Linien - kreuz und quer durch die Geschichte - echte und eingebildete

Ogrim

Aktives Mitglied
Erstmal danke an Alle Mitdiskutanden, dass mir keiner meine schmachvolle Verwechslung von - born und - bronn vorgehalten hat. Es hätte im vorletzten Post #73 selbstredend - bronn heißen müssen.

Dann @dekumatland hat vorher noch nie jemand es notwendig gefunden, in meinem Beisein zu bezweifeln, dass Menschen in der Lage sind, Linien zu ziehen. Ich gehe davon aus, sogar der größte Teil der "Vormenschen" im Sinne älterer biologischer Entwicklungsstufen der aktuellen Hauptausprägung unserer Spezies war dazu in der Lage und verweise hierzu mal frech auf den Fund von Bilzingsleben. Oder Besser ohne Tante Wiki, damit Es nicht verloren geht.
Die eigentliche Frage, die Du aber damit aufgeworfen hast, ist die wie weit differenzierte frühgeschichtliche Gesellschaften solche Linien räumlich verfolgt/angelegt haben könnten. Und da befürchte ich nach Deinen Anmerkungen einen Denk Knoten bei Dir. Warum sollten die Häuptlinge/Big Man der Hallstattzeit nicht gemeinsam und in genauer Kenntnis der jeweiligen geographischen Gegebenheiten solche linearen Bezugssysteme angelegt haben? Wir wissen doch heute, dass sie in Sachen Infrastruktur noch ganz andere, schwerer zu bewältigenden Gemeinschaftsaufgaben erfolgreich abgeschlossen haben. Den Denkknoten erkenne ich weiter am rigorosen Hinweis darauf, dass etwas, was die Preußen im 18.Jahrhundert nicht geschafft haben, auch kein Anderer schaffen könnte. Mit Rücksicht auf die Tatsache, dass mal wieder März ist und dann auch noch der 175. seit die Preußen zum letzten Mal den Hut vor Anderen gezogen haben weise ich diese Überheblichkeit hier zurück. Unsere Geschichte ist keine blosse Aneinanderreihung gleiche Jahre vom ersten Grunzen zur Raumfahrt, sondern ein sehr komplexer Prozess, in dem die preußischen Kartographen des 18. Und frühen 19.Jahrhunderts sicher keinen Höhepunkt darstellten. Aber das ist wirklich ein anderes Thema, und selbst mit Rastatt in der Nähe hat es nichts mit dem Schwarzwald zu tun, soll also andernorts besprochen werden.

Und nun zurück zum Faden des andreas ...
 
Dann @dekumatland hat vorher noch nie jemand es notwendig gefunden, in meinem Beisein zu bezweifeln, dass Menschen in der Lage sind, Linien zu ziehen. Ich gehe davon aus, sogar der größte Teil der "Vormenschen" im Sinne älterer biologischer Entwicklungsstufen der aktuellen Hauptausprägung unserer Spezies war dazu in der Lage und verweise hierzu mal frech auf den Fund von Bilzingsleben.
@Ogrim ich könnte dich nun damit plagen, dass ich von dir einen Nachweis deiner Behauptung verlange - den wirst du nicht finden. Die Fähigkeit krumme, gerade und sonstige Linien zu ritzen oder zu zeichnen, steht hier nicht zur Debatte: das gelingt sogar einem vom Schwarzwälder Urkelten gejagten Tier, welches ein verletztes Bein nachzieht... insofern können wir unter diesen Unsinn einen dicken Schlußstrich ziehen wie Hanno im Familienbuch der Buddenbrooks :p:D

Du setzt stillschweigend eine hochkomplexe Kartografie (mit Entzerrung, exakten Maßstäben und allem zipp und zapp) voraus, für die es erstens keinen Nachweis gibt und die zweitens neuzeitliche Kartografie (z.B. Militärkarten des 18. Jh.) übertrifft und diese müsste, wenn es sie je gab, drittens völlig unbemerkt in Vergessenheit geraten sein (denn die Tabula peutingeriana wirkt dagegen geradezu dilettantisch) - das ist aus meiner Perspektive eine fantasievolle Rückprojektion.
 
Die Tabula Peutingeriana ist aber eine stilisierte Streckenkarte. Noch weiter getrieben kennen wir das von unseren modernen Streckenplänen im öffentlichen Nahverkehr. Die Karte des Ptolemäus ist ein besseres Beispiel.

Peilungen für einzelne Linien vorzunehmen ist nun aber etwas anderes als Karten anzufertigen und deutlich einfacher. Allerdings wird hier auf Ley-Linien abgestellt und gesagt, dass es um Erfahrung jenseits der Wissenschaft geht, also die esotherischen Linien gemeint sind. Da das in den Bereich des Glaubens gehört, ist das kein Thema der Altertumswissenschaften.

Es gibt aber auch wissenschaftlich festgestellte Linien und Liniensysteme. Einige Beispiele:

- In der Archäologie-Doku-Serie Time Team wird mehrmals anschaulich vorgeführt, welche Rollen Sichtlinien spielen. Das wird erst richtig verstanden, wenn jemand es mal erlebt hat, weshalb ich die Serie nenne. Hier gibt es einen Aussichtspunkt, der auf der Linie zwischen dem gerade noch erkennbaren Sender des WDR auf dem Bielstein und der Wewelsburg liegt. Aus ganz verschiedenen Jahrtausenden. Und an der Stelle wurde eine nochmal tausend Jahre ältere Siedlung gefunden. Trotz fehlenden Zusammenhangs ist es noch beeindruckend, insbesondere wenn jemand mit weiteren Peilungen überschüttet wird. Aber in bewohnten Gebieten gibt es immer zwei Objekte, die auf einer Linie liegen, auch zeitgleich. Es muss also immer etwas hinzukommen, etwa Militärische Nützlichkeit als Wachtposten, Repräsentation, Präsentation eines Denkmals oder der Ausblick für die Toten. Auch heute werden schöne, gut sichtbare Orte als angemessen für Friedhöfe u.s.w. empfunden. Aber war das schon in antiken Kulturen so? Allgemeiner gesagt, muss es die Vorstellung, auf der so etwas basiert, auch zeitgenössisch gegeben haben. Das wird bei Time Team denn auch diskutiert,

- Prozessionsstraßen, Kultstraßen, Cursi, Kirchenkreuze (oder -kränze): Wenn es nicht so offensichtlich wie in Rom oder Babylon oder bei steinzeitlichen Cursi oder bei Renaissance-Palästen ist, muss die zugrunde liegende Vorstellung bekannt sein. Oft sind es auch keine geraden Linien, also nicht ohne Schriftquellen bemerkbar. Abdinghofkirche, Busdorfkirche und Dom in Paderborn liegen nicht auf einer Linie, obwohl sie eine Ausdrücken sollen. Der dazu gehörige Balken des Kreuzes wurde nicht symmetrisch vollendet, an seinem südlichen Endpunkt konnte erst lange später eine Kirche errichtet werden und am nördlichen steht die Pfalzkapelle fast direkt neben dem Dom. Offensichtlich muss sakrale Topographie nicht der irdischen entsprechen. Beobachteten die Auguren vom Kapitol aus nicht nur ein begrenztes Feld, sondern die ganze Stadt Rom, mussten sie das unregelmäßige Pomerium als Grenze nehmen. Vielleicht daher die Hartnäckigkeit der Vorstellung, dass Rom einst als Roma quadrata gegründet wurde.

- In katholischen Kirchen führt der Weg oft vom Taufbecken oder dem Eingang oder einem dunklen Gewölbe unter einem Turm zum Altar. Es gibt ein paar wenige Kirchen, in denen die hinteren Säulen grob, die mittleren mittelprächtig und die vorderen fein und prachtvoll bearbeitet sind, der Chor ist durch einen sog. Triumphbogen abgegrenzt. Die Interpretation als Weg des Christen zur Erlösung ergibt sich aus Kenntnis der Lehre und aus Schriftquellen. Was Symbolik (Form, Material, Zahl, Lage zueinander, ...) angeht, wissen wir aus Schriften, die beginnend in der Antike bis in die Neuzeit entstanden, dass es trotz weitgehend einheitlicher Lehre viele Versionen davon gibt. Wie ist die Frontplatte der Reichskrone zu interpretieren? Zieht die Kreuzsymbolik, die Tempelsymbolik, die priesterliche Symbolik* oder sind dabei mehrere verbunden? Wir wissen nur, dass es etwas ausdrücken sollte, während nicht überliefert ist, was.
- Warum sind Chöre von Kirchen oft abweichend von der Mittellinie erbaut? Beim Magdeburger Dom ging es bei einem Neubau des Chors schlicht um das Grab Ottos des Großen. Aber andere Kirchen wurden gleich so errichtet. Da haben sogar Wissenschaftler plötzlich Sterne in passender Richtung gesucht. Oder ging es doch nur darum, dass ausgedrückt werden sollte, dass irdisches immer unvollkommen ist? Auch Abweichungen harren also einer Erklärung, wenn ein bloßer Fehler als Erklärung ausgeschlossen wird.
- weiters die Sakraltopographie der Städte der Maya und anderer präkolumbianischer Kulturen Amerikas, von Städten und Tempeln in Indien und China, von religiösen Anlagen in Ägypten, [...] .

Was will ich sagen? Solche Peilungen sind weit verbreitet, offensichtlich ein strukturell menschliches Gestaltungselement, ganz ohne Magie, aber auch nicht von vornherein Quatsch. Höchst problematisch bis unmöglich sind aber ohne Schriftquellen:

- die Identifikation,
- die Interpretation,
- die Verbindung zu Systemen und
- die Beurteilung etwaiger übernatürlicher Funktion durch die Wissenschaft, weshalb wir seriöserweise eigentlich Urteile zu Übersinnlichem im Forum weglassen.

* Das sind Grundmuster dieser Lehren, die sowohl ausdrücklich beschrieben sind und direkt der Bibel entstammen, als auch oft bei Kirchen wiederkehren. Aus diesen Quellen wissen wir auch, dass beim Bau nicht immer an alle Aspekte gedacht wurde. Das Problem, dass eine Ausdrucksform in Teilen einer Gesellschaft bekannt war, andere ohne Kenntnis der oder zumindest ohne vollständige Kenntnis der Hintergründe bloß kopierten oder in dieser Hinsicht nur zufällig agierten, lasse ich hier mal weg.

Edit: Auch als zwangsverpreußter Westfale mag ich es nicht, wenn einfach alles aus Berlin Kommende als schlecht betrachtet wird. Die Leistungen bei Kartierungen in der Kürze der Zeit waren vorbildlich und es wurde anderen Ländern, teils privat, teils halboffiziell dabei geholfen (Kirchenstaat, Türkei). Zivilisatorisch war beides bemerkenswert. Die dabei vorgenommene Dokumentationen der Rechtsverhältnisse ermöglichten erst die Gemeinheitsteilungen und die Separationen, schufen zudem eine wichtige Quelle und hielten Fakten fest, die oft in älterer Zeit geschaffen wurden.
 
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in bewohnten Gebieten gibt es immer zwei Objekte, die auf einer Linie liegen, auch zeitgleich. Es muss also immer etwas hinzukommen,

Dass - gerade im militärischen Bereich - Dinge in Sichtlinie zueinander aufgebaut werden - etwa Signaltürme, ist ja zunächst einmal nichts Überraschendes.
Auch im geometrieverliebten Absolutismus können wir das erwarten (vielfach dann in späteren Epochen aber überbaut, "frz." Gärten vs. "engl." Gärten)
Wenn man zwei Punkte auf dem kürzesten Weg miteinander verbindet, ergibt sich eine Gerade. Egal welche zwei Punkte. Einer solchen Gerade wird niemand einen Sinn unterstellen. Die Gerade an sich wird erst dann interessant, wenn auf dieser mehrere (2 + n, n > 0) in einem Sinnzusammenhang stehende immobile Artefakte sich befinden.
Das scheint es bei den (oft christlich überbauten) wak'as in Bolivien und Perú tatsächlich zu geben. Der Begriff für diese Linien ist ceques (< quechua: siq'i).

Edit: anstatt quechua glatt guanche geschrieben. Man wird von diesen ganzen Guanchendiskussionen ganz verrückt.
 
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Ich habe die Beiträge jetzt mal aus dem Schwarzwaldthread, dessen Geschichte umgeschrieben werden muss, hierher verschoben. Ich bin mir nicht sicher: Ist das dasselbe Thema oder reden wir hier über Karthographie auf der einen und (gedachte) Linien in der Landschaft auf der anderen?
 
Dass - gerade im militärischen Bereich - Dinge in Sichtlinie zueinander aufgebaut werden - etwa Signaltürme, ist ja zunächst einmal nichts Überraschendes.
Auch im geometrieverliebten Absolutismus können wir das erwarten (vielfach dann in späteren Epochen aber überbaut, "frz." Gärten vs. "engl." Gärten)
Wenn man zwei Punkte auf dem kürzesten Weg miteinander verbindet, ergibt sich eine Gerade. Egal welche zwei Punkte. Einer solchen Gerade wird niemand einen Sinn unterstellen. Die Gerade an sich wird erst dann interessant, wenn auf dieser mehrere (2 + n, n > 0) in einem Sinnzusammenhang stehende immobile Artefakte sich befinden.
Das scheint es bei den (oft christlich überbauten) wak'as in Bolivien und Perú tatsächlich zu geben. Der Begriff für diese Linien ist ceques (< quechua: siq'i).

Edit: anstatt quechua glatt guanche geschrieben. Man wird von diesen ganzen Guanchendiskussionen ganz verrückt.

Dennoch muss, um eine gewollte Linie zu postulieren, immer etwas zur bloßen Erkenntnis, dass zwei oder mehrere immobile Objekte von Interesse miteinander verbunden werden können, hinzukommen.

Edit: Ich bin auch nicht ganz sicher, ob ich die Posts richtig verstanden habe.
 
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Wie gesagt, zwei reicht eigentlich - außer bei offensichtlich gewollten Sichtlinien - nicht, um die gewollte Existenz einer Linie zu postulieren. {2 + n, n > 0} ist die Vorraussetzung.
 
Ich bin ja durche mehrere Divico-Diskussionen etwas "vorbelastet". Man kann sehr oft drei, vier oder mehr Orte, die bestimmte Merkmale gemeinsam haben, mit Linien verbinden (und es können außer der simplen Gerade auch parallele Linien sein, Kreise, rechtwinklige Kreuze, Quadrate). Ich habe das im Lauf der Jahre mit Badeanstalten, Kirchen, Wirkstätten eines bestimmten Architekten, Ortschaften mit identischen Namen, Tankstellen einer bestimmten Marke, Supermärkte einer bestimmten Kette ausprobiert und bin immer fündig geworden.

@Alfirin hat dazu mal einen Spaßthread aufgemacht:

https://www.geschichtsforum.de/thema/geografisch-geometrische-auffaelligkeiten.53935/
 
Ich bin ja durche mehrere Divico-Diskussionen etwas "vorbelastet". Man kann sehr oft drei, vier oder mehr Orte, die bestimmte Merkmale gemeinsam haben, mit Linien verbinden (und es können außer der simplen Gerade auch parallele Linien sein, Kreise, rechtwinklige Kreuze, Quadrate). Ich habe das im Lauf der Jahre mit Badeanstalten, Kirchen, Wirkstätten eines bestimmten Architekten, Ortschaften mit identischen Namen, Tankstellen einer bestimmten Marke, Supermärkte einer bestimmten Kette ausprobiert und bin immer fündig geworden.
Grundsätzlich teile ich deine Skepsis. Man muss halt Zufall von Absicht trennen.
 
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