Historisierende Blockbuster und wie Geschichte im Mainstream gelesen wird

Was mich an 'Braveheart' im Nachhinein fasziniert, ist der Oscar für die beste Regie. Der Film hat dermaßen viele Anschlussfehler und Patzer, selbst an prominenter Stelle, dass man kaum sagen kann, die Regie hätte hier handwerklich gut gearbeitet …
Beispiele gefällig? In der berühmten Szene des englischen Kavallerie-Angriffs auf die Schiltrons sind die Spieße der Schotten mal erhoben, mal nicht, und das zweimal hintereinander, bevor William Wallace den Befehl gibt, die Spieße zu heben. Der englische Offizier, der seine Geliebte tötet, trägt sichtbar Jeans unter seiner Rüstung. Viele der Komparsen tragen Armbanduhren und Turnschuhe. Und so weiter, und so fort.
 
Der englische Offizier, der seine Geliebte tötet, trägt sichtbar Jeans unter seiner Rüstung. Viele der Komparsen tragen Armbanduhren und Turnschuhe. Und so weiter, und so fort.
Ölfässer bei Ben Hur.... Ich seh solche Dinge nie, die entgehen mir immer, selbst wenn ich darum weiß.
 
Geht mir genauso. In Gettysburg hab ich mal mitten im Kampfgetümmel am Little Round Top einen Tontechniker mit Mikro entdeckt. Obwohl ich das also weiß, ist mir das bei späteren Durchgängen nie wieder aufgefallen. Das scheint bei den ganzen Fehlern in allen möglichen Filmen eher ein Segen zu sein.

Schon unglaublich, wie völlig unterschiedlich individuelle Wahrnehmung ist. Mir graut schon vorm Filme gucken mit meinem Jüngsten: Der wirft einen beiläufigen Blick auf ein Wimmelbild und zeigt Dir drei Fehler...
 
Ich würde das eher für Trunkenheit, denn für Tuntigkeit halten.
Trunkenheit, ja, aber nicht nur, da Geziertheit v.a. in England zum upper class gehörte (was m.M.n. der Sprache bis heute leicht anzumerken ist…:D).
Was die vermeintlich typisch femininen Bewegungen angeht: habe schon mehrmals beobachtet, wie junge Frauen im Alter von etwa 14/15 Jahren plötzlich anfangen, feminin wirkende Bewegungen sich langsam anzueignen. Dass diese nicht etwa angeboren sind, ist an den plötzlich schwächelnd wirkenden Gelenken zu erkennen, die kurz zuvor noch in Ordnung waren. So frage ich mich, ob vieles von dem, was heute für »tuntig« gehalten wird, früher vielleicht nur als vornehm (resp. als gekünstelt) gegolten haben könnte.(Hat z.B. Roger Moore als James Bond nie etwas tuntig gewirkt?)

Gut möglich also, dass Depp (in der Rolle des Piratenhäuptlings) auch ein bisschen den Vornehmen, resp. Möchtegern-Vornehmen geben wollte.
 
Das schließt einander ja nicht aus.
Natürlich nicht.
Wenn du allerdings weißt, dass eine gewisse Darstellungsform normal war, weil es eben 1995 noch nicht gesellschaftlich voll akzeptiert war, seine Homosexualität auszuleben (zur Erinnerung, § 175 ist erst 1994 offiziell abgeschafft worden, homophobe und lgbt+-feindliche Äußerungen dürften nach wie vor nach dem dritten Bier mehrheitsfähig sein), wenn du weißt, dass Klaus Wowereit 2001 noch eine Wahlkampfrede mit "ich bin schwul und das ist auch gut so" begann, und damit einem schmutzigen Wahlkampf von vornherein den Wind aus den Segeln nahm, wenn du weißt, dass gleichzeitig von einem Ole von Beust nur hinter vorgehaltener Hand erzählt wurde, dass er homosexuell sei und auch ein Westerwelle das eher hinter dem Berg hielt (ich habe gerade noch mal nachgelesen, laut den Darstellungen, die ich finde, hat er 2004 selbst für sein Coming Out gesorgt, aber ich habe das etwas "ans Licht gezerrter" in Erinnerung, muss jemand anderes gewesen sein, dessen Homosexualität etwas unfein ans Licht gezerrt wurde... ) also wenn du das alles weißt, dann spielt der nach außen gekehrte Katholizismus des Produzenten und Hauptdarstellers in dem speziellen Film eigentlich keine große Rolle.
 
Während man sich in Europa bereits daran gewöhnt hat, wenn Anne Boleyn in einem "Geschichtsfilm" von einer Afrikanerin gespielt wird, berichtet nun die BBC, dass die Ägypter zumindest Netflix wegen der Darstellung Cleopatras als Schwarzer noch zürnen: Quelle

Und zu Recht. Zweifellos ist immer ein Teil, vielleicht sogar ein Großteil der Kritik an solchen Besetzungen rassistisch motiviert, aber das ändert nichts an ihrer Kritikwürdigkeit. Es ändert nichts daran, dass es sich um politisierende, ahistorische Geschichtsverfälschungen handelt, und letztlich auch um kulturelle Aneignung, insofern als eine historische Figur, die in einer anderen Kultur Wertschätzung genießt, zu politischen Statements in einer (v.a. amerikanischen) innenpolitischen Debatte missbraucht wird.

Ich habe mittlerweile keine Hoffnung mehr, dass Netflix noch brauchbare Historienfilme wie 'Outlaw King' produzieren wird, und werde mein Abonnement kündigen.
 
Während man sich in Europa bereits daran gewöhnt hat, wenn Anne Boleyn in einem "Geschichtsfilm" von einer Afrikanerin gespielt wird, berichtet nun die BBC, dass die Ägypter zumindest Netflix wegen der Darstellung Cleopatras als Schwarzer noch zürnen: Quelle

Und zu Recht. Zweifellos ist immer ein Teil, vielleicht sogar ein Großteil der Kritik an solchen Besetzungen rassistisch motiviert, aber das ändert nichts an ihrer Kritikwürdigkeit. Es ändert nichts daran, dass es sich um politisierende, ahistorische Geschichtsverfälschungen handelt, und letztlich auch um kulturelle Aneignung, insofern als eine historische Figur, die in einer anderen Kultur Wertschätzung genießt, zu politischen Statements in einer (v.a. amerikanischen) innenpolitischen Debatte missbraucht wird.

Ich habe mittlerweile keine Hoffnung mehr, dass Netflix noch brauchbare Historienfilme wie 'Outlaw King' produzieren wird, und werde mein Abonnement kündigen.

Ravenik hatte bereits in einem anderen Faden von Geschichtsfälschung in Bezug auf Anne Boylan gesprochen, es handelte sich heirbei allerdings um Theater.

Mir gingen schon da einige Gedanken durch den Kopf, die dieser Einschätzung widersprechen.

Interessanterweise würde mich eine solche Besetzung in einem Film eher irritieren als im Theater. Warum ist das so? Weil man mit einer anderen Erwartung in ein Theaterstück geht, als in einen Film.. Es ist ja Aufgabe des Theaters, mit unseren Sehgewohnheiten zu brechen. Und es ist seine Aufgabe, Stoffe für unsere Zeit neu zu interpretieren., Das sind wir gewohnt., In der Regel kommt da auch nicht der Vorwurf der Geschichtsfälschung.,

Ich würde mich aber auch in einem Film über eine ungewöhnliche Besetzung nicht ärgern., Denn ich mag es, wenn mit meinen Sehgewohnheiten gebrochen wird, statt meine Erwartungen zu bedienen., Sonst wird das Fernsehen doch bald langweilig und schal.

Apropos Theater, aber ist Geschichtsfälschung bei Theaterstücken nicht eher die regel als die Ausnahme., Hab vor kurzem Schiller Johanna von Orleans gelesen und das mal grob mit den tatsächlichen Ereignissen abgeglichen., Schiller war ein Geschichtsfälscher der Sonderklasse.

War es nicht zu Sakespeares Zeiten üblich, dass Frauenrollen von Männern gespielt wurden? War das auch Geschichtsfälschung?

Ich muss allerdings zugeben, dass mich auch whitewashing nicht sehr aufregen kann. Es erscheint nur oft unnötig, da ja immernoch viel mehr Stoffe für weisse als für schwarze Schauspieler geschrieben werden., Es ist immer noch ein Wettbewerbsvorteil schwarz zu sein.

Wenn ich mich in die Position des Entscheiders für so eine besetzung versetze, dann stosse ich auf ein weiteres Problem. Sollte ich eine Kandidatin für eine historische Rolle, die alle Vorrausetzungen erfüllt, allein wegen ihrer Hautfarbe ausschließen? Wäre das nicht die Definition rassistischer Diskriminierung? Gut, jugendliche Rollen werden auch in der Regel nicht mit alten Leuten besetzt. Das betrachten wir auch nicht als Altersdiskriminierung. Allerdings wäre es Geschichtsfälschung eine junge Person von einer älteren spielen zu lassen? Auch das scheint üblich ohne dass es Aufregung verursacht.

Das bringt mich zum Kern., Wäre es Geschichtsfälschung, wenn eine Linkshänderin eine historische Rechsthänderin spielen würde., Und warum ist die Hautfarbe so viel wichtiger? Doch auch nur wegen unserer Sehgewohnheiten., In einer Welt, in der Linkshänder systematisch ausgegrenzt würden,, würde uns das sofort auffallen, wie jetzt die Hautfarbe. Und wie willkürlich solche äußeren Merkmale sind, zeigen ja Experimente (blue eyes-brown eyes).

Meine Wunsch wäre eine Welt, in der whitewasing wieder okay ist. das wäre nämlich die Konsequenz, wenn Hautfarbe eine so gr0ße Rolle spielt, wie, ob jemand Links- oder Rechtshänder ist.
 
Das Theater ist eine Kunstform sui generis. Ihm haftet ohnehin eine gewisse Künstlichkeit an. Man geht nicht ins Theater, um der visuellen Wiedererweckung einer vergangenen Epoche beizuwohnen, sondern des Schauspiels wegen, der Dramaturgie, letztlich der literarischen Qualität des gespielten Stücks.

Der Historienfilm indes will Einblicke in die Vergangenheit ermöglichen, sie erlebbar machen. Natürlich ist dies in der Praxis immer mit Abstrichen in puncto Realitätstreue verbunden (das muss sogar so sein, umso weiter man in der Vergangenheit zurückgeht und desto spärlicher die Quellen ausfallen).

Dass man keine vollkommene Realitätstreue gewährleisten kann, befreit in meinen Augen aber nicht davon, zumindest ein Höchstmaß anzustreben. Denn wenn nicht, wenn ein geringeres Maß genügt, stellt sich doch zwangsläufig die Frage, warum man nicht die Darstellung der fraglichen Epoche komplett dem eigenen Gusto unterordnen sollte. Arminius mit Leopard-Panzern im Teutoburger Wald – wann?

Ich verstehe den Sinn der Frage, ob es geschichtsverfälschend wäre, eine Linkshänderin von einer Rechtshänderin spielen zu lassen. Doch die Linkshändigkeit einer historischen Persönlichkeit ist eher kein identitätsstiftendes Merkmal, was man indes bei ihrer Hautfarbe wird bejahen müssen – zumal wenn man es aus politischen Gründen für notwendig hält, Anne Boleyn von einer Schwarzen spielen zu lassen.

Niemand behaupte, es wäre anders. Denn niemals wird es ein 'Der Untergang'-Remake mit Denzel Washington in der Hauptrolle geben, und niemals wird man Emmeline Pankhurst von einem Mann spielen lassen. Das sollte man auch nicht. (Was Cleopatra angeht: Da sie als Ptolemäerin gerade keiner der wichtigsten Ethnien in Ägypten angehörte, wird man mit Fug und Recht behaupten können, dass es für ein Biopic über sie von einiger Wichtigkeit wäre, sie nicht als Afrikanerin darzustellen.)

Whitewashing war ein Unding. Das politisch korrekte Blackwashing ist es auch. Abgesehen davon, dass man ohne guten Grund eine geschichtsverfälschende Darstellung vornimmt, um Teilen des Publikums zu gefallen, und ohne konkreten Nutzen den Verschwörungstheorien der radikalen Rechten in die Hände spielt, dass die "weiße Kultur" ausgetilgt werden solle, geht mir die Doppelmoral auf den Keks.

Denn es ist kulturelle Vereinnahmung, eine historische Persönlichkeit verfälschend so darzustellen, wie es die eigenen kulturellen Normen erfordern. Und den Befürwortern dieses Unsinns fällt regelmäßig nichts Besseres ein, als auf kulturelle Aneignung in vergangenen Filmen zu verweisen. Tolle Rechtfertigung!

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Dumm ist es zudem. Warum sollte sich z.B. die britische Gesellschaft, nach Meinung der Streiter für die soziale Gerechtigkeit, mit ihrer rassistischen Vergangenheit auseinandersetzen, wenn es eine solche offenbar doch gar nicht gab, da doch eine Schwarze bereits 1533 Königin von England werden konnte?

Wenn die Studio-Bosse meinen, dass es an historischen Stoffen über nicht-weiße Persönlichkeiten mangele (und das tut es!), sollten sie endlich die immensen kulturellen Schätze heben, die sie – die uns belehren wollen – doch bisher meist geflissentlich ignoriert haben. Warum überhaupt? Taugen die resoluten Königinnen Madagaskars nicht für ein veritables 'Game of Thrones'? Warum gibt es kein Hollywood-Epos über das Leben Ibn Sinas? Keinen Blockbuster über Babur Chan?

Und jetzt kommt's: Die Wahrheit ist doch, dass sich Hollywood mehrheitlich für andere Kulturen und deren Perspektive überhaupt nicht interessiert. Dass die meisten Studios kreativ bankrott sind. Sie gehen lediglich den Weg des geringsten Widerstands und produzieren die Filme, die sie immer schon produziert haben, bloß dass man jetzt ethnische Minderheiten castet, um die Kritik zum Verstummen zu bringen, man biete nicht-weißen Schauspielern nicht genügend Repräsentation.

Das ist eine Alibi-Veranstaltung, nicht anders, als wenn Exxon eine Spendengala für den Klimaschutz abhielte. Und was wird im Übrigen damit ausgesagt, wenn nicht: Schiebt euch eure Ranavalona sonst wohin, liebe Afrikaner, die interessiert uns Weiße nicht! Seid dankbar, dass wir euch auf unsere eigenen Sockel heben? Es ist diese Verlogenheit, die mich so sehr aufregt. Zumal wenn diesen Heuchlern, die noch vor zehn Jahren in 'Gods of Egypt' altägyptische Götter von kalkweißen Schotten und Skandinaviern spielen ließen, nichts Besseres einfällt, als ihren Kritikern Rassismus vorzuwerfen.
 
Es gibt allerdings Filme und Filme.

Einige Filme - oft Umsetzungen von Theaterstücken und Literatur - operieren mit Mitteln des Theaters.
Einige Filme - denken wir an Monty Python - haben ähnlich unrealistische Elemente für den Film entwickelt.
Einige Filme verwenden das in geringen Dosen, um die Aussage klar zu machen.

Die Mehrheit der Produktionen aber will mit ihrem Realismus wirken und wenn es zumeist auch nur unterhaltende Wirkung ist.

Und wozu diente es als Stilmittel einen Weißen schwarz darzustellen? Das ist wohl kaum noch akzeptabel.

Es wird aber auch eingesetzt, um die Kunst zu thematisieren, um zu irritieren oder zu verfremden, wenn etwa eine Schwarzafrikanerin die Germania darstellt, also um moderne künstlerische Anliegen darzustellen oder zu problematisieren.

Doch gilt das so eben nicht in Unterhaltungsfilmen und in Filmen, die realistisch darstellen wollen. Bei vielen Sachen spielt es keine Rolle, wenn Name oder Geschichte angepasst werden. Aber eine Englische Königin? Da muss ich dann doch sagen, dass das ein Machwerk ist, dass sowohl ein falsches Bild erzeugt, als auch seine Funktion nicht erfüllt.

Da muss ich mich der Forderung anschließen, passenden Stoff heranzuziehen, statt immer dieselben Geschichten zu zeigen.

Doch müssen wir auch erkennen, dass das eine politisch gewollte Darstellung ist. Die Vergangenheit soll gezeigt werden, wie sie gewünscht wird. Andere Zustände seien als Unding und auf Dauer als unrealistisch und nicht stattgefunden zu bewerten. Dies hat mir jemand aus entsprechender Aktivistenszene jedenfalls erklärt. Dann wurde es noch seltsamer. Aber das gehört dann nicht mehr ins Forum. Damit geht es aber nicht mehr um Realismus, sondern um Umschreiben der Realität. In meinen Augen also so primitiv, wie der Pharao, der den Namen des ungeliebten Vorgängers in allen Inschriften durch den eigenen ersetzen lässt. Noch dazu in der Hoffnung, ein falsches Geschichtsbild zu schaffen, wo es dem Pharao nur um das zurechtrücken der Weltordnung ging.

Und letzteres ist es wohl, um das es vielen geht. Aufgrund mangelnder Bildung, kommt da die Vorstellung bis in die Intelligenz unserer Kultur, dass, wenn es anders als gewünscht gezeigt wird, auch anders sein wird. Für das Falsche gibt es keine Berechtigung. Wer das Falsche zeigt, greift das Richtige an. Eine gut mittelalterliche Vorstellung, die wir Überwunden glaubten, aber nicht so primitiv ist, wie das Umschreiben der Realität.

Jedenfalls finde ich keine andere Erklärung, warum hier die Diskriminierung mit einer anderen bloß fprtgesetzt wird. Die Produzenten reagieren ja nur auf die Nachfrage, weshalb ihre Motivation keine Erklärung ist.

Dass bedeutet aber auch, dass das es keine historisierenden, sondern politisierend-ideologische Blockbuster sind und eigentlich nicht ins Forum gehörten, wenn da nicht der ideologische und verfälschende Missbrauch der Geschichte wäre.

Wohlgemerkt: Je nach Anspruch des Films, wäre eine schwarzafrikanische Anne Boleyn akzeptabel, da sie ja zentral ist und die Figur ja auch als Kulminationspunkt dienen kann. Aber, was ich höre, ist es reine Unterhaltung. Oder hat sich der Regisseur geäußert?
 
Zuletzt bearbeitet:
Whitewashing war ein Unding. Das politisch korrekte Blackwashing ist es auch.
Das meine ich auch. Aber Aufregung über das Geschlecht und/oder die Hautfarbe der Darsteller gab es praktisch schon immer. Als es Frauen noch verboten war, in einer Oper zu singen, hat man Kastraten eingesetzt. Und als die ersten Theater sich über das Verbot hinwegsetzten, gab es Skandale und auch Proteste: Das Publikum wollte weiter Kastraten singen hören.

Der (schwarze) Othello in dem Theaterstück von Shakespeare (Othello, the Mohr of Venice) wurde meistens von weißen, aber auch von schwarzen Schauspielern gespielt, selbst im 19. Jahrhundert, was ich für außerordentlich halte. Danach jedoch gab es nur noch weiße Sänger in der Rolle des Othello. Das gilt auch für gleichnamige Verdioper.

Und jetzt, im 21. Jahrhundert, darf Othello nicht mehr von weißen Schauspielern bzw. Sängern gespielt werden – es sei denn, ein Weißer wird nicht schwarz angemalt. Aber das geht dann schief, weil Othello sich wegen seiner Hautfarbe als minderwertig fühlt, und das einen wesentlichen Grund für seine Eifersucht etc. darstellt. Andererseits gibt es kaum schwarze Sänger, die fähig sind, diese schwierige Rolle des Othellos zu singen. Also kann man das Stück nicht oder kaum mehr auf die Bühne bringen. So weit sind wir, dass wahrscheinlich den Rigoletto in der gleichnamigen Verdioper nur ein echter Buckliger wird singen dürfen.

Das alles gilt natürlich auch für Filme.

Es wird aber auch eingesetzt, um die Kunst zu thematisieren, um zu irritieren oder zu verfremden, wenn etwa eine Schwarzafrikanerin die Germania darstellt, also um moderne künstlerische Anliegen darzustellen oder zu problematisieren.
Die tollste schwarze Germania gibt es bei Rammstein-Video „Deutschland“ zu sehen – mMn eine der besten Videos dieser Gruppe: Geschichte Germaniens im Schnelldurchgang, ordentlich durchgeschüttelt.
 
Ich bin eigentlich ganz froh, dass Frauen mittlerweile mehr sind, als das kreischende Beiwerk zum Helden, das gerettet werden muss.
Ich auch.

Aber ist es nicht lächerlich und sogar verdammt unfair all den Frauen der Vergangenheit gegenüber – berühmten wie namenlosen –, wenn Hollywood sie zusehends in Männerrollen drängt, als müsse eine Frau "männliches" geleistet haben, um als Protagonist interessant und erinnerungswürdig zu sein?

Auch in angeblich konventionell-weiblichen Rollenbildern kann Heldenmut stecken. Was Historienstreifen anlangt, hat 'Outlaw King' das sehr gut umgesetzt. Elizabeth de Burgh führt keinen Krieg, sie berät ihren Mann Robert de Bruce nicht einmal politisch, trotzdem ist sie eine zentrale, bewundernswerte und unzweifelhaft starke Figur, wie sie heute in Filmen kaum mehr vorkommt bzw. vorkommen darf.

Mut kann aber nur zeigen, wer sich fürchtet, oder es wäre eben kein Mut; und emotionale Stärke wird dadurch sehenswert, dass jemand sie zeigt, der sich nicht einfach den Weg freikämpfen kann.

Sollen Frauen in heroischen Rollen gezeigt werden, gibt es noch so viele interessante Biographien, die zu Historienstreifen verarbeitet werden könnten, von Hollywood aber ignoriert werden.

Ich würde gutes Geld bezahlen für einen Film über den Rachefeldzug der "bretonischen Tigerin" Jeanne de Belleville. Oder über die enigmatische Caterina Sforza, die sich im Schlangennest der Italienkriege mit Schwert und List behauptete. Oder über La Maupin, schillernde Duellantin und Sängerin des Grand Siècle, deren gewaltsame Befreiung ihrer Geliebten aus dem Kloster nicht mal ihr spektakulärstes Abenteuer war.

Worauf ich keinen Bock mehr habe, das sind Frauengestalten wie Marion Loxley in Scotts 'Robin Hood', die pünktlich zum großen Finale in voller Rüstung auf dem Schlachtfeld auftaucht und mit leichter Hand die französischen Ritter fällt; wie mit dem Schuhlöffel hinein gezwängt, weil es dem Studio an Kreativität oder an Mut fehlte, einen organischeren Höhepunkt für die Entwicklung ihres Charakters zu finden.

Was wird denn damit ausgesagt? Alles, was sie bisher geleistet hat – zehn Jahre lang ohne die Hilfe ihres Ehemanns in einem rechtslosen Land ihr Gut zu bewirtschaften und gegen eine skrupellose, schmierige und korrupte Männerwirtschaft zu verteidigen –, war nicht gut genug.

Und dieser Film ist nicht mal das schlimmste Beispiel, nur das erste, das mir eingefallen ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber ist es nicht lächerlich und sogar verdammt unfair all den Frauen der Vergangenheit gegenüber – berühmten wie namenlosen –, wenn Hollywood sie zusehends in Männerrollen drängt, als müsse eine Frau "männliches" geleistet haben, um als Protagonist interessant und erinnerungswürdig zu sein?
Hollywood – und Netflix & Co. – produziert, was dem Publikum gefällt. Und Aktionskino besteht nun mal aus Hauen und Stechen in allen Variationen. Da haben Frauen, die mit subtileren Mitteln kämpften und kämpfen, nichts zu suchen – es sei denn, sie mischen gleich Männern in Aktionsszenen mit, wo sie „Männliches“ leisten müssen, was nicht jedem gefällt. Historisch gesehen geben Frauen, mit wenigen Ausnahme – z.B. der Amazonen –, als kämpfende Heldinnen wenig her.

Sehr gut werden Frauen z.B. in der Serie „Game of Thrones“ (GOT) dargestellt, in welcher sie mehrere Hauptrollen spielen und u.a. auch ihrem ureigenen Metier nachgehen dürfen: Intrigieren. So können auch Zuschauerinnen der Serie etwas abgewinnen – für Männer gibt es trotzdem genug Kampfszenen –, was nicht wenig zum Erfolg der Serie beitrug. Das ist nicht selbstverständlich, denn bei diesem Werk muss man ungewöhnlich langen Atem haben, die Vielzahl der Personen und der Handlungen über Wochen im Kopf behalten und sich die ganze Geschichte selbst zusammenreimen, was schon eine intellektuelle Leistung erfordert, zu der die Zuschauer angeblich nicht bereit seien, wie uns die Verteidiger des Seichten immer wieder versichern; GOT beweist das Gegenteil.
 
Hollywood – und Netflix & Co. – produziert, was dem Publikum gefällt.
Ich glaube nicht, dass man diesen Satz vollumfänglich bejahen kann.

Dafür sind in den letzten Jahren zu viele Filme nach Boykott- oder regelrechten Hasskampagnen gegen sich wirtschaftliche Misserfolge geworden. Zu viele ostentativ politisch motivierte Einflussnahmen der Studiobosse, z.B. von Kathleen Kennedy und Kevin Feige, sind bekannt geworden. Zu viele Filmemacher haben sich öffentlich, teils sogar in den sozialen Medien wie Rhian Johnson, abfällig über das Publikum ihrer Filme geäußert. Und zu viele Online-Shitstorms mit teilweise unglaublich geringer Reichweite haben kreative Entscheidungen beeinflussen können. Dass z.B. Scarlett Johansson ihre Rolle in 'Rub & Tug' aufgeben musste, ist letztlich das Werk eines Twitter-Kanals mit kaum 500 Followern gewesen.

Das ist ja gerade das Erstaunliche, wie bereitwillig v.a. die amerikanische Filmindustrie mitunter am Publikum vorbeiproduziert. Man mag über die rechte Ecke, aus der der Slogan "get woke, go broke" kommt, denken, was man will, aber in den Statistiken zeigt er einen wahren Kern.
 
Und jetzt kommt's: Die Wahrheit ist doch, dass sich Hollywood mehrheitlich für andere Kulturen und deren Perspektive überhaupt nicht interessiert. Dass die meisten Studios kreativ bankrott sind. Sie gehen lediglich den Weg des geringsten Widerstands und produzieren die Filme, die sie immer schon produziert haben, bloß dass man jetzt ethnische Minderheiten castet, um die Kritik zum Verstummen zu bringen, man biete nicht-weißen Schauspielern nicht genügend Repräsentation.

Dem würde ich mich im Wesentlichen inhaltlich zwar anschließen, aber das an und für sich halte ich nicht für ein Problem, problematischer dürfte, denke ich eher sein, dass da ein Bewusstsein für den Unterschied zwischen historischen und rein fiktiven Stoffen nicht mehr gegeben ist.
Bei Stoffen, die nicht für sich in Ansspruch nehmen Geschichte und und historische Tatsachen so wirklichkeitsgetreu wie möglich zu schildern, kann man ja in der Besetzung von Rollen so kreativ verfahren, wie man möchte, ob das dem Publikum dann gefällt ist eine andere Frage, aber das halte ich zumindest im Grundsatz für nicht sinnvoll kritisierbar, da künstlerische Freiheit.

Das Problem liegt, denke ich eher darin, dass die Sensibilität dafür fehlt, dass man historische Stoffe nicht in der gleichen Weise behandeln kann, wie rein fiktive, jedenfalls wenn man für sich in Anspruch nimmt, irgendwelche historischen Begebenheiten wiederzugeben.
Anders sieht es aus, wenn man sich auf die Fahne geschrieben hat historische Figuren und Gegebenheiten zu parodieren oder in den Kontext eines offensichtlich fiktiven Klamauks einzubauen, der diesen Anspruch nicht erhebt, sondern einfach nur mit der historischen Referenz und Erinnerungskultur der Zuschauer spielt.

Insofern hätte ich jetzt mit einem Typen namens Arminius, der im Teutoburger Wald mit einer Panzerdivision herumfährt und eine augusteiische Legion bekämpft, überhaupt nichts einzuwenden, ganz einfach weil das offensichtlich weit von der historischen Realität ist und offensichtlich nicht den Anspruch erhebt Geschichte widerzugeben, sondern sich allenfalls für einen fiktiven Stoff gewisser Anleihen an die Geschichte bediehnt.



Was gewisse Kreativitätsdefizite angeht, dürfte ein grundsätzliches Problem wesentlich mehr darin liegen, dass im Besonderen bei den Produktionsfirmen und den Regisseuren, eine zu geringe Diversität vorhanden ist, insofern diejenigen Filmemacher, die an die wirklich großen Budgets herankommen und Möglichkeiten haben eben in ihrer Mehrzahl einen Hintergrund haben, der die Adaption von anderem nicht unbedingt nahelegt und aus dem sie dafür ausbrechen müssten.
Wenn man Verantwortliche in einer Produktion hat, die zu weiten Teilen aus dem gleichen Kulturkreis kommen und möglicherweise nicht die versiertesten Kenner der Geschichte anderer Regionen sind, kommt eben eine gewisse Gleichförmigkeit dabei heraus, zumal wenn man bedenkt, dass die meisten in Hollywood produzierten Filme sich natürlich auch in erster Linie an ein amerikanisches Publikum richten, dass möglicherweise andere Erwartungen hat, als wir hier.
 
Anders sieht es aus, wenn man sich auf die Fahne geschrieben hat historische Figuren und Gegebenheiten zu parodieren oder in den Kontext eines offensichtlich fiktiven Klamauks einzubauen, der diesen Anspruch nicht erhebt, sondern einfach nur mit der historischen Referenz und Erinnerungskultur der Zuschauer spielt.
Parodie und Satire dürfen, ja sollen (!), da gerne aus dem Vollen schöpfen, aber ich befürchte das die Glanzlichter dieser Gattung "Historienparodie" - die verrückte Geschichte der Welt, little big man, Ritter der Kokosnuss, Life of Brian - nicht überboten werden können (ich meine gar, dass sie nicht einmal annähernd erreicht werden können)

Ein weiteres Problem ist irgendwie stilistischer Art: man sieht dem Raumschiff Orion die bundesdeutschen 60er Jahre an, man sieht dem Raumschiff Enterprise die 70er Jahre an (späteren Staffeln sieht man ihre jeweilige Zeit an) und nicht anders ist es bei den meisten "Historienfilmen", egal ob Caesar, Ludwig XIV, Bayernkini oder Arminius: alle haben unverkennbar den Beigeschmack ihrer Entstehungszeit. Der Grund dafür liegt im optischen Zwang: der Film muss seinen Schauplatz zeigen, muss wie quasi live wirken und egal wie phantastisch und unrealistisch seine Handlung auch ist: wehe man sieht gekünstelte Kulissen etc zu deutlich - der Roman schreibt seinem Leser dergleichen nicht vor und lässt mehr Spielraum für die Fantasie*)

Vielleicht ist Pasolinis Passion Christi die einzige cineastische Ausnahme, aber man sieht diesem Film den Einfluß der Theaterregie/Inszenierung a la Beckett & Co. zu deutlich an; Fellinis Satyricon will erst gar nicht "historisch-realistisch" sein, sondern ein sichtbar inszeniertes stilistisches Baccanal als auch optisch opulenter Zerrspiegel seiner Zeit, die man natürlich in diesem Spiegel erkennen soll.

Die notwendige Optik, der von der Gattung erzwungene Seh-Realismus**) lässt sich nicht wegblenden, ;) , Augen zu ist nicht die Absicht der Gattung...

Dieses seltenst verschleierbare verhaftet sein in der eigenen Zeit betrifft nicht nur Mimik, Gestik, stilistisches Design, sondern auch Rollenmuster - das führt dazu, dass uns aufgenötigt wird, pseudorealistisch eine aktuelle sowie gewollte heutige Rollenbilder als Wikingerin sehen zu müssen, natürlich unverkennbar in "realistischem" 2020er-Jahre-Design...

Erfreulich ist das eher nicht, erträglich nur, wenn man dergleichen egal wie gut gemeinte*** Historienfilme einfach nur als Leinwandspektakel ohne sonderlichen historischen Anspruch goutiert...

Bram Stokers Dracula macht uns beim lesen wohlig gruseln, aber einen Dracula sehen zu müssen, entzaubert die Fantasie und gerät entweder einengend oder lächerlich.

______________
*) Weder Zamjatin (Geißel Gottes) noch Brecht (die Geschäfte des Herrn Julius Caesar) langweilen und bevormunden ihre Leser mit einer akribischen Detailbeschreibung des Aussehens von Attilla oder Caesar.
**) was ich mit dieser kuriosen Vokabel meine, dürfte ersichtlich sein: im Film muss man das Zauberschwert Excalibur sehen, egal wie lächerlich es ausschaut (z.B. letzte Legion) und egal ob Spaceopera oder Fantasy, uns wird der pseudorealistische Anblick vom Beamer oder von Avalon zugemutet...
***) gut gemeint ist bei weitem nicht immer gut gemacht...
 
Zumindest bei mir gibt es folgendes Phänomen:
Je älter ein Film ist, desto authentischer wirkt er.
(Vglch. Die diversen "Im Westen nichts neues")
Oder die diversen "Napoleon-Schinken" - der zuletzt gedrehte 4 Teiler zeigt mir einen Schauspieler, nicht "den" Napoleon.
Wie anders wirkt doch ein Rod Steiger, obwohl der vom äußeren Erscheinungsbild vielleicht dem Kaiser am unähnlichsten war.
Und das, obwohl diese auch nicht mehr mit der Wirklichkeit zu tun haben müssen, als neuere Filme.
Dieses Phänomen gilt für mich sogar für alte Western, z.B. mit John Wayne.
Ich ertappe mich bei dem Gefühl, ja, so hätte es damals sein können*.
Dieses Gefühl habe ich bei modernen Filmen nie - da ist es für mich in der Tat "Leinwandspektakel".

*obwohl man natürlich weiß, dass es nicht so ist

Gruß, muheijo
 
Das ist ja gerade das Erstaunliche, wie bereitwillig v.a. die amerikanische Filmindustrie mitunter am Publikum vorbeiproduziert.
Am Publikum vorbei zu produzieren, kann sich niemand über länger Zeit leisten, schließlich lebt man von ihm. Das schließt nicht aus, dass da und dort auch Flops produziert werden, aber die Produzenten müssen liefern, was das Publikum verlangt, sonst gehen sie pleite.

Und man muss unterscheiden, was Kritiker schreiben, und was das Publikum goutiert. Ein Beispiel: Der Film „Das Boot“ wurde von deutschen Kritikern fast einheitlich niedergeschrieben, aber als der Film für 6 Oscars nominiert und der Regisseur Peters und sein Kameramann Vacano nach Hoolywood eingeladen wurden, um dort (sehr erfolgreich) zu arbeiten, änderte sich die Stimmung auch bei unseren Kritikern, was nicht oft vorkommt. Heute ist der Film aus der Geschichte des Films insgesamt nicht wegzudenken. Und: Dem Film sieht man seine Entstehungszeit (1981) nicht an. Oder bist du, @dekumatland, da anderer Meinung?

Je älter ein Film ist, desto authentischer wirkt er.
(...)
Dieses Phänomen gilt für mich sogar für alte Western, z.B. mit John Wayne.
Das ist wohl nur dein Problem, zumal gerade bei John Waynes Filmen die Wirklichkeit bis zur Unkenntlichkeit verbogen wurde – siehe z.B. in seinem Film Alamo. Dazu etwas längeres Zitat aus der Süddeutschen, weil hinter der Paywall (Fettschreibung durch mich): Süddeutschen Zeitung:

Das Alamo – Spanisch für Pappel - ist eine Chiffre geworden für nationale Entschlossenheit und absolute Opferbereitschaft, ein Evergreen der politischen Rhetorik der USA. In seiner Rede zur Lage der Nation 2020, seiner zumindest vorerst letzten, beschwor auch Donald Trump „the beautiful, beautiful Alamo“.
(…)
Amerika hat seine Geschichte in einer Art und Weise überhöht, dass jede Kritik, auch nur jeder winzige Korrekturwunsch als Blasphemie gebrandmarkt werden kann.
Und damit zurück nach Texas, wo ein nüchterner Blick auf die Gründungsgeschichte, auf die angebliche Befreiung aus mexikanischer Unterdrückung, wie ihn Chris Tomlinson wagt, schmerzhafte Einsichten liefert. Die Sklaverei als Triebkraft der texanischen Revolution? Das ist kein Unsinn.
Texas war Anfang der 1830er-Jahre ein Teil von Mexiko, und ach, dieser hinreißende Sinn für Ironie, den die Geschichte hier offenbart: Die mexikanische Regierung hatte ganz schön Ärger mit illegalen Einwanderern aus den USA. Texas war ein unwirtlicher Flecken Erde, aber auch ein Versprechen auf Wohlstand. Der Wohlstand kam von der Baumwolle, und die Baumwolle wurde von Sklaven gepflückt – die Siedler brachten sie extra mit. Stephen Austin, der „Vater von Texas“, schrieb an einen Freund: „Texas muss ein Sklavenland sein. Die Umstände und die unvermeidliche Notwendigkeit zwingen uns dazu.“
Die Sklaverei war über ein Jahrzehnt hinweg nicht der einzige, aber der zentrale Konflikt der aus den USA eingewanderten Kolonisten mit der Regierung in Mexiko-Stadt. Die Mexikaner verboten die Sklaverei, ließen den Texanern aber eine Weile noch Schlupflöcher. Als sie diese schlossen, sagten sich die Texaner 1835 los. Bevor der mexikanische Präsident, General Santa Anna, mit einer Armee aufbrach, um den Aufstand niederzuschlagen, schrieb er seinem Parlament, Schwarze sollten nicht „in Ketten leiden müssen in einem Land, dessen Gesetze die Freiheit eines jeden Mannes unabhängig von Kaste und Farbe beschützt“.
Das, sagt Chris Tomlinson im Coffeeshop in Austin, sei der Stand der historischen Forschung im Jahr 2023. „Die Freiheit, für welche die Texaner kämpften, war ganz konkret die Freiheit, andere Menschen besitzen zu dürfen. Und der Mythos des Alamo darf diese schlichte Tatsache nicht überdecken.“
(…)
„Remember the Alamo“, sagt Rudy Rosales, der den Weißen ihren Glauben an den Nikolaus nehmen will, auch wenn es wehtut. „Okay. Aber erinnert es richtig. Nicht das Alamo von John Wayne.“
(…)
Dann kam John Wayne, der 1,5 Millionen Dollar seines eigenen Geldes in „Das Alamo“ steckte, weil er die Großproduktion als seinen persönlichen Beitrag zur Abwehr einer kommunistischen Invasion begriff. Vor der Premiere 1960 sagte er: „Das Alamo wird eine vergessliche Welt daran erinnern, welche Art von Menschen die Amerikaner wirklich sind.“ Seine PR-Leute überzeugten sieben Gouverneure, in ihren Bundesstaaten zum Kinostart einen Feiertag auszurufen, den „Alamo Day“. Über den Film muss man eigentlich nur wissen, dass Wayne seine Waschbärmütze praktisch nicht absetzt und die beiden als Berater engagierten Historiker ihre Namen aus dem Abspann entfernen ließen.


PS: Auch ich fand Western, in denen John Wayne spielte gut. Als Kind. Später, als ich von seiner rechten Gesinnung erfuhr, sah ich seine Filme kritischer. Und das dauert bis heute an und wird sich wahrscheinlich nie mehr ändern.
 
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