Descartes - Erkenntnistheorie

Achillas_2042

Neues Mitglied
Guten Tag. Ich habe mal ne Frage und zwar wollte ich wissen, ob mir jemand den erkenntnistheoretischen Ansatz von Descartes und den dafür verwendeten Gottesbeweis kurz erklären könnte. Ich verstehe den Ansatz nicht so wirklich und der kommt bald in unseren Test dran.

Vielen Dank für Eure Hilfe.
 
Descartes übernimmt und modifiziert den sog. ontologischen Gottesbeweis von Anselm von Canterbury (um 1100), der im Prinzip darauf hinausläuft:

Es gibt im Verstand die Idee eines Wesens (Gott), über das hinaus nicht Größeres gedacht werden kann. Würde nun jemand sagen, dass diese Idee nur und ausschließlich im Verstand existiert, widerspräche das dem Merkmal dieses Wesens, dass über es hinaus nicht Größeres gedacht werden kann, weil ja die Möglichkeit besteht, das Merkmal der realen Existenz eines als Idee existierenden Wesens noch hinzuzudenken. Daraus folgt, dass ein Wesen, über das hinaus nicht Größeres gedacht werden kann, notwendig (real) existiert, da es ohne diese Existenz nicht das wäre, als welches es gedacht ist, nämlich ein Wesen, "über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann".

Soweit Anselm. Auf die möglichen Gegenargumente will ich an dieser Stelle nicht eingehen. Was Descartes betrifft, modifiziert er den Anselm´schen "Beweis" dahingehend: Er findet in seinem Verstand die Idee eines "vollkommenen Gottes", die als Idee per se vollkommen ist. Diese Idee in seinem Verstand versteht Descartes als eine Wirkung, die eine Ursache außerhalb seines Verstandes haben muss, denn als Mensch ist er unvollkommen, daher kann sein unvollkommener Verstand nicht die Ursache einer vollkommenen Idee sein. Daraus schließt Descartes, dass die Ursache der vollkommenen Idee eines vollkommenen Gottes nur ein real existierender vollkommener Gott sein kann.

Der "erkenntnistheoretische Ansatz" von Descartes sieht in etwa so aus:

Die drei Zweifelsstufen nach Descarte beziehen sich auf den Zweifel an den Sinneswahrnehmungen, an der Realität von Sinneswahrnehmungen überhaupt und an der Menschenfreundlichkeit des Weltschöpfers.

1)
Sinneswahrnehmungen können täuschen. Das motiviert Descartes, sie anzuzweifeln:

Alles nämlich, was mir bisher am sichersten für wahr gegolten hat, habe ich von den Sinnen oder durch die Sinne empfangen; aber ich habe bemerkt, dass diese mitunter täuschen, und die Klugheit fordert, Denen niemals ganz zu trauen, die auch nur einmal uns getauscht haben.


Allerdings können nicht alle Sinneswahrnehmungen bezweifelt werden:

Allein wenn auch die Sinne in Bezug auf Kleines und Entferntes bisweilen uns täuschen, so ist doch vielleicht das meiste derart, dass man daran nicht zweifeln kann, obgleich es aus den Sinnen geschöpft.

Also ergibt sich, als nächster methodischer Schritt, der Zweifel an der generellen Realitäts"fähigkeit" von Sinneswahrnehmungen: Ist alle Wahrnehmung nur geträumt?

2)
Dies klingt sehr schön; aber bin ich nicht ein Mensch, der des Nachts zu schlafen pflegt und Alles dies im Traume erfährt? Ja mitunter noch Unwahrscheinlicheres als das, was Jenen im Wachen begegnet? Wie oft kommt es nicht vor, dass der nächtliche Traum mir sagt, ich sei hier, mit dem Rock bekleidet, sitze am Kamin, während ich doch mit abgelegten Kleidern im Bette liege!

Aber auch hier entdeckt Descartes Aspekte, die nicht bezweifelt werden können:

Deshalb muss wenigstens das Allgemeine davon, die Augen, das Haupt, die Hände und der ganze Körper nicht als eingebildete, sondern als wirkliche Dinge bestellen. Denn selbst die Maler können, wenn sie Sirenen und Satyrisken in den ungewöhnlichsten Gestalten zu bilden suchen, diesen keine durchaus neue Natur beilegen, sondern sie mischen nur die Glieder verschiedener Geschöpfe. Ja selbst wenn sie etwas durchaus Neues, noch nie Gesehenes sich ausdenken, was mithin rein erdacht und unwahr ist, müssen doch wenigstens die Farben wirkliche sein, mit denen sie jenes darstellen.

Descartes sieht also zu viele Gemeinsamkeiten von Sinneswahrnehmung und Traum, als dass der Traum als einziger Wahrnehmungsmodus plausibel wäre. Über die Details seiner Argumentation kann man sicher streiten.

Bleibt nur noch der radikale Zweifel daran, dass überhaupt Wahr-Nehmung möglich ist. Damit gelangt Descartes zum "bösen Gott", dem genius malignus.

3)
Ich will also annehmen, dass nicht der allgütige Gott die Quelle der Wahrheit ist, sondern dass ein boshafter Geist, der zugleich höchst mächtig und listig ist, all seine Klugheit anwendet, um mich zu täuschen; ich will annehmen, dass der Himmel, die Luft, die Erde, die Farben, die Gestalten, die Tone und alles Aeusserliche nur das Spiel von Träumen ist, wodurch er meiner Leichtgläubigkeit Fallen stellt; ich werde von mir selbst annehmen, dass ich keine Hände habe, keine Augen, kein Fleisch, kein Blut, keine Sinne, sondern dass ich mir nur den Besitz derselben fälschlich einbilde;

An anderer Stelle gibt Descartes zu, dass natürlich auch dieser Genius in Zweifel gezogen werden kann, da weder er noch sein theoretischer Gegenpart, der gute Gott, beweisbar sind.

Jedenfalls führt die dritte Zweifelsstufe Descartes zu der Einsicht, dass nur eines nicht bezweifelbar ist: das Ego, welches in all diesen Zweifelsstufen präsent ist: Cogito ergo sum.

Er schreibt in der Zweiten Meditation:

Aber unzweifelhaft bin ich auch dann, wenn er mich täuscht; und mag er mich täuschen, so viel er vermag, nimmer wird er es erreichen, dass ich nicht bin, so lange ich denke, dass ich Etwas bin. Alles in Allem reiflich erwogen, muss zuletzt der Satz anerkannt werden: "Ich bin, ich bestelle, so oft von mir Etwas ausgesagt oder vorgestellt wird."
 
Zuletzt bearbeitet:
Weiß eigentlich jemand, ob René Descartes während der Schlacht am Weißen Berg ausschließlich als Beobachter gewirkt hat oder ob er sogar selbst als Soldat am Kampfgeschehen beteiligt war?
 
Es spricht in den Quellen nichts dafür, dass Descartes dort mehr als nur ein Beobachter war. Es gibt die Theorie, dass er die Holländer im Auftrag der Spanier ausspioniert hat, was aber unbelegbar ist. Von "wissen" kann hier sowieso keine Rede sein, wir können in dem Punkt, dass er die Ereignisse "beobachtet" hat, nur der zeitnahen Biografie von Adrien Baillet Glauben schenken (oder auch nicht). Erst wenn mehrere voneinander unabhängige Quellen in einer Aussage übereinstimmen, kann man annäherungsweise von einem historischen "Wissen" sprechen.
 
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