Kampf um den "rechten Glauben" im frühen Christentum

T

Transgnostiker

Gast
Hallo liebe Gemeinschaft der Wissenden,

mein Anliegen in diesem Thread ist die Klärung einer für mich interessanten, aber schwer zu beantwortenden Frage:

Wir hatten im frühen Christentum ja die Strömung der sog. "Gnosis". Diese ging, kurz gesagt, von einer Trennung zwischen Schöpfer- und Erlösergott aus.

Soweit ich es als Laie kapiert habe, war diese Strömung eine Mischung aus Elemten des Christentums und der Philosophie Platons. Beispielsweise der Begriff Demiurg ist daraus entlehnt.

Jetzt meine Frage: Wie haben die Menschen der damaligen Zeit das alles überhaupt aufgenommen?
Hat der einzelne Gläubige überhaupt verstanden, ob er einer christlichen oder gnostischen Predigt oder einem Vortrag eines platonischen Philosophen zuhört?
War das für die einfachen Leute damals überhaupt wichtig?

Wurden Lehren wie das Christentum oder eben die Gnosis als Gleichnisse zur Popularisierung und Veranschaulichung verstanden oder glaubte man wortwörtlich an die Wahrheit?

Danke im Voraus für ihre Impressionen.

Gruß

Transgnostiker
 
Hat der einzelne Gläubige überhaupt verstanden, ob er einer christlichen oder gnostischen Predigt oder einem Vortrag eines platonischen Philosophen zuhört?
Der einzelne Gläubige wird sehr wohl gemerkt haben, ob die Dinge, die der Vortragende erzählt, zu den ihm vertrauten Lehren passen oder in eine ganz andere Richtung gehen.

War das für die einfachen Leute damals überhaupt wichtig?
Für die "einfachen Leute" wird wichtig gewesen sein, ob sie mit dem Vortrag etwas anfangen können.

Wurden Lehren wie das Christentum oder eben die Gnosis als Gleichnisse zur Popularisierung und Veranschaulichung verstanden oder glaubte man wortwörtlich an die Wahrheit?
Diese Frage verstehe ich nicht.
 
War das für die einfachen Leute damals überhaupt wichtig?
Vor allem erst mal das Glaubensleben und -erleben in der Gemeinschaft, die Glaubensrituale.

Die Idee oder das Glaubenspostulat beispielsweise, ein Gottessohn steigt herab auf die Welt, wird wie ein gewöhnlicher Mensch geboren, opfert sich mit dem Tode zur Erlösung der abgefallenen Menschheit, aufersteht und fährt wieder in den Himmel, von wo er in der Endzeit wiederkommt, das alles entwickelte sich in verbindlicher Reinform erst im Laufe der Jahrhunderte und war nun keine Vorstellung, die die 'einfachen' Menschen für das konkrete Glaubensleben brauchten.

Dabei tradiert schon die frühe Aussage 'Gottessohn' noch eine Hierarchievorstellung, die im folgend ab dem späten 4. Jahrhundert als häretisch eingestuft wurde.
 
Die Idee oder das Glaubenspostulat beispielsweise, ein Gottessohn steigt herab auf die Welt, wird wie ein gewöhnlicher Mensch geboren, opfert sich mit dem Tode zur Erlösung der abgefallenen Menschheit, aufersteht und fährt wieder in den Himmel, von wo er in der Endzeit wiederkommt, das alles entwickelte sich in verbindlicher Reinform erst im Laufe der Jahrhunderte und war nun keine Vorstellung, die die 'einfachen' Menschen für das konkrete Glaubensleben brauchten.

Also läuft es darauf hinaus, dass Mythen um Rituale herum erzählt wurden und die mehr "intellektuellen" Gemeindemitglieder diese Mythen dann interpretierten?
Die Frage ist erst gemeint.

Zumindest von Platon ist aus den Philosophiehistorikern bekannt, dass seine "platonischen Mythen" (Kugelmenschen, Menschen als Puppen, wo an verschiedenen Fäden gezogen wird) nicht wortwörtlich gemeint waren, sondern im übertragenen Sinne zu verstehen.

Ich habe mal gelesen, dass auch Plutarch davon sprach, dass die Geschichten über Götter nicht wortwörtliche Erlebnisse bedeuteten, sondern lediglich Gleichnisse.

Deshalb meine Frage, ob die antiken Christen oder eben die Gnostiker ihre Geschichten wortwörtlich verstanden oder eben nur als eine Veranschaulichung fürs gemeine Volk und die eigentliche Lehre war dann was anderes, wofür alles drum rum nur Metapher war.
 
Also läuft es darauf hinaus, dass Mythen um Rituale herum erzählt wurden und die mehr "intellektuellen" Gemeindemitglieder diese Mythen dann interpretierten?

Taufe, Abendmahl, Feier am Herrentag, eine ausgeprägt neue, stark persönliche wie verbindliche, recht strenge, teils asketisch wirkende Ethik, charismatischen Zusammenkünfte, ausgeprägtes Gemeinschafts- und Gemeindeleben, vom Heiligen Geist inspirierte, autoritative Reden und Predigten, anfangs eine gewisse Parusie-Erwartung, die wohl breit (tradierten) mündlichen Erzählungen der reisenden und missionierenden Apostel wie Petrus, Stephanus oder Paulus, schriftliche Zeugnisse wie die Paulinischen Briefe, die frühe Phase als Gruppen in den jüdischen oder im Umfeld der jüdischen Gemeinden...genug Auseinandersetzungen, wieweit die tradierten/überlieferten/fixierten jüdischen Gesetzte/Vorschriften/Traditionen auch weiterhin beachtet werden sollen und von wem.... so ähnlich war die Lage sicherlich verbreitet in den Hotspots im Römischen Reich des 1. Jh.

Doch schon damals gab es wahrscheinlich eben auch örtlich & regional erheblich variierende Ausprägungen.

Und schon vor Mitte des 2. Jh. findet man beispielsweise in Rom Gemeinden, welche bereits die 'Erzählungen der Apostel' als Teil des sich entwickelnden eigenkonfessionellen Schriftenbestand kennen...also wahrscheinlich mindestens die vier heute bekannten Evangelien-Erzählungen. Diese eigenkonfessionellen, neuen Schriften bilden allmählich einen anerkannten, aber noch nicht fest kanonisierten bzw. allgemeingültig festgelegten SchriftenCorpus, der sich noch ändert und diverse andere zirkulierende 'christliche' Schriften werden nicht aufgenommen bzw. wieder rausgenommen. Der wird mal das Neue Testament im 4. Jh. werden.

Eine Besonderheit ist sicherlich die frühe Entstehung episkopaler Strukturen und von Orten mit hervorgehobener Bedeutung/Autorität wie Rom, Antiochia, Alexandria usw. Stark damit verbunden ist das Auftreten jener apostolischen Väter und die Entstehung einer bischöflichen 'Theologenschicht'.
 
Die Frage war, inwieweit sich die Leute klar darüber waren, welche Form des Christentums der Missionar / Wanderprediger o.ä. vertrat. Ich denke, dass ganz grob gesprochen, die Leute das, was sie ansprach, als diejenige Form des Christentums anerkannten, und dass sie nicht wussten, was für einen Namen diese Form hatte, dass es diesen zunächst auch gar nicht gegeben hat, und dass es vor allem die Sprachgewalt und Anschaulichkeit des Missionars den Ausschlag gegeben hat. Valentinus, von dem ich gleich mehr erzählen will, besaß jedenfalls diese Sprachgewalt; Tertullian lobt "seinen imponierenden Geist und seine hinreißende Rednergabe". Die Gnosis hatte eine dualistische Gestalt, das Problem der Theodizee lag gewissermaßen am Ursprung dieser Denkrichtung und führte dazu, den verborgenen guten Gott vom bösen Demiurgen-Gott zu trennen. Wer von den Zuhörern wissen wollte, wo all das Böse herkam, das ihn tagtäglich belastete, der wird wohl eher zu einer gnostischen Richtung marschiert sein.
Ein Lehrer der Gnosis, Valentinus, hat z.B. jahrelang Gemeinden in Ägypten gegründet, und zwar als "christlicher Lehrer". Da gab es für die Gläubigen kein System der Theologie, wahrscheinlich war er für viele einfach der erste und einzige Prediger, wo sie zuvor keinen anderen gehört hatten.
Auseinandersetzung und theologischer Streit gab es dagegen in den großen Städten, vor allem in Alexandria, wo es jede Menge gebildeter Menschen gab, die die verschiedensten Strömungen des Christentums auseinanderhalten konnten. Oder in Rom, wo Valentinus als Lehrer hinkam, in die dortige Christengemeinde. Nur, diese Leute waren aber schon Christen und bemerkten schnell, dass V. etwas anderes lehrte als das, was sie kannten. Die Folge war Streit und Ausschluss V.s aus der Gemeinde (nach Epiphanios). Hier wusste man ganz offenbar, dass es sich hier um eine "Häresie" handelte. Wogegen Tertullian allerdings berichtet, V. lehrte "im Rahmen der allgemeinen Lehre". Offenbar ist der Bruch nicht so ganz klar, wie Epiphanios das zu wissen glaubt. Nach Tertullian kam es erst zum Zerwürfnis, als V. den verwaisten Bischofsstuhl des Hysginos' ergattern wollte, diesen erhielt aber ein Confessor namens Pius. Was ich damit zeigen will: die "Systeme" wurden a) nur von Gelehrten erkannt und verglichen und b) (macht)politische Faktoren spielten für die Spaltung von orthodoxen Christen und Gnostiker mit hinein.
Wieder ein Beispiel, dieses Mal Markion, ein anderer gnostischer Lehrer. Zunächst einmal ein orthodoxer Christ, nachdem er seine Reederei verkauft hatte und den Erlös "den Armen" schenkte, u.d.h der römischen Gemeinde. Über 3 Verse des Lukasevangeliums gerät er in Streit mit den Presbytern in Rom; zu der Zeit lebte aber auch Valentinus mit Schüler Kerdon in Rom, diesem nun schließt er sich an und erfährt jetzt erst, dass diese Lehre eine andere ist als die der Orthodoxen, dass es sich um Gnosis handelt, also um den Dualismus der beiden Götter, des Gottes Moses' und des Gottes Christi. Er nimmt diese Lehre auf und erweitert sie. Dieses Beispiel zeigt, dass das "Gnostische" erst im Laufe der Belehrung gefunden wurde, und dass zu dieser Zeit die Lehrmeinungen nebeneinander herliefen. Es war dann den persönlichen Vorlieben anheim gestellt, diese oder jene Lehre anzuerkennen.
 
Die Aussage, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, ist aber auch seit dem späten 4. Jahrhundert nicht häretisch.

Dabei tradiert schon die frühe Aussage 'Gottessohn' noch eine Hierarchievorstellung, die im folgend ab dem späten 4. Jahrhundert als häretisch eingestuft wurde.

War wohl ein Missverständnis Deinerseits, die Einstufung als häretisch bezog sich auf die Hierarchievorstellung.
...noch eine Hierarchievorstellung, die folgend ab dem späten 4. Jahrhundert als häretisch eingestuft wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das wäre aber doch merkwürdig: wenn die, würde ich sagen, immer gleiche Kernaussage des Christentums ein im späteren Verständnis häretisches Verständnis der Person Christi tradierte oder, wenn ich die Wortwahl recht verstehe, durchscheinen ließe.
 
Die Theologien zum Verhältnis Gott Sohn und Gott Vater wurden erst im Laufe der Jahrhunderte entwickelt, da man ja irgendwie den Monotheismus wahren wollte/sollte/musste und andererseits die Soteriologie immer wichtiger wurde und damit die möglichst 'große Göttlichkeit' von Jesus.

Und erst im späten 4. Jh. finden wir das Kunststück der Trinitätstheologie, in welcher von Gott Sohn und Gott Vater die gleiche Göttlichkeit behauptet wird (aus dem Nicaeno-Konstantinopolitanum)

Gott von Gott,
Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;​

Das war mindestens von Justin bis Arius so nicht gewesen.
Die Vorstellung, der Glaube der Subordination des Sohnes unter den Vater war Jahrhunderte weit verbreitet gewesen, neben anderen Lösungen wie dem Modalismus, Adoptianismus.

Bei Justin dem Märtyrer, wird in Apol 3.3. u.a. die Subordination so formuliert:

Und wir werden beweisen, dass wir mit Vernunft den verehren, der uns zum Lehrer dieser Dinge geworden und dafür geboren ist, Jesus Christus, der unter Pontius Pilatus, der zur Zeit des Kaiser Tiberius Statthalter Judäas wurde, gekreuzigt worden ist. Denn wir haben gelernt, dass er Sohn des wahrhaftigen Gottes ist und setzen ihn an die zweite Stelle und den prophetischen Geist an die dritte Position.
Hervorhebung von mir.
 
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