Das italienische Taktieren war ja nun auch nicht gerade eben als seriös zu bezeichnen.
Dieses Taktieren der italienischen Regierung wurde in der Londoner Presse bemerkt und besprochen. Es wurde nicht eben freundlich betrachtet. Man könne doch nicht wegen eines Formfehlers, nur weil es von Wien nicht über seine Schritte gegenüber Serbien nicht auf dem Laufenden gehalten worden sei, nicht an der Seite seiner Verbündeten in den Krieg eintreten.
Naja, ein wenig mehr als ein Formfehler war das schon. Das war nichts anderes als ein politisches Manöver um die Italiener vor vollendete Tatsachen zu stelllen und ihnen erst gar keine Gelegenheit zu geben, Protest gegenüber dem österreichischen Vorgehen anzumelden.
Und ob das so unbedingt so die feine englische Art gewesen ist....
Ansonsten welche Veranlassung hatte Italien in den Krieg einzutreten? Du selbst wirst nicht müde zu betonen, dass der Dreibund ein Defensivbündnis gewesen ist, keine Erwerbsgemeinschaft, also hätte damit der Bündnisfall greifen konnte, schon ein miliärischer Angriff auf einen der Vertragspartner vorliegen müssen.
Wo sollte dieser gewesen sein, zumal wenn man die Posse um Temes Kubin als das betrachtet, was sie war?
Die italienischen Forderungen waren ja nun nicht gerade bescheiden. Wir reden u.a. von der Brennergrenze, das österreichische Friaul und das Gebiet um Triest. Wir reden hier von Territorien, die zum Teil schon sehr lange im österreichischen Besitz waren.
Das war Stand der Forderungen 1915, zunächst beschränkten sie sich auf das Trentino und Zugeständnisse am Isonzo.
Die Italiener hatten am 26.April, während man gleichzeitig auch noch mit den Vertretern der Mittelmächte verhandelte, den sogenannten Londoner Vertrag unterzeichnet.
Was man durchaus als Vertragsbruch am Dreibund kritisieren kann, weil der den Abschluss eines solchen Vertrages ja untersagte und zuvor noch nicht gekündigt worden war.
Nur sollte man dann so fair sein, anzuerkennen, dass das Vorgehen Wiens Rom in Sachen Ultimatum etc. nicht entsprechend des Dreibundvertrags in Kenntnis zu setzen, ebenfalls einen Verstoß gegen den Buchstaben des Vertrags, mithin einen Vertragsbruch darstellte.
Die Italiener ließen sich in diesem Vertrag u.a. zusichern, dass sie nicht alleine gegen die k.u.k. Kriegsmarine antreten müssen. Was man eigentlich vermeiden wollte, nämlich gegen das Deutsche Reich Krieg zu führen, war mit § 2 des Vertrages ausgeschlossen. Obwohl Italien nur Österreich den Krieg erklärte.
Territorial ließ man sich einiges zusichern. Das Gebiet des Trentino, ganz Südtirol hin bis zum Brenner, Triest, die Grafschaften Görz und Gradiska, ganz Istrien, die Inseln Cherso und Lussin, die kleineren Inseln Plawninca, Unie, Canidole, Palazzoli sowie St.Peter vpn Nembi, Asinello und Gruica nebst deren benachbarten Inseln.
Der Inhalt des Londoner Vertrags ist mir durchaus bekannnt, danke.
Dalmatien sollte ebenfalls an Italien gehen.
Teile Dalmatiens, wenn du hier schon jedes Territorium minutiös abhandeln möchtest.
Lebten und wohnten dort auch in nennenswerten Ausmaß Italiener? Ich meine sowohl in Istrien und Dalmatien lebten mehrheitlich Kroaten.
Es gab in den dalmatinischen Küstenorten tatsächlich vermehrt auch italienische Gemeinden, Erbe der Venezianischen Zeit und der dortigen Handelsniederlassungen.
Bis ins 17. und 18. Jahrhundert hatten einige Orte wohl auch eine annäherd paritätische Bevölkerungszusammensetzung bevor das allgemeine Wachstum der Ortschaften die Bewohner des ländlichen Umlandes anzog und sich die Bevölkerungsverhältnisse dort zu Gunsten der Kroaten durch Zuzug änderten.
Um die Frage zu beantworten, mit italienischen Bevölkerungsmehrheiten ließ sich diese Forderung sicher nicht rechtfertigen.
aber:
Wenn du dir deine eigene Argumentation anschaust, liefest du selbst ja mehr oder minder bereits das Ersatzargument:
Wir reden hier von Territorien, die zum Teil schon sehr lange im österreichischen Besitz waren.
"lange im österreichischen Besitz..."
Analog ließe sich hinsichtlich Dalmatiens natürlich der historische Besitzstand der Serenissima und die an die 500 Jahre währende Herrschafts Venedigs über diese Gebiete ins Feld führen.
Das Argumentationsprinzip zu wechseln und nicht mehr auf Ethnizität abzustellen, sondern mit dem historischen Besitzstand irgendeines Gebildes zu argumentieren, wenn das gerade stellenweise besser passte, dessen Nachfolge man in irgendeiner Weise beanspruchte, ist natürlich inkonsequent.
Es ist ja aber nicht so, dass es eine italienische Spezialität gewesen wäre, dass ist ja im Prinzip nichts anderes, als wenn deutsche Annexionisten lothringische und belgische Gebiete "zurückholen" wollten, die irgendwann mal zum "Heiligen Römischen Reich" gehört hatten.
Das die Argumentationsgrundlagen bei den Grenzziehungen auch anderswo hübsch zwischen Ethnizität und historischem Beistzstand variierten, ist ja auch im Bezug auf die Verhandlungen zu den Pariser Vorortverträgen und sonstigen Grenzziehungen immer wieder augenfällig.