Die Ausstellung habe ich inzwischen gesehen. Sie ist weder schlecht noch gut. Für meine Erwartungen eher enttäuschend. Weil sie zwar eine Fülle an Material bietet, aber sie verliert sich in Allgemeinplätzen. Das einzig Neue war der völlig nackte Jesus. Das kannte ich noch nicht. Gut die Figur ist nicht sehr groß – vielleicht 40 cm –, aber immerhin. Wurde in der Renaissance von Michelangelo geschaffen. Oder ihm nur zugeschrieben, weil er auch Menschen in der sixtinischen Kapelle nackt gemalt hatte?
Immerhin gibt die katholische Kirche zu, dass sie seit Augustinus ein Problem mit der Sexualität hat. Schon die vollkommende Nacktheit ist für sie ein Problem, es sei denn, Jesus wird als Kind dargestellt. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass er ein männliches Kind aus Fleisch und Blut ist. Allerdings ist die Darstellung nackter Kinder in der Öffentlichkeit heute nicht mehr erlaubt, weil Kinderpornografie. Handelte sich dabei nicht um Jesuskind, wäre so eine Darstellung heute nicht mehr möglich. So ändern sich die Zeiten.
Im Vorwort zum Katalog schreibt der Erzbischof von München und Freising Reinhard Kardinal Marx:
„In Theologie, Predigt und pastoraler Praxis wurde in der Vergangenheit oft ein sehr negatives Bild menschlicher Sexualität gezeichnet, sie mit Schuld und Sünde beschwert, was zu Verdrängung und Doppelmoral geführt hat.“
Auch das hätte sich vor 100 Jahren kein Bischof getraut zu sagen. Hier hat sich die Kirche bewegt, die Gesellschaft hat aber indessen neue Tabus aufgerichtet – siehe oben.
Die Ausstellung hat 8 Themenbereiche:
I. Der schamlose Körper
Damit sind Zustände vor dem Sündenfall gemeint. Die 5 Bilder zeigen aber ausnahmslos Adam und Eva mit durch Zweige verdeckten Geschlechtsteilen.
II. Der sündige Körper
Eva als Urtypus der Frau wird nach der Vertreibung aus dem Paradies als verführbar und verführerisch dargestellt.
III. Der sinnliche Körper
Die Götter und Göttinnen der antiken Welt werden in vielen erotischen Variationen gezeigt – sogar die berühmte Marmorskulptur „Pan bespringt eine Ziege“ aus dem archäologischen Museum in Neapel ist im Original ausgestellt, und das ohne eine Warnung wie einst in Neapel.
IV. Der reine Körper
Jesus und Maria als neuer Adam und als neue Eva sind nun Vorbilder für die sündige Menschheit. Zahlreiche Heilige eifern ihnen nach, was dazu führt, dass das der umfangreichste Teil der Ausstellung ist. Und hier ist auch der nackte Jesus zu sehen.
V. Der verbotene Köper
Körper bzw. seine Sexualität sind für verboten (Zölibat, Ordensleben, Jungfraulichkeit) oder stark reglementiert (nur in der Ehe zum Zeugen von Kindern erlaubt). Wem das nicht gelingt, der muss Busse tun, sich selbst peitschen und/oder Bußgürtel tragen, sich Kastein, etc. Der Orden „Opus Dei“ praktiziert das bis heute: Man trägt Bußgürtel und am Samstag um 14 Uhr peitscht man sich.
VI. Der erlaubte Körper
Sich binden (Ehe schließen), zeugen, empfangen, gebären und nähren, das ist erlaubt. Kampf der Kirche gegen klandestine Ehen und unehelichen Kinder. Aber auch beten und tragen von Amuletten und geweihten Objekten für die Fruchtbarkeit werden thematisiert. Durch die Jahrhunderte hat sich nichts daran geändert. Taufbücher zeigen, dass in München Anfang des 19. Jahrhunderts 1/3 aller Geburten unehelich waren.
VII. Der verletzte Körper
Tugend und Laster stehen eng beisammen. Satyrn bedrängen keusche Jungfrauen und Knaben, auch Männer und Frauen tun das (Susanna und die beiden Alten, Josef und die Frau des Potifar). Die sexuelle Gewalt ist eine Begleiterscheinung von Kriegen, wird aber in zeitgenössischen Quellen kaum thematisiert – weil zu schambehaftet und tabuisiert.
VIII. Es bleibt schwierig
Das kann man wohl sagen. Das Wechselspiel von Körperlichkeit und Sexualität, Regeln, Normen und Tabus von Kirche und Gesellschaft geht weiter.