Einige Anmerkungen zur Rolle Europas in der Weltgeschichte

Meiner Ansicht nach lassen sich Kulturen durchaus hierarchisieren, jedoch nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten, soll heißen, nur das Entwicklungsstadium bzw. die Wirkmächtigkeit kann herangezogen werden, die die Kultur unter den Bedingungen ihrer Entwicklung erreichen konnte. Zu diesen Bedingungen zählt nicht zuletzt die Geografie. Wenn z.B. griechische Einflüsse die gesamte den Griechen bekannte Welt durchdrangen—um des Arguments willen tun wir einfach mal so—, dann wäre in meinen Augen von einer ähnlichen Reichweite ihrer Kultur auszugehen, wie sie die westliche Kultur heute besitzt.

Oder unterliege ich hier einem Denkfehler?
Meiner persoenlichen Einschaetzung nach unterliegst du einer Perspektive. Alle betrachten wir Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln und keiner von uns ist jemals komplett objektiv, daher sind deine Ansichten ebenso immer subjektiv. Daher kann man deine Ansicht des "Entwicklungstadium" einer Kultur auch nur vor deinem selbst angegebenen Hintergrund verstehen und einordnen.
 
Dann zähl mir mal auf, was vor dem 20. Jahrhundert gemeinsame und exklusive (es sollte ja abgrenzbar sein) Merkmale einer europäischen Kultur wären, ich bin gespannt.
Wenn wir über das "Europa" sprechen, das ab ca 1500 anfing, die Welt zu entdecken und wenn möglich zu unterwerfen, würde ich schon sagen, dass das ein kulturelle Raum war, den eine Menge Dinge vereinte. Die Kolonisation via Seefahrt ging fast ausschließlich von dem Teil Europas aus, der während des Mittelalters katholisch war. Ja, in der ersten Phase spaltete sich ein Teil dieses Raums als protestantisch ab, aber die gemeinsame Geschichte und gemeinsame Prägung blieb. Christentums gabs auch anderswo, aber das "christliche Abendland" hatte seine eigene Version davon (oder zwei, zu den Orthodoxen s.u.). Zweitens wäre die römische Tradition aus der Antike, zB in der Dominanz des Lateinischen aus der Antike, oder im Recht. Drittens der europäische Feudalismus, der einige Gemeinsamkeiten aufwies, die ihn von der Entwicklung anderswo unterscheiden. Kann ich sonst wenig zu sagen, kenn ich mich zu wenig mit aus. Ähnlich wie das mit der religiösen Einheit war das mit dem mittelalterlichen Feudalismus grad am Absterben, während man die Welt eroberte, aber wieder: Die gemeinsame Geschichte (zB eine Millionen Heiraten zwischen irgendwelchen Aristokratensippen) blieb.

Das wird dann auch im Auftreten außer-europäischen Mächten gegenüber deutlich. Solche Mächte wurden nicht als gleichwertig anerkannt, sondern durch die eigene Herrschaftb ersetzt, wenn dies opportun und möglich erschien. Nicht, dass solches innerhalb dieses Europa unbekannt war, da wurden auch munter Grenzen verschoben, wenn es die Kräfte(ung)gleichgewichte hergaben. Aber zwischen den europäischen Ländern gab es eine Diplomatie, deren sich zB schwächere Mächte bedienen konnten. Solche Zugänge hatten außer-europäische Länder nicht, und wenn, wurden sie lange nicht gleichermaßen ernst genommen oder behandelt.

Natürlich sind die Abgrenzungen etwas ungenau. Gehört das Osmanische Reich (und damit große Teile Südosteuropas) dazu? ME nicht, obwohl es da eine lange Tradition diplomatischer Beziehungen gab. Das orthoxoe Osteuropa, sprich Russland? Anfangs vielleicht noch nicht, aber da gab es noch keine Berührungspunkte zwischen der Kolonisation via Seefahrt aus Westeuropa und der Expansion Russlands nach Osten. Als es die gab, war Russland eine anerkannte europäische Macht.

Fazit: Ob mans nun Kultur, Kulturraum oder was auch immer nennt, es gab offensichtliche Gemeinsamkeiten zwischen den Teilen Europas, von der diese Kolonisierung großer Teile der Welt ausging.
 
Meiner Ansicht nach lassen sich Kulturen durchaus hierarchisieren, jedoch nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten, soll heißen, nur das Entwicklungsstadium bzw. die Wirkmächtigkeit kann herangezogen werden, die die Kultur unter den Bedingungen ihrer Entwicklung erreichen konnte. Zu diesen Bedingungen zählt nicht zuletzt die Geografie. Wenn z.B. griechische Einflüsse die gesamte den Griechen bekannte Welt durchdrangen—um des Arguments willen tun wir einfach mal so—, dann wäre in meinen Augen von einer ähnlichen Reichweite ihrer Kultur auszugehen, wie sie die westliche Kultur heute besitzt.

Oder unterliege ich hier einem Denkfehler?
Ich weiß nicht, ob es ein Denkfehler ist, aber einer der Punkte, der die europäische Kolonisation der Welt besonders macht, ist eben, dass sie (erstmals) die ganze Welt umfasste. Die Geographie hat sich ja nicht geändert, sondern die technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten, mit dieser Geographie fertig zu werden. Da hat diese westliche Kultur also etwas erreicht (nämlich genau die technologischen Grundlagen geschaffen), was die griechische, römische oder chinesische nicht geschafft hat. Ob sie das alles nur tat, weil sie bessere Methoden erschaffen hatte, Menschen mittels Gier oder anderen Motiven anzuspornen, lass ich mal dahin gestellt...
 
@Reinecke

Warum so negativ? Gier ist eine sehr starke Motivation, sie kann zu großen Leistungen anspornen. Gewinnstreben ebenso. Menschen handeln nicht ausschließlich nach den edelsten denkbaren Motiven, und das sollte man weder voraussetzen noch erwarten. Wenn dir ein Staat oder ein Volk bekannt sind, die in ihrer Geschichte immer nur aus rein geistigen, altruistischen Motiven gehandelt haben, dann lass es mich gerne wissen, ich bin gespannt!

Aber der europäischen, atlantisch-westlichen Kultur gegenüber ist Negativität ja äußerst gängig, kaum daß man Errungenschaften Europas erwähnen darf, sofort muss auf die negativen Aspekte hingewiesen werden. Dafür ist man außereuropäischen Kulturen gegenüber umso nachsichtiger, hier wird sich gerne blindgestellt, Kritik gilt als unangemessen. Und das mache ich nicht mit.

Für die beginnende europäische Kolonisation war bedeutsam, daß sich durch den Fall Konstantinopels an die Osmanen, und das Erstarken des osmanischen Reiches, der Schwerpunkt des europäischen Handels aus dem Mittelmeerraum hin zum Atlantik verlagerte. Um weiterhin an die begehrten Luxusgüter aus dem Orient zu gelangen, mussten neue Handelrouten erschlossen werden, Staaten wie Spanien oder Portugal erhielten hierdurch einen Standortvorteil. Der amerikanische Kontinent wurde bekanntermaßen ja auch nur durch einen Zufall entdeckt (und ja: "entdeckt" aus europäischer Sicht, was denn sonst!), weil Spanien eine kürzere Route als die um das Kap der guten Hoffnung herum suchte. Neue Schiffstypen mussten entwickelt werden, die den langen Seefahrten gewachsen waren, wie die Karavelle und später die Galeone. Hierdurch konnte sich Europa einen Entwicklungsvorsprung in der Seefahrt erarbeiten, den es mehrere Jahrhunderte hindurch behaupten konnte. Der Handel mit Luxusgütern wie Gewürzen war derart lukrativ, daß sich die äußerst kostspieligen Investitionen in neue Schiffstypen und aufwendige Erkundungsfahrten lohnten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn wir über das "Europa" sprechen, das ab ca 1500 anfing, die Welt zu entdecken und wenn möglich zu unterwerfen, würde ich schon sagen, dass das ein kulturelle Raum war, den eine Menge Dinge vereinte. Die Kolonisation via Seefahrt ging fast ausschließlich von dem Teil Europas aus, der während des Mittelalters katholisch war.
Naja, katholisch war dieser Raum erst neuerdings, wenn man bedenkt, dass gerade für die spanischen Entdeckungsreisen und für den Verkehr mit den werdenden Kolonien, dass über Jahrhunderte islamisch geprägte Ansalusien als Ausgangspunkt maßgeblich wurde.

Kolumbus Entdeckungsreisen fallen ja zeitlich in etwa mit dem Alhambra-Edikt und der Zwangsbekehrung und später Ausweisung der iberischen Muslime zusammen.
Die religiöse Konstellation auf der Iberischen Halbinsel, am Beginn der europäischen Expansion sehe ich als im lateinischen Europa relativ einzigartig an, oder allenfalls mit Teilen von Süditalien vergleichbar.

Ja, in der ersten Phase spaltete sich ein Teil dieses Raums als protestantisch ab, aber die gemeinsame Geschichte und gemeinsame Prägung blieb.
Geschichte ist nichts anderes als Konstruktion derer, die die Vergangenheit erinnern. Nun wäre die Frage, haben die Zeitgenossen diese Vergangenheit als etwas gemeinsames europäisches erinnert? Hättest du da Beispiele?

Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass der Raum, den wir als Europa bezeichnen, wenn wir dessen Mitte ins Zentrum der Betrachtung rücken enger miteinander verflochten war, als mit anderen Räumen.
Aber das kommt, denke ich schlicht und ergreifend darauf an, auf welche Region man die Betrachtung zentriert. Konzentriert man sich auf die Iberische Halbinsel wird man von ausgehenden Mittelalter aus mehr historische Verflechtungen mit der nordafrikanischen Gegenküste sehen, als mit dem fernen Norden oder Osten Europas.

Zweitens wäre die römische Tradition aus der Antike, zB in der Dominanz des Lateinischen aus der Antike, oder im Recht.
Inwiefern kann man angesichts der Tatache, dass das "römische Recht" eigentlich am Ende der Antike weitgehend verloren geht, bzw. in weiten Teilen Europas durch Gewohnheitsrecht ersetzt und erst im Hochmittelalter von den Bologneser Juristen wieder ausgegraben/neu erfunden wird, von einer Tradition des römischen Rechts für den lateinischen Westen sprechen?
Sicherlich gab es da im Byzantinischen Reich so lange es bestand gewisse Traditionslinien in die griechische und die römische Antike zurück, was das Recht betrifft.
Aber in weiten Teilen Europas wurde das doch mehr oder weniger neu implementiert und auf den britischen Inseln hat sich dass ja nun bis heute nicht durchgesetzt.

Drittens der europäische Feudalismus, der einige Gemeinsamkeiten aufwies, die ihn von der Entwicklung anderswo unterscheiden. Kann ich sonst wenig zu sagen, kenn ich mich zu wenig mit aus.
Dem würde ich sogar im Prinzip mit der Einschränkung zustimmen, dass man dann allerding das Osmanische Reich und Muskowien/Russland, wo es den klassischen Feudalismus mit seiner Ausprägung der Zwischengewalten nicht gab, dass es sich hier um etwas handelt, dass in Europa jedenfalls mal besonders ausgeprägt war.

Nur, ad vocem "Beeinflussung von europäischer Kultur" wo genau kam es denn vor, dass das Modell der europäischen Feudalgesellschaft in andere Erdteile exportiert wurde?
So weit ich weiß ist es von französischer Seite mal versucht worden, in "Nouvelle France" sprich dem französischen Nordamerika eine Gesellschaft anzulegen, die dem Ideal der europäischen Gesellschaftsordnung entsprach, aber der Versuch ist ordentlich nach Hinten losgegangen.

Das wird dann auch im Auftreten außer-europäischen Mächten gegenüber deutlich. Solche Mächte wurden nicht als gleichwertig anerkannt, sondern durch die eigene Herrschaftb ersetzt, wenn dies opportun und möglich erschien. Nicht, dass solches innerhalb dieses Europa unbekannt war, da wurden auch munter Grenzen verschoben, wenn es die Kräfte(ung)gleichgewichte hergaben. Aber zwischen den europäischen Ländern gab es eine Diplomatie, deren sich zB schwächere Mächte bedienen konnten. Solche Zugänge hatten außer-europäische Länder nicht, und wenn, wurden sie lange nicht gleichermaßen ernst genommen oder behandelt.
Wenn auswärtige die Möglichkeiten nicht hatten und nicht anerkannt worden wären, wie kam es dann, dass es immer außereuropäische Herrscher gerade in der Zeit der europäischen Entdeckungen durchaus schafften, die Europäer für ihre eigenen Auseinandersetzungen zu instrumentalisieren?

Einem Magellan und Teilen seiner Besatzung wurde zum Verhängnis, dass er versucht hatte auf den Philippinen mit einem der lokalen Anführer ein Bündnis gegen andere Gruppen zu schmieden mit der Folge, dass es der philippinische Gegenpart erfolgreich schaffte die Europäer in eine Auseinandersetzung mit seinen Nachbarn hinein zu ziehen.
Sowas kam vor.

Natürlich entwicklete sich in Europa ein ausgefeiltes poltisches System, aber der Ausschluss von dieser engeren Mechanik war nicht unbedingt kulturell sondern zuweilen auch geographisch begründet.
Das Osmanische Reich war zweifellos, jedenfalls periodisch Teil des diplomatischen- und Mächtesystems Europas. Die Westeuropa in allen belangen wesentlich ähnlicheren Vereinigten Staaten, die sich eine Grenze mit dem britischen Empire teilten (wenn auch in Nordamerika) hingegen wurden nie im engeren Sinne Teil dieses Systems.

Das sie nicht Teil dessen wurden, hatte aber keine dezidiert negative Behandlung zur Folge.
 
Warum so negativ? Gier ist eine sehr starke Motivation, sie kann zu großen Leistungen anspornen.
Und wohin das führt, wenn man Gier in eine Tugend umdeutet, dafür gibt es in der Geschichte genügend Beispiele.
Menschen handeln nicht ausschließlich nach den edelsten denkbaren Motiven, und das sollte man weder voraussetzen noch erwarten.
Nö, man sollte das allerdings auch nicht als Rechtfertigung für jede Schweinerei und jede Verhaltensweise durchgehen lassen.

Aber der europäischen, atlantisch-westlichen Kultur gegenüber ist Negativität ja äußerst gängig, kaum daß man Errungenschaften Europas erwähnen darf, sofort muss auf die negativen Aspekte hingewiesen werden. Dafür ist man außereuropäischen Kulturen gegenüber umso nachsichtiger, hier wird sich gerne blindgestellt, Kritik gilt als unangemessen. Und das mache ich nicht mit.
Wird das noch konkreter oder legst du mehr Wert auf Schattenboxen, als auf eine Diskussion?

Das ist dein 3. Posting in diesem Faden und das 3. Posting von dir, dass politische Seitenhiebe auf was oder wen auch immer enthält. Die Forenregeln haben wir gelesen?

Für die beginnende europäische Kolonisation war bedeutsam, daß sich durch den Fall Konstantinopels an die Osmanen, und das Erstarken des osmanischen Reiches der Schwerpunkt des europäischen Handels aus dem Mittelmeerraum hin zum Atlantik verlagerte.
Die Verlagerung des Handelsschwerpunktes auf die Atlantikregion war nicht Konsequenz der osmanischen Expansion im Osten, sondern der Entdeckungen und beginnenden Kolonisation. Du verwechselst Ursache und Wirkung.

Um weiterhin an die begehrten Luxusgüter aus dem Orient zu gelangen, mussten neue Handelrouten erschlossen werden, Staaten wie Spanien oder Portugal erhielten hierdurch einen Standortvorteil.
Nö. Die Expansion des Osmanischen Reiches erschwerte den Europäern zunehmend den Zugang, weil es die traditionellen Handelsrouten mehr und mehr unter der Oberherrschaft des Osmanischen Reiches monopolisiert werden konnten. Dadurch wurde aber dem christlichen Europa der Zugang zu den begehrten Gütern nicht abgeschnitten.
Der Handel der Venezianer mit Ägypten und der Levante fand grundsätzlich weiterhin statt, wenn er nicht gerade durch kriegerische Auseinandersetzungen unterbrochen wurde.

Portugal, dass mit den Entdeckungsreisen anfing, wiederrum handelte seinerzeit eigentlich eher aus einem deutlichen Standortnachteil, weil es sich einmal am Rand Europas befand, territoriale Expansion weit in den Maghreb hinein sich als nicht machbar erweisen hatte und spätestens mit der dynastischen Verbindung der Kronen von Kastilien und Aragon das Land auch als Player auf der iberischen Halbinsel an Bedeutung verlor, während auch hier faktisch keine Expansion mehr möglich war.

Die spanische Krone wiederrum hatte zwar sicherlich durch die Besetzung und Eroberung der Kanaren und den leichten Zugang zur Passatwindzone einen Standortvorteil für die Kolonisation Amerikas, aber die kam ja bekanntlich eher ausversehen durch den Versuch die Westroute nach Indien zu finden zu Stande.
Was den Weg zu den süd- und ostaisatischen Märkten angeht, zu denen man eigentlich hin wollte, war die Startposition nicht unbedingt übermäßig vorteilhaft.

Neue Schiffstypen mussten entwickelt werden, die den langen Seefahrten gewachsen waren, wie die Karavelle und später die Galeone. Hierdurch konnte sich Europa einen Entwicklungsvorsprung in der Seefahrt erarbeiten, den es mehrere Jahrhunderte hindurch behaupten konnte. Der Handel mit Luxusgütern wie Gewürzen war derart lukrativ, daß sich die äußerst kostspieligen Investitionen in neue Schiffstypen und aufwendige Erkundungsfahrten lohnten.
Gerade für die Spanier lohnte es sich aber nicht, bzw. jedenfalls nicht in Form des Gewürzhandels mit Asien, an dem das spanische Reich selbst nur über die Philippinen als Randakteur beteiligt blieb.


Auch waren neue Schiffstypen ja nicht unbedingt nur auf den außereuropäischen Handel ausgelegt. Neue Schiffstypen wie die Karacke oder die Galeasse kommen im ausgehenden Mittelalter auch zum Teil bei Akteuren auf, die nicht zu den Pionieren der Entdeckungsreisen gehörten.

Es scheint mehr, dass sich in Spanien und Portugal ohnehin aufkommender Schiffstypen bedient wurde und dass diese teilweise für den Atlantik nochmal etwas spazialisiert und umgerüstet wurden, als dass da tatsächlich für längere Seereisen völlig neue, nie dagewesene Schiffskonstruktionen vom Reißbrett, unter erheblichen Entwicklungskosten entastanden wären.
Die Vorstellung führt, glaube ich, in die Irre.
 
@Shinigami i

"Nö, man sollte das allerdings auch nicht als Rechtfertigung für jede Schweinerei und jede Verhaltensweise durchgehen lassen".

Ich bitte um Beispiele, wo ich hier im Forum Gier als "als Rechtfertigung für jede Schweinerei und jede Verhaltensweise durchgehen" gelassen habe. Dies ist eine ziemlich starke Unterstellung und Anschuldigung, da solltest du schon klare, eindeutige Belege anführen.

"Die Verlagerung des Handelsschwerpunktes auf die Atlantikregion war nicht Konsequenz der osmanischen Expansion im Osten, sondern der Entdeckungen und beginnenden Kolonisation. Du verwechselst Ursache und Wirkung".

Darüber lässt sich diskutieren, ich habe dies in verschiedenen Geschichtswerken so wie von mir beschrieben dargestellt gefunden.

"Wird das noch konkreter oder legst du mehr Wert auf Schattenboxen, als auf eine Diskussion?".

"Das ist dein 3. Posting in diesem Faden und das 3. Posting von dir, dass politische Seitenhiebe auf was oder wen auch immer enthält. Die Forenregeln haben wir gelesen?".

"Da hat diese westliche Kultur also etwas erreicht (nämlich genau die technologischen Grundlagen geschaffen), was die griechische, römische oder chinesische nicht geschafft hat. Ob sie das alles nur tat, weil sie bessere Methoden erschaffen hatte, Menschen mittels Gier oder anderen Motiven anzuspornen, lass ich mal dahin gestellt...".


Kannst du mir dann vielleicht die Bedeutung der obigen Bemerkung des Foristen Reinecke erläutern? Warum der Verweis auf angebliche "Gier"? Ich finde den Verweis an dieser Stelle deplaziert. Technologische Errungenschaften bringen es häufig mit sich, daß sie auch zu negativen Zwecken benutzt werden können, dies ist eine Selbstverständlichkeit.

Ein Beispiel: es ist überliefert, daß der Schwimmkompass bereits seit dem 11. Jahrhundert in China benutzt wurde. Ein Kompass ist ein hervorragendes Instrument zur Navigation, das auch heute noch (trotz GPS) eingesetzt wird. Ein machtvolles Instrument, daß ganz neue Möglichkeiten der Navigation schuf.

Haben die Chinesen den Schwimmkompass auch nur entwickelt um "bessere Methoden zu erschaffen, Menschen mittels Gier oder anderen Motiven anzuspornen"?

Oder kann man einen Kompass (oder sonstige Errungenschaften der Seefahrt und Navigation) auch einmal nur als Errungenschaft stehen lassen, ohne moralischen Seitenhieb?
 
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Ich bin mit diesem Diskussionsstrang nicht einverstanden. Er versucht komplexe Zusammenhänge mit plakativen Thesen zu erläutern, und das wirkt eher platt.

Es erinnert an die verstaubten Bücher der 1920er Jahre, vielleicht mehr an Oswald Spengler und ideologischen Nebel.

Viele der angesprochenen Details sind schon in früheren Diskussionssträngen deutlich besser und wesentlich ideologiefreier belegt worden.
 
Die Kolonisation via Seefahrt ging fast ausschließlich von dem Teil Europas aus, der während des Mittelalters katholisch war. Ja, in der ersten Phase spaltete sich ein Teil dieses Raums als protestantisch ab, aber die gemeinsame Geschichte und gemeinsame Prägung blieb. Christentums gabs auch anderswo, aber das "christliche Abendland" hatte seine eigene Version davon (oder zwei, zu den Orthodoxen s.u.).
Ich würde dem widersprechen wollen.
Die Kolonisation via Seefahrt war eigentlich nur Westeuropa möglich. Das Byzantinische Reich brach seit dem 11. Jhdt. peu a peu zusammen und verschwand Mitte des 15. Jhdts. Wer hätte da expandieren sollen? Die Osmanen expandierten auf Kosten ihrer direkten Nachbarn, sowohl im Balkan und Griechenland, als auch im arabisch-nordafrikanischen Raum.

Der Handel der Venezianer mit Ägypten und der Levante fand grundsätzlich weiterhin statt, wenn er nicht gerade durch kriegerische Auseinandersetzungen unterbrochen wurde.
Das ist ein wichtiger Punkt. Als Händler per via Alexandria nach Venedig meldeten, dass die Portugiesen erfolgreich den Seeweg nach Indien absolviert hatten (also von dort wieder zurück an der ostafrikanischen Küste waren), waren einige dort schon besorgt: Zu Recht!
Als die Portugiesen 1498 in Kerala landeten, kamen zwei tunesische Händler auf sie zu, die sie auf kastilisch ansprachen.

Aus einem anoymen Bericht von der ersten Fahrt Vasco da Gamas nach Indien (Roteiro da primeira viagem de Vasco da Gama à Índia), der Álvaro Velho oder João de Sá zugesprochen wird, beide Teilnehmer dieser Fahrt, João de Sá als der offizielle Schreiber. Für Álvaro Velho sprechen nautische und militärische sowie gewisse geographische Kenntnisse, die im Text des Roteiro durchblitzen:

E ao dominguo fomos juntos com huumas montanhas, as quaees estam sobre a cidade de Calecut, e chegámonos tanto a ellas até que o pilloto que levávamos as conheceo e nos dise que aquella era a terra honde nós desejávamos d'ir. E em este dia á tarde fomos pousar abaixo desta cidade de Calecut duas legoas, e isto porque ao pilloto pareçeo por huma villa que alii estava, a que chamam Capua, que era Calecut, e abaixo desta villa está outra que se chama Pandarramy, e pousámos ao longuo da costa obra de huma legoa e méa da terra. E depois que asy estevemos pousados vieram de terra a nós quatro barcos, os quaees vinham por saber que jente éramos, e nos diseram e amostraram Calecut. E ao outro dia iso mesmo vieram estes barcos aos nossos navios, e o capitam moor mandou huum dos degradados a Calecut, e aquelles com 'que elle hia levarano honde estavam dous mouros de Tunez que sabiam fallar castellano e januês, e a primeira salva que lhe deram foy esta que se ao diante segue: — Al diabro que te doo: quem te traxo aquà? — e p(reguntaram-lhe que vinhamos buscar tam lonje, e elle lhe rrespondeo: — vimos buscar christaos e especiaria. — Elles lhe disseram: — porque nom manda quà elrey de Castella e elrey de França e a senhoria de Veneza? — e elle lhe rrespondeu que elrey de Portugall nom queria consentir que elles quà mandasem, e elles diseram que fazia bem. Emtam o agasalharam e deramlhe de comer pam triguo com mell, e depois que comeo vêose pêra os navios e vêo com elle huum daquelles mouros, o quall tanto que foy em os navios começou de dizer estas palavras: — boena vemtura, boena ventura: muitos rrobis, muitas esmeraldas: muitas graças deves de dar a Deus por vós trazer a terra honde ha tanta rriquesa. Era pêra nós isto tanto espanto, que o ouvíamos fallar e nam o criamos que homem ouvesse tam longe de Portugall que nos emtendese nossa falla.​
Und am Sonntag segelte wir an einem Gebirge entlang (wörtlich: wir gingen mit einigen Bergen), das über der Statdt von Kalikut liegt. Und wir gelangten so nahe an sie (die Berge) heran, dass der Lotse, den wir mit uns führten, auf sie zeigte und uns sagte, dass diese das Land sei, zu dem wir gelangen (gehen) wollten. An diesem Tag ankerten (< lagerten) wir unterhalb dieser Stadt, etwa zwei Leguas entfernt, weil dies dem Lotsen wegen eines Dorfes, das dort war, das sie Capua nennen, günstig erschien (hier habe ich sehr frei übersetzt, um das pareçeo irgendwoie unter zu kriegen), das Kalikut war(???) und unterhalb von diesem Dorf war ein weiteres, dass sie Pandarramy nennen. Und wir ankerten (< lagerten) etwa anderthalb Leugen von Land entfernt. Und nachdem wir in Angesicht des Landes waren, kamen zu uns vier Boote, die kamen um zu erfahren was für Leute wir wären und sie würden uns Kalikut sagen und zeigen. Und an dem anderen Tag kamen dieselben Boote zu unseren Schiffen und der Großkapitän (capitam moor = Capitán Mayor > Vasco da Gama himself) schickte einen der Degradierten (Strafgefangene, die zum Schiffsdienst verpflichtet waren) mit nach Kaliktut und sie brachten ihn dorthin, wie zwei Mauren aus Tunis waren, die Kastilisch und Genuesisch sprachen und das erste was sie zu ihm sagten: "Da soll dich doch der Teufel holen, wer hat dich hierher gebrachte?!?" Und sie fragten ihn, was wir so weit (von zuhause) zu suchen kämen und er antwortete: "Wir kommen, um Christen und Gewürze zu suchen." Und sie fragten ihn, wer sie schicke: Der König von Kastilien, der König von Frankreich oder die Signoria von Venedig, und er antwortete, der König von Portugal wolle nicht, dass sie hierher sendeten (wer mit elles gemeint ist, ist nicht ganz verständlich: Vielleicht die Könige von Frankreich und Portugal, sowie die Signoria, also der König von Portugal will nicht, dass diese Schiffe nach Indien schicken?).​
Und sie sagten ihm. dass das gut sei. Dann gab sie ihm Weizenbrot mit Honig zu essen und nachdem er gegessen hatte, kam er zurück zu den Schiffen und mit ihm einer der Mauren und der sagte, sobald er an Bord war: "Ein günstiges Schicksal, ein günstiges Schicksal: Viele Rubine und viele Smaragde, ihr solltet Gott danken (ihr solltet Gott viele Dankesbezeugungen geben), dass er euch in ein Land geführt hat, das so voller Reichtum ist." Das war für uns sehr erstaunlich, dass wir ihn sprechen hörten und wir konnten es kaum glauben, dass es so weit von Portugal entfernt Menschen gab, die unsere Sprache verstanden.​
 
Das mit der „osmanischen Expansion“ als (vermeintlicher?) Ursache der Westverlagerung des Handels scheint mir komplizierter zu sein:

Zunächst schon einmal die zeitliche Dimension: Die osmanische Expansion konzentrierte sich im 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jhdts. primär auf den Balkan. Erst in der zweiten Hälfte des 15. Jhdts. wurde das Gebiet der Karamanen-Dynastie im Südosten Kleinasiens unterworfen, erst im 16. Jhdt. von Selim I. Syrien, Palästina und Ägypten (die bis dahin unter der Herrschaft der Mameluken standen). Da war die Suche nach einem Seeweg nach Indien längst im Gang bzw. bereits erfolgreich abgeschlossen.

Der Handel mit dem Schwarzmeer- und Levante-Raum litt bereits im 14. und 15. Jhdt. tatsächlich beträchtlich, allerdings primär wegen der fast permanenten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Genua und Venedig. Genua verfügte über Stützpunkte vor allem in Galata (gegenüber Konstantinopel auf der anderen Seite des „Goldenen Horns“), im Schwarzmeerraum und in der östlichen Ägäis; Venedig u.a. auf der Peloponnes, Kreta, Euboia sowie zeitweise auch Thessalonike. Diese Kriege (mit dem maritim bereits recht schwachen Byzanz als Juniorpartner meist der Venezianer) mit Blockaden des Bosporos und wechselseitigen Kaperfahrten brachten den Seehandel in der Region zeitweise fast zum Erliegen.
Die Osmanen spielten als Seemacht zu dieser Zeit meist noch keine nennenswerte Rolle, das änderte sich erst im Laufe des 15. Jhdts.
 
Ich würde dem widersprechen wollen.
Die Kolonisation via Seefahrt war eigentlich nur Westeuropa möglich. Das Byzantinische Reich brach seit dem 11. Jhdt. peu a peu zusammen und verschwand Mitte des 15. Jhdts. Wer hätte da expandieren sollen? Die Osmanen expandierten auf Kosten ihrer direkten Nachbarn, sowohl im Balkan und Griechenland, als auch im arabisch-nordafrikanischen Raum.
Ich seh den Widerspruch nicht wirklich. Das Byzanthinische Reich mag Zeit seines Bestehens noch irgendwie zum "christlichen Abendland" gezählt haben, aber es lag in den letzten Zügen und es verschwand, bevor die besagte Kolonisation wirklich aus den Startblöcken kam. Das Osmanische Reich würde ich nicht zu diesem Europa zählen, auch nicht die Teile des geografischen Europas, die den größten Teil des Zeitraums, von dem wir sprechen, von diesem beherrscht wurde.

Dass es Länder gab, die zweifellos zu diesem Europa gehörten, aber nie selbst Kolonialmacht wurden, widerspricht der These von einem (halbwegs) abgrenzbaren europäischen Kulturraum, von dem die Kolonisation ausging, mE nicht. Dafür gab es, wie du sagst, zT schlicht geografische Gründe (Schweiz zB...).
 
Ich bitte um Beispiele, wo ich hier im Forum Gier als "als Rechtfertigung für jede Schweinerei und jede Verhaltensweise durchgehen" gelassen habe. Dies ist eine ziemlich starke Unterstellung und Anschuldigung, da solltest du schon klare, eindeutige Belege anführen.
Das ist überhaupt keine Unterstellung/Anschuldigung ich meine nur, dass die Argumentation da falsch abbiegt, die Passage worauf ich mich bezog hatte ich zitiert.

Du hast dich in vorrangegangenen Beiträgen über den Vorwurf von Eurozentrismus und über angeblichen Marxismus mockiert (wenngleich niemand etwas aus der Ecke hatte verlauten lassen, was diesen Faden betrifft) und hier schreibst du dann:

Warum so negativ? Gier ist eine sehr starke Motivation, sie kann zu großen Leistungen anspornen. Gewinnstreben ebenso. Menschen handeln nicht ausschließlich nach den edelsten denkbaren Motiven, und das sollte man weder voraussetzen noch erwarten. Wenn dir ein Staat oder ein Volk bekannt sind, die in ihrer Geschichte immer nur aus rein geistigen, altruistischen Motiven gehandelt haben, dann lass es mich gerne wissen, ich bin gespannt!

Und das ist ja nicht der einzige Faden, in dem du mit bestimmten Stoßrichtungen auffällst, sondern du hast ja schon in Fäden, die den transatlantischen Sklavenhandel betreffen so einiges an Kommentaren abgegeben, was in Richtung Umwertung/Relativierung bestimmter Dinge läuft, nach dem Motto "Die Afrikaner sind am transatlantischen Sklavenhandel mindestens so schuld wie die Europäer".

Wenn du das nicht so meinst und ich das einfach falsch auffasse, lass doch einfach die Seitenhiebe mit politischem Anstrich bleiben, die sind nämlich auch dazu geeignet Missverständnisse über Positionen zu erzeugen.

Darüber lässt sich diskutieren, ich habe dies in verschiedenen Geschichtswerken so wie von mir beschrieben dargestellt gefunden.

Nun dann würde ich dir eine einfache Frage stellen wollen:

Wenn eine Verschiebung des Handelsschwerpunktes seine Ursache in der Osmanischen Expansion und dem Wegbrechen von Handelsmöglichkeiten im Mittelmeer gehabt hätte, warum waren dann nicht die Venezianer, Genuesen und Aragonesen, die den Handel auf dem Mittelmeer dominierten die Träger dieser Veränderung?
Man sollte ja meinen, wenn deren Geschäftsmodell entfallen wäre, hätten diese versucht andere Geschäftsfelder zu erschließen und ihre Mannschaften und Fähigkeiten im Schiffsbau anders einzusetzen.
Es wäre dann ja zu erwarten, dass die traditionellen Handelsakteure im Mittelmeer versucht hätten, als Ersatz für den Verlust von Handelsmöglichkeiten im Osten die Dominanz des Handels an den westeuropäischen Küsten in Richtung Norden an sich zu ziehen und ggf. selbst aus dem Mittelmeer heraus die afrikanischen Küsten zu erkunden.

Da das nicht passierte, fand der venezianische und der genuesische Handel im Mittelmeer offensichtlich noch genügend Möglichkeiten und Absatz.

Die Bedeutung der westeuropäischen Häfen als Umschlagplätze eines großteils des Europäischen Handels, kam erst in dem Moment, als Zufluss von Kolonialwaren aus den Amerikas relevant wurde und Zufuhr von Waren aus Afrika und Indien eine gewisse Regelmäßigkeit annahm (die ersten Expeditionen die den indischen Ozean tatsächlich erreichten, waren schonmal ein Jahr und länger unterwegs, weil die Umsegelung Südafrikas vom Westen her kommend in östliche Richtung recht kompliziert war und die Seefahrt auf dem indischen Ozean stark von den saisonalen Monsunwinden abhing.
Der zunächst unstete zufluss von Waren in Richtung der westeuropäischen Häfen bis deutlich ins 15. Jahrhundert hinein reichte überhaupt nicht aus, da ein stetiges Handelsvolumen zu schaffen, dass groß genug gewesen wäre den Mittelmeerhäfen als Umschlagplätzen sofort den Rang abzulaufen.

Kannst du mir dann vielleicht die Bedeutung der obigen Bemerkung des Foristen Reinecke erläutern? Warum der Verweis auf angebliche "Gier"? Ich finde den Verweis an dieser Stelle deplaziert. Technologische Errungenschaften bringen es häufig mit sich, daß sie auch zu negativen Zwecken benutzt werden können, dies ist eine Selbstverständlichkeit.
Natürlich ist das so, dass Erfindungen für negative Zwecke genutzt werden können.

Ich sehe es nur als etwas problematisch an, wenn Gier aus diesem Grund in eine Tugend umgedeutet wird.
Es mag durchaus sein, dass die Gier die eine oder andere sinnvolle technologische Errungenschaft mit angestoßen hat. Aber wenn man sich darauf kapriziert, kapriziert man sich auf ihre Nebenprodukte, nicht auf ihren Hauptzweck, die hemmungslose Bereicherung und darauf was sie in der Hauptsache auslöst.

Wenn die Diskussion am Ende in die Richtung läuft: "Schau mal, was Gier und Gewinnstreben der Europäer alles an tollen Sachen hervorgebracht hat, dass muss man doch mal positiv sehen und nicht alles marxistisch verbrähmt negativ betrachten und überhaupt, die Afrikaner sind ja im Grunde an ihrer Versklavung selber schuld, weil sie zum Teil mitverdient haben, daher alles nicht so schlimm...." naja, dann sehe ich da ähnliche Relativierungen und Umertungen, die wie die, die ich z.B. aus Narrativen im Zusammenhang über die Bewertung bestimmter Diktaturen und den Bau von Autobahnen kenne.

Und dann läuft es in die flasche Richtung.

Ich möchte dir ausdrücklich nicht unterstellen, dass du dahin wolltest, ich würde einfach nur gerne vermeiden, dass die Diskussion am Ende in solche Richtungen abbiegt.

Haben die Chinesen den Schwimmkompass auch nur entwickelt um "bessere Methoden zu erschaffen, Menschen mittels Gier oder anderen Motiven anzuspornen"?
Ich bin ja der Meinung, ein Kompass hat weniger mit Gier zu tun, als mehr damit, dass es die Überlebenschancen erhöht, wenn man in etwa in der Lage ist den eigenen Standort und die Richtung festzustellen, wenn man aus welchen Gründen auch immer, vermutlich wegen schlechten Wetters auf See abgetrieben wurde oder die Küstenlinie aus den Augen verloren hatte.

In diesem Sinne ist der Kompas und sind andere Instrumente der Seefahrt und Navigation sicherlich anders zu bewerten, als etwa, die bei den "Entdeckungsreisen" und und dem Umgang mit der jeweils einheimischen Bevölkerung ebenfalls relevanten innovativen Geschütze.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich seh den Widerspruch nicht wirklich. Das Byzanthinische Reich mag Zeit seines Bestehens noch irgendwie zum "christlichen Abendland" gezählt haben, aber es lag in den letzten Zügen und es verschwand, bevor die besagte Kolonisation wirklich aus den Startblöcken kam. Das Osmanische Reich würde ich nicht zu diesem Europa zählen, auch nicht die Teile des geografischen Europas, die den größten Teil des Zeitraums, von dem wir sprechen, von diesem beherrscht wurde.

Dass es Länder gab, die zweifellos zu diesem Europa gehörten, aber nie selbst Kolonialmacht wurden, widerspricht der These von einem (halbwegs) abgrenzbaren europäischen Kulturraum, von dem die Kolonisation ausging, mE nicht. Dafür gab es, wie du sagst, zT schlicht geografische Gründe (Schweiz zB...).
Ich sehe den Widerspruch darin, dass die Kolonisation vom (zumindest vormals) katholischen Westeuropa ausgegangen sein, wohingegen ich - abgesehen von der geographischen Lage - eigentlich keine anderen Akteure sehe, welche damals die Gelegenheit gehabt hätten, die überseeische Kolonisation voranzutreiben.
 
Ich sehe den Widerspruch darin, dass die Kolonisation vom (zumindest vormals) katholischen Westeuropa ausgegangen sein, wohingegen ich - abgesehen von der geographischen Lage - eigentlich keine anderen Akteure sehe, welche damals die Gelegenheit gehabt hätten, die überseeische Kolonisation voranzutreiben.
Bleibt trotzdem dabei, dass die erste Kolonisations-/Entdeckungs-/Eroberungswelle der Weltgeschichte, die tatsächlich die ganze Welt erreichte, von einem europäischen Kulturraum ausging, den man (mit einigen Grauzonen, wie immer) von anderen Regionen abgrenzen kann.

Da (ab irgend einem Zeitpunkt) Russland zweifellos zu diesen europäischen Mächten gehörte, und per Land eine gehörige Portion der Welt kolonisierte (wenn auch hauptsächlich ohne Schiffe...) würde ich es nicht völlig auf die das (ex-) katholische Westeuropa beschränken. Wenn mans auf die klassischen Kolonien "in Übersee" beschränkt, kann man Russland auch ignorieren, und es bleibt bei Westeuropa.
 
@Shinigami

Ich würde nie behaupten, daß "die Afrikaner" mindestens so schuld am atlantischen Dreieckshandel waren wie "die Europäer". Das wäre sachlich ganz einfach falsch. Mir geht es auch nicht um eine gegenseitige Aufrechnung. Was ich geschrieben habe ist, und das sehen die meisten damit befassten Geschichtswisenschaftler auch so, daß der schon bestehende Sklavenhandel in Westafrika die Grundlage für den daran anschließenden atlantischen Dreieckshandel bildete. Ich habe weiter geschrieben, daß der europäische Sklavenhandel ohne die Zusammenarbeit mit afrikanischen und arabischen Sklavenhändlern nicht möglich gewesen wäre. Von daher bestand schon eine Verantwortung der afrikanischen und arabischen Seite in Bezug auf atlantischen Dreieckhandel, von dem afrikanische und arabische Eliten stark profitierten, aber durchgeführt wurde er dann natürlich von den damit befassten europäischen Seemächten.
 
@Shinigami

"Wenn eine Verschiebung des Handelsschwerpunktes seine Ursache in der Osmanischen Expansion und dem Wegbrechen von Handelsmöglichkeiten im Mittelmeer gehabt hätte, warum waren dann nicht die Venezianer, Genuesen und Aragonesen, die den Handel auf dem Mittelmeer dominierten die Träger dieser Veränderung?".

Das ist eine interessante Frage, die ich ad hoc nicht beantworten kann. Dazu müsste ich tiefer in die Materie einsteigen, und zuerst auch einiges an Literatur lesen. Tatsächlich sollte man erwarten, daß Venezianer, Genuesen und Aragonesen als bereits dominante Seemächte Träger der Veränderung gewesen wären. Mich würde interessieren, inwieweit diese Mächte versucht haben, am beginnenden weltweiten Seehandel teilzunehmen. Das kann ich jetzt tatsächlich nicht beantworten, da muss ich mich erst einlesen, das wird eine Weile dauern.
 
Der erste Denkfehler des gesamten Fadens besteht darin, dass Europa hier als wie auch immer geartete Einheit behandelt wird.

Finden wir das als Denkweise irgendwo vor dem 20. oder vielleicht ausgehenden 19. Jahrhundert?
Wieso Denkfehler? Die Idee eines christlichen Abendlandes, einer gewissen Gemeinsamkeit der Kultur und der Religion, das kann man ja nun nicht so einfach wegdiskutieren. Das lässt sich seit dem Mittelalter nachweisen- spätestens seit der Zeit der Kreuzzüge. Die Idee oder das Ideal des miles christianus, das waren Vorstellungen, die sich im ganzen christlichen Europa sehr ähnlich oder identisch waren, auch wenn die Realität sich meist stark vom Ideal unterschied.

Der Kathedralen-Bau in Europa war eine recht multinationale Angelegenheit, Baumeister aus Frankreich arbeiteten auf Bauen in Köln oder Straßburg, Deutsche und Niederländer gingen nach Frankreich um die Gotik zu studieren.

An den ersten Universitäten wurden Studenten und Dozenten in Nationen eingeteilt, aber in Latein konnten sie alle miteinander kommunizieren, ob ein Studiosus oder Magister nun in Prag, Paris, Bologna oder Salerno studiert hatte.
 
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