Ohne mich hier einmischen zu wollen: Zwei Fragen am Rande
- Was ist der "Grad der Industrialisierung"? Ein Index Bauern-Arbeiter?
- wir hoch muss nach Marx der Grad sein, um den Switch vom Kapitalismus zum Sozialismus möglich zu machen?
Eine schnelle Antwort.
Im Prinzip ist es ja eine evolutionäre und deterministische Gesellschaftsentwicklung, die Marx seiner Analyse zugrunde legt.
Durch die Entwicklung der Produktivkräfte im Kapitalismus wächst automatisch der Anteil des Proletariats und wird durch die veränderte Zusammensetzung der Klassen zur quantitativ dominanten Klasse. Die Proletarier bilden dabei die stärkste gesellschaftliche Klasse in dieser "revolutionären" Phase. Eine Sichtweise, die für Engels und die Sozialdemokratie bis 1914 das Geschichtsbild geprägt hatte. Man mußte nur die weitere Veränderung der Sozialstruktur abwarten und dann sollte eigentlich alles von selber gehen. Der Kaiser hätte sicherlich Verständnis gehabt in die innere Logik des "Unabänderlichen".
Aus dieser gesellschaftlichen Majorität der Klasse des Proletariats folgt die Legitimation der "Diktatur des Proletariats" als mehr oder minder automatische demokratische Legitimationsbasis. Und der Marx`sche Begriff der "Diktatur" ist auch nicht in seiner späteren Bedeutung im Stalinismus zu verstehen.
Nach Marx können somit keine Revolutionen "gemacht" werden, sondern sie ergeben sich aus einer Mischung der eigenen Machtbasis des Proletariats und der Intensität der inneren Widersprüche des kapitalistischen Systems.
Lenin wies allerdings in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das kapitalistische System lernfähig sei, und Mechanismen entwickeln kann, die den historisch-materialistischen "Geschichts-Automatismus" ad absurdum führen könnte.
Ob Marx, oder andere Schwellenwerte der Industrialisierung berechnet haben, die erreicht sein sollten, kann ich so nicht beantworten. Wie überhaupt die Marx`sche Theorie sehr einseitig auf die Industrialisierung ausgerichtet war. Ein Problem, das für lange Zeit die theoretische Achillesverse in der UdSSR sein sollte und das Klassenverständnis in den zwanziger und dreißiger Jahren geprägt hatte. Erst die Arbeiten von Bukharin versuchten das Marx`sche Defizit auzugleichen und die Bauern mit den Proletariern als Klasse gleich zu stellen.
Wichtig ist dabei sicherlich auch eine Überlegung von Bernstein, der scharfsichtig und sehr pragmatisch die Frage der Kompetenz zum Führen von Unternehmen durch die Proletarier angesprochen hat. Und dem politisch und wirtschaftlich reifenden Proletariat eine "Lernphase" anriet, in der es von den "Kapitalisten" die "Ökonomie" - als Manager auf Probe - verstehen lernen sollte.
Ein Problem, das für den Übergang vom Zarismus in die Sowjetunion ebenfalls zentral war. Und man sollte betonen, dass die Mehrheit der ex zaristischen staatlichen Stellen bzw. Verwaltungen (inklusive viele Militärs) mit den Bolschewiken kooperiert hat und damit die Revolution überhaupt erst erfolgreich werden konnte.