"Nicht sagen, was war" - Eine harsche Spiegelkritik in der taz

Nach 1945 entsprach es der öffentlichen Meinung, dass die Nazis selbst den Reichstag angezündet hätten.
Die Öffentlichkeitsarbeit ehemaliger Gestapo-Polizisten mit Unterstützung des Verfassungsschützers Fritz Tobias im bekannten Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" führte dazu, dass sich die umstrittene These der Alleintäterschaft des Marinus van der Lubbe in den 1960ern durchsetzte.

Damit wurde im Spiegel durch Zusammenarbeit verschiedener Geheimdienstler mit und ohne Hakenkreuz am Schlapphut bewiesen, dass Justiz und Polizei schon 1933 bei der Wahrheitsfindung erfolgreich waren.

... sehr seltsam jedenfalls.
 
Ist die Kritik zu harsch?

Ob sie zu harsch ist, weiß ich nicht.
Überzeugend finde ich sie nicht.
So wie ich es verstehe bezieht sich die Kritik auf den frühen Spiegel und legt nahe dieser habe eine "Kampagne zur Rehabilitierung der Täter" des alten Staates begonnen. Insbesondere auch dadurch, dass z.B. der frühere Gestapochef Rudolf Diels für den Spiegel zum Thema Nazizeit schreiben durfte.
Ob man von einer Kampagne sprechen kann, müsste genauer beleuchtet werden. Was die TAZ nicht tut, soweit ich das überblicke.

Diese Kritik indes ist schon deutlich milder: „Zum anderen aber strickte er an der Legende mit, welche die Deutschen über sich selbst erzählen wollten.“
Und da haben viele eifrig gestrickt, besonders zu dieser Zeit.

Gratulation dem Spiegel zum 75.
(auch wenn ich mich über diesen eine lange Zeit geärgert habe.)
 
Der taz-Redakteur Ulrich Gutmair tut dies, nicht die taz, die ansonsten sowenig eine Person ist, wie der Redakteur Gutmair den SPIEGEL als geschlossene, rechenschaftspflichtige Persönlichkeit behandelt.

Der SPIEGEL war und ist ein Wochenmagazin. Die Anfänge bis etwa zur Spiegel-Affäre 1961/1962, hm...und die danach einsetzende Entwicklung, die bei manchen zum Irrtum der Einschätzung einer linksliberalen oder gar sozialdemokratischen 'Ausrichtung' führten. Geschenkt (was den Irrtum betrifft).

Die durchaus typische taz-Nörgelei des Artikels und der moralische Zeigefinger aus einem 'Spätgeborenen'-Presseorgan wie der taz macht sich an mangelnder selbstkritischer, eigener Vergangenheitsaufklärung des SPIEGEL fest. In der Sache zutreffend wie schon lange bekannt und an und für sich keine Aufreger, wenn man nicht primär politisch-moralische, 'kritische' Maßstäbe der jüngeren Zeit anwendet, statt es entlang einer 75 jährigen Geschichte vermehrt mit einer vorsichtigen historischen Kontextualisierung zu versuchen, ist es an der Sache, einem Wochenmagazin, einem privatwirtschaftlichen Presseerzeugnis gegenüber eher wenig angebracht, in Analogie zu den neuen/neuesten wissenschaftlich geleiteten Projekten einer historisch-kritischen Vergangenheitsaufklärung bei diversen hohen staatlichen Behörden mit Vorgängern/Vorläufern auf der Zeit vor 1945 eine analoge selbstkritisch-aufklärerische Vergangenheitsuntersuchung zu verlangen.
Bilde ich mir ein ;)

Wie so viele zeitweilig 'Superkritische', hatte Rudolf Augstein durchaus Phasen, vor allem in späteren Jahren, die eine nationale bis national-liberale Orientierung durchaus spürbar machten.

Und seit 1971 erscheint in der Spiegel-Gruppe das Manager Magazin, seit 1979 auch der Harvard Business Manager.
Außerdem hat das Wochenmagazin 'Focus' seit Gründung dem SPIEGEL reichlich LeserInnen wie vor allem Anzeigenaufträge abgenommen. Was sich inzwischen in der Papierdicke, dem Druckbild, im Umfang usw. stark bemerkbar macht - besonders im Vergleich zu Ausgaben beispielsweise aus den 1970ern...;)
 
Wie so viele zeitweilig 'Superkritische', hatte Rudolf Augstein durchaus Phasen, vor allem in späteren Jahren, die eine nationale bis national-liberale Orientierung durchaus spürbar machten.

Augstein ist sich immer treu geblieben, von 1952 ("Ein Lebewohl den Brüdern im Osten") bis 1989: "Meinungen, ein wenig verschieden". Da heißt es:

Erich Kuby hat mich kürzlich einen Nationalisten genannt, und das bin ich auch, wie Mitterrand und Thatcher, um ganz hoch zu greifen. Lieber allerdings lasse ich mich als Patrioten bezeichnen, diesen Begriff habe ich in aller Subtilität vor 40 Jahren von Carlo Schmid geerbt. Damals schimpfte man mich »Kommunist«, weil ich als einer der ganz wenigen die Gebiete jenseits der Oder und Neiße auf immer abgeschrieben hatte.
 
Ob sie zu harsch ist, weiß ich nicht.
Überzeugend finde ich sie nicht.
So wie ich es verstehe bezieht sich die Kritik auf den frühen Spiegel und legt nahe dieser habe eine "Kampagne zur Rehabilitierung der Täter" des alten Staates begonnen. Insbesondere auch dadurch, dass z.B. der frühere Gestapochef Rudolf Diels für den Spiegel zum Thema Nazizeit schreiben durfte.
Ob man von einer Kampagne sprechen kann, müsste genauer beleuchtet werden. Was die TAZ nicht tut, soweit ich das überblicke.
Das größte Problem des taz-Artikels ist, dass er nicht sagt, was ist oder war. Der Name Diels wird genannt, aber welche "Legende" er im Spiegel verbreitet hat, wird einfach nicht ausformuliert. Schade.

Viele Aspekte der Nazi-Zeit waren in der Nachkriegszeit nicht allgemein bekannt und das gilt insbesondere jene Vorgänge, die schon während der Nazi-Zeit geheim gehalten wurden. Diels hat mit seinen Artikeln im Spiegel einiges zur Aufklärung beigetragen. Ob Aufklärung zum Thema Reichstagsbrand und Röhm-Putsch ohne Zutun ehemaliger Gestapo-Mitarbeiter möglich gewesen wäre? Ich denke nicht.
 
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