Warum wurden die polnischen Interessen nicht berücksichtigt?

Stalin hat das östliche Polen schon 1943 zugestanden bekommen.

Dein Hinweis mit den Nebendiskussionen lass ich nicht gelten.
 
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War sie das denn?
Warum hätte Polen 1919 die ihm "zugewiesene" Ostgrenze akzeptieren sollen? Welches Recht hatten Lord Curzon, Großbritannien und die Westalliierten denn überhaupt, Polen eine Ostgrenze "zuzuweisen"? Das eben wiedererstandene Polen war kein von ihnen besiegtes Land. Die "Curzon-Linie" war auch nie eine völkerrechtlich festgelegte oder gar anerkannte Grenze, da sie von Polen nicht akzeptiert wurde (und auch nicht etwa von einem anerkannten Schiedsgericht festgelegt worden war), sondern einfach nur ein Versuch einer Aufoktroyierung.

Polen war kein besiegtes Land, Polen haben ja auch auf beiden Seiten im Weltkrieg gekämpft. Pilsudski hatte sich mit seiner Polnischen Legion u. a. im Rahmen der Brussilow-Offensive auf Seiten der Mittelmächte ausgezeichnet. Polen war vor 1918 nicht einmal ein souveräner Staat gewesen. Polens Anteil, am Sieg über die Mittelmächte war ein äußerst bescheidener gewesen. Es war keine der Siegermächte von 1918. Polen war kein besiegtes Land, es war nur auf Kosten der Besiegten des Weltkriegs entstanden, auf Kosten der Donaumonarchie, Russlands und des Deutschen Reichs. Es verdankte seine Existenz einzig und allein den Siegermächten des 1. Weltkriegs und seine Expansion weit über die Grenzen hinaus, in denen Polen die Bevölkerungsmehrheit stellten, verdankte es der kurzzeitigen Schwäche Deutschlands und Russlands.

Der Vorschlag, Polen innerhalb der Grenzen von Kongresspolen zu belassen war vernünftig, und die Polen hätten durchaus gut daran getan, die Curzon-Linie als Staatsgrenze anzuerkennen.
 
Und der andere Verbrecher wird entlohnt.
Nein.

Ich kann deinem Szenario nicht folgen. Entweder werden beide Aggressoren "bestraft" oder beide eben nicht.
Darum geht es nicht. Es geht darum, dass die Verbrechen von B die von A nicht weniger verbrecherisch machen.
Wenn ich dir eine Geldbörse klaue und du verprügelst mich zwei Wochen später, dann werde ich wegen der geklauten Geldbörse belangt und du wegen der Prügelattacke. Ich darf die Geldbörse aber nicht behalten. Deine Körperverletzung - egal wie massiv sie ausfällt - hebt meinen Diebstahl nicht auf. Das wird auch strafrechtlich (natürlich gibt es Grenzen der Vergleichbarkeit) nicht in einem Prozess behandelt, sondern in zweien, selbst, wenn deine Prügelattacke durch meinen Diebstahl motiviert war. Allenfalls könnte mein Diebstahl - weil er ja vorher war - von dir als strafmildernd ins Feld geführt werden, umgekehrt aber nicht.

Die Curzon-Linie kann man als Rechtsgrundlage in Frage stellen.
Diese Grenze wurde einfach, ohne Beteiligung der polnischen Regierung oder polnischer Interessenvertreter einfach festgelegt.
Das mag ja sein, tut aber nichts zu Sache. Sie ist - einmal festgelegt - gegen die Rechtssicherheit der östlichen Anrainer Polens zu Ungunsten derer nach Osten verschoben worden. Darum geht es 1945. Die Briten und Franzosen waren nicht schuld daran, dass die Kaiser- und Königreiche Preußen, Österreich, Russland Polen seit dem 18. Jhdt. zerpflückt hatten.
Polen hatte 1919 mehr Fläche erhalten, als 100 Jahre zuvor. Das war - zynisch gesprochen - ein Zugewinn. Sicher nicht das, was manche Polen sich in Anbetracht der Größe der polnisc-lithauischen Union vorstellten.


Überhaupt gar nicht. Du siehst den polnischen Raub sehr kritisch, den/die russischen hingegen nicht; im Prinzip rechtfertigst du diesen Gewaltakt, diese Aggression Stalins mit dem Hinweis auf die umstrittene Curzon Linie.
Nö. Ich unterwerfe nur meine Rechtsauffassung nicht meiner Antipathie für Stalin.

Die Polen sind mir viel näher, meine Lebensgefährtin ist 1985 aus Polen gekommen, weil meine Schwiegereltern aus Polen flohen (vor dem Jaruzelski-Regime, mit Aussicht auf Nimmerwiedersehen und auch Hinterlassen von Familie und Grundbesitz, 1989 war nicht vorauszuehen). Ich habe also schon aus schwiegerfamiliären Gründen weder einen Grund, irgendein Ostblockregime zu verharmlosen, noch den Polen was Böses zu wollen.


Die Russen haben auch und ohne Ende in ihrer Geschichte fremde Territorien geraubt und sind dafür von niemanden zur Rechenschaft gezogen wurden. Als ob es in der Geschichte noch nie Kriege gegeben hätte, in denen am Ende keine territorialen Abtretungen standen.
Da sind wir wieder bei den Verbrechern. Das Verbrechen von Verbrecher A wird durch das Verbrechen von Verbrecher B nicht gemindert, selbst wenn A das Opfer von B ist. Warum verstehst du diesen einfachen Sachverhalt nicht? Oder anders gefragt: Warum argumentierst du immer wieder auf dieser Ebene?

Aber nach deiner Logik war denn ja die Zusammenarbeit Mannerheims Finnland mit Nazideutschland gerechtfertigt; denn dieser wollte ebenfalls sein Territorium zurückholen. Tja, aber Finnland bekam Ostkarelien nicht zurück. Dein Beispiel funktioniert also nicht. Und es gibt andere Beispiele; sage bitte nicht das gehört nicht zum Thema. Doch, denn dieser Komplex gehört zusammen und illustriert deine Sicht der Dinge. Jedenfalls kamen die Sowjets auch hier mit ihrer Eroberung durch.
Ich merke wohl, dass du meine Beiträge nicht ordentlich liest.
Noch mal. Es ging um die Garantien, die Frankreich/GB Polen gegeben hatten.
Polen sei, so die Eingangsthese, 1945 von GB/FRankreich "verarscht" worden. Nein! Die Garantien gingen von einem Angriffskrieg Deutschlands aus und waren gegen diesen deutschen Angriffskrieg gerichtet. Sie wurden auch wahrgemacht, wenn das auch Polen nichts half und zu einem Sitzkrieg an der Westfront führte.
Gegen die SU waren die Garantien nicht gegeben worden.
Hinzu kommt, dass Polen der SU 1919 - 1921 Territorien geraubt hatte. Darauf konnte sich Stalin 1945 berufen. Dass Stalin selber ein Kriegsverbrecher war, tut da nichts zur Sache. Und weiterhin bleibt die Frage nach der historischen Alternative unbeantwortet. Was hätten Frankreich und Großbritannien tun sollen, um Polen die Ostgrenze von 1921 - 1939 garantieren? Welche andreren realpolitischen Möglichkeiten hätten sie gehabt und ggf. auch gegenüber ihrer Bevölkerung nach sechs Jahren Krieg gegen Deutschland durchsetzen können? Gegen ein schier unendliches Land, das es sich hatte leisten können, in Stalingrad das zehnfache an Soldaten zu verheizen, was den Deutschen zur Verfügung gestanden hatte?

Auch das unendliche Leid durch diese willkürliche gezogene Grenze in Teheran würdigst du bis überhaupt nicht. Kollateralschaden?
Du moralisierst schon wieder. Wir sprechen hier nicht über Moral, sondern über Recht und darüber, ob GB/Frankreich die Polen "verarschte".
Nein, Großbritannien hielt sich an die Pariser Vorortverträge.

Die Rechtsgrundlage ist umstritten!
Dann verstehe ich dein Problem nicht. GB hat der Siegermacht SU das garantiert, was ihr 1919 zugesprochen war und was dem Lokalmatador in Osteuropa 1945 eh realpolitisch nicht abspenstig zu machen war.

Aber gut, moralisieren wir halt. Da ist das Land mit den meisten Todesopfern in Europa (sowohl zivil, als auch militärisch), das eben einen Krieg, der von Seiten der deutschen Aggressoren mit bisher unbekannter Brutalität (nicht das Kriege immer brutal wären, aber normalerweise werden auch brutale Kriege nicht mit er Absicht, eine Bevölkerung aus rassistischen Gründen aus der Geschichte zu tilgen geführt) siegreich beendet hat und dabei die meiste Last getragen hat, ja, GB und Amerika immer wieder angemahnt hat, eine zweite Front in Europa, eine Westfront zu errichteten. Dieses Land hat dabei eine Reihe kleinerer Länder, die entweder mit Deutschland verbündet waren besiegt oder solche, die von Deutschland besetzt waren, befreit. Eines dieser befreiten Länder hatte seinerseits etwas mehr als 20 Jahre zuvor einen Krieg gegen dieses Land geführt und ihm dabei Territorium abgenommen. Dieses kraftstrotzende Land, was durchaus ein objektives Recht auf dieses Territorium hat und nun auch etwas vom Siegerkuchen abhaben will, soll nun zu Gunsten des von ihm befreiten Landes auf sein von dem befreiten Land geraubtes Territorium verzichten? Das wäre doch ziemlich gemein von den Westalliierten, ihm das vorzuenthalten, oder?

Aber die Aggressionen und Übergriffe auf andere Nationen, insbesondere im vorliegenden Fall auf die polnische Nation, gehören zu einer halbwegs fairen Bewertung mit dazu und das möchtest du nicht gelten lassen. Du beziehst dich auf eine umstritten Curzon-Linie und blendest alles andere aus. So geht das aber nicht.
Nein, ich blende das nicht aus. Ich sag es noch mal: Stalin'sche Kriegsverbrechen gegen Polen, seien sie 1939/40 gegen die polnischen Offizieren und Intelligenz oder 1944/45 gegen die Armia Krajowa gerichtet gewesen, sind für die rechtliche Bewertung der Grenzziehung 1945 nicht von Belang. Ich blende sie nicht aus. Ich habe sie sogar genannt. Sie sind nur in dieser Frage nicht von Relevanz. Zumal Katyń zum fraglichen Zeitpunkt noch gar nicht als sowjetisches Kriegsverbrechen galt und die Verbrechen an der AK/am polnischen Widerstand z.B. 1943 noch gar nicht stattgefunden haben konnten.
 
Der Vorschlag, Polen innerhalb der Grenzen von Kongresspolen zu belassen war vernünftig,
Kongresspolen? Meinst du das ernst? Das wäre ein Polen ohne das (Großherzogtum) Posen und ohne Krakau, das während der Zeit von Kongresspolen unabhängig war - vergleichbar mit Danzig zur Zwischenkriegszeit - und 1846 zu Österreich kam.
In Posen wurde 968 der erste polnische Bischofssitz geschaffen. Krakau ist die traditionelle Krönungsstadt Polens.

Teile von Kongresspolen (nördlich von Białystok, westlich Grodno) lagen hingegen auch östlich der Curzon Linie.
Karte_kongresspolen.png
 
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Sind solche Diskussionen nicht wirklich für die Katz, irgendwelche Rechtfertigungen für Besitzansprüche findet man in fast jedem Konflikt und für jede Seite.
 
Sind solche Diskussionen nicht wirklich für die Katz, irgendwelche Rechtfertigungen für Besitzansprüche findet man in fast jedem Konflikt und für jede Seite.
Es geht in dieser Diskussion nicht um irgendwelche revisionistischen und irredentistischen Ideologien, sondern um die Frage, warum die Westalliierten 1945 der polnischen Westverschiebung zustimmten.
 
Kongresspolen? Meinst du das ernst? Das wäre ein Polen ohne das (Großherzogtum) Posen und ohne Krakau, das während der Zeit von Kongresspolen unabhängig war - vergleichbar mit Danzig zur Zwischenkriegszeit - und 1846 zu Österreich kam.
In Posen wurde 968 der erste polnische Bischofssitz geschaffen. Krakau ist die traditionelle Krönungsstadt Polens.

Teile von Kongresspolen (nördlich von Białystok, westlich Grodno) lagen hingegen auch östlich der Curzon Linie.
Karte_kongresspolen.png

Stimmt, Posen war durch die 2. Polnische Teilung an Preußen gekommen, und das westliche Galizien war von Österreich annektiert worden. Krakau war die alte polnische Hauptstadt und Krönungsstätte der polnischen Könige. Ich hatte das nicht auf dem Schirm.
 
Die Curzon-Linie kann man als Rechtsgrundlage in Frage stellen.
Diese Grenze wurde einfach, ohne Beteiligung der polnischen Regierung oder polnischer Interessenvertreter einfach festgelegt. So entstand eine reichlich umstrittene Grenze in Europa

Betrachten wir das mal von einer anderen Seite. Ob der Vorschlag nun glücklich war oder nicht, die Briten hatten ihn einmal gemacht und darauf konnte man sie festnageln.
Sie hatten 1919 einmal definiert, was sie für Polen hielten und wenn sie 1943 das komplett revidieren wollten, hätten sie das begründen müssen. Womit?
Damit das Polen zwischenzeitlich weitere Gebiete militärisch erobert hatte?
Wäre das jetzt moralisch besser gewesen auf diesem Wege polnische Eroberungen zu sanktionieren, als sowjetische?
 
Am Ende geht es eben um das Gesamtgebiet zwischen Lithauen und Rumänien, dass Piłsudski sich östlich der Curzon-Linie einverleibt hatte, Ich will auch nicht die Pariser Vortortverträge als die ultima ratio verkaufen. Es ist nun mal so, dass Stalin 1945 das zugestanden wurde, was der SU eh gehörte und zwar sowohl nach den Fakten von 1945 als auch nach den Verträgen von 1919.
In welchem Vertrag hat Polen 1919 die Curzon-Linie anerkannt?

Im Übrigen "gehörte" Russland bis 1917/1918 faktisch auch Kongresspolen. Hätte man vermeiden wollen, dass es etwas verliert, was ihm "gehörte", hätte man den neuen polnischen Staat auf ein zusammengestückeltes Territorium aus dem ehemals österreichischen Galizien und dem ehemals deutschen Posen und Westpreußen beschränken müssen.
Die Frage war also gar nicht, ob Russland etwas verliert, das ihm "gehörte", sondern nur wie viel es verliert.

Und wenn wir schon beim "Gehören" sind: Östlich der Curzon-Linie lagen auch Gebiete, die bis 1918 zu Österreich gehört hatten und dann nach einem ukrainischen Zwischenspiel an Polen fielen. Wieso hätten diese Gebiete plötzlich Sowjetrussland "gehören" sollen?

Das mag ja sein, tut aber nichts zu Sache. Sie ist - einmal festgelegt - gegen die Rechtssicherheit der östlichen Anrainer Polens zu Ungunsten derer nach Osten verschoben worden.
Natürlich tut das etwas zur Sache. Man kann doch nicht einfach über die Köpfe eines Staates hinweg dessen Grenze bestimmen und dann verlangen, dass er sie bitteschön gefälligst zu akzeptieren hat.

Ein Vertrag kann zwischen zwei (oder mehr) Vertragsparteien geschlossen werden, auch zu Gunsten Dritter, aber nicht zu Lasten Dritter.

Stell Dir vor, Hinz und Kunz aus Deiner Gegend legen einfach die Grundstücksgrenze zwischen Dir und einem Nachbarn neu fest. Würdest Du Dich daran gebunden fühlen?

Hinzu kommt, dass Polen der SU 1919 - 1921 Territorien geraubt hatte.
Territorien, die Russland Ende des 18. Jhdts. Polen geraubt hatte.
Natürlich kommt man auf keinen grünen Zweig, wenn man immer weiter in die Vergangenheit zurückgeht. Aber warum sollen die von Russland Ende des 18. Jhdts. Polen aus einer Position der Stärke heraus geraubten Gebiete rechtmäßig Russland gehört haben, die von Polen 1919-1921 Russland aus einer Position der Stärke heraus wieder abgenommenen Gebiete aber nicht rechtmäßig Polen?
(Und auch hier wieder mein Hinweis, dass auch Gebiete betroffen waren, die bis 1918 Russland gar nicht gehört hatten, sondern Österreich, bei denen also der Kriegsverlierer Russland - wenn er sie behalten dürfen hätte - lediglich Nutznießer der nachfolgenden Niederlage Österreich-Ungarns gewesen wäre.)
 
Und der andere Verbrecher wird entlohnt. Ich kann deinem Szenario nicht folgen. Entweder werden beide Aggressoren "bestraft" oder beide eben nicht. Die Curzon-Linie kann man als Rechtsgrundlage in Frage stellen.
Diese Grenze wurde einfach, ohne Beteiligung der polnischen Regierung oder polnischer Interessenvertreter einfach festgelegt. So entstand eine reichlich umstrittene Grenze in Europa, nicht die einzige umstrittene in Folge der Pariser Vorortverträge, die dann reichlich Leid über die Menschen brachte.


Überhaupt gar nicht. Du siehst den polnischen Raub sehr kritisch, den/die russischen hingegen nicht; im Prinzip rechtfertigst du diesen Gewlatakt, diese Aggression Stalins mit dem Hinweis auf die umstrittene Curzon Linie.
Die Russen haben auch und ohne Ende in ihrer Geschichte fremde Territorien geraubt und sind dafür von niemanden zur Rechenschaft gezogen wurden. Als ob es in der Geschichte noch nie Kriege gegeben hätte, in denen am Ende keine territorialen Abtretungen standen.

Aber nach deiner Logik war denn ja die Zusammenarbeit Mannerheims Finnland mit Nazideutschland gerechtfertigt; denn dieser wollte ebenfalls sein Territorium zurückholen. Tja, aber Finnland bekam Ostkarelien nicht zurück. Dein Beispiel funktioniert also nicht. Und es gibt andere Beispiele; sage bitte nicht das gehört nicht zum Thema. Doch, denn dieser Komplex gehört zusammen und illustriert deine Sicht der Dinge. Jedenfalls kamen die Sowjets auch hier mit ihrer Eroberung durch.

Auch das unendliche Leid durch diese willkürliche gezogene Grenze in Teheran würdigst du bis überhaupt nicht. Kollateralschaden?




Natürlich war es das. Wilson war in Paris einfach zu schwach und nachgiebig gegenüber Frankreich und Großbritannien. Hier sind wir einer Meinung.




Die Rechtsgrundlage ist umstritten! Nein keine Themenvermischung. Berechtigte weiterführende Hinweise, die in den Kontext durchaus ihre Berechtigung haben.





Das Gleiche könnte ich dich fragen.



Aber die Aggressionen und Übergriffe auf andere Nationen, insbesondere im vorliegenden Fall auf die polnische Nation, gehören zu einer halbwegs fairen Bewertung mit dazu und das möchtest du nicht gelten lassen. Du beziehst dich auf eine umstritten Curzon-Linie und blendest alles andere aus. So geht das aber nicht.

Es ist nun einmal so, dass Interessen von Nationen nicht nach moralischen, sondern nach politischen Gesichtspunkten entschieden werden. Das kann man natürlich bedauern.

Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass GB sich nicht mit der SU, nicht mit Stalin hätte verbünden dürfen. Die Alternative bestand dann darin, Hitler gewähren zu lassen.

Die Westmächte waren, als GB recht mutig, Frankreich nolens volens Polens staatliche Souveränität garantierten, da waren sie doch längst nicht wirklich kriegsbereit. Das konnte doch nach Lage der Dinge nur ein Warnschuss für Hitler sein, jetzt keine Erpressungen mehr zu dulden. Hitler rechnete nicht damit, dass sie es ernst meinten. Chamberlain erklärte Hitler den Krieg, Frankreich folgte. Nach dem, was wir heute wissen, hätten die Westmächte, wenn sie während des Sitzkriegs, ein paar Divisionen riskiert hätten, der Wehrmacht große Schwierigkeiten gemacht. Nach dem Polen-Feldzug war die Wehrmacht klamm an Munition.

Frankreich war nicht für eine Offensive vorbereitet, am wenigsten psychisch -moralisch, und dass GB sich 1940-41 halten konnte, war viel. GB war 1939 kaum und 1943 erst recht nicht in der Lage, Polens Souveränität in den Grenzen von 1939 garantieren zu können.



1. Man Polen tatsächlich nur die Curzon-Linie zugesichert hatte
2. Wie sollte GB bei der politischen und militärischen Lage der SU erklären, dass sie zugunsten Polens auf Gebiete verzichten sollte, auf die die SU durchaus begründete Ansprüche erheben konnte?
3. Die 2. Polnische Republik war mit allen ihrer Nachbarn aneinandergeraten in bewaffnete Grenzkonflikte verwickelt. Im Hinblick auf eine künftige Friedensordnung in Europa, was sprach
4. vor diesem Hintergrund aus Sicht der Briten da überhaupt dafür, sich auf eine Wiederherstellung Polens in den Grenzen von 1939 überhaupt zu versteifen, wenn die Briten realpolitisch nichts, aber auch wirklich null, komma niente-nihil nothing-nix in der Hand hatten, dieser Forderung Nachdruck zu verleihen.
5.Wie hätte GB überhaupt begründen sollen, dass die Siegermacht SU auf Territorien verzichtet, die 1921 zur SU gehörten?
 
Im Übrigen "gehörte" Russland bis 1917/1918 faktisch auch Kongresspolen. Hätte man vermeiden wollen, dass es etwas verliert, was ihm "gehörte", hätte man den neuen polnischen Staat auf ein zusammengestückeltes Territorium aus dem ehemals österreichischen Galizien und dem ehemals deutschen Posen und Westpreußen beschränken müssen.
Die Frage war also gar nicht, ob Russland etwas verliert, das ihm "gehörte", sondern nur wie viel es verliert.
Eigentlich war das nicht die Idee. Die Idee war ja das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Nur ging man eben von ethnisch homogenen Siedlungsgebieten aus, was natürlich mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmte. Und inwieweit man in London, Paris oder Washinton Ruthenier, Weißrussen und Russen ethnisch voneinander unterschied, ist mir nicht bekannt.
 
Einen Unterschied zwischen 1919 und 1939/1945 sollte man überdies auch nicht übersehen. Polen hatte sich gegenüber Sowjetrussland nicht zur Akzeptanz der Curzon-Linie verpflichtet. Hingegen hatten Sowjetrussland und Polen 1921 den Friedensvertrag von Riga geschlossen. Natürlich erfolgte der Friedensschluss durch Russland nicht gerade freiwillig, aber das galt für die Verträge von Versailles, Saint Germain und Trianon ebenso. Stalin hatte also ebenso wenig (oder viel) Recht, den Vertrag gewaltsam zu revidieren, wie deutsche Politiker den von Versailles. Dazu kam später sogar noch ein Polnisch-sowjetischer Nichtangriffspakt.
 
Hier noch eine Karte, die die verschiedenen Grenzen Polens nach dem 1. Weltkrieg und nach dem 2. Weltkrieg sowie die Curzon-Linie und die deutsch-sowjetische Demarkationslinie zeigen:

622px-FronterasDePolonia19201947_de.svg.png



Grenzverläufe Polens zwischen 1918 und 1947.
Grüne Linie: von den Westalliierten am 8. Dezember 1919 als Demarkationslinie zwischen Sowjetrussland und der Zweiten Republik Polen verkündete, auf dem ethnographischen Prinzip basierende Curzon-Linie.
Blaue Linie: nach Ende des Ersten Weltkriegs bis 1922 durch Eroberungen Polens unter General Józef Piłsudski (Galizien 1919, Wolhynien 1921 und Wilna-Gebiet 1922) jenseits der Curzon-Linie zustande gekommene Grenze, die bis zum 17. September 1939 Bestand hatte.
Gelbe Linie: deutsch-sowjetische Demarkationslinie vom 28. September 1939.
Rote Linie: heutige Staatsgrenze Polens; links die Oder-Neiße-Linie.
Braune Fläche: von Polen nach Ende des Ersten Weltkriegs bis 1922 vorgenommene Gebietserweiterung, die zuvor von Sowjetrussland anerkannt worden war.
Pinke Fläche: von Stalin 1945 für Polen als Kompensation für den Verlust der Gebiete östlich der Curzon-Linie geltend gemachte Ostgebiete des Deutschen Reiches („Westverschiebung“).

Quelle: Curzon-Linie – Wikipedia

Zur Frage: was die polnischen Politiker dazu sagten, dass ihre Ostgebiete weg ware. Tja, welche Politiker sollten gemeint sein? Nach dem 2. Weltkrieg wurde ein pro-sowjetisches Regime installiert, die darauf hörten, was der große Bruder in Moskau sagt. Die Exilregierung im Westen war faktisch bedeutungslos.
 
In Polen ist gleichwohl die Einschätzung, dass Polen von den Westmächten verraten wurde weit verbreitet. Es ist ein Narrativ, der vor allem von konservativ-national gesinnten Polen vertreten wird.

Das stimmt. In Polen wurde von Historikern auch einmal die Alternative besprochen, was passiert wäre, wenn man zum Verbündeten von Hitler-Deutschland geworden wäre. Man hätte durch den Wiederstand viel höhere Opferzahlen und Zerstörungen in Kauf genommen. Als Verbündeter hätte man sich hiervon viel ersparen können. Aber man wäre natürlich zum Mittäter geworden.
 
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Das stimmt. In Polen wurde von Historikern auch einmal die Alternative besprochen, was passiert wäre, wenn man zum Verbündeten von Hitler-Deutschland geworden wäre. Man hätte durch den Wiederstand viel höhere Opferzahlen und Zerstörungen in Kauf genommen. Als Verbündeter hätte man sich hiervon viel ersparen können. Aber man wäre natürlich zum Mittäter geworden.

Mal davon ab, dass das ohnehin alles Spekulatius ist:

Wenn es den Nazis tatsächlich gelungen wäre, unbehelligt von den Westmächten die UdSSR zu zerschlagen und sich dort alles an Land und Ressourcen unter den Nagel zu reißen, was sie wollten, wie lange hätte es dann wohl gedauert, bis Polen trotzdem drann gewesen wäre?

Hitler hat ja nie die Vorstellung gehabt, ein auf Ewigkeiten saturiertes Deutsches Reich zu schaffen, sondern er hatte ausweislich seiner Schriften die Vorstellung mit einem großen Beutezug gegen die Sowjetunion das, was er für das "Raumproblem" hielt für 1-2 Generationen zu lösen.

Das schloss in seiner Konzeption nicht aus, dass danach aus NS-Auffassung heraus der nächste Beutezug nötig werden würde und so weiter.


Mal abgesehen davon, selbst wenn obiges nicht eingetroffen wäre, hätte man sich damit nicht zum Verbündeten, sondern zum Vasallen Deutschlands gemacht.
Nachdem Großbritannien und Frankreich bereits vorher Schwierigkeiten hatten in Osteuropa ihre Positionen effektiv durchzusetzen, um wie viel schwieriger wäre es ihnen gefallen, wenn Deutschland keinen Zweifrontenkrieg mehr fürchten musste und auf einen Großteil der Ressourcen der UdSSR hätte zurückgreifen können?
Polens Möglichkeiten sich gegen deutsche Ansprüche welcher Art auch immer zu wehren, wären dann gegen Null gegangen.

Die einzige realistische Art und Weise, wie Polen sich gegen Hitler-Deutschland effektiv hätte wehren können, hätte darin bestanden einen Ausgleich mit Moskau zu suchen.
 
Einen Unterschied zwischen 1919 und 1939/1945 sollte man überdies auch nicht übersehen. Polen hatte sich gegenüber Sowjetrussland nicht zur Akzeptanz der Curzon-Linie verpflichtet. Hingegen hatten Sowjetrussland und Polen 1921 den Friedensvertrag von Riga geschlossen. Natürlich erfolgte der Friedensschluss durch Russland nicht gerade freiwillig, aber das galt für die Verträge von Versailles, Saint Germain und Trianon ebenso. Stalin hatte also ebenso wenig (oder viel) Recht, den Vertrag gewaltsam zu revidieren, wie deutsche Politiker den von Versailles. Dazu kam später sogar noch ein Polnisch-sowjetischer Nichtangriffspakt.

Das Sowjetrussland prinzipiell kein Recht darauf hatte den Frieden von Riga mal eben gewaltsam zu revidieren ist sicherlich richtig.
Spätestens mit dem sowjetischen Beitritt zum Briand-Kellogg-Pakt 1929 erkannte Moskau ja auch noch einmal ganz prinzipiell an, dass Krieg kein legitimes Mittel sein konnte um in diesen Dingen die eigenen Ansprüche zu verwirklichen.

Die Frage ist aber, ob irgendetwas Großbritannien, Frankreich oder die USA dazu verpflichtete als Garantiemächte der Konditionden des Rigaer Friedens aufzutreten, denn darum geht es ja in letzter Instanz.
 
Wenn es den Nazis tatsächlich gelungen wäre, unbehelligt von den Westmächten die UdSSR zu zerschlagen und sich dort alles an Land und Ressourcen unter den Nagel zu reißen, was sie wollten, wie lange hätte es dann wohl gedauert, bis Polen trotzdem drann gewesen wäre? (...)

Ist ja alles schön und gut, es war ein Gedankenmodell aus polnischer Perspektive. Die Polen hatten große Verluste im Krieg, aus dieser Perspektive erklärt sich das Gedankenmodell. Selbst wenn sie mit den Deutschen als Bündnispartner den zweiten Weltkrieg verloren hätten, wären ihre Verluste wohl geringer gewesen. Mehr muss man dazu gar nicht sagen.
 
Es freut mich, dass mein Thema so viel Interesse hervorruft. :) Wie gesagt, es ging mir mal darum, auch die "polnische Perspektive" einzunehmen. Und das, wie gesagt, vor dem Hintergrund des Hitler-Stalin-Paktes.
Mir ist natürlich klar, dass eine "Verschiebung" eines Staates, nicht gleichzusetzen ist, mit seiner Zerschlagung! Oder gar seiner Vernichtung! So wie, es Hitler vorhatte! Aber, es bleibt die Tatsache, dass man in bester Großmachtmanier, über das Schicksal eines anderen, kleineren Volkes entschieden hat, ohne diesem eine Möglichkeit der Mitsprache einzuräumen. Und das halte ich, trotz der komplizierten Lage, für eine Unverschämtheit gegenüber den Polen. Immerhin, haben auch polnische Menschen ihren Beitrag geleistet, um Hitler zu besiegen.

Ich finde, der Anstand hätte es geboten, dass man die polnische Exilregierung, irgendwie an der Entscheidung beteiligt bzw. zumindest ihre Meinung einholt.
 
Das Problem bei derartigen Fragen ist immer, dass es letztlich doch immer wieder bei moralischen Fragen bzw. Schuldvorwürfen endet. Die Polen müssen halt damit zurecht kommen, dass neben ihrer Opferperspektive, auch immer eine Täterperspektive im Hinblick auf die Vertreibungen auf sie zukommt. Ein schlichtes Ausblenden reicht da nicht. So wie in der Nachkriegszeit in Deutschland die Opferperspektive überbetont wurde, und die Täterperspektive nicht verstanden wurde, braucht Polen einen vergleichbaren Entwicklungsprozess.
 
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