und den guten Willen Österreichs glauben, wenn das Angebot nicht mal von sich aus kam, sondern Deutschland Österreich schon mehr oder weniger dazu zwingen und versuchen musste es mit Sosnowiec zu kompensieren?
Wenn aber Österreich sich davon auf keinen Fall trennen wollte, selbst wenn es hier nachgab, wer oder was garantierte, dass es nicht versuchte sich das mit militärischen Mitteln zurück zu holen, falls die Zentralmächte den Krieg gewinnen würden?


Nicht geschickt, sondern perfide. Und das Deutsche Reich hatte keinen seiner Bündnispartner territoriale Forderungen präsentiert gehabt. Bismarck wußte die außenpolitische Klaviatur zu spielen wie kaum ein anderer und es kam nicht zu nennenswerten kolonialen Streitigkeiten, die durch Berlin verschuldet gewesen sind. Bismarck verstand, das England und auch Frankreich seine Dienste in Anspruch nahmen. Erhebliche Probleme traten erst in der Zeit nach Bismarck auf.

Das Deutsche Reich hatte keinem seiner Bündnispartner territoriale Forderungen präsentiert bevor das Krieg losgetreten war.
Nachdem der Krieg dann einmal da war, und was die Zukunft Polens betrifft........ in Wien war man da über einige deutsche Vorstellungen, so weit mir bekannt, nicht so unbedingt glücklich.

Joa, Bismarck verstand, dass England und Frankreich seine Dienste in Anspruch nehmen wollten.
Giolitti, Salandra und Sonnino verstanden, dass die Zentralmächte und die Entente ihre Dienste in Anspruch nehmen wollten.

Es stimmt, dass Bismarck außenpolitisch in Sachen Kolonien noch einigermaßen vorsichtig aggierte. Aber seine Nachfolger?
Als die in Marokko zündelten, verließen sie sich nicht darauf, dass das kontinentale Bündnissystem Frankreich in der Sache zum Nachgeben zwingen würde? Und fragte man in der Sache in Rom etwa um Erlaubnis, wenn man vor Agadir aufkreuzte?
 
Hat anno 1809 der Sieg bei Aspern verhindert, dass man sich letztendlich in den Frieden von Schönbrunn fügen musste und das Herzogtum Salzburg an Napoléons Juniorpartner Bayern abtreten musste?
Österreich ist in seiner Geschichte weiß Gott schon schlimmer gedemütigt worden, als dass es eine solche Handlung bedeutet hätte.

1809 ist nun wirklich nicht mit 1866 vergleichbar. Es war für Österreich als Sieger gegen Italien 1866 schlicht nicht akzeptabel Italien seine territorialen Ambitionen zu befriedigen; vor allem, da man der Stärkere war.

Es stimmt, dass Bismarck außenpolitisch in Sachen Kolonien noch einigermaßen vorsichtig aggierte. Aber seine Nachfolger?
Als die in Marokko zündelten, verließen sie sich nicht darauf, dass das kontinentale Bündnissystem Frankreich in der Sache zum Nachgeben zwingen würde? Und fragte man in der Sache in Rom etwa um Erlaubnis, wenn man vor Agadir aufkreuzte?

Jetzt auch noch die Marokkokrise; ich denke, das führt wirklich zu weit vom eigentlich Thema weg.

Joa, Bismarck verstand, dass England und Frankreich seine Dienste in Anspruch nehmen wollten.
Giolitti, Salandra und Sonnino verstanden, dass die Zentralmächte und die Entente ihre Dienste in Anspruch nehmen wollten.

Die Alliierten wollten die Dienste der Italiener und haben das Fell des Bären verteilt, der noch gar nicht erlegt war. ÖU und Deutschland wollten lediglich die Neutralität; also kein aktives Eingreifen Italiens.


Das Deutsche Reich hatte keinem seiner Bündnispartner territoriale Forderungen präsentiert bevor das Krieg losgetreten war.
Nachdem der Krieg dann einmal da war, und was die Zukunft Polens betrifft........ in Wien war man da über einige deutsche Vorstellungen, so weit mir bekannt, nicht so unbedingt glücklich.

Wie kommst du jetzt zur Kriegszielpolitik der Mittelmächte? Meine Äußerung bezog sich auf die bismarcksche Kolonialpolitik, die du ja in die Diskussion eingeführt hast. Vielleicht sollten wir einfach doch beim Thema bleiben.

Dann kennt du doch die Entgegnung? Warum sollte man italienischerseits an die Ernsthaftigkeit und den guten Willen Österreichs glauben, wenn das Angebot nicht mal von sich aus kam, sondern Deutschland Österreich schon mehr oder weniger dazu zwingen und versuchen musste es mit Sosnowiec zu kompensieren?
Wenn aber Österreich sich davon auf keinen Fall trennen wollte, selbst wenn es hier nachgab, wer oder was garantierte, dass es nicht versuchte sich das mit militärischen Mitteln zurück zu holen, falls die Zentralmächte den Krieg gewinnen würden?


Konnte man sich in Wien sich denn auf die Zuverlässigkeit der von Rom gemachten Aussagen verlassen? Ich würde sagen nach der Historien bis zum Mai 1915 gab es reichlich Anlass den Italienern nicht mehr zu trauen.

Die Überlegung, das ggf. abgetretene österreichische Territorium zurückzuerobern, gab es ja auch.
Nicht so ganz unverständlich angesichts der Umstände auf welche Art und Weise der Bündnispartner Italien hier sich ÖU Territorium unter dem Nagel reißen wollte. Allerdings hätte man sich moralisch dann auch auf eine reichlich schiefe Ebene begeben. Aber soweit ist es ja bekanntermaßen erst gar nicht gekommen, da die italienische Gier obsiegte.
Es gibt da nur wenig, was das perfide Verhalten Italiens rechtfertigt. Ich verstehe nicht so ganz, das du immer wieder insistierst, nach dem Motto gib dem angeblichen Verbündeten seine gierigen territorialen Expansionswünschen nach und alles wäre gut gewesen. Und die Streitigkeiten an der Adria/Balkan sind kein Kleinkram. Da gab es immer wieder gewaltige Krisen bis zum Weltkriege im Juli 1914.
 
Zuletzt bearbeitet:
1809 wirklich nicht mit 1866 vergleichen. Es war für Österreich als Sieger schlicht nicht akzeptabel Italien seine territorialen Ambitionen zu befriedigen; vor allem, da man der Stärkere war.

Es war für Österreich offensichtlich akzeptabel das weit wertvollere Veneto abzutreten.
Wie gesagt, was nutzte den Österreichern ihr Sieg gegen die Italiener bei Custozza? Der machte den gesamten Kriegsverlauf nicht ungeschehen.

Jetzt auch noch die Marokkokrise; ich denke, das führt wirklich zu weit vom eigentlich Thema weg.
Ja nun, wenn schon gefragt ist, wer wann den Dreibund als Basis für Erwerbungen nutzte, sollte man das gegebenenfalls mal durchexerzieren?

Die Alliierten wollten die Dienste der Italiener und haben das Fell des Bären verteilt, der noch gar nicht erlegt war. ÖU und Deutschland wollten die Neutralität.

Wie gut, dass der von dir so hochgeschätzte Bismarck seiner Zeit, 1866 nicht das Fell des Bären vor dessen Erlegung verteilte, als er die Dienste der Italiener in Anspruch nehmen wollte. ;-)
Und wie gut, dass sich das nicht fragwürdiger Weise gegen einen Akteur richtet, mit dem man eben noch gegen Dänemark paktiert und die Gasteiner Konvention ausgehandelt hatte.

Ganz so weit, ist dass was Bismarck anno 1864-1866 getan hat, nicht von dem weg, was die Italiener anno 1915 veranstaltet haben, würde ich meinen.

Ich muss auch gestehen, dass ich nicht so ganz begreife, dass diese ganz ähnlichen Verhandlungsweisen moralisch vollkommen unterschiedlich zu bewerten sein sollen, nur weil ein Bismarck, nachdem er sich so verhalten hatte der Meinung war, dass sein Staat nun saturiert sei und er eher an Besitzstandswahrung interessiert sein müsse.


Hast du meine obige Ausführungen gelesen?
Konnte man sich in Wien sich auf die Zuverlässigkeit der von Rom gemachten Aussagen verlassen? Ich würde sagen im Mai 1915 gab es reichlich Anlass den Italienern nicht zu trauen.

Genau wie man in Italien Anlass hatte ein von deutscher Hand diktiertes Angebot, dass man den Österreichern aufgenötigt hatte, nicht ernst zu nehmen.
Ich frage da einfach nochmal: Wer oder was garantierte den Italienern denn, dass die Österreicher nach dem Krieg diese Gebiete tatsächlich hergeben würden oder sofern sie das während des Krieges taten, dass sie nicht nachher versuchen würden, sie zurück zu holen?

Gegenseitiges Misstrauen, wie ich oben bereits schrieb. Nach Lage der Dinge war Österreich anno 1915 schlicht nicht in der Position sich Misstrauen gegenüber Italien leisten zu können, wenn es sich dessen Neutralität noch sichern wollte.

Die Überlegung gab es ja auch, das man im Falle eines siegreichen Krieges sich das Territorium zurückholen würde.
Eben und dessen waren sich die Italiener durchaus bewusst.
Wenn sie wegen dieser Territorien also ohnehin gegen Österreich würden kämpfen müssen, warum dann allein, wenn es auch an der Seite der Entente ging und wenn sich dort mehr gewinnen ließ?

Nicht ganz unverständlich angesichts der Umstände auf welche Art und Weise der Bündnispartner Italien hier sich ÖU Territorium unter dem Nagel reißen wollte.

Nicht unverständlich, aber schlicht und ergreifend nach Lage der Dinge nicht besonders vorausschauend, würde ich meinen, weil klar sein musste, dass man sich mit dieser Haltung die italienische Neutralität endgültig verscherzte.

Es gibt da nur wenig, was das perfide Verhalten Italiens rechtfertigt.
Es gibt relativ wenig, dass die machtpolitischen Spielchen der europäischen Großmächte überhaupt rechtfertigt.

- Deutschland überfällt Belgien, dessen Neutralität es eigentlich garantiert und veranstaltet mit dem U-Boot-Krieg etwas, dass mit dem Seerecht nicht vereinbar ist.
- Großbritannien zieht seine unter rechtlichen Gesichtspunkten äußerst fragwürdige Blockade auf
- Großbritannien und Frankreich landen einfach mal entgegen dem Willen des griechischen Königs bewaffnete Kontingente in Thessaloniki an, womit sie technisch die griechische Neutralität in ähnlicher Weise verletzen, wie Deutschland die Belgische verletzt hatte.
- Österreich und Deutschland locken Bulgarien mit Versprechungen betreffs serbischen Gebiets ins eigene Lager
- Großbritannien, Frankreich und Russland locken Rumänien mit Versprrechungen beteffs ungarischem Gebiet in ihr Lager.

etc. etc.

Ich persönlich halte es jetzt nicht für wesentlich perfider, die Italiener mit österreichischem Gebiet zu kaufen, als die Bulgaren mit serbischem Gebiet zu kaufen.

Mit Anstand hatte das auf keiner Seite etwas zu tun.


Ich verstehe nicht so ganz, das du immer wieder insistierst, nach dem Motto gib dem angeblichen Verbündeten seine gierigen territorialen Expansionswünschen nach und alles wäre gut gewesen. Und die Streitigkeiten an der Adria/Balkan sind kein Kleinkram. Da gab es immer wieder gewaltige Krisen bis zum Weltkriege im Juli 1914.

Die aber nur deswegen gewaltig sind, weil sie sich zwischen den Protegés Österreichs und Russlands abspielen und davon ab, nie in Krieg ausarten.
Du vergist, wenn du die Adria dermaßen ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückst eines:

Hätte man etwa Italien einige seiner Wünsche in Albanien zugestanden, hätte das Italien in einen außenpolitischen Gegensatz zu Serbien und Russland gebracht, was für die Italiener Motivation hätte sein können, weiter beim Dreibund zu bleiben oder zumindest mal auch ohne Sonderwünsche Österreich gegen Serbien freie Hand zu lassen, so lange es sein eigenes Territorium nicht vergrößerte.

Du tust an dieser Stelle so, als hätten Gewinne in Albanien oder Montenegro die Italiener in der Adria unheimlich gestärkt ohne sie gleichzeitig in die Probleme auf dem Balkan mit hinein zu ziehen, auf dem nicht nur Österreich Interessen hatte, sondern vor allem auch Russland und dessen Juniorpartner Serbien ganz sicher keine Italiener in Albanien oder Montenegro wollte.
 
Über welches Ereignis, über welches Jahr möchtest du genau diskutieren? 1809, 1859, 1866, 1884/85, 1905, 1911, 1912?
 
Es war für Österreich offensichtlich akzeptabel das weit wertvollere Veneto abzutreten.
Wie gesagt, was nutzte den Österreichern ihr Sieg gegen die Italiener bei Custozza? Der machte den gesamten Kriegsverlauf nicht ungeschehen.

Venetien wurde einer sehr starken Militärmacht Europas zugesichert: Frankreich; nicht Italien. Das ist wesentlich.

a nun, wenn schon gefragt ist, wer wann den Dreibund als Basis für Erwerbungen nutzte, sollte man das gegebenenfalls mal durchexerzieren?

Nun wo hat denn das Deutsche Reich bei der Marokkokrise aktiv militärischen Ländererwerb betrieben und wo wurde dort die Unterstützung der Dreibundpartner eingefordert? Die diplomatische Unterstützung auf der Konferenz von Agadir ist von Italien nicht geleistet worden.

Wie gut, dass der von dir so hochgeschätzte Bismarck seiner Zeit, 1866 nicht das Fell des Bären vor dessen Erlegung verteilte, als er die Dienste der Italiener in Anspruch nehmen wollte. ;-)

Und wie gut, dass sich das nicht fragwürdiger Weise gegen einen Akteur richtet, mit dem man eben noch gegen Dänemark paktiert und die Gasteiner Konvention ausgehandelt hatte.

Ganz so weit, ist dass was Bismarck anno 1864-1866 getan hat, nicht von dem weg, was die Italiener anno 1915 veranstaltet haben, würde ich meinen.

Sicher, den Italiener wurden Zusagen gemacht; da gibt es nichts zu beschönigen. Entscheidend ist aber, und da hinkt dein Vergleich, das Italien 1915 mit Österreich und Deutschland verbündet war und Wien schlicht erpresste. 1866 waren Italien und Preußen nicht mit Österreich verbündet.

Du ziehst immer weitere Ereignisse in die Diskussion. Österreich ist ja nun nicht so ganz schuldlos daran, das es 1866 zur militärischen Auseinandersetzung gekommen war.

Es gibt relativ wenig, dass die machtpolitischen Spielchen der europäischen Großmächte überhaupt rechtfertigt.

- Deutschland überfällt Belgien, dessen Neutralität es eigentlich garantiert und veranstaltet mit dem U-Boot-Krieg etwas, dass mit dem Seerecht nicht vereinbar ist.
- Großbritannien zieht seine unter rechtlichen Gesichtspunkten äußerst fragwürdige Blockade auf
- Großbritannien und Frankreich landen einfach mal entgegen dem Willen des griechischen Königs bewaffnete Kontingente in Thessaloniki an, womit sie technisch die griechische Neutralität in ähnlicher Weise verletzen, wie Deutschland die Belgische verletzt hatte.
- Österreich und Deutschland locken Bulgarien mit Versprechungen betreffs serbischen Gebiets ins eigene Lager
- Großbritannien, Frankreich und Russland locken Rumänien mit Versprrechungen beteffs ungarischem Gebiet in ihr Lager.

etc. etc.

Was denn jetzt noch alles? Wo möchtest du hin in dieser Diskussion? Können wir nicht einfach beim Mai 1915 bleiben? Denn der ist das Thema.

Du übersiehst wieder, das Italien der Verbündete Österreichs war. Serbien und Bulgarien hatten gerade eben 1913 gegeneinander Krieg geführt; wie du bestimmt weißt.

Hätte man etwa Italien einige seiner Wünsche in Albanien zugestanden, hätte das Italien in einen außenpolitischen Gegensatz zu Serbien und Russland gebracht, was für die Italiener Motivation hätte sein können, weiter beim Dreibund zu bleiben oder zumindest mal auch ohne Sonderwünsche Österreich gegen Serbien freie Hand zu lassen, so lange es sein eigenes Territorium nicht vergrößerte.

Österreich hatte im Mai 1915 Italiens Wünsche in Richtung Albanien weitesgehend akzeptiert. Die Interessen Österreichs auf dem Balkan sind dir sicher bekannt.

Du tust an dieser Stelle so, als hätten Gewinne in Albanien oder Montenegro die Italiener in der Adria unheimlich gestärkt ohne sie gleichzeitig in die Probleme auf dem Balkan mit hinein zu ziehen, auf dem nicht nur Österreich Interessen hatte, sondern vor allem auch Russland und dessen Juniorpartner Serbien ganz sicher keine Italiener in Albanien oder Montenegro wollte.

Nenne bitte einen Grund, weshalb Österreich von sich aus gegenüber Italien, den man ohnehin zu Recht misstrauten, Italien hatte ja schon Frankreich seine Abmachungen, mit Russland wurden 1909 welche vereinbart, entgegenkommen? Was wäre denn die italienische Gegenleistung gewesen?
 
Die Diskussionen würden vielleicht einfacher werden, wenn man Begriffe wie französische Administrationen, ÖU-Administrationen usw. verwenden und auch dort die Fraktionen etc. berücksichtigen würde.
Aktuell wirkt das hier gelegentlich wie eine Globaldiskussion mit Pauschalcharakterisierungen am Grünen Tisch....;-)
Kleiner Tipp:
Die Verträge zwischen italienischer Administration und der franz. Administration 1902 wie jener mit der russ. 1909 waren 1914 längst durchgesickert, besonders jener ital.-russ. Vertrag dank des für Deutschland arbeitenden Spions in der russ. Botschaft in London.
Soweit mir erinnerlich, waren die italienischen Truppen ab 1913 im dt. Generalstab nicht mehr zu den im Kriegsfall mit zu berücksichtigenden Militär-Kontingenten des formal noch Verbündeten gerechnet worden.

Besonders jener zwischen russ. und ital. Administration 1909 beinhaltete auch und gerade Ziele/Absprachen/Klärungen in Bezug auf den Balkan (mit östlichem Adria-Ufer also) bis hin zum Osmanischen Reich hinsichtlich Einfluss, Einflusszonen, mögliche Besitznahme etc. Ein Gebiet, in welchem auch Ö-U. Großmachtambitionen hatte und Macht ausübte/auszuüben versuchte.
 
@Shinigami

Du hast die Frage aufgeworfen, wie ernst die k.u.k. Regierung ihr Angebot meinte. Vor dem Hintergrund, dass der Papst die Deutschen am 06.Mai über die italienischen Abmachungen mit den Engländern und Franzosen informierte, auch wenn diese noch nicht endgültig waren, ist davon auszugehen, das Wien es sehr ernst meinte. So hat auch Giolitti das Angebot der Donaumonarchie aufgefasst.

Am Morgen des 11.Mai wurde das schriftliche Angebot den italienischen Außenminister bzw. Ministerpräsidenten übermittelt.

Das Ende vom Lied ist ja bekannt.
 
Du hast die Frage aufgeworfen, wie ernst die k.u.k. Regierung ihr Angebot meinte.

Nein, ich habe die Frage gestellt, warum man es auf italienischer Seite noch besonders ernst hätte nehmen sollen.

Es ist ein Abgebot gewesen, dass in Reaktion auf die Versprechungen der Entente und auf deutschen Druck zustande kam, während in Italien selbst bereits die Vorbereitungen für die Mobilmachung anzulaufen begonnen hatten.

Natürlich hatten man von italienischer Seite her Grund anzunehmen, dass man in Wien einen Zusammenstoß mit dem Kgr. Italien vermeiden wollte - so lange man seine Truppen noch anderswo brauchte -.

Ich wiederhole mich da: Hätte Wien eine Abtretung des Trentino und Zugeständnisse am Isonzo Monate vorher, von sich aus, ohne fremden Druck angeboten und ohne dass ein Anschluss Italiens an die Entente unmittelbar bevorstand, hätte das sehr wahrscheinlich verfangen.


Ich bitte hierbei auch zu bedenken, dass sich der Charakter des Krieges bis Mai 1915 massiv verändert hatte, dergestalt, dass von einem reinen Bestrafungskrieg gegen Serbien ohne weitergehende Ambitionen, nicht mehr die Rede sein konnte.
Das es ein Zurück zum Status Quo ante nicht mehr geben würde, zeichnete sich mittlerweile deutlich ab, Kriegszieldiskussionen liefen aller Orten.

Heißt, wenn Italien weiter neutral blieb und dabei ein Sieg der Zentralmächte herauskam, bedeutete das automatisch deutlichen österreichischen Machtzuwachs im Balkan und möglicherweise in Polen und damit bekommt auch der Kompensationsgedanke ein ganz anderes Gewicht, als noch im Juli 1914.

Diesen Veränderungen war man in Wien nicht bereit Rechnung zu tragen. De facto wollte man Italiens Neutralität jetzt nicht mehr für einen Bestrafungs- sondern für einen Eroberungskrieg oder jedenfalls hatte man in Rom guten Grund davon auszugehen.

Wäre ein Angebot ohne militärischen Druck im Rahmen der Kompensationstheorie gemacht worden, hätte das in Italien anderen Eindruck gemacht, als ein zähneknirschendes von außen intendiertes Angebot um einer drohenden militärischen Notlage zu entgehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das italienische Taktieren war ja nun auch nicht gerade eben als seriös zu bezeichnen.

Dieses Taktieren der italienischen Regierung wurde in der Londoner Presse bemerkt und besprochen. Es wurde nicht eben freundlich betrachtet. Man könne doch nicht wegen eines Formfehlers, nur weil es von Wien nicht über seine Schritte gegenüber Serbien nicht auf dem Laufenden gehalten worden sei, nicht an der Seite seiner Verbündeten in den Krieg eintreten.

Sicher, hätte die österreichische Regierung das Angebot beispielsweise schon Ende 1914 gemacht, wäre es wohl nicht so weit gekommen. Ich habe in meinen Beiträgen versucht zu erläutern, weshalb dies nicht geschehen war.

Die italienischen Forderungen waren ja nun nicht gerade bescheiden. Wir reden u.a. von der Brennergrenze, das österreichische Friaul und das Gebiet um Triest. Wir reden hier von Territorien, die zum Teil schon sehr lange im österreichischen Besitz waren.

Die Italiener hatten am 26.April, während man gleichzeitig auch noch mit den Vertretern der Mittelmächte verhandelte, den sogenannten Londoner Vertrag unterzeichnet.

Die Italiener ließen sich in diesem Vertrag u.a. zusichern, dass sie nicht alleine gegen die k.u.k. Kriegsmarine antreten müssen. Was man eigentlich vermeiden wollte, nämlich gegen das Deutsche Reich Krieg zu führen, war mit § 2 des Vertrages ausgeschlossen. Obwohl Italien nur Österreich den Krieg erklärte.

Territorial ließ man sich einiges zusichern. Das Gebiet des Trentino, ganz Südtirol hin bis zum Brenner, Triest, die Grafschaften Görz und Gradiska, ganz Istrien, die Inseln Cherso und Lussin, die kleineren Inseln Plawninca, Unie, Canidole, Palazzoli sowie St.Peter vpn Nembi, Asinello und Gruica nebst deren benachbarten Inseln.
Dalmatien sollte ebenfalls an Italien gehen. Lebten und wohnten dort auch in nennenswerten Ausmaß Italiener? Ich meine sowohl in Istrien und Dalmatien lebten mehrheitlich Kroaten.

Da sollte einiges von ÖU Territorium amputiert werden.

Am 12.Mai hatte sich der italienische Ministerrat getroffen gehabt, zu jenem Zeitpunkt waren die Russen bei Gorlice geschlagen. Es wäre vielleicht keine schlechte Idee gewesen, zu versuchen mit den Russen ins Gespräch zu kommen. Die groß angelegte militärische Operation bei Gallipoli war gescheitert. Salandra und Sonnino waren entschlossen zu demissionieren; es war dann der König, der den Rücktritt der Regierung nicht annahm. Giolitti kam nicht mehr ins Spiel.
 
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