Wie wurden eigentlich die Juden damals daran gehindert, Geschäfte und Restaurants zu betreten?
Der gelbe Stern war ja 1933 noch nicht eingeführt, also wie prüften Geschäftsinhaber und Wirte, ob jemand jüdisch war? Ließen sie sich bei jedem der in das Restaurant/Geschäft wurde, den Ausweis zeigen?
und stand damals schon im Ausweis, welche Religion jemand hatte?
In der Gastronomie- und Tourismusbranche, aber nicht nur dort, ist auch von einem hohen Maß von vorauseilendem Gehorsam auszugehen. Lokalblätter etwa aus Borkum, Sylt oder anderen Seebädern jubelten darüber, dass weniger Juden sichtbar vorhanden waren, wenn man nicht gleich in eigener Initiative versuchte, dafür zu sorgen, dass sie "judenfrei" wurden. Viele Gastwirte hängten Schilder auf, dass Juden unerwünscht waren.
Durch den Ausbau der Organisation "Kraft durch Freude" wurde Deutschland stärker touristisch erschlossen. Viele Bürger, die sich früher keine Reisen leisten konnten, machten Gebrauch von dieser Möglichkeit, und viele machten die ideologische Berieselung eher oberflächlich mit. Die Veranstalter achteten natürlich darauf, die Akteure auf Linie zu bringen, und Gastwirte, Hoteliers, Pensionsbesitzer passten sich natürlich dem Zeitgeist an.
Manche Juden verstanden die Welt nicht mehr. In Nord- und Mittelhessen gab es viele Juden, mehr, als im Reichsdurchschnitt. Viele Holocaustüberlebende berichten, dass ihr Zusammenleben vor 1933 relativ harmonisch war, nach 1933 aber Nachbarn plötzlich nicht mehr grüßten, den Kontakt abbrachen.
Hans Frankenthal berichtete, dass er mit seinen Brüdern ein Schwimmbad besuchen wollte. Der Bademeister war ein Freund des Hauses, dessen Schwester war Kindermädchen in der Familie Frankenthal und hatte die Söhne praktisch aufgezogen. Der Bademeister warf aber die Frankenthals raus, erklärte, dass Juden in deutschen Schwimmbädern nichts zu suchen hätten.
In kleineren Städten wusste man in der Regel, wer Jude war. In praktisch jeder deutschen Stadt hätte man nach 1933 Schilder, Hinweise gefunden, dass ein Lokal, eine Parkbank, ein Ort, eine Grünanlage, ein Schwimmbad, ein Kino, der deutsche Wald Juden verboten war, dass sie unerwünscht waren. Von 1933-35 wurden Juden aus den freien Berufen, aus der Beamtenschaft entfernt. Viele Zeitgenossen schienen nach 1933 davon überzeugt, dass Schulden bei Juden nun null und nichtig waren. Es wurde für Juden enorm schwer, Außenstände bei "arischen" Volksgenossen einzutreiben. In Nordhessen wurden einem jüdischen Metzger von SA-Leuten und Dorfbewohnern Schächtmesser gestohlen. Das zuständige Gericht verfügte die Herausgabe. Das war 1933, 1935 wäre ein solches Urteil schon nicht mehr möglich gewesen. Nach 1935 wurde die Schraube immer weiter angezogen. 1938 mussten Juden zusätzlich die Namen Israel und Sara annehmen, es wurde ihnen nach und nach untersagt, Kraftfahrzeuge oder Waffen zu halten oder zu führen, optische Geräte außer einer Brille zu besitzen, den Fahrstuhl zu benutzen, Luxusartikel zu besitzen. Tee, Kaffee, Tabak, Schokolade, Benzin oder Alkohol zu kaufen, wurde für Juden immer schwieriger, zuletzt völlig unmöglich.
Bis zur Kennzeichnungspflicht in Papieren war es Juden noch möglich, mal ein Kino, Lokal oder Restaurant inkognito zu besuchen. Im Laufe der Zeit wurden das aber immer weniger Juden, die sich so etwas noch leisten konnten. Etliche Lokale, die früher liberal waren, wurden arisiert, gleichgeschaltet oder ihre Inhaber passten sich dem neuen "Zeitgeist" an. Juden mussten aber immer damit rechnen, dass sie gefragt wurden, ob sie arisch seien, dass sie in entwürdigender Weise kontrolliert wurden, dass ihnen Schilder, Notizen etc. auf Schritt und Tritt mitteilten, dass sie unerwünscht sind.
Besonders krass war der Umschwung in Österreich. Das, was in Deutschland fünf Jahre gedauert hatte, geschah in Österreich 1938 praktisch über Nacht.