Slawen von der Zeitenwende bis zum 8./9. Jh.

ulamm

Mitglied
Deutschen Karten über die Siedlungesgeschichte sind bezüglich der Slawen wenig plausibel: Am Übergang von der Völkerwanderung zum Mittelalter tauchen sie in halb Europa auf, obwohl vorher selbst in ihrer Urheimat, irgendwo zwischen Pripjetsümpfen und Karpaten überall Germanen wohnten.

Die schriftlichen Quellen für die Zeit sind ja tendenziell mager. Berichtet wurde nur über Leute, die entweder Mittelmeerländer überfallen oder mit ihnen intensiv Handel getrieben haben. Man wird doch auch in Ostmitteleuropa Grabhügel und Burgwälle erforscht haben.

Einige Teilnehmer dieses Forums haben doch Sprachkenntnisse (als Mutter-, wie auch als Fremdsprache), mit denen sie einige gedruckte wie auch online gestellte Quellen ans Licht heben können, die vielleicht ein ganz anderes Bild der Slawen zeichnen.

Gruß

UL

p.s. Meines Erachtens sollte in diesem Forum mal ein Themenbereich "Frühgeschichte der Slawen" eingerichtet werden.
 
Hier haben immer noch zu viele die Vorstellung von "da wo ein Volk ist, kann kein zweites Volk sein". In Anbetracht der niedrigen Bevölkerungsdichte konnte durchaus eine Gegend von zwei Völkern bewohnt worden sein. Ackerbauern (Germanen) und Fischer (Slawen) z. B. werden sich kaum auf die Füße getreten sein. Slawen gab es im 6. Jahrhundert vielleicht insgesamt 3 Millionen, Germanen vielleicht doppelt so viel (grob geschätzt, ohne Quelle). In einem Gebiet, wo heute 4 - 500 Millionen leben. Die vorslawischen Handelverbindungen im späteren Nordostdeutschland wurden nach meiner Meinung von den Dänen nahtlos bis ins 12. Jahrhundert weitergeführt. Goten auf der Krim sprachen noch um 1900 gotisch. Die Sorben in D haben sich auch relativ unauffällig über viele Jahrhunderte gehalten. Viele denken in der Geschichte immer viel zu ausschließlich.

Meines Erachtens sollte in diesem Forum mal ein Themenbereich "Frühgeschichte der Slawen" eingerichtet werden.
Das habe ich vor einem halben Jahr schon mal vorgeschlagen. Wurde nicht beachtet.
 
Also vom geforderten Thema, habe ich selbst schon mal zwei Threads aufgemacht.

Ist schon länger her, da musste ich mal suchen.
 
@ Saxo,
das Bild von den slawischen Fischern kann verzerrt sein.
Wie http://edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/schich-winfried/PDF/Schich.pdf Winfried Schich: Die Havel als Wasserstraße im Mittelalter
(besonders zu beachten:
* Slawen als Brückenbauer
* mögliche Vernichtung slawischen Kulturlandes durch die mittelalterlichen Mühlenstaue)
und andere Quellen nahelegen, haben die Slawen in Ostdeutschland sich erst im Rückzug vor der deutschen Ostsiedlung schwerpunktmäßig auf die Fischerei verlegt.

Gruß

UL
 
Hier haben immer noch zu viele die Vorstellung von "da wo ein Volk ist, kann kein zweites Volk sein". [...] Goten auf der Krim sprachen noch um 1900 gotisch. Die Sorben in D haben sich auch relativ unauffällig über viele Jahrhunderte gehalten. Viele denken in der Geschichte immer viel zu ausschließlich.


Dem kann ich mich anschließen; zu den Krimgoten möchte ich anmerken, daß das Krimgotische schon im späten 18. Jahrhundert ausgestorben war.

http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=108660&postcount=22



Das habe ich vor einem halben Jahr schon mal vorgeschlagen. Wurde nicht beachtet.


Der Vorschlag wurde insofern beachtet, als er - zusammen mit einer zweistelligen Anzahl weiterer Vorschläge von anderen Mitgliedern zum Thema "Forenstruktur" - vor einigen Monaten im Mod-Zentrum diskutiert wurde. Einige dieser Vorschläge fanden eine Mehrheit und kamen dann zur Ausführung, andere nicht.
 
Auch wenn da mehrere Völker durcheinander gewohnt haben, sollte (Annahme) eine Gruppe, die später eine so große Dynamik entfaltete wie die Slawen, vorher einige Spuren hinterlassen haben.
Und diese Spuren sollten (Wunsch) dann auch in Berichten und Geschichtskarten berücksichtigt werden.
UL

Und noch ein ganz anderer Punkt vonwegen Veneter und Slowenen (Ich hab mal in der alten Diskussion von 2004 gestöbert):
Die vorgestellten Aussagen kann ich nicht überprüfen, aber es gibt ja zahlreiche Profis, die alle erhaltenen Inschriften daraufhin überprüfen können.
Immerhin scheinen sich die slawischen Sprachen teilweise weniger voneinander entfernt als die germanischen. Und unter den germanischen Sprachen haben sich Hochdeutsch und Englisch stärker verändert als die skandinavischen Sprachen. Von den romanischen Sprachen sind I, CA, E, P sehr nahe beieinander geblieben.
Rätsels Lösung ist die Schrift:
* Die Germanen haben sich über Europa verteilt und mit Kelten und anderen Provinzrömern gemischt, bevor ihre Sprachen in nennenswertem Maße geschrieben wurden. Dann war jahrhundertelang Latein die Amtssprache, deutsche und englische Texte eher Folklore. Anm.: Möglicherweise kann ein Schwede einen althochdeutschen Text besser verstehen als ein Deutscher.
* Die romanischen Sprachen wurden durch die lateinische Amtssprache eher zusammengehalten.
* Mehrere slawische Völker verfügten durch das (Alt-)Kirchenslawische frühzeitig über eine gemeinsame Schriftsprache, die in den autokephalen orthodoxen Kirchen auch gepflegt wurde. Die Bedeutung lässt sich an denjenigen slawischen Sprachen ermessen, denen eine Schriftsprache fehlte: Manche Ortsnamen in der Lausitz haben sich trotz Verballhornung in der seit langem geschriebenen deutschen Version vollständiger erhalten als in der lange schriftlosen sorbischen (z.B. Bukowitz/Bukoica, Crostwitz/Chrósčicy).
 
Zuletzt bearbeitet:
Slawen zwischen Spree und Oder

Die Herkunft der Slawen zwischen Spree und Oder und eine Zuordnung zum "Volk der Slawen" scheint umstritten. Während Wanderungsbewegungen (Goten, Burgunder) eigentlich immer registriert wurden, sind die Slawen hier plötzlich "aufgetaucht". Aber zumindest die Beschaffung von Nahrungsmitteln während derartiger Verschiebungen wurde registriert - nicht so bei den Slawen.
Adam von Bremen
Sclavania igitur, amplissima Germaniae provintia,
a Winulis icolitur, qui olim dicti sunt Wandali.

Sclavania also, die weitläufigste Provinz Germaniens,
wird von den Winulern bewohnt, die einst Wandalen genannt wurden.

Insofern ist die These, dass der Begriff "Slawen" erst durch die Weglassung des "c" durch Herder definiert wurden, verlockend. Sclavi sunt Wandali. Nachdem Karl der Große den Handel mit Christen verboten hatte, war es sehr nutzbringend, hinter der Elbe Heiden fangen und verkaufen zu dürfen. Und so wurde der Name dieser unfreien Heiden zum Synonym: Aus Sclaven wurden Slawen (englisch: slave).
Wer aber lebte nun hier? Ein eigenständiges Volk, oder Reste aller durch- und vertriebenen Völker: Goten, Burgunder, Vandalen. Es ist schlecht anzunehmen, dass immer ganze Landstriche komplett entvölkert wurden. Blieben diejenigen, die zu viel zu verlieren hatten? Oder die, die zu schwach waren, um auszuweichen?
Da haben die Archäologen noch etwas zu tun.
 
Die Herkunft der Slawen zwischen Spree und Oder und eine Zuordnung zum "Volk der Slawen" scheint umstritten. Während Wanderungsbewegungen (Goten, Burgunder) eigentlich immer registriert wurden, sind die Slawen hier plötzlich "aufgetaucht"..


Die Slawen sind nicht "plötzlich" aufgetaucht, sondern nach Abzug der germanischen Stämme (im wesentlichen Burgunder, Goten, Wandalen) allmählich in die Gebiete östlich von Elbe und Saale eingesickert.


Das Gebiet der Elb- und Ostseeslawen, für dessen später von Deutschen bewohnte Gebiete neuerdings auch die Bezeichnung "Germania Slawica" verwendet wird, ist seit der 2. Hälfte des 6. Jh. von Angehörigen westslawischer Völker besiedelt worden. Es handelt sich dabei um das Nachrücken kleinerer Gruppen in die von Germanen weitgehend geräumten Gebiete. Stellenweise kam es aber auch zur Zuwanderung geschlossener Verbände wie der Sorben, Wilzen und Abodriten oder der Stodoraner um Brandenburg. Weitere Gründe zur Westwanderung sind vermutlich Ausweichbewegungen vor den Awaren, obwohl man dem heute nicht mehr so viel Gewicht beimisst.

Allerdings dürfte die sorbische Landnahme östlich der Saale ein Reflex der awarischen Reichsgründung gewesen sein, die seit 568 in Pannonien siedelten.Im Grunde entspricht diese Situation des ausgehenden 6. Jh. der Nachricht bei Fredegar (IV 68) über die hier erstmals genannten Sorben.

Folgendes Szenarium zur slawischen Landnahme wird heute von der Forschung favorisiert: Ende des 6. Jh. und zu Beginn des 7. Jh. drangen über Mähren und Böhmen slawische Stämme nach Mitteldeutschland vor. Sie folgten der Elbe bis ungefähr Magdeburg mit Ausläufern bis ins Havelland. Ihre Merkmale sind eine bestimmte Keramik des Prager Typs, Urnenbestattung und Grubenhäuser, die eingetieft gebaut wurden. Hinzu kommen später zahlreiche andere Gruppen, die man anhand ihres Inventars archäologisch identifizieren kann, und die ich aus Pltzgründen hier nicht aufzählen will. Eine letzte Einwanderergruppe drang während des frühen 7. Jh. in das Elbe-Oder-Gebiet vor.

Interessant ist vielleicht noch folgendes. Bei ihrer Einwanderung stießen die Slawen an verschiedenen Stellen auf eine unterschiedlich starke germanische Restbevölkerung, die aber schnell slawisiert wurde und - von Namen abgesehen - keine erkennbaren Spuren in der slawischen Kultur des ostdeutschen Raums hinterließ.
 
Interessant ist vielleicht noch folgendes. Bei ihrer Einwanderung stießen die Slawen an verschiedenen Stellen auf eine unterschiedlich starke germanische Restbevölkerung, die aber schnell slawisiert wurde und - von Namen abgesehen - keine erkennbaren Spuren in der slawischen Kultur des ostdeutschen Raums hinterließ.
Es gibt dazu eine Theorie, dass das relativ primitive slawische "way of life", vor allem ihre wirtschaftliche Strategie, war einfach sehr atraktiv fur anderen Volker nach dem Fall der romischen Kulturzentrum.

Im Polen die Kaschuben (ihr eigener Name: Kaszëbi) haben Status der ethnischen Minderkeit. Die kaschebische Sprache wird heute, seit 2003, schon als eine der "pommerschen Sprachen" genannt. Sie sind, neben den Slovincen (das letzte slovinische Dorf ist Kluki neben Gdańsk), die Nachkommen der Pommeranern.
Die Kaschuben teilen sich auch in nachsten sprachlischen Gruppen : Mòrzanie, Rëbôcë, Bëlôcë, Lesôcë, Józcë, Mùcnicë, Gôchë, Krëbanie und Zabòrôcë, was der ehem. Stammen-Struktur im Pommern antworten kann.
Sie haben auch seit 1989 ihre eigene Zeitung "Kaszëbskô Òdroda" und Rundfunk "Radio KASZËBË " (beide auf kaschubisch). "Die Kaschuben" als ein separater Volkname wurde der erste mal am 19 Marz 1238. Papst Gregor IX hat in seinem Dokument das Termin dux Slavorum et Cassubia genutzt. 19. Marz ist also heute "Einheits-Tag der Kaschuben". Prinz Barnim III (1320-1368) wurde sich selber dux Cassuborum genannt. In jener Zeit haben die danzigeren Prinzen den Titel dux Pomeraniae getragen.
Seit 2005 konnen die Kaschuben ihre Sprache in allen Amten des Kreises Bytów nutzen und auch Abitur auf kaschubisch bestehen.
Linken:
http://www.kaszubia.com/
http://odroda.zk-p.pl/

Zur Vergleichung - "Vater Unser" auf kaschubisch:

Òjcze nasz, jaczi jes w niebie, niech sã swiãcy Twòje miono, niech
przińdze Twòje królestwò, niech mdze Twòja wòlô jakno w niebie
tak téż na zemi. Chleba najégò pòwszednégò dôj nóm dzysô i
òdpùscë nóm naje winë, jak i më òdpùszcziwóme naszim
winowajcóm. A nie dopùscë na nas pòkùszeniô, ale nas zbawi òde
złégò. Amen.

auf polnisch:
Ojcze nasz, któryś jest w niebie, święć się imię Twoje, przyjdź
królestwo Twoje, bądź wola Twoja jako w niebie tak i na ziemi.
Chleba naszego powszedniego daj nam dzisiaj. I odpuść nam nasze
winy, jak i my odpuszczamy naszym winowajcom. I nie wódź nas na
pokuszenie, ale zbaw nas ode złego. Amen.

auf niederlausitzerisch (ich habe leider keine Ahnung wie die sorbischen Dialekte in der deutsche Terminologie heissen):
Wóśce naš, kenž sy na njebju, wuswěśone buź mě Twójo, pśiź
kralejstwo Twójo, stań se wóla Twója ako na njebju tak teke na zemi.
Klěb naš wšedny daj nam źinsa. A wódaj nam naše
winy, ako my wódawamy našym winikam. A njewjeź nas do
spytowanja, ale wumóž nas wót togo złego. Amen.
.
und auf hochlausitzerisch:
Wótče naš, kiž sy w njebjesach. Swjeć so Twoje mjeno. Přińdź Twoje
kralestwo. Stań so Twoja wola, kaž na njebju, tak na zemi. Wšědny
chlěb naš daj nam dźens. Wodaj nam naše winy, jako my tež
wodawamy swojim winikam. A njewjedź nas do spytowanja, ale
wumóž nas wot złeho. Amen.

Man kann also die Aufmerksam darauf machen, dass die polnische Version phonetisch mehr ahnlich mit den beiden sorbischen Fassungen als mit der kaschubischen ist. PS. Donald Tusk, der Leiter der parlamentaren Opposizion im Polen ist ein Kaschub. Und Gunter Grass auch.
 
Ulamm schrieb:
Deutsche Karten über die Siedlungsgeschichte sind bezüglich der Slawen wenig plausibel: Am Übergang von der Völkerwanderung zum Mittelalter tauchen sie in Halb-Europa auf, obwohl vorher selbst in ihrer Urheimat, irgendwo zwischen Pripjetsümpfen und Karpaten überall Germanen wohnten.
Zwischen den Pripjetsümpfen und den Karparten wohnten keine Germanen. Die Ostgermanen werden auch Oder-Warthe-Germanen genannt, weil die östlichen Ränder ihres Siedlungsgebiets im Weichselgebiet zu finden waren. Erst mit den Goten findet man auch germanische Spuren in der „Urheimat“ der Slawen, die sprach- und altertumswissenschaftlich nördlich der Karparten zwischen oberem Bug und mittlerem Dnjepr im osteuropäischen Waldgürtel lag. Ihre Nachbarn im Norden waren Balten, im Nordwesten germanische Stämme, im Südwesten Kelten, im Süden Thraker und im Südosten vor allem Skythen und Sarmaten.
Bartek schrieb:
Es gibt dazu eine Theorie, daß der relativ primitive slawische "way of life", vor allem ihre wirtschaftliche Strategie, einfach sehr attraktiv war für andere Völker; nach dem Fall der römischen Kulturzentren.
Funde aus dem sechsten Jahrhundert zeugen davon, daß die Slawen eine schlichte bäuerliche Lebensweise hatten, die auf Selbstversorgung ausgerichtet war. Das war kein attraktiver "way of life" für andere Völker, sondern es war lebensnotwendig.
 
Es ist völlig richtig, daß in einem größeren Gebiet ein oder mehrere Völker nebeneinander leben können. Wenn wir die Slawen als reine Fischer ansehen, könnten sie entlang der Flüsse, an See und Sümpfen gelebt haben. Dann lebten dort noch indo-iranische Hirtenvölker und schließlich kamen Äcker bebauende Germanen. Nach einiger Zeit zogen die Germanen wieder ab und fertig. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, stimmt diese Szenario auch mit der Wirklichkeit überein. Germanen waren keine reinen Ackerbauern, sie hatten daneben auch immer Viehwirtschaft. Zudem sind auch Funde bekannt, die eindeutig auf Fischerei hinweisen. Auch die Sarmaten u.a. waren nicht vollständig mit Viehwirtschaft beschäftigt. Von den Slawen weiß man ebenfalls, daß eine reine Fischerei niemals existiert hat. Somit scheint sich doch schon abzuzeichnen, daß verschiedene Völker selten nebeneinander her leben, sondern stets in Konkurrenz stehen. Jetzt kommt noch hinzu, daß diese Völker keine monolithischen Blöcke bildeten. Es waren zumeist locker verbundene Gruppen. Nichts spricht dagegen, daß sich Gruppen eines Volkes mit Gruppen eines anderen Volkes gegen Teilgruppen ihres eigenen Volkes kämpften und konkurrierten.
Kommen wir jetzt wieder zum Thema. Als die Goten bzw. die ostgermanischen Gruppen der Wielbark-Kultur nach Südosten vordrangen, lebten dort natürlich fremde Völker. Diese wurden von den gotischen Neusiedlern ebenso beeinflußt, wie die Goten von diesen. Doch waren es Slawen? Nichts spricht dafür. Es waren Anten, Sarmaten und/oder Veneter. Am Ende der Wielbark und Cernjachov-Kultur ging der Einfluß die Goten drastisch zurück, der der Vorbevölkerung nahm überhand. Aus diesem Gemisch entstanden die slawischen Völker.Wie Dieter richtig schreibt, tauchen diese Slawen auch nicht urplötzlich überall auf, sondern man kann eine westlich bzw. südlich gerichtete Bewegung feststellen.
Die Gleichsetzung Sklaven Slawen scheint verlockend. Doch wird der Name Sclavenoi nicht zuerst im Deutschen Bereich erwähnt, sondern in römischen bzw. griechischen Quellen. Somit haben die Begriffe Slawe und Sklave nichts miteinander zu tun.
 
beorna schrieb:
Als die Goten bzw. die ostgermanischen Gruppen der Wielbark-Kultur nach Südosten vordrangen, lebten dort natürlich fremde Völker. Diese wurden von den gotischen Neusiedlern ebenso beeinflußt, wie die Goten von diesen. Doch waren es Slawen? Nichts spricht dafür. Es waren Anten, Sarmaten und/oder Veneter. Am Ende der Wielbark und Cernjachov-Kultur ging der Einfluß die Goten drastisch zurück, der der Vorbevölkerung nahm überhand. Aus diesem Gemisch entstanden die slawischen Völker.
In römischen Quellen erscheint im ersten Jahrhundert n.d.Z. für die Slawen der Name der Venether (Wenden), der auf den Namen eines westlichen Nachbarvolkes der Slawen (Sclavenoi) bzw. eines östlichen Nachbarvolkes der Germanen zurückgeht. Tacitus konnte sie weder den Germanen noch den Sarmaten zurechnen.
beorna schrieb:
Die Gleichsetzung Sklaven Slawen scheint verlockend. Doch wird der Name Sclavenoi nicht zuerst im Deutschen Bereich erwähnt, sondern in römischen bzw. griechischen Quellen. Somit haben die Begriffe Slawe und Sklave nichts miteinander zu tun.
Seit dem zwölften Jahrhundert gibt es neben der volkstümlichen Selbstbezeichnung auch die Bedeutung Sklave, wobei der chasarisch-arabisch beherrschte Sklavenhandel mit hellhäutigen Sklaven aus Ost- und Nordeuropa im östlichen Mittelmeerraum eine Bedeutung gehabt haben mag. Die Sklaven im Morgenland waren meist Slawen.
 
In römischen Quellen erscheint im ersten Jahrhundert n.d.Z. für die Slawen der Name der Venether (Wenden), der auf den Namen eines westlichen Nachbarvolkes der Slawen (Sclavenoi) bzw. eines östlichen Nachbarvolkes der Germanen zurückgeht. Tacitus konnte sie weder den Germanen noch den Sarmaten zurechnen.
Nein und wieder nein! Es erscheint in den römischen Quellen der Name Venether einzig und allein für die Venether!
Seit dem zwölften Jahrhundert gibt es neben der volkstümlichen Selbstbezeichnung auch die Bedeutung Sklave, wobei der chasarisch-arabisch beherrschte Sklavenhandel mit hellhäutigen Sklaven aus Ost- und Nordeuropa im östlichen Mittelmeerraum eine Bedeutung gehabt haben mag. Die Sklaven im Morgenland waren meist Slawen.
Sklavenoi ist Griechisch. Sklaven heißt auf Griechisch douloi. Was im 12. Jahrhundert passierte, hat mit dem Auftreten des Slawennamens nichts zu tun!
 
beorna schrieb:
Es erscheint in den römischen Quellen der Name Venether einzig und allein für die Venether!
Sag ich ja, die Wenden sind die Venether, vgl. Jordanes. Die Bezeichnung Slawen (u.a. Sorben, Slowenen) hat sich letztlich aber auch auf die Venether (Wenden) ausgedehnt, und teilweise durch den deutschen Sprachgebrauch auch umgekehrt. Der Name der Slawen geht wohl auf die Sclavenoi zurück, und wurde bestimmend für jene osteuropäischen Völker; die nach Tacitus keine Germanen und keine Sarmaten waren.
beorna schrieb:
Was im 12. Jahrhundert passierte, hat mit dem Auftreten des Slawennamens nichts zu tun!
Sag ich ja auch; umgekehrt wird ein Schuh daraus. Erst war der Name der Slawen da, dann die weitere wörtliche Bedeutung der Sklawen, die wohl auf den Menschenhandel mit Hellhäutigen, zumeist gefangenen Slawen, zurückgeht.
 
hier noch eine genetische Untersuchung zur slawischen Landnahme:


 
hier noch eine genetische Untersuchung zur slawischen Landnahme:


Ich hab mir das Papier angesehen und fand es interessant. Da wird etwa gezeigt, dass die slawische Bevölkerung in Ostdeutschland sehr viel homogener war, also die Menschen sich genetisch ähnlicher waren, als die Vorbevölkerung der Migrationszeit. Für diese Bevölkerung wird gezeigt, dass neben nord- oder nordwesteuropäischen Genmustern auch gar nicht so selten mediterrane Muster zu finden sind, wohlgemerkt im heutigen Ostdeutschland.

So leicht ist übrigens so ein Nature-Artikel nicht zu lesen, wenn man wenig Ahnung von Paläogenetik hat. Andererseits finde ich es bemerkenswert, was man sich auf diesem Gebiet an grafischen Darstellungsformen der Ergebnisse ausgedacht hat.
 
So leicht ist übrigens so ein Nature-Artikel nicht zu lesen, wenn man wenig Ahnung von Paläogenetik hat. Andererseits finde ich es bemerkenswert, was man sich auf diesem Gebiet an grafischen Darstellungsformen der Ergebnisse ausgedacht hat.

In der Tat - so ganz einfach ist der Nature-Artikel wirklich nicht. Hätte vielleicht doch statt Latein Biologie als Abiturfach wählen sollen:rolleyes:.

Auf die Schnelle kann ich den Artikel nicht durchlesen, die ganzen Abkürzungen, von denen ich einige auch nirgendwo aufgeschlüsselt finde, erhöhen die Lesbarkeit für den Laien nicht unbedingt.

Hier noch ein weitere, ein wenig ältere Untersuchung: Genetic history of East-Central Europe in the first millennium CE - Genome Biology

Ist nun auch nicht trivial zu lesen für mich Laien.
 
Zuletzt bearbeitet:
In der in Nature veröffentlichten Studie geht es um die Frage, wie sich die Bevölkerung im Nordwest Balkan, Ostdeutschland, Polen-Nordwestukraine und Wolgatal von der Antike/Völkerwanderungszeit (Migration Period - MP) spätes 4. bis zum späten 6. Jhdt. n. Chr. bis hin zur slawischen Zeit (Slavic Period - SP) ab dem 6. / 7. Jhdt an geändert hat.


Hierzu wird eine genetische Untersuchung an Knochen in diesen Gebieten vorgenommen. Zum einen Proben aus der MP und zum anderen aus der SP. Weiterhin werden diese Proben mit moderner DNA verglichen.

Laut dem Nature-Artikel gab es eine Bevölkerungsveränderung von MP zur SP:

we calculate using qpAdm that approximately 82 ± 1%, 83 ± 6%, 93 ± 3% and 65 ± 4% of the local gene pool in the Northwestern Balkans, Eastern Germany, Poland–Northwestern Ukraine and the Volga-Oka valley, respectively, were replaced during the SP by migrants from Eastern Europe (referred here to as ‘SP ancestry’; Methods) (Fig. 4c and Supplementary Tables 47 and 51).​
[...]​
Yet more samples are needed to assess the overall degree of genetic replacement over the larger area.​
 
In der in Nature veröffentlichten Studie geht es um die Frage, wie sich die Bevölkerung im Nordwest Balkan, Ostdeutschland, Polen-Nordwestukraine und Wolgatal von der Antike/Völkerwanderungszeit (Migration Period - MP) spätes 4. bis zum späten 6. Jhdt. n. Chr. bis hin zur slawischen Zeit (Slavic Period - SP) ab dem 6. / 7. Jhdt an geändert hat.
(wirklich nicht leicht zu lesen...!) was meinst du: bestätigt das, was z.B. bei Wolfram (das Reich und die Germanen) kurz als "slawische Alternative" (peu a peu "einsickern" slawische Bevölkerung ohne Warlords etc) erwähnt, oder bringt das ein anderes Bild der slawischen Landnahme?
 
(wirklich nicht leicht zu lesen...!) was meinst du: bestätigt das, was z.B. bei Wolfram (das Reich und die Germanen) kurz als "slawische Alternative" (peu a peu "einsickern" slawische Bevölkerung ohne Warlords etc) erwähnt, oder bringt das ein anderes Bild der slawischen Landnahme?

Bei Herwig Wolfram, Das Römerreich und seine Germanen, Wien/Köln/Weimar 2018, S. 414ff liest es sich so:

"Das Phänomen der slawischen Ausbreitung ist mit geläufigen historischen Kategorien kaum zu beschreiben und noch weniger zu erklären. Zwischen dem Ende des 5. und dem Anfang des 7. Jahrhunderts fand in weiten Teilen Ost- und Mitteleuropas zwischen Ostsee und Ägäis eine stille Revolution statt, und kein Mensch kann im Grunde sagen, wieso halb Europa in derart kurzer Zeit slawisiert wurde. Nach der germanischen Völkerwanderung war die Germania, selbst wenn man die Verluste im Osten gegen die Gewinne im Westen und Süden aufrechnet, eher kleiner als zuvor. Das römische Imperium konnte in einem halben Jahrtausend nur einen Teil seines Machtbereichs romanisieren. Die Slawisierung hatte dagegen in wenigen Generationen einen ungleich nachhaltigeren Erfolg, der mehr als das Ergebnis einer bloßen Völkerwanderung war und auch jede imperiale Politik übertraf. Der Niedergang der römischen Ordnung und der Rückgang oder die Abwanderung derjenigen Völkerschaften, die sich an ihr orientierten, gaben nicht nur Zuwanderern, sondern auch neuen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen Raum. Vieles daran wäre im modernen Sinn nicht als Fortschritt zu verstehen, zum Beispiel der deutliche Rückgang der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Doch handelt es sich nicht um einen bloßen »Rückfall in die Barbarei«. So begann sich etwa in Südosteuropa der leichtere, aber den Boden wendende Pflug, der effektives Wirtschaften in kleineren Einheiten erlaubte, erst nach dem Niedergang der römischen Herrschaft durchzusetzen, obwohl das Gerät aus der Antike stammte.​
Das am Beispiel der meisten germanischen Wandervölker entwickelte Modell der Stammesbildung ist für die Slawen kaum anwendbar. Maßgebliche Traditionsträger fehlten; wo Herrschaft entstand, war sie oft »importiert«. Rekonstruktionsversuche einer ursprünglichen, »gemeinslawischen« Verfassung können nur unterhalb der königlichen Ebene bei einer segmentären Sozial- und Rechtsordnung ansetzen. Vielleicht lässt sich die obscure progression des Slaves am besten so charakterisieren: Die germanischen Eliten und ihr kriegerischer Anhang wanderten östlich der Elbe ab. Unter der im Lande gebliebenen bäuerlichen Bevölkerung setzte es sich danach einfach durch, Slawe zu sein. Dies geschah nicht kontinuierlich von Ost nach West, sondern zunächst unter Aussparung weiter Gebiete, die erst zu einem späteren Zeitpunkt slawisiert wurden.​
[...]​
Als die Awaren kamen, befanden sich slawische Gruppen in einem weiten Bogen außerhalb der Karpaten, von der Elbe bis zur unteren Donau; an einigen Punkten hatten sie die Karpaten vielleicht schon überschritten. Doch hatten sich außer den wohl ursprünglich nichtslawischen Anten keine einheitlichen Großverbände gebildet. Viele Gruppen beschränkten sich durchaus nicht auf bäuerliche Beschaulichkeit. Wo Slawen vor 568 in den Quellen erscheinen, traten sie als Krieger und Plünderer auf, denen auch die Bildung gefolgschaftlicher Verbände nicht fremd war, deren Zusammenschlüsse aber wenig dauerhaft blieben. Die alte Frage, ob die Slawen auf awarischen Druck, auf der Flucht vor den Awaren oder aus eigenem Antrieb über die Donau und bis an die Elbe vorstießen, ist ebenfalls kaum zu beantworten. Die Quellen erlauben es nicht einmal, Charakter und Chronologie dieser Expansion zu präzisieren. Die slawische Ausdehnungsbewegung geht auf die Zeit vor dem Kommen der Awaren zurück; sie veränderte sich jedoch durch die völlig neue politische Situation nach 568, als die Langobarden von Pannonien abzogen und das Land den Awaren überließen."​
 
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