Wieso, konnte das HRR nicht reformiert werden?

Die Constitutio Criminalis Carolina, die "Peinliche Halsgerichtsordnung" Karls V. hat, wie ich finde, zu Unrecht einen finsteren Ruf. Sie basierte in vielem auf der Constitutio Bambergensis, der Bamberger Halsgerichtsordnung. Die Constitutio Criminalis Carolina war bis zu den Justizreformen in den napoleonischen Satellitenstaaten von 1807-13 eine einheitliche Strafgesetzordnung, die auch in protestantischen Territorien übernommen und immer wieder reformiert und den Zeitumständen angepasst wurde. Die CCC war mehr als 250 Jahre Jahre lang gültige Strafrechtsordnung in den Territorien des Heiligen Römischen Reichs und sogar noch einige Jahre über dessen Bestand hinaus.
Die Constitutio Criminalis Carolina galt allerdings nur subsidiär und wurde bereits im 18. Jhdt. zunehmend durch einzelstaatliche Strafrechtskodifikationen zurückgedrängt wie dem Codex iuris criminalis Bavarici 1751 in Bayern oder der Constitutio Criminalis Theresiana von 1768 in Österreich sowie dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794, das auch Strafrecht enthielt.
 
Auch in der Landgrafschaft Hessen-Kassel und anderen Territorien wurde die Carolina durch spätere Strafgesetze ergänzt, reformiert und aktuellen Bedürfnissen angepasst. Die Carolina hatte noch sehr grausame Hinrichtungsmethoden gekannt und natürlich war auch die Folter ein legitimes Mittel der Wahrheitsfindung.

Der Einfluss der Aufklärung machte sich auch in der Rechtspflege bemerkbar. Im 18. Jahrhundert wurden in der zweiten Hälfte deutlich weniger Hinrichtungen vollstreckt, und Exekutionen durch rädern oder verbrennen waren äußerst seltene skurrile Ausnahmen geworden, von den zahlreichen Verstümmelungsstrafen war im 18. Jahrhundert nur noch Brandmarkung und noch seltener die Amputation der Ohren übriggeblieben, und auch die Folter wurde in vielen Territorien beschränkt oder gar abgeschafft.
Im Kern aber blieb die Carolina bis zum Untergang des Reiches in vielen Territorien als Strafrechtsordnung bestehen, und mir ging es im Prinzip auch nur darum, zu demonstrieren, dass es durchaus so etwas wie ein einheitliches Rechtssystem im alten Reich gab, auch wenn es sicher viele lokale Unterschiede in der Rechtsprechung gab.
 
!:cool: Falls ein König oder Kaiser sich einfallen lassen sollte, etwas zu tun, was dem Papst missfiel, konnte das ernste Folgen haben! Ich erinnere hier mal an den Investiturstreit und die Bannung Friedrich Barbarossas,:p;) welche dieser aber gekonnt ignoriert hat. Etwas das meines Wissens, keinem anderen König jemals wieder gelungen ist.
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Kann es sein, dass du hier etwas verwechselst? Der Investiturstreit entstand in den 1070er Jahren, und es wurde Kaiser Heinrich IV. durch Gregor VII. gebannt. Daraus entwickelte sich der berühmt-berüchtigte Gang nach Canossa, wo Heinrich IV. im Büßergewand Gregor entgegentrat und die Aufhebung der Exkommunikation erreichte.
Der Investiturstreit wurde 1122 durch einen Kompromiss, das Wormser Konkordat beendet.

Mit Friedrich I. Barbarossa hatte das überhaupt nichts zu tun. Ich nehme an, du spielst auf Barbarossas Enkel, Friedrich II. an. Friedrich hatte mehrmals versprochen, auf Kreuzzug zu gehen, hatte dieses Versprechen aber nicht gehalten, sondern erstmal seine Herrschaftsposition in Italien und auf Sizilien gesichert. Daraufhin wurde er von Gregor IX. exkommuniziert.

Ohne sich zuerst von der Exkommunikation zu befreien, zog Friedrich 1228/29 nach Palästina. Friedrich genoss in der islamischen Welt höchstes Ansehen, und es gelang ihm mit Sultan Al Kamil einen Vertrag abzuschließen, Bethlehem, Nazareth und Jerusalem wurden zurückgegeben. In Jerusalem blieb allerdings die Al Aksa-Moschee in der Hand der Muslime. Friedrich ließ sich zum König von Jerusalem ausrufen, blieb allerdings, obwohl er sein Gelübde erfüllt hatte, exkommuniziert.
 
Exkommuniziert wurde Friedrich I. aber auch (1160 von Papst Alexander III.), ohne dass das den Kaiser (der mit Viktor IV. seinen eigenen Gegen-Papst hatte) zunächst sonderlich beeindruckte, und auch zur Erhebung eines Gegenkönigs kam es nicht. Erst 1176/77 kam es zur Annäherung und Versöhnung und Lösung des Banns.
 
Die Frage war, wer sollte die Reform des HRR den vornehmen. Die Habsburger hatten vielleicht das Interesse über das HRR zu herrschen, ähnlich wie die französischen Könige.

Dagegen waren, neben den Fürsten, aber auch so ziemlich alle anderen Mächte. Eine Habsburgermonarchie die effektiv neben Ungarn, Tschechien, Österreich, Kroatien, Transilvanien, Galicien über ganz Deutschland herrscht, hätte wohl niemand akzeptiert.

Für die Fürsten bot das HRR Schutz vor größeren Spielern und das über lange Zeit, für diese Gruppe war nichts zu reformieren.
 
Die Frage war, wer sollte die Reform des HRR den vornehmen. Die Habsburger hatten vielleicht das Interesse über das HRR zu herrschen, ähnlich wie die französischen Könige.

Dagegen waren, neben den Fürsten, aber auch so ziemlich alle anderen Mächte. Eine Habsburgermonarchie die effektiv neben Ungarn, Tschechien, Österreich, Kroatien, Transilvanien, Galicien über ganz Deutschland herrscht, hätte wohl niemand akzeptiert.

Für die Fürsten bot das HRR Schutz vor größeren Spielern und das über lange Zeit, für diese Gruppe war nichts zu reformieren.

Und die Frage ist wie und in was das Alte Reich hätte reformiert werden können, die Territorien waren ja äußerst heterogen: Es gab geistliche Territorien, Erbbistümer, Bistümer, Abteien, freie Reichsstädte, die Territorien der Reichsfreiherrn und Reichsritter und relativ große, mehr oder weniger zusammenhängende Flächenstaaten, protestantische Territorien und katholische, mehrheitlich deutschsprachige Gebiete und solche, wo mehrheitlich Niederländisch, Französisch, Italienisch und Tschechisch gesprochen wurde. Diese Territorien hatten unterschiedliche Interessen, es war kaum möglich, eine Reichspolitik zu gestalten und durchzusetzen, die den Interessen aller Teilstaaten gerecht werden konnte.
 
Natürlich, mache ich auch Fehler! Immerhin hat das Heilige Römische Reich mehr als 800 Jahre lang bestanden.

Nicht umsonst, gibt es darüber viele Bücher. Es bleibt aber festzuhalten, dass ohne die starke Zersplitterung, viele Fortschritte schon wesentlich früher eingesetzt hätten. Was im Gegensatz zu anderen Staaten ein erheblicher Nachteil war!

Viele Fortschritte in der technischen Entwicklung nahmen ja in den Städten ihren Anfang. Die Zünfte und Gilden zum Beispiel, bildeten ja ein erstes soziales Netz. Zumindest, was die einzelnen Berufe betrifft. Allerdings, waren die Regeln, nicht gerade zahm. Aber dadurch wurde schon mal eine Art Vorläufer unseres heutigen Gewerberechtes geschaffen.
So gab es zum Beispiel erste Vorschriften, wie manche Güter hergestellt werden sollten. Was verwendet und nicht verwendet werden dürfte. Auch erste Regeln für die Zubereitung von Speisen gab es. Hier ist das sogenannte Reinheitsgebot beim Bier ja am bekanntesten.:p Auch wenn, dieses erst relativ spät erlassen wurde 1516. Es gibt ältere Vorschriften.

Auch die Hanse, würde ich noch unter die Pluspunkte des HRR setzen. Es ist schade, dass diese Vereinigung ab dem 15. Jhd. an Bedeutung verlor. Sie stand allerdings in Konkurrenz mit staatlich unterstützten Organisationen aus dem Ausland. Somit war ihr eine Mitwirkung am neuen Überseehandel fast unmöglich. Hier haben sich ja Spanien und Portugal ein Wettrennen geliefert. Und im Mittelmeerraum war ja Venedig tonangebend und über Konkurrenz gar nicht erfreut.

In gewisser Weise könnte man sagen, dass Hamburg Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhundert so etwas wie ein Sonderfall der deutschen Geschichte war. Die alte Hansestadt kannte keinen Adel, kein Patriziat, es herrschte-im Prinzip Rechtsgleichheit der bürgerlichen Stände. "Wir haben keinen Adel, keine Patricier, keine Sklaven, ja nicht einmal Untertanen." So euphorisch äußerte sich ein Neu-Hamburger, der Anfang des 19. Jahrhunderts davon profitierte, dass ihm ein liberales Einwanderungsrecht erstaunlich schnell, etwa im Vergleich zu den oberdeutschen Reichsstädten, ermöglichte, Hamburger Bürger zu werden. Hamburg hatte eine relativ durchlässige Gesellschaftsstruktur, und soziale Privilegien der absolutistischen Ordnung waren in Hamburg fast in ihr Gegenteil verkehrt. Adelige durften auf dem Stadtgebiet keinen Grundbesitz erwerben oder Bürger werden. Beamtenstellen konnten sie nicht bekleiden und höchstens Offiziere der Garnison werden. Wer ein Adelsdiplom annahm, musste entweder auf seine Bürgerrechte verzichten oder seinen Adelsbrief in der Truhe verwahren.
Der Ablehnung von Adelsprivilegien entsprach eine relativ hohe Durchlässigkeit der sozialen Schichten in einer durch Selbstverwaltung der Bürger charakterisierten und von ihnen getragenen Ratsverfassung. Um 1800 waren etwa 3000-4000 Bürger politisch mitspracheberechtigte "erbgesessene" Hamburger Bürger, und fast 10 % der Bürgerschaft bekleidete eines der 650 Ämter, zu denen noch 200 Ehrenämter gehörten.

Von völliger Rechtsgleichheit oder gar sozialer Gleichheit konnte freilich auch in Hamburg keine Rede sein. Zwei Drittel der Senatsmitglieder entstammten einer einzigen Familie, den Amsincks, die auch mehrere Bürgermeister stellten. Es wäre falsch, die Sozialstruktur eines Territoriums des 18. Jhds. an modernen Demokratievorstellungen zu messen. Vielen Zeitgenossen erschien Hamburg wie ein Ideal, und unter den deutschen Territorien des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts war Hamburg eine bemerkenswert offene Gesellschaft mit einem hohen Maß an Bürgerrechten.
 
Ohne sich zuerst von der Exkommunikation zu befreien, zog Friedrich 1228/29 nach Palästina. Friedrich genoss in der islamischen Welt höchstes Ansehen, und es gelang ihm mit Sultan Al Kamil einen Vertrag abzuschließen, Bethlehem, Nazareth und Jerusalem wurden zurückgegeben. In Jerusalem blieb allerdings die Al Aksa-Moschee in der Hand der Muslime. Friedrich ließ sich zum König von Jerusalem ausrufen, blieb allerdings, obwohl er sein Gelübde erfüllt hatte, exkommuniziert.
Ja, dem Papst ging es nicht wirklich um den freien Zugang zu den christlichen Pilgerstätten, sondern um einen Krieg gegen Un- bzw. Andersgläubige. Deswegen war dieser friedliche Kreuzzug Friedrichs für den Papst kein Kreuzzug – also blieb Friedrich gebannt.
 
Das Problem war, dass Friedrich II. gebannt war, als er seinen Kreuzzug endlich tatsächlich antrat. Somit erfüllte er zwar sein Gelübde, aber die Art, wie er das tat, war ein Schlag ins Gesicht des Papstes. Obendrein handelte der Kaiser auf seinem Kreuzzug ziemlich eigenmächtig.
1230 wurde die Exkommunikation dann doch aufgehoben.
 
Ich mag mir gar nicht ausmalen, was aus Deutschland geworden wäre, wenn es katholisch geblieben wäre

Viele katholische Territorien wie das Herzogtum, später Kurfürstentum Bayern, Die Pfalz und einige geistliche Territorien wie die Fürstbistümer Würzburg und Bamberg wurden recht effektiv verwaltet, einige der geistlichen Fürsten wie Franz Ludwig von Erthal Fürstbischof von Würzburg regierten nach Vorstellungen des aufgeklärten Absolutismus. Dass katholische Reichsstände besonders fortschritts- oder wissenschaftsfeindlich gewesen wären oder katholische Gegenden deutlich rückständiger als protestantische gewesen wären, lässt sich eigentlich nicht sagen. In Punkto Schafzucht etwa, war das sonst recht rückständige Spanien recht fortschrittlich. Mehrere Reichsfürsten ließen im 18. Jahrhundert Merino-Schafe aus Spanien importieren, um die Wollqualität der heimischen Wolle zu verbessern.
 
Wenn man Reiseberichte aus dem 18. Jahrhundert liest, fällt auf, dass die Verfasser oft recht negativ über die Territorien der Reichsritter sprechen. Nach Ansicht eines Verfassers konnte man die Territorien der Reichsritter an ihrer Verlotterung erkennen. Den Klein- und Kleinstterritorien der Reichsfreiherren und Reichsritter fehlte es an Geldern, um etwa Straßen, Brücken und Fähren instand zu halten. je länger Reisende sich auf deren Territorium aufhielten, umso eher konnte man sie zur Kasse bitten.

So negativ manche Kameralwissenschaftler, Militärs und Beamte, die für Inspektionsreisen das platte Land besuchten, auch über die Territorien der Reichsritter auch herziehen mochten, für die nicht gerade kleine Zahl des fahrenden Volks, für Vaganten, Betteljuden, Zigeuner, Jenischen und nicht zuletzt für Gauner und Banditen waren die kleinen reichsunmittelbaren Territorien auch eine Chance und sicherer Hafen. Was die Kurfürsten von Brandenburg, die Landgrafen von Hessen-Kassel für die Hugenotten waren, das waren die Reichsritter für "herrenloses Gesindel", "Fahrende", "Vagabunden" , "Marodebrüder", Bettler, Gaukler, Gauner und Banditen und solche, die es werden wollten/mussten. Schätzungen gehen von 5-15% der Bevölkerung aus. Juden, die sich keinen herrschaftlichen Schutzbrief leisten konnten, Sinti und Roma, die in manchen deutschen Ländern heftig verfolgt wurden, ehemalige Söldner fanden in den kleinen Territorien Asyl und Unterschlupf.

Die Reichsritter und Reichsfreiherren betätigten sich in einer Peuplierungspolitik der eigenen Art und erlaubten "herrenlosem Gesindel" sich niederzulassen, solange sie zahlen konnten. Das Kinderspiel Räuber und Gendarm wäre im 19. Jahrhundert niemals so populär geworden, wenn das nicht Alltag gewesen wäre.
Manche Gegenden wie der Hunsrück, der Spessart, Neuwied oder der sogenannte Huttische Grund galten als kochem.

Der Bandit Brabanter Claus erinnerte sich. Man habe ihm geraten, sich nach X zu wenden, der Orth gehöre zu einem Patrimonialgericht, der gnädige Herr habe den Talles (sey in schlechten Vermögensumständen) und der Amtmann sey kochem. Er habe daher der Frau Amtmännin ein Musselin-Tuch geschenkt (wertvolles Baumwollgewebe) und habe sich auch gegen ihn erkenntlich erwiesen.

Interessanterweise konnte der Aufenthalt von Gaunern, selbst Banditen für die Bevölkerung lukrativ sein. Viele Bauern konnten sich nur geschmuggelten Tabak und Kaffee leisten, und am eigenen Wohnort wurden Banditen nie aktiv. Im hessischen Eckardroth nahe Salmünster stifteten Banditen eine Synagoge und eine Schule.
 
Hätte es der römische König vermocht, sich dem Papst zu widersetzen, wäre es vielleicht nicht in diesem Ausmaß zu Hexenprozessen gekommen, und den Deutschen wäre viel erspart geblieben. In Ländern wie Spanien und Portugal wurden noch im 18. Jahrhundert Menschen wegen Ketzerei und Hexerei verbrannt. Das alles nur wegen der Heiligen Inquisition!

Die Macht des Papsttums und der Kirche sollte man nicht überschätzen. Es gab über weite Strecken der Kirchengeschichte Päpste und Gegenpäpste am laufenden Meter, und so manche mittelalterlichen Päpste mussten schleunigst die Beine in die Hand nehmen, um sich vor dem Volkszorn oder vor frondierenden Adeligen in Sicherheit zu bringen. Es war kein Zufall, dass die Päpste die Engelsburg, das alte Mausoleum Hadrians zur Fluchtburg machten. 1277 ließ Papst Nikolaus den Pasetto di Borgo anlegen, einen 800 m langen Fluchttunnel, der zur Engelsburg führte. 1527 konnte Clemens VIII. gerade noch rechtzeitig über den Pasetto fliehen, sonst hätten ihn Frundsbergs Landsknechte geschnappt. Bei der Verteidigung des Pasetto starben 147 Schweizer Gardisten.

Von 1378 bis 1417 gab es das große Abendländische Schisma. Das war nicht zuletzt auf die sogenannte "babylonische Gefangenschaft" der Kirche zurückzuführen, als das Papsttum in Avignon für fast 70 Jahre von 1309 bis 1376 oder 1377 von den französischen Königen unter Kuratel gestellt wurde. Übermächtige Kirche? Ist nix oder nicht viel los über weite Perioden.

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Jede zweite Hexe wurde auf dem Territorium des Heiligen Römischen Reiches exekutiert. In Spanien und Portugal fanden sehr wenige Hexenverfolgungen statt.

Die Spanische Inquisition hat weiß Gott genug Dreck am Stecken, und sie hat furchtbar gegen (Krypto-)Juden und Moriskos gewütet.

Manche Hispanisten haben die Ansicht geäußert, dass Dulcinea de Torbosa, die Angebetete von Miguel Cervantes Anti-Helden Don Quichote, die so ausgezeichneten Serrano-Schinken herzustellen versteht, möglicherweise als Krypto-Jüdin zu interpretieren ist.
Ich verstehe aber zu wenig davon, um mich allzuweit aus dem Fenster lehnen zu wollen.
Doch zurück zur Spanischen Inquisition!

Um 1500 fand in Granada eine Konferenz der Spanischen Inquisition statt, bei dem sich eine Kommission traf, die zu dem Schluss kam, dass der Hexenflug eine Illusion und unmöglich ist. Das war übrigens sehr lange Lehrmeinung der Kirche. Die Spanische Inquisition hat im 17. und 18. Jahrhundert Hexenverfolgung abgelehnt. Meines Wissens wurde im 18. Jahrhundert keine einzige Hexe in Spanien hingerichtet.

Um 1549 gab es in Barcelona sogar eine Hexenverfolgung, die von der Spanischen Inquisition gestoppt wurde, und die Opfer wurden entschädigt. Um 1600 gab es im Baskenland eine Verfolgung. Dorthin wurde ein gewisser Don Alonso de Salazar als Inquisitor beordert, der objektiv die Fälle untersuchte, Indizien für die Schuld der Angeklagten untersuchte und befand, dass die Anklagen nicht stichhaltig waren. Die Verfolgung wurde eingestellt.

Die römische Inquisition hielt im Gegensatz zur Spanischen Hexenflug und Teufelspakt für möglich. Sie beschäftigte sich aber nur mit Schadenzauber. Es musste ein nachweisbarer Schaden eingetreten sein, bevor sie tätig wurde. Es gab aber immer einen formalen Prozess, die Rechte der Angeklagten wurden gewahrt, und Mittel der Wahrheitsfindung wie die Folter wurden an hohe formale Anforderungen und strenge Regeln gebunden. Den Angeklagten wurde ein Verteidiger bereitgestellt. Anonyme Denunziationen wurden nicht zugelassen. Dadurch wurde die Flut der Prozesse eingedämmt. Es wurden naturwissenschaftliche Phänomene als Erklärung hinzugezogen.
 
Anti-Helden Don Quichote
Ich muss doch sehr bitten! *Hmpf*


;)

Manche Hispanisten haben die Ansicht geäußert, dass Dulcinea de Torbosa, die Angebetete von Miguel Cervantes Anti-Helden Don Quichote, die so ausgezeichneten Serrano-Schinken herzustellen versteht, möglicherweise als Krypto-Jüdin zu interpretieren ist.
Toboso.
Ja, es ist die Rede davon, dass sie das Fleisch der Schweine einsalzt, aber nirgends davon, dass sie davon auch isst. Das wird eben interpretiert.
 
Jede zweite Hexe wurde auf dem Territorium des Heiligen Römischen Reiches exekutiert. In Spanien und Portugal fanden sehr wenige Hexenverfolgungen statt.

Das könnte durchaus mit der im Fadentitel angesprochenen "traditionalen" Struktur des Reiches zu tun haben. Die meisten Verfolgungen fanden in eher kleinen Territorien statt, wo entweder der Druck der Bevölkerung eine besonders starke Wirkung entfalten konnte oder der Landesherr bzw. - etwa in Reichsstädten - eine Gruppe von mächtigen Personen Interesse daran hatte, sich durch Hexenprozesse zu bereichern.
 
Das könnte durchaus mit der im Fadentitel angesprochenen "traditionalen" Struktur des Reiches zu tun haben. Die meisten Verfolgungen fanden in eher kleinen Territorien statt, wo entweder der Druck der Bevölkerung eine besonders starke Wirkung entfalten konnte oder der Landesherr bzw. - etwa in Reichsstädten - eine Gruppe von mächtigen Personen Interesse daran hatte, sich durch Hexenprozesse zu bereichern.

Lässt sich das in der Form belegen? Würde mich interessieren.

Die These hat schon etwas für sich. In größeren Flächenstaaten gab es relativ wenige Verfolgungen: Wenige Verfolgungen in den Österreichischen Erblanden, wenige in Kurbayern, Hannover, in der Kurpfalz, wenige Verfolgungen in Freien Reichsstädten. Ausnahmen sind hier die freie Reichsstadt Nördlingen oder die Hansestadt Lemgo, die es beide in 1-2 Generationen auf über 40 Hinrichtungen brachten.

In einer freien Reichsstadt wurde es verboten, jemanden als Hexe zu bezeichnen. In einer anderen Stadt gab es den Fall, dass ein Mann behauptete, er könne Hexen sofort erkennen an bestimmten Indizien-der Mann wurde hingerichtet.
In den Freien Reichsstädten war der soziale Friede ein hohes Gut, und indem Verfolgungen an bestimmte Regeln gebunden waren, war die Hemmschwelle höher, zur Denunziation. Teilweise waren anonyme Denunziationen völlig untersagt.

Mancherorts musste ein Kläger ein bestimmtes Vermögen nachweisen, um gegen Schadensersatzforderungen versichert zu sein. Er musste damit rechnen, selbst in Haft genommen werden, wenn sich die Unschuld des Beklagten herausstellte. Ein Kläger riskierte also etwas.

Hohe Verfolgungsdichten gab es dagegen in der Schweiz- gemessen an der Bevölkerungszahl sogar eine der höchsten Verfolgungsdichten, in einigen Gebieten Frankreichs, sehr hohe Verfolgungszahlen in geistlichen Territorien: In Kurmainz, Kurtrier und Kurköln und die höchsten Zahlen in den Bistümern Würzburg, Bamberg und Eichstätt.

I
 
Die These hat schon etwas für sich.

Ich frage deswegen, weil ich mich in der Thematik nicht so gut auskenne und mehr oder weniger lediglich weiß, dass die Hexenverfolgung wohl in den protestantischen Gebieten besonders stark war.

Nun hat es ja aber auch unter den protestantischen Gebilden innerhalb des Heiligen Römischen Reiches einige durchaus größere Brocken gegeben, wir Brandenburg, Pommern, Sachsen oder, wenn man sie noch dazu zählen möchte, die Vereinigten Provinzen.
Ich frage deswegen, weil mir die einzelen regionalen Verteilungen nicht geläufig sind.
Aus dem Umstand heraus, dass die Obigkeiten diesen Verfolgungen in der Regel wohl eher ablehnend gegenübergestanden haben, hatte ich eigentlich immer darauf geschlossen, dass das vor allem die größeren Gebilde betroffen haben dürfte, weil auf Grund der Größe und des Fehlens einer effektiven Verwaltung es in diesem Territorien mehr Landstriche gegebeen haben dürfte, die wir heute vielleicht als "staatsfern" bezeichnen würden und in denen schwache Kontrolle durch die anderswo gebundene Obrigkeit der Bevölkerung mehr Spielräume ließ.

Daher die Frage, ob es tatsächlich eine Gesamtstatistik gibt, die beweist, dass kleinräumige Territorien besonders betroffen waren, denn wenn ich hier im Irrtum gewesen sein sollte, würde ich sehr gerne etwas dazu lernen :)
 
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