Reconquista und Conquista - Los Godos

Geschrieben nach Beitrag #38

Wo hat thurn die Lautverschiebung mitgemacht? Da steht 'th'. Woher weißt du, was Busbecq da meinte? Er hatte keine Lautschrift.

Und wieso Hochdeutsch? Mehrere Reisende, nicht nur Busbecq sprechen von Niederdeutsch als der ähnlichen Sprache, nicht Hochdeutsch.

Beim Fisch hat das Siebenbürger Deutsch ein 'a' als Vokal. Es gibt weitere Gegenbeispiele. Und woher kommen die Gotizismen?

Crimean Gothic - Wikipedia

Die Beispiele beweisen, dass es kein Siebenbürger-Deutsch ist. Zudem hat deine Annahme keinerlei Halt in Quellen und ist damit unhistorisch und darüber hinaus auch unnötig.

Im 9. oder 10. Jahrhundert ist eine Inschrift bezeugt, die nicht aus der Wulfila-Bibel stammt. Eigennamen sollen angeblich später noch vorkommen, aber da gebe ich sofort zu, dass Namen noch keine Sprache bezeugen. 550 bis 650 Jahre später behauptet unser Diplomat in Konstantinopel einen Sprecher getroffen zu haben und zeichnet ca. 80 Wörter auf. Um 1700 berichtet Kaempfer*, dass es - in heutiges Deutsch übersetzt - "noch viele deutsche Wörter" gebe. Mit deutsch meint er die im folgenden Halbsatz erwähnten Goten. Der Bischof Stanislaw 80 Jahre später zitiert anscheinend an der fraglichen Stelle vielleicht eher gelerntes - da gab es vor Jahren eine Diskussion. Wir haben also 600 bis 700 Jahre nach dem letzten Satz einzelne Wörter bezeugt. Das klingt doch ganz wie das Schicksal anderer völkerwanderungszeitlicher Sprachen, es sei denn, wir nehmen den sehr belesenen Bischof mit dem schwierigen Nachnamen wörtlich**. Viele Wörter verwandeln sich allerdings nicht plötzlich wieder in eine Sprache.

Im Gegensatz zum 19. Jahrhundert wissen wir zudem, dass es kein Gotisches Einheitsvolk und keine Gotische Einheitssprache gab. Wir wissen aber, dass zum Dunstkreis der Goten verschiedene Stämme gehörten. Eine Mischung benötigt dadurch keine weitere Erklärung, nach die Wissenschaft zur Zeit des älteren Gotenbildes suchen musste. Dazu reicht schon das Beispiel des ungeklärten Herulischen Dialekts als möglicher Einfluss.

Und dass sich Wörter über 600 Jahre lautlich unverändert halten, wird keiner annehmen. Hier sind Fragen zum sprachlichen Umfeld und dazu, ob bestimmte Änderungen naheliegen zu beantworten.

Dann kommen natürlich auch Fragen zu einem Einfluss späterer deutscher Zuwanderer oder Nachbarn oder Händler. Aber, wie gesagt, das Gotische im Krimgotischen zeigt für mich zwingend, dass es kein westgermanischer Dialekt ist, sondern der Wortschatz Wurzeln im Gotischen hat.

* Seine von ihm selbst erwähnte eigene umfangreichere Wortliste scheint nicht erhalten zu sein.
** Er scheint an der Stelle Akademie-Schriften zu zitieren, wie mir jemand erklärte.
 
Wo hat thurn die Lautverschiebung mitgemacht? Da steht 'th'. Woher weißt du, was Busbecq da meinte? Er hatte keine Lautschrift.
Anzunehmen ist, dass er ein aspiriertes -t- meinte (im Übrigen im Deutschen ganz typisch), eher unwahrscheinlich, dass er ein -þ- meinte. Aber ich lasse mich da gerne eines Besseren belehren, wenn du überzeugende Argumente vorbringen kannst.

Es es wäre schon seltsam, wenn sich bg. daga in kg. tag fortentwickelt hätte, gleichzeitig aber bg. daura in kg. þurn, oder? Das würde schon einer Erklärung bedürfen, dass derselbe gotische Laut (anlautendes -d- vor Vokal) mal zu /t/ (exakt wie Deutschen!), mal zu /θ/ (-þ-) sich wandelte. Daher ist anzunehmen, dass es sich beide Male, egal ob -th- oder -t- realisiert, um denselben, wahrscheinlich aspirierten Konsonanten -t- handelt.



Viele Worte in Busbecqs Liste sind einfach mit Diakekten des Deutschen erklären oder auch mit anderen Sprachen.
Wenn ich dann in die Wortliste schaue, finde ich:

Eriten. Flere. - weinen
Schuualth. Mors. - Tod​

Der Tod ist im bg. dauþs, weinen und klagen im bg. gaunon jah gretan.


Zudem hat deine Annahme keinerlei Halt in Quellen und ist damit unhistorisch und darüber hinaus auch unnötig.
Du weißt schon noch, was eine Arbeitshypothese ist, oder? Eine Annahme muss keinen Halt in den Quellen haben, sie muss begründet sein (das ist sie durch die auffälligen Parallelen die das angebliche Kg. mit dem Nhd. aufweist) und sollte dann der Anlass dafür sein, Belege für oder wider ihr zu finden.
Nur weil etwas in den Quellen nicht belegt ist, ist es nicht deshalb gleich auch unhistorisch. Der überwiegende Teil der Menschheitsgeschichte ist sang- und klanglos in Vergessenheit geraten und findet sich in keiner schriftlichen Überlieferung dokumentiert. Es ist ja nicht so, dass ich wild phantasiert und mir irgendwelche Geschichten zusammengesponnen hätte, nein, ich habe überlegt, wem Busbecq begegnet sein könnte, der deutschsprachig auf der Krim siedelte. Nicht mehr und nicht weniger. Ich habe nicht gesagt „es waren Siebenbürgener Sachsen, basta!“, sondern dass es sich um die einzige mir bekannte deutschsprachige Gruppe, die zum fraglichen Zeitpunkt in relativer Nähe siedelte handelte.

Und dass sich Wörter über 600 Jahre lautlich unverändert halten, wird keiner annehmen.
Man wird aber feststellen dürfen, dass einige mutmaßliche Lautentwicklungen sehr stark an das Hochdeutsche erinnern. Und da muss man sich fragen, ob das Zufall ist, oder aber, ob man die kg. Hypothese verwerfen muss.

Hier sind Fragen zum sprachlichen Umfeld und dazu, ob bestimmte Änderungen naheliegen zu beantworten.

Aber, wie gesagt, das Gotische im Krimgotischen zeigt für mich zwingend, dass es kein westgermanischer Dialekt ist, sondern der Wortschatz Wurzeln im Gotischen hat.
Dann lass uns doch über einzelne Gotizismen diskutieren und speise mich nicht mit apodiktischen Belehrungen ab. Mit letzteren wirst du mich nicht überzeugen.
Welcher Gotizismus schwebt dir denn besonders vor?
 
Busbecqs Wortliste jedenfalls macht mir keinen zwingend gotischen Eindruck, es handelt sich um gemeingermanische Worte die wir problemlos mit Neuhochdeutsch verstehen und auch mit Englisch vergleichen können.

Er hat aber auch eine ganze Reihe Wörter aufgelistet, die ihm selbst fremdartig vorkamen ("et pleraque alia cum nostra lingua non satis congruentia usurpabat").
Darunter Schuos 'sposa' = 'Braut' (offensichtlich ein Druckfehler* für Schnos), hier ist zumindest noch ein sehr alter Lautstand bewahrt:
Schnur2 f. ‘Schwiegertochter’, ahd. snura, snora (8. Jh.), mhd. snu(o)r (auch snurche, snorche), mnd. snōre, snāre, mnl. snoere, aengl. snoru, anord. snør, snor, krimgot. schnos (germ. *snuzō). Außergerm. verwandt sind lat. nurus f., griech. nyós (νυός), aind. snusā (ie. *snusó̰-). Weitere Beziehungen sind ungewiß. Nhd. Schnur noch bei Luther, danach gilt es als „veraltet“ (Adelung) wird aber in Mundarten bewahrt.

Ein Gotizismus ist eventuell in Goltz (für Gold) zu sehen, das -tz würde hier (wie in tzo 'du') für gotisch -þ stehen.

"Es handelt sich um eine ursprünglich westgermanische Sprache, die in der välkerwanderungszeit im osteuropäischen Raum unter starken gotischen Einfluß geriet und sich in ihrer phonologischen Weiterentwicklung dieser Sprache anpaßte"
Ottar Grønvik, Die dialektgeographische Stellung des Krimgotischen und die krimgotische cantilena., Oslo/Bergen/Stavanger/Trømsø 1983

"In meiner Untersuchung von 1987 habe ich aufgrund einer Reihe von linguistischen Zügen das Krimgotische tentativ als ostgermanisch klassifiziert. Busbecqs krimgotisches Vokabular weist wesentliche Unterschiede zum Bibelgotischen auf, insbesondere phonologische Züge, die eine Abstammung de sKrimgotischen von der Sprache Wulfilas ausschließen. Das bedeutet aber nicht, daß diese Krimsprache nicht ostgermanisch sein könnte."
MacDonald Stearns, Das Krimgotische, in: Germanische Rest- und Trümmersprachen (Hrsg. Heinrich Beck), Berlin/New York 1989


* Es gibt einige offensichtliche Druckfehler, Stein für 'stella' muss sicherlich *Stern heißen, das Zahlwort fyuf wohl *fynf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Busbecqe sprach Niederdeutsch. Wahrscheinlich konnte er sowohl fränkisches als auch sächsisches Niederdeutsch verstehen. Es ist anzunehmen, dass er die erfragten Vokabeln so aufschrieb, wie er sie "verstand", also eine Interpretation überlieferte.

Sein Heimatdialekt war Flämisch. Er kannte aber sicher verschiedene Dialekte, und hat sich offensichtlich bemüht, das Gehörte bestmöglich zu transkribieren. Zum Zahlwort 'sieben' bemerkt er, es gleiche dem Flämischen und erlaubt sich bei dieser Gelegenheit einen Seitenhieb auf die Brabanter, die sich über den flämischen Dialekt mokieren.

Ganz sicher war ihm die flämische Aussprache dag für 'Tag' geläufig. Wenn er trotzdem Tag notiert, dann hat er wohl einen Ausspracheunterschied zu seinem Heimatdialekt gehört.

Schwer zu beurteilen ist die Aussprache seines Gewährsmanns. Dieser war nämlich "ortu et sermone Graecus", also nach Abstammung und Sprache ein Grieche, der über krimgotische Sprachkenntnisse verfügte.

MacDonald Stearns macht für einige Eigenheiten der Busbeqschen Wörterliste den krimgriechischen Akzent des Gewährsmanns verantwortlich.
 
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